Mahnung zur Wachsamkeit
Von Nick BraunsIn Anwesenheit von hochbetagten Überlebenden aus Israel, Polen, Frankreich, Rumänien und Belarus ist am Sonntag in Weimar mit einem Gedenkakt an die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora vor 80 Jahren erinnert worden. Auf dem Ettersberg hatten die deutschen Faschisten ab 1937 mehr als 250.000 Menschen aus mehr als 50 Nationen interniert, mehr als 56.000 Menschen wurden ermordet. Wachsamkeit und Widerstand gegen heutige rechtsextreme und revanchistische Kräfte forderte der frühere Bundespräsident Christian Wulff als Hauptredner. »Wer sich nicht konsequent abgrenzt, der macht sich schuldig gegenüber dem Schwur von Buchenwald«, erklärte Wulff mit Blick auf die AfD. Der CDU-Politiker verteidigte den auf Druck der israelischen Regierung von der Gedenkveranstaltung als Redner ausgeladenen deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm »als Anwalt universeller Menschenwürde mit Ziel der Gerechtigkeit, Verständigung und Versöhnung.«
Neben der offiziellen Gedenkveranstaltung mit anschließender Kranzniederlegung fand ein Gedenkmarsch von rund 500 antifaschistischen Jugendlichen auf den Ettersberg mit Kundgebung statt. »Wir gedenken der Toten, aber auch der Überlebenden. Denn deren kollektives, solidarisches Handeln sicherte das Überleben vor der SS und ermöglichte schließlich die Selbstbefreiung des Lagers, noch bevor die US-Truppen dieses einnahmen«, betonte Ulrich Schneider, Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstands-kämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten am Sonntag gegenüber jW. »An diesen Widerstand im Lager zu erinnern, ist für heute und morgen wichtig.«
Beim offiziellen Gedenken wurde dagegen die Einnahme des Lagers durch die US-Armee betont. Unerwünscht waren dabei diplomatische Vertreter von Belarus und wohl auch der russischen Föderation. So bestätigte der Geschäftsträger der belarussischen Botschaft, Andrei Schupliak, seine Ausladung durch die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora gegenüber der Berliner Zeitung vom Sonnabend. Das Blatt wies auf eine ihm vorliegende Handreichung des Auswärtigen Amtes (AA) zum Umgang mit Vertretern von Russland und Belarus bei Gedenkveranstaltungen rund um den 80. Jahrestag der Befreiung hin. Diese ist unter der Maßgabe strenger Vertraulichkeit zumindest vom Innenministerium in Potsdam an Landräte und Kreise in Brandenburg verschickt worden. Demnach sollten keine Einladungen an russische und belarussische Vertreter zu Gedenkveranstaltungen von Bund, Ländern und Kommunen ergehen. Sollten diese »unangekündigt erscheinen, können Einrichtungen im eigenen Ermessen und mit Augenmaß von ihrem Hausrecht Gebrauch machen«, wird der Rauswurf der Diplomaten gefordert. Moskau und Minsk würden die anstehenden Gedenkfeiern etwa an den Seelower Höhen in Brandenburg oder dem Sowjetischen Ehrenmal am Treptower Park in Berlin »mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung bringen«, so die Begründung durch das AA.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- Stefan Boness/IPON21.02.2025
Hilfloser Antifaschismus
- Florian Boillot25.09.2024
Sozialdemokratisches Sowohl-als-auch
- Mateusz Kaczmarek/REUTERS23.07.2024
Söldner verurteilt
Mehr aus: Inland
-
In Ungnade Gefallener des Tages: Hamed Abdel-Samad
vom 07.04.2025 -
Friedensbewegung ruft zu Ostermärschen auf
vom 07.04.2025 -
Tarifabschluss für Roland Koch
vom 07.04.2025 -
»Wir müssen die Bedrohungslüge entlarven«
vom 07.04.2025 -
Die AfD im Nacken
vom 07.04.2025 -
Gegen »Zombie« Che Guevara
vom 07.04.2025 -
Stahlkocher vor Arbeitskampf
vom 07.04.2025 -
Danone plant Werksdemontage
vom 07.04.2025
Den Vergleich des Holocaust mit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 habe ich nicht verstanden. Wer wurde denn in den Konzentrationslagern umgebracht? Juden oder Israelis? Nach der »Kristallnacht« im November 1938 kamen erst deutsche Juden ins KZ, aber Israel wurde ja 1948 erst gegründet. Auf einer Leserreise nach Israel 2013 besuchten wir auch das Höchste Gericht. Dort hörte ich von einem der 15 höchsten Richter, die zionistische Vision – ein Gemeinwesen in Palästina als dem »Land der Väter« zu schaffen, war eine Antwort auf steigenden Antisemitismus in Europa, welcher führte im Zweiten Weltkrieg zum Holocaust und kostete sechs Millionen Juden das Leben. Unser Staat Israel schützt uns jetzt gegen alle Feinde.
Die New York Times schrieb, die Israelis kannten ein Jahr vorher der Plan der Hamas, am 7. Oktober, Israel anzugreifen. Es gab ein Dokument mit dem Codenamen »Jericho-Mauer«, das auf 40 Seiten einen Gefechtsplan der Hamas beschrieb. Ignorierte Israel bewusst die Warnungen? Denn sie hatten seit Januar 2023 landesweite Proteste gegen die geplante Justizreform der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu. Nach dem ausgerufenen Kriegszustand war Schluss mit den Protesten. Die Welt und auch ich trauern um die toten Israelis und Palästinenser. Doch Frieden gibt es erst, wenn jedem Recht geschieht! Nur eine Zwei-Staaten-Lösung ist der einzige Weg, um die langfristige Sicherheit sowohl des israelischen als auch des palästinensischen Volkes zu gewährleisten. Frieden fängt zuerst bei uns selbst an: Peace, Friede, Schalom, Salam.