Scheiß Panda-Spreading!
Von Peter Köhler
Hier wird von Anfang an Klartext gedichtet. Gleich die ersten Verse stimmen den selbstbewussten Ton an, der bis zum Ende durchgehalten wird: »Viele schlaue Nachtigallen legen nie ein Ei ins Nest / aus Angst vor schlaffen Beckenböden und dem Kita-Sommerfest« – denn Mutter werden ist schon schwer, Mutter sein ist es noch mehr. Der nächste Zweizeiler zeigt an, dass hier auch sprachlich Signale gesetzt werden, weibliche Signale: »Hunderttausend Schildkrötinnen / sind zahm außen und wild innen«; und dass Tiere Menschen gleichen und sich deshalb die gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse des Homo sapiens im beispielsweise Entenleben ironisch spiegeln lassen, ist sowieso klar: »Zum Erpel sagt die Ente: ›Ich kriege keine Rente.‹ / Sagt er, im Plauderton: ›Ich schon.‹«
Tiergedichte gibt es viele und seit alters, gerade auch komische. Doch in nahezu allen spielen Männchen die Haupt- oder einzige Rolle, spiegelt sich eine männlich zentrierte Weltsicht, geht es um männliches Denken und Tun, wie Ella Carina Werner in ihrem Nachwort betont. Robert Gernhardts berühmter »Kragenbär« (er »holt sich munter / einen nach dem andern runter«) ist ein unwiderlegliches und für eine unerschrockene Satirikerin naheliegendes Beispiel, Heinz Erhardts »Die Made« ein anderes, denn ungeachtet ihres Genus ist sie bei ihm »Made junior« – Werner stellt richtig: »Hinter eines Baumes Rinde / ruft die Made nach ’ner Binde. / Eine Periodentasse / fände sie sonst auch echt klasse.«
Feministische Tiergedichte, die die Titanic-Autorin Werner hier präsentiert, sind etwas Neues. Ob Möpsin, Schneckin oder Señora Hummel, schon in der Grammatik wird die weibliche Selbstermächtigung sichtbar, die selbstverständlich nicht nur, siehe oben, in puncto Kinder, sondern auch in puncto Küche gilt: »Im Haushalt macht Frau Schwalbe / ungern halbe-halbe, / sondern konsequent / 0 %« – ebenso konsequent und kompromisslos spielt die Kirche keinerlei Rolle im emanzipierten Frauenleben und Tiergedicht.
Dass die realen Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern die Autorin nicht in plumpe Klage verfallen lassen, sondern in literarisch verfeinerte Rage bringen, versteht sich also. »Gemütlich lümmelt sich Frau Panda / in der Bahn über zwei Sitze, / sitzt fröhlich mit gestreckten Beinen / und wackelt mit der Stiefelspitze. / ›Und ich muss stehen – auf dem Boden! / Mit meinen schweren Monsterhoden!‹, / mault der Dachs und schmiert mit Edding / an die Wand: SCHEISS PANDA-SPREADING«.
In der Dichtung, also der erdichteten Wirklichkeit, spielt der Kunstgriff der Umkehrung eine zentrale Rolle, um die empirische Realität als verkehrt bloßzustellen. Die berufliche muss folglich auf den Kopf gestellt werden: »Am Morgen trinkt der Oran-Utan / sich im Büro stets etwas Mut an, / denn Helga, das Rhinozeros, / ist ein hammerharter Boss.« Und die häusliche sowieso: »Die Kuh sagt zum Stier: ›Bring mir ein Bier!‹ / Der Stier bringt vier: / eins für sich, drei für ihr.« Sogar der Reim (passenderweise ein »männlicher« ausweislich der Betonung) muss sich hier der Frauenpower beugen – einer sogar mit doppelter Wucht vorgetragenen, weil die Illustratorin Juliane Pieper Werners Worte in schrillen, quietschbunten Farben schön grell in Szene setzt.
Mit dem feministischen Tiergedicht hat Ella Carina Werner ein Genre begründet, zu dem vielleicht bald weitere Autorinnen (und Autoren?) beitragen werden. Dazu regt nicht nur ihr Buch an – sondern auch ihre neue, seit dem Februarheft in der Titanic erscheinende Kolumne.
Ella Carina Werner: Der Hahn erläutert unentwegt der Henne, wie man Eier legt. Feministische Tiergedichte. Illustriert von Juliane Pieper. Kunstmann-Verlag, München 2025, 160 Seiten, 22 Euro
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