Ein Bärendienst für den Klimaschutz
Von Wolfgang Pomrehn
Eine Billion Euro wollen Union und SPD für Rüstung und Infrastruktur lockermachen. Umweltverbände monieren, dass dabei zu wenig für den Klimaschutz rüberkommt. Am Donnerstag nachmittag hatten sie daher zu einer Protestkundgebung vor der Berliner Bundeszentrale der CDU aufgerufen. Gekommen war allerdings nur ein schütteres Häuflein von knapp 200 meist älteren Demonstranten. Die jüngsten Teilnehmer waren deutlich älter als 20 Jahre. Die Jugendbewegung Fridays for Future, die zum Aufruferkreis gehörte, hatte offensichtlich keinen einzigen Schüler hinter dem Ofen hervorlocken können.
Wenn man sich den Text anschaut, mit dem die Kampagnenorganisation Campact für die Veranstaltung warb, lässt das eher hoffen. »Es darf nicht nur um Rüstungsausgaben gehen, auch Klimaschutz muss auf die Agenda«, heißt es dort. Richtig gelesen: Campact findet es ganz in Ordnung, dass ein gewaltiges Rüstungsprogramm auf der Agenda steht, hätte halt dazu nur gerne noch ein bisschen Klimaschutz.
Auf Nachfrage der jungen Welt wird dies ausdrücklich bestätigt und auf einen Aufruf zu einer Aktion am vergangenen Sonntag verwiesen. Auf dieser hatte Campact in Berlin gemeinsam mit SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und der evangelischen Kirche »Für unser aller Freiheit und Sicherheit« demonstriert. In dem Aufruf dazu hieß es: »Nicht nur Verteidigungsausgaben, sondern auch Investitionen in unsere Unabhängigkeit müssen von der Schuldenbremse ausgenommen werden.« Auch die Linkspartei wird aufgefordert, »Verantwortung zu übernehmen«.
Ein »starkes Europa« müsse geschaffen und die neue Bundesregierung müsse »Schritte hin zu einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik gehen«. Erstaunliche Worte für eine Organisation, deren Macher aus der globalisierungskritischen Bewegung der Jahrtausendwende stammen und sich einst an den Kampagnen gegen die sogenannte EU-Verfassung beteiligt hatten. Lange vorbei scheinen die Zeiten, in denen Campact Massendemonstrationen gegen sogenannte Freihandelsabkommen organisierte, mit denen die EU die Länder des Südens ausplündert.
Mitveranstalter der Kundgebung am Donnerstag waren neben Fridays for Future auch der World Wild Fund for Nature (WWF), der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sowie Greenpeace. Außer den beiden letztgenannten hat keine Organisation auf entsprechende Nachfragen reagiert. Vom BUND hieß es, man habe »keine Position zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben«, und Campact könne schreiben, was es wolle. Von Greenpeace gab es immerhin eine deutliche Distanzierung.
Dort lehne man die Reform der Schuldenbremse zur Erhöhung der Militärausgaben ab. »Die kombinierten Verteidigungsausgaben der europäischen NATO-Staaten betrugen im Jahr 2024 430 Milliarden US-Dollar«, erklärte eine Greenpeace-Sprecherin gegenüber jW. »Den Wehretat mit einem abgewählten Bundestag von jeglichen Regeln der Schuldenbremse entbinden zu wollen, kommt einem fragwürdigen Blankoscheck gleich.« Auf der Kundgebung war dann viel Richtiges zum Thema Klimaschutz zu hören, aber von einigen Rednern eben auch, dass der Klimaschutz eine ähnliche »Herausforderung wie die Verteidigung« sei.
Der ganze Vorgang macht deutlich, wie nachhaltig weite Teile des NGO-Milieus inzwischen von der Militarisierungshysterie erfasst sind. Dass Organisationen wie Campact und viele andere dennoch von der Union längst ins Fadenkreuz genommen wurden, scheint dabei ebensowenig aufzufallen wie die Tatsache, dass dem Klimaschutz und der Klimabewegung mit derartigen Aktionen ein Bärendienst erwiesen wird.
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