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Aus: Ausgabe vom 07.02.2025, Seite 1 / Inland
Budapest-Komplex

Auslieferung rechtswidrig

Bundesgerichtshof: Überstellung von Antifaschistin Maja T. nach Ungarn »tiefgreifender Grundrechtseingriff«
Von Lou Brenner
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Demonstration gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus (Jena, 25.1.2025)

Die Auslieferung der Antifaschistin Maja T. an die ungarischen Behörden im Juni 2024 war rechtswidrig. Die Überstellung der im »Budapest-Komplex« Angeklagten stelle einen »tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar«, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Durch diese sei das in der EU-Grundrechtecharta verbriefte Verbot von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung missachtet worden. Das Gericht in Karlsruhe gab damit der Klage gegen die Auslieferung recht. Laut BVerfG sei das Kammergericht Berlin der Pflicht, den Sachverhalt für T.s Überstellung zunächst vollständig aufzuklären, nicht gerecht geworden. Insbesondere seien die Haftbedingungen – die T. als nonbinäre Person in Ungarn erwarten würden – nicht hinreichend geprüft worden.

Der damals 23jährigen Aktivistin wird vorgeworfen, im Februar 2023 gemeinsam mit einer Gruppe weiterer Antifaschisten in Budapest gezielt mehrere Neonazis angegriffen und mit Teleskopschlagstöcken auf sie eingeschlagen zu haben. Zum »Tag der Ehre« versammeln sich dort jährlich Tausende Mitglieder der extremen Rechten Europas, um der Wehrmacht und ihrer ungarischen Kollaborateure zu gedenken. Neben einer Versammlung in der Hauptstadt marschieren die Faschisten – stilecht in Wehrmachtsuniform und mit allerlei Nazimemorabilia – in den Budapester Wäldern den Fluchtmarsch ihrer Helden nach.

Nach den Angriffen auf Neonazis hatte Ungarn einen europäischen Haftbefehl erlassen. Maja T. wurde im Dezember 2023 in Berlin festgenommen. Das dortige Kammergericht erklärte ihre Auslieferung im Juni 2024 für zulässig. Damit »machte sich Berlin zum Handlanger der sächsischen ›Soko Linx‹, die einen politisch motivierten Kampf gegen Antifas führt und Linke sehenden Auges in das Knastsystem eines rechts-autoritären Regimes ausliefert«, erklärte Jona Gessner am Donnerstag gegenüber junge Welt. Gessner ist Sprecherin der Kampagne »NS-Verherrlichung stoppen«, die zu Gegenprotesten nach Budapest mobilisiert.

Die Ausweisung erfolgte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Laut T. waren überall vermummte Polizisten mit »Maschinenpistolen im Anschlag« – Autokolonne, Straßensperren, Helikopterflug, Sack über dem Kopf. T. wurde daraufhin von der sächsischen Polizei im Eiltempo außer Landes gebracht, noch bevor das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung in der kurz darauf erlassenen Anordnung untersagen konnte. Man prüfe »eine Haftung der Verantwortlichen für die perfide orchestrierte Überstellung«, so T.s Anwalt Sven Richwin am Donnerstag gegenüber jW. In Berlin freue man sich über den »juristischen Erfolg«, doch werde der Beschluss vom Donnerstag »leider erst mal nicht automatisch zu einer Rückführung von Maja führen«, so Richwin weiter. Er erhoffe sich jedoch »zumindest Hafterleichterungen und ein Ende der Isolationshaft«. Der Prozess soll am 21. Februar in Budapest beginnen. Gegen ein Geständnis ohne weitere Verhandlung seien Maja 14 Jahre Haft angeboten wurden, bei einer Verurteilung drohten sogar bis zu 24 Jahre Haft.

Über eine Ausreise nach Deutschland »entscheiden allein ungarische Gerichte«, kommentierte das Auswärtige Amt die Entscheidung gegenüber jW. Erst nach einem rechtskräftigen ungarischen Urteil sei demnach eine Überstellung nach Deutschland möglich – zum Zwecke der Vollstreckung der verbleibenden Strafe.

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  • Leserbrief von Astrid Loehnert (7. Februar 2025 um 04:31 Uhr)
    In Fokus auf den Faschismus und das diesem folgende deutsche Justizsystem, kann man ruhigen Gewissens behaupten, dass es darin als Antifaschis*in weder umfassende Chancen auf Freiheits- oder Persönlichkeitsrechte, noch Gerechtigkeit gibt und dass die fehlende Gerechtigkeit im deutschen Justizsystem auch unmittelbare Folter durch die Isolation von Menschen der Gruppe der POC, Schwarzen und Linken und unbegrenzte barbarische Gewalt im deutschen Justizvollzugssystem bedeutet. Und diese entmenschlichte, toxische Gewalt in manchen EU-Ländern und in der Welt ist oftmals pure Folter und letztlich in der Folge: Mord. Da Fachismus immer als menschenvernichtend zu bewerten ist, bleibt nur die Frage: Was kann dieses Justizsystem in einer nicht funktionierenden, sogenannten Demokratie, die noch auf den schlechten Pfeilern des Faschismus aufgebaut wurde und in sich aufgrund der Nebenwirkungen des Rassismus auch nicht besser ist und nicht Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit befördert, sondern nur die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen, auch immer noch oder besonders die Menschen und Ressourcen anderer Länder, durch den bedingten und erwünschten Kapitalismus. Meiner Meinung nach ist die Blockade der Wirtschaft ein sehr sinnvolles Mittel und sollte benannt werden, um auch den Widerstand gegen die legale Unmenschlichkeit dieses hierarchischen Systems der modernen Sklaverei, Faschismus und Entrechtung zu aktivieren und die Solidarität und Nächstenliebe wieder durch das Vorleben in der Umgebung zu erlernen.
  • Leserbrief von Rayan aus Unterschleißheim (6. Februar 2025 um 20:46 Uhr)
    Da hat das BVG also das Offensichtliche bestätigt. In einem tatsächlichen Rechtsstaat müssten spätestens jetzt etliche Strafverfahren gegen alle beteiligten Cops, Richter, Staatsanwälte und etwaiges Hilfspersonal eingeleitet und zu Verurteilungen zu jeweils jahrelangen Haftstrafen führen, die beteiligten Institutionen in Gänze aufgrund der ständigen Wiederholung solch krimineller und (staats-) terroristischer Aktionen verboten und aufgelöst, die Mitglieder entsprechend verurteilt werden. Wird nicht passieren in einem Unrechtsregime, das sich nur zu Propagandazwecken als »Rechtsstaat« proklamiert und damit seinen Untertanen dreist ins Gesicht lügt. Selbst falls es unwahrscheinlicherweise zu Verfahren kommen sollte, wird es wie gewohnt enden. Typisches Beispiel ist unter vielen der Mord am schwer traumatisierten Jugendlichen Mohammed Drahme mittels Taser in den Hoden und durchsieben mittels Maschinenpistole: Die Kinder mordenden Staatsschranzen wurden unter grotesker Urteilsbegründung freigesprochen. In dem hier vorliegenden Fall wird das Bild zusätzlich zu dem bei Drahme offenkundigen Rassismus der beteiligten Cops passend ergänzt: Das deutsche Justizsystem arbeitet mit einem offen faschistisch regierten Staat und Justizsystem mit einem rassistischen und antisemitischen Führer Hand in Hand unter bewusster Umgehung der eigenen Gesetze und angeblichen Kontrollsysteme … »Nie wieder« war wohl nichts, denn wir leben bereits in der Diktatur des Kapitals, die offenbar die ihr innewohnende faschistoide Natur zum (de facto) Faschismus auch hierzulande bereits mal wieder manifestiert hat.
  • Leserbrief von Alexander Hoffmann aus Kiel (6. Februar 2025 um 19:57 Uhr)
    Die Verteidigung kostet Geld! Die Betreuung der Beschuldigten im Knast kostet viel Geld. Spendenkonto: Rote Hilfe e.V. IBAN: DE77 4306 0967 4007 2383 09 BIC: GENODEM1GLS Verwendungszweck: Budapest

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