»Es reicht nicht, gegen rechts zu kämpfen«
Interview: Gitta Düperthal
US-Vizepräsident J. D. Vance hat seinen Auftritt am Wochenende bei der »Münchner Sicherheitskonferenz«, Siko, auch als Gelegenheit zum Werben für die AfD genutzt. Den Ukraine-Krieg erwähnte er nicht. Wie wurde das am Sonntag bei Ihrer Veranstaltung zum Thema Frieden im Frankfurter Gewerkschaftshaus diskutiert?
Bei unserer gut besuchten Veranstaltung, die online bundesweit mitverfolgt wurde, haben wir uns mit der Politik der Trump-Regierung beschäftigt: In personeller Konstellation ist eine staatsmonopolistische Strömung eingezogen. Sie befasst sich mit der Durchsetzung der Profitinteressen des Großkapitals. Bedrohlich ist, dass sie nationalistische und extrem rechte Kräfte wie die AfD stärkt, um Formen internationaler Solidarität niederzumachen. Dass die US-amerikanische Politik nicht daran interessiert ist, diesen Krieg weiter zu befördern, war bekannt. Die europäische, vor allem aber die deutsche Politik muss nun erkennen: Sie hat auf das falsche Pferd gesetzt, in der Hoffnung darauf, dass dieser Krieg gegen Russland zu gewinnen wäre. Sie hat nicht reflektiert, dass sie auf Entspannung hätte setzen müssen, um zu vernünftigen friedenspolitischen Lösungen zu kommen.
Die USA fordern, Deutschland müsse künftig »selbst für Sicherheit sorgen«: Das ist Anlass für Kriegstreiber, nach mehr Waffen und Truppen zu rufen, so etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter.
Dass die deutsche Rechte auf Militarisierung setzt, statt auf internationale Zusammenarbeit, ist historische Realität. Deshalb reicht es nicht, gegen rechts zu kämpfen und die vermeintlich »gemäßigte« rechte Politik mit ihrer Militarisierung zu vergessen. »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus« heißt: Deutschland hätte eine neutrale politische Rolle einnehmen müssen. Auch die Bundesregierung hatte keine Alternative zum Krieg angedacht. Nun fällt es ihr auf die Füße.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij forderte die »Verteidigungsfähigkeit« Europas, erhielt dafür in München Applaus. Sind das schlechte Zeiten für die Friedensbewegung?
Selenskij, Vertreter dieser militarisierten europäischen Formation, will den Krieg gegen Russland weiterführen, der zunehmende Verluste verbucht. Das geht zu Lasten der Ukrainerinnen und Ukrainer. Wir müssen einen Waffenstillstand, ein Ende des gegenseitigen Totschießens, erreichen, auch damit andere Gebiete in Europa nicht mit ins Kriegselend hineingezogen werden. Wir stehen am Anfang einer Widerstandsbewegung gegen diese kriegerische Politik. Wir müssen uns auf durchsetzbare Ziele konzentrieren, etwa darauf, die von den USA für 2026 geplante Installation von Mittelstreckenwaffen mit großer Reichweite bei Wiesbaden zu verhindern. Am 29. März werden wir eine Demonstration dagegen durchführen. Mit unserem »Berliner Appell« haben wir schon fast 37.500 Unterschriften gesammelt.
In Umfragen zur Bundestagswahl am kommenden Sonntag kündigt sich eine mutmaßliche Kanzlerschaft von CDU-Chef Friedrich Merz an, der »Taurus«-Marschflugkörper an die Ukraine liefern will. Wie weit ist die Kriegsvorbereitung in Deutschland fortgeschritten?
Auch wenn Bundeskriegsminister Boris Pistorius von der SPD andenkt, Deutschland müsse in mindestens sechs Jahren kriegstüchtig sein, müssen linke Kräfte dagegenhalten. Es gilt, historisches Wissen zu aktivieren. Von 1933 bis 1939 waren es auch sechs Jahre, bis der Zweite Weltkrieg begann. Egal, wer die Kriegsvorbereitungen vorantreibt, ob SPD oder Union: Wir müssen es verhindern.
Das aktuelle »Grünbuch zur Zivil-Militärischen Zusammenarbeit im Kriegsfall« legt dar, dass die Bevölkerung in vielen Bereichen zurückstehen muss, wenn Soldaten an die Front gen Osten befehligt werden.
Wir werden alle Fragen von Sozialabbau und Verelendung der Gesellschaft aufgreifen, die mit einer Kriegspolitik einhergehen, und Ziele wie soziale Gerechtigkeit und einen sozialökologischen Umbau in den Vordergrund stellen. Aufgabe der Friedensbewegung ist es, jetzt auch die Gewerkschaften ins Boot zu holen. Wir fordern, in ein gutes Leben zu investieren, nicht ins Zerstören und Töten.
Willi van Ooyen ist Kosprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag
»Berliner Appell«: nie-wieder-krieg.org
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