Barraquito
Von Maxi WunderKürzlich berichtete ich von einem – nun ja – leicht verkackten Urlaub auf Teneriffa. Der stellte uns übrigens schon vor der Abfahrt vor unerwartete technische Herausforderungen. Unsere Fluggesellschaft nötigte uns, online einzuchecken, andernfalls wären Gebühren angefallen, deren Höhe sie verheimlichte. Online einchecken bedeutet, dass man samt Koffer per WLAN in den Flieger gebeamt wird, damit die Billigairlines die Gehälter für die geschminkten Damen am Kofferabgabetresen einsparen. Dachten wir jedenfalls.
Roswitha pfriemelt an unseren Telefonen. »Jetzt sind wir online eingecheckt«, sagt sie. »Glaube, wir müssen diesen QR-Code an unsere Körper halten, damit wir online in den Flieger kommen. Was sonst bedeutet Online-Check-in?« Sie hält mir mein Telefon an den Schädel. Ich mache die Augen zu – und wieder auf: nix. Sitze immer noch auf dem Sofa in Plauen. »Mieser Service«, maule ich. »Gib mal her. Vielleicht geht das mit Chat-GPT. ›Flugnummer FYZ 4413 nach Puerto!‹« rufe ich in mein Handy. »Action now!« Nichts passiert. Ich frage die KI schriftlich, was los ist. Die kommt mit der Heisenbergschen Unschärfetheorie, die besage, dass es unmöglich sei, die komplexe Struktur eines gefüllten Koffers und erst recht die genauen Positionen und Bewegungen aller Teilchen eines menschlichen Körpers gleichzeitig zu messen, um ihn in einen Datensatz zu verwandeln und dann zu verschicken, ohne seine Originalversion zu zerstören. Der Mensch bestehe aus 37,2 Billionen Zellen. Für so eine gigantische Datenmenge seien heutige Computer noch zu leistungsschwach. Und Bioprinting mit 3-D-Druckern gebe es zwar schon, aber nur für Organe, nicht für ganze Menschen. »Ne Zweitleber im Land des Cuarenta y Tres wär auch nicht schlecht«, meint Rossi.
Ich gebe nicht auf und scanne die Chatbot-App von Deep Seek. Chinesische Technologie, das müsste klappen. »Sohooo!«, jubele ich und halte mein Telefon an Rossis Kopf … »Rossi?! Rossiiii?!« Roswitha ist weg! Nach vier Schrecksekunden klingelt mein Handy. »Du blöde Ziege! Ich stehe mitten im Berufsverkehr in Manhattan. Im T-Shirt!!«, brüllt sie durchs Telefon. Erleichtert und fassungslos zugleich rätsele ich rum. Manhattan? Die KI hat mich wörtlich genommen und Rossi nach … Soho gebeamt, ins Künstlerviertel von Manhattan. »Ich habe nur einen Arm!!«, schreit sie. – »DeepSeek, bitte, bitte, mach ihr den fehlenden Arm, bitte!«, flehe ich in die App. »Aua!«, tönt es aus dem Handy, »tut verdammt weh, wenn so ein Arm nachwächst! Aber die Leute mögen es, sie bleiben stehen und denken wohl, was für ’ne abgefahrene Performance … Maxi, mir ist kalt! Na warte, wenn wir uns auf Teneriffa wiedersehen!«
Als wir uns auf Teneriffa wiedersahen, gab es erst mal heißen Barraquito:
Zwei cl gesüßte Kondensmilch in ein hitzebeständiges kleines Glas füllen. Zwei cl Licor 43 (Cuarenta y Tres) langsam über die Kondensmilch gießen, so dass sich eine zweite Schicht bildet. Einen Espresso vorsichtig über einen Löffelrücken gießen. Heiße, aufgeschäumte Milch darübergeben. Mit einer Zitronenzeste und einer Prise Zimt dekorieren.
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