Tödlicher werden
Von Arnold Schölzel
Die Westeuropäer jammern, Trump habe sie mit den Russen allein gelassen. Nun mehren sich Stimmen aus den USA, die ihnen bedeuten: Selbst schuld.
So veröffentlicht die FAZ am Donnerstag einen Text ihres Wirtschaftskorrespondenten in New York, Roland Lindner, in dem er Alex Karp, Chef des US-Software- und Rüstungskonzerns Palantir, porträtiert. Überschrift: »Wir glauben, wir machen Amerika tödlicher«. Titel in der Druckausgabe: »Auf Distanz zu Deutschland«. Bei Karp bedingt das eine das andere.
Der in Liechtenstein lebende US-Bürger hat in den 90er Jahren laut FAZ in Frankfurt am Main »unter Jürgen Habermas studiert und dort auch seinen Doktortitel in Philosophie gemacht«. Heute sei sein Blick auf die Bundesrepublik »allerdings sehr kritisch, wenn nicht sogar vernichtend«. Das gelte fürs Militär und für Spitzentechnologie. In seinem neuen Buch »The Technological Republic« schreibe Karp , »die deutschen Streitkräfte seien nach Jahrzehnten der ›Selbstgeißelung‹ nur noch eine ›Karikatur‹, und das Land habe sich selbst ›kastriert‹«. Es habe eine »Überkorrektur« stattgefunden, für die nun ganz Europa einen hohen Preis bezahle: »Der Rückzug eines starken und durchsetzungsfähigen Deutschlands hat ohne Zweifel zu Russlands Invasion in der Ukraine beigetragen.« So weit, so extrem rechts.
Dem Fernsehsender CNBC habe der Hochrüstungsfanatiker zudem vor wenigen Tagen gesagt, »Deutschland habe ›de facto fast keine Techszene‹. Niemand glaube an sie, und niemand investiere in sie«. Der FAZ-Autor fügt hinzu, Karp spreche von der Warte eines Konzerns, dessen wichtigster Kunde die US-Regierung und speziell das Verteidigungsministerium sei, von Trump erhoffe er sich beste Profite. Forbes schätze sein Vermögen auf 8,1 Milliarden US-Dollar.
Karp, lässt sich daraus schließen, betrachtet wie andere US-Hightech-Milliardäre die Welt gewissermaßen von Geldbergen herab. Da ergibt sich Desinteresse an Menschen fast von selbst, garniert mit Ethik. Laut Lindner beschreibt Karp Palantir »gerne als Unternehmen mit starkem moralischem Kompass«. Karp habe bei der Vorlage von Geschäftszahlen unlängst stolz erklärt: »Wir glauben, wir machen Amerika tödlicher.« Wenn notwendig, helfe Palantir dabei, »Feinden Angst zu machen und sie gelegentlich zu töten«. Kürzlich brachte Karps Firma demnach einen Werbespot heraus, der diverse Waffensysteme im Einsatz zeigt und mit dem Slogan endet: »Schlachten werden gewonnen, bevor sie beginnen.«
Die starke Moral des Frankfurter Dr. phil. drückt sich auch in anderen Prinzipien aus, die allerdings eher mit denen von Olaf Scholz und Annalena Baerbock als mit denen Donald Trumps übereinstimmen. So beliefert Palantir zum Beispiel laut FAZ nur die USA und ihre Verbündeten und lehnt »Geschäfte mit Ländern wie China und Russland« ab. Daher: »Palantirs Software wird etwa von der Ukraine genutzt, Karp hat wenige Monate nach Russlands Invasion 2022 den Präsident Wolodimir Selenskij besucht. Auch im Nahostkonflikt bezieht das Unternehmen Position. Kurz nach dem Angriff der Hamas in Israel im Oktober 2023 schaltete es eine ganzseitige Zeitungsanzeige mit dem Satz ›Palantir steht auf Israels Seite‹.« Mit solchem Tödlichermachen dürfte Trump keine Probleme haben.
Einziges Problem: In den USA wuchs der Umsatz zuletzt um 36 Prozent, in Westeuropa nur um vier. Karp habe das »blutleer« genannt und die europäischen Unternehmen rückständig. Auf X habe er jüngst in einem Gespräch Deutschen, die in der Technologiebranche arbeiten, geraten, in die USA auszuwandern und auf deutsch hinzugesetzt: »Dort spielt die Musik.« Karp irrt. Das deutsche Kapital hat sich fürs Tödlicherwerden entschieden.
Auf X habe Karp jüngst in einem Gespräch Deutschen, die in der Technologiebranche arbeiten, geraten, in die USA auszuwandern und auf deutsch hinzugesetzt: »Dort spielt die Musik.« Karp irrt. Das deutsche Kapital hat sich fürs Tödlicherwerden entschieden.
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