Regierung in Wien gesucht
Von Dieter Reinisch, Wien![AUSTRIA-POLITICS.JPG](/img/450/205468.jpg)
Es war ein Kommen und Gehen in der Wiener Hofburg am Donnerstag. Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen rief zu Gesprächen mit den Parteichefs, nachdem tags zuvor bereits die zweiten Koalitionsverhandlungen seit der Nationalratswahl im September 2024 gescheitert sind. Den Anfang machte Beate Meinl-Reisinger von den liberalen Neos, danach der Nochvizekanzler Werner Kogler von den Grünen, gefolgt von ÖVP-Chef Christan Stocker und zum Abschluss kam Andreas Babler von der SPÖ.
Am Mittwoch nachmittag hatte Herbert Kickl von der rechten FPÖ den Regierungsauftrag zurückgelegt. Es war zu unüberbrückbaren inhaltlichen Differenzen in den Verhandlungen mit der konservativen ÖVP gekommen. Aber im Grunde lag es an der Aufteilung der Regierungsposten. Die ÖVP wollte nicht akzeptieren, dass die FPÖ neben Bundeskanzleramt, auch noch Innen- und Finanzministerium bekommt. Am Abend trat Kickl in einer Pressekonferenz vor die Medien: »Ich war heute am Nachmittag beim Bundespräsidenten. Ich habe ihn in einem persönlichen Gespräch darüber informiert, dass es trotz intensiver Bemühungen nicht möglich gewesen ist, eine Einigung mit der ÖVP in ganz zentralen Fragen für die Gestaltung einer guten Zukunft unserer Heimat Österreich zu finden.«
Wie es nun weitergeht, ist ungewiss. Kickl selbst drängt auf Neuwahlen: »Ich habe in diesem Gespräch auch meine Meinung zum Ausdruck gebracht, dass es gut und an der Zeit wäre, wenn auch vielleicht das Staatsoberhaupt jetzt die Variante einer raschen Neuwahl befürworten und unterstützen würde.« Außer der FPÖ wünscht sich dies jedoch keine der anderen Parteien, denn Neuwahlen könnten den Rechten ein noch besseres Ergebnis als im September bescheren. Damals erhielten sie 28,8 Prozent der Wählerstimmen, in der jüngsten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA liegen sie bei 35 Prozent.
Auch der Bundespräsident war am Mittwoch abend vor die Medien getreten und referierte zunächst lange über die vorhandenen Möglichkeiten: Neuerliche Koalitionsverhandlungen, eine Minderheitsregierung, eine sogenannte Expertenregierung oder Neuwahlen. Mehrmals forderte Van der Bellen »Kompromissbereitschaft«, die »ein österreichisches Kulturgut« sei. Dies deutete darauf hin, dass der Bundespräsident noch hofft, eine Koalition könne doch zustande kommen. So endete die mit viel Spannung erwartete Rede, wie so oft bei Van der Bellen, mit der Ansage, dass er nichts machen wird.
Öffentlich trat bisher nur ein Flügel innerhalb der sozialdemokratischen SPÖ um den mächtigen burgenländischen Landeshauptmann, Hans-Peter Doskozil, für eine »Expertenregierung« ein. Der Chef der SPÖ in der Steiermark, Max Lercher, schwenkte am Mittwoch auf denselben Kurs ein. Die Wiener Landespartei und der Gewerkschaftsboss Wolfgang Katzian fordern dagegen einen Eintritt der Sozialdemokraten in neue Regierungsverhandlungen. Die Chefs der anderen Parteien beteuerten am Donnerstag, bereit für Gespräche und Kompromisse zu sein. Eine Regierung mit der FPÖ wird es auf jeden Fall nicht sein, denn die einzige Option für sie wären Gespräche mit der SPÖ, doch die hat Kickl noch am Mittwoch selbst abgelehnt.
Ein möglicher Ausweg aus der Pattsituation könnte eine kleine große Koalition sein: ÖVP und SPÖ haben im Parlament genau ein Mandat Überhang, doch zeigen sich die Neos und die Grünen offen dafür, eine derartige Regierung im Parlament zu stützen. Für eine solche Variante fordern einige in der ÖVP jedoch, dass Babler nicht das SPÖ-Verhandlungsteam anführen soll. Nach dem SPÖ-Bundesparteipräsidium trat Babler vor die Medien und verkündete: »Österreich kann nur vorwärtskommen, wenn wir Kompromisse finden und aufeinander zugehen.« Mit ÖVP, Neos und Grünen wolle man an einem neuen Budget arbeiten und »wenn es sich daraus ergibt« wieder in Verhandlungen mit den Konservativen eintreten. Er werde das kommende SPÖ-Verhandlungsteam anführen. Nach Redaktionsschluss begab er sich als letzter Parteichef zum Bundespräsidenten.
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