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Aus: Ausgabe vom 07.04.2025, Seite 4 / Inland
Antideutscher »Antifa«-Kongress

Gegen »Zombie« Che Guevara

Berlin: »Antifa«-Kongress sagt Internationalisten und »autoritären Staaten« den Kampf an
Von Susann Witt-Stahl
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Der deutsche Antifaschismus soll kriegstüchtig gemacht werden. Wenn die Funktionseliten des NATO-Imperialismus zum letzten Gefecht gegen die »Achse der Autoritären« rufen, dann müssen wertewestliche Linke den Hauptfeind im eigenen Land bekämpfen: »Rote Gruppen und ihre autoritären Weltbilder schießen wieder wie Pilze aus dem Boden«, warnt die Gruppe »Gegenform« und mobilisiert in Kooperation mit der »Naturfreundejugend Berlin« und dem Medienpartner Jungle World zu einem dreitägigen »Antifa«-Kongress in der Hauptstadt, der am Kampftag der Arbeiterklasse beginnen soll.

Das Bündnis »linksradikaler, antifaschistischer Gruppen und Einzelpersonen« in Berlin beklagt »antiisraelische Vereinnahmungen der revolutionären 1.-Mai- oder der 8.-März-Demonstrationen« durch internationalistische Linke. Es fehle an »schlagkräftiger antifaschistischer Gegenwehr« – auch gegen den Nakba-Tag. Dieses Jahr sollen am 1. Mai aber nicht nur die Fäuste gegen die »antisemitische Internationale«, sondern auch die Fetzen der »Ideologiekritik« gegen alles fliegen, was auf der Speisekarte der NATO steht: die »weiter Einfluss und Macht ausbauenden autoritären Gesellschaftsentwürfe verschiedener Staaten des sogenannten globalen Südens und des Islamismus«, wie es im »Gegenform«-Selbstverständnis heißt. Herrschte bisher Alarmbereitschaft wegen der »Aggressoren« Palästina, Putin, China und Iran, droht nun auch Gefahr vom sozialistischen Kuba, dem »Zombie« Che Guevara und seinem »Neuen Menschen«. Und so ist auch ein Vortrag den »Hedonisten und Homosexuellen in den kubanischen Arbeitslagern« gewidmet.

Auf der Rednerliste sind die üblichen Vertreter der vom Klassenkampf und Weltveränderungspostulat gesäuberten »wertkritischen« Marx-Lektüre versammelt, die seit Jahrzehnten den »Arbeiterbewegungsmarxismus« anprangern und die Freiheit der westlichen Warenzirkulation gegen die Verdammten dieser Erde verteidigen. Bereichert wird das Line-up von Thomas Ebermann, Mitgründer der Grünen, der nach der »Wende« vom Antiimperialismus zur »Israel-Solidarität« rübergemacht hatte; ebenso von dem passionierten Kreml-Propagandisten-Jäger Ewgenij Kasakow, der sich über »Spaltungen im marxistisch-leninistischen Milieu« freut. Stark vertreten ist die Stahlhelmfraktion des »antideutschen« deutschen Imperialismus, etwa mit dem Blogger Felix Riedel, der unlängst die Umwandlung der Bundeswehr in »eine antifaschistische Interventionsarmee« zur »Notwendigkeit« erhob. Darunter auch Konjunkturritter der »Zeitenwende«, die schon vor Jahren den langen Marsch über die goldene Atlantikbrücke angetreten haben: Ulrike Becker von der Neocon-Denkfabrik Mideast Freedom Forum Berlin und Referentin bei der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie Stefan Grigat, prominenter Iran- und Gazakrieginfluencer, der an der Bundeswehr-Universität in München gelehrt hat.

Antifaschismus für »antiautoritären« militaristischen Staatsumbau? Die der Linkspartei nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) macht’s möglich: Sie hatte nicht nur Stefan Grigat ein Promotionsstipendium spendiert – wie vielen »Antideutschen«, die irgendwann eine Seminararbeit über »linken Antisemitismus« geschrieben haben –, ihr Name fand sich auch unter den Förderern des »Gegenform«-Kongresses. Die RLS hat in der Vergangenheit häufiger Beihilfe dazu geleistet, Realsozialismus zur Barbarei zu erklären. 2023 hatte die Stiftung etwa in Kooperation mit dem Linxxnet-Projekt der sächsischen Linkspartei-Abgeordneten Juliane Nagel eine Veranstaltungsreihe »wider den autoritären Kommunismus« organisiert – einige Monate, nachdem die Politikerin und ihr »Antifa«-Anhang einen Aufzug von ukrainischen Nationalisten unterstützt hatten.

Vermutlich wegen lauter werdender Proteste hat die RLS die Förderung des »Gegenform«-Kongresses mittlerweile abgesagt. Ihr Logo wurde am Sonnabend von der Homepage des Veranstalters entfernt. Dieser sei schon vorher dazu aufgefordert worden, teilte ein Sprecher der RLS auf Anfrage von junge Welt mit. Die Gründe dafür ließen sich »in der Kürze der Zeit« nicht darlegen.

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  • Leserbrief von Joshua Hutsteiner (7. April 2025 um 17:02 Uhr)
    Das »Wir«, das den Vernichtungsantisemitismus hier zum Unabwendbaren diktiert, und das »das schlechte Bessere« (mit Bauchschmerzen) verteidigt sehen will, hat mit Vernunft noch genau so viel zu tun wie »jene«, die im Erlösungssubjekt Palästina ihre Ersatzrevolution suchen, aber von revolutionären Bemühungen jenseits von Symbolik und Phrasendrescherei nur etwas wissen wollen, wenn weit weg Menschen im globalen Süden verrecken, auf die das eigene Untätigsein im Klassenkampf begründet werden kann. Komplett weltentfremdete Mittelstandskinder, ohne irgendein Bewusstsein von der Klasse, über die sie sprechen, prügeln sich darum, wer die herrschenden Imperialisten am besten gegen die anderen herrschenden Imperialisten, und natürlich den barbarischen Pöbel, verteidigen kann, während um sie herum die bürgerliche Demokratie in Faschismen zerfällt. Die radikale Linke in Deutschland verwest endlich in ihre Aufgelöste Selbstbezogenheit: Sie kann nun vielmehr als eine radikale Mitte verstanden werden, die genau das tut, was ihr Mittel-Klassenbewusstsein als vernünftig erscheinen lässt.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (7. April 2025 um 16:29 Uhr)
    Liebe Susann Witt-Stahl! Warum mitnem Scherz beginnen, der am Ende viel besser reinhaut?! Danke für Deinen Text, auf den ich ehrlich seit langem gewartet habe. – Die RLS driftet derart seitwärts? Wie auch immer: Der Paternoster is prima! (Gibt’s den noch?)
  • Leserbrief von Joachim Becker aus Eilenburg (7. April 2025 um 15:02 Uhr)
    In den 1960er und 1970er Jahren ist auch der Revolutionär Che Guevara noch Symbolfigur der damals revolutionären (!) Linken in den kapitalistischen Ländern und der Befreiungsbewegungen in der sogenannten dritten Welt, in ihrem Kampf gegen den Kolonialismus und Imperialismus gewesen. Gibt es ihn heute noch, diesen linken Antiimperialismus? Diese Zeiten sind wohl entgültig vorüber. Heute sind die »Linken« bzw. das, was sich noch links nennt, gespalten und zerstritten. Da werden sogenannte »Rote Gruppen«, also sozialistische und kommunistische Organisationen, von »Linken« zum Hauptfeind erklärt. Wo ist die Linke in der BRD bloß hingekommen? Die Linke steckt in einer tiefen Krise. Na ja, der herrschenden Klasse in der BRD kann es nur recht sein.

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