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Aus: Ausgabe vom 18.02.2025, Seite 5 / Inland
Werksschließung

Der lange Arm der Treuhand

Die Felix Schoeller Holding schließt Papierfabrik in Sachsen und kürzt Stellen im Erzgebirge
Von Max Ongsiek
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Im Westen für den Osten entscheiden: Hauptsitz der Felix Schoeller Holding in Osnabrück

Schon wieder wird ein ehemaliger volkseigener Betrieb abgewickelt, diesmal von einem international agierenden Westkonzern aus Osnabrück. Die Felix Schoeller Holding, Weltmarktführer für Foto- und Dekorpapiere, streicht drastisch Stellen in ihrer gesamten Unternehmensgruppe, wie das Unternehmen am 12. Februar mitteilte. Betroffen sind insgesamt rund 210 Beschäftigte, vor allem in Ostdeutschland.

Im Werk Weißenborn im Erzgebirge könnten nach Angaben der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) bis zu 150 Stellen gestrichen werden. Die 1537 gegründete Papierfabrik im mittelsächsischen Penig wird noch in diesem Jahr komplett geschlossen. Zwar bestehe für die dort Beschäftigen die Möglichkeit der »Weiterbeschäftigung« in anderen deutschen Werken der Gruppe, wie das Unternehmen betonte. Aber ob ein Wechsel nach Neustadt im Schwarzwald oder Günzach im Allgäu für in Sachsen verwurzelte Familien eine Alternative ist, sei dahingestellt. Aktuell wird in Penig noch Dekorpapier für Möbel und Innenausstattungen hergestellt.

Für die Felix Schoeller Holding sind das wahrscheinlich nur Peanuts, denn laut eigenen Angaben arbeiteten für das Unternehmen 2024 in der BRD insgesamt 2.082 Werktätige. International zählt das Unternehmen sogar 3.797 Beschäftigte. Größter Standort ist das 2017 eröffnete Werk in Longyou in China mit 1.091 Arbeitern. Direkt dahinter folgen der Stammsitz in Hannover mit 889 Beschäftigten und das Werk in Weißenborn mit 691 Werktätigen. Nach eigener Darstellung entwickelt, produziert und vermarktet das Unternehmen weltweit »Spezialpapierlösungen« von »Foto- und Digitaldruckpapieren über Dekorpapiere für die Möbel- und Holzindustrie bis hin zu Trennpapieren, Sublimationspapieren und flexiblen Papierverbunden für Verpackungen«. Die Werksschließung in Penig wird vom Unternehmen mit der Neuausrichtung der »Produktionskapazitäten«, die Teil einer »strategischen Transformation« sei, gerechtfertigt. »Reinvent« (»neu erfinden«, jW) nennt sich diese »globale Zukunftsstrategie«, die sich »konsequent auf Profitabilität und langfristige Wettbewerbsfähigkeit« ausrichten soll. Auch der Stellenabbau in Weißenborn wird damit verteidigt.

Alle »Produkte, die bisher am Standort Penig hergestellt wurden«, sollen »auf andere Standorte verlagert« werden, heißt es in der Presseinformation des Unternehmens. Vielleicht nach China, wo das Werk der Gruppe ebenfalls Dekorpapier produziert? Diese Frage wollte das Unternehmen gegenüber jW nicht beantworten. Tatsächlich soll der Traditionsbetrieb dem Peniger Bürgermeister André Wolf (CDU) zufolge »im Moment rentabel« sein, wie dieser gegenüber dem MDR ausführte. Aber was heißt das schon, wenn Kapitalisten auf Kosten der Werktätigen Kasse machen können. Denn konkrete Gründe für die Werksschließung führt der Konzern in seiner Presseinformation nicht auf.

Zu DDR-Zeiten hatte der Betrieb noch rund 2.000 Beschäftigte und produzierte damals schon Dekorpapier. Allerdings für rund 70 Prozent der staatlichen Möbelindustrie. Nachdem Anschluss der DDR an die BRD und dem Verramschen der volkseigenen Industrie durch die Treuhand, kaufte die Felix Schoeller GmbH & Co. KG 1991 nicht nur das Peniger Werk, sondern setzte auch den Großteil der Belegschaft auf die Straße. Die Stadt ist tief mit ihrem Papierwerk verbunden, schließlich arbeiten dort viele Peniger seit Generationen, wie André Wolf, der Peniger Bürgermeister betonte. Gerade weil die Fabrik Teil der »Stadt-DNA« ist, sei die angekündigte Schließung besonders »niederschmetternd«, wie der Politiker gegenüber dem MDR ausführte.

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