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Aus: Ausgabe vom 26.03.2025, Seite 10 / Feuilleton

Holland-Moritz, Pietsch, Jurichs

Von Jegor Jublimov
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Filmkritikerin Renate Holland-Moritz

»Der Berliner liebt bekanntlich Musike, Molle und Korn sowie Hunde. Von allem hat der Film reichlich, von letzterem überreichlich. Und er hat den genauen Tonfall, den trockenen Witz, das radikal Unpathetische des Berliners. Auch sein Hang zur Sentimentalität, die jeweils vor Erreichung der ästhetischen Schmerzgrenze durch Ruppigkeit katalysiert wird.« Dass Filmkritikerin Renate Holland-Moritz (1960 bis 2015 die »Kino-Eule« des Magazins Eulenspiegel) trotz thüringischer Wurzeln in ihrer mal ironischen, mal bissigen Schnoddrigkeit eine echte Berlinerin war, bewies sie auch in dieser Kritik zu Ulrich Theins Komödie »Mensch, mein Papa …!« (1988 mit Erwin Geschonneck und Franziska Troegner).

Sie wurde am 29. März vor 90 Jahren in ein linkes Elternhaus hineingeboren und hat sich bis zu ihrem Tode 2017 entschieden links engagiert. Das hieß vor allem, gesellschaftliche Positionen darauf abzuklopfen, ob sie den Menschen nutzten. Als Satirikerin erreichten ihre Erzählungen und Glossen am Buchmarkt Höchstauflagen und wurden mehrfach verfilmt. Hat sie eine Nachfolgerin gefunden? Im Eulenspiegel gibt es die Satirikerin Felice von Senkbeil, aber ist es wirklich eine Frau? Oder ein Pseudonym für einen Mann?

Ob Kameramann Wolfgang Pietsch gekränkt war, als Holland-Moritz ihm unterstellte, jeder Dokumentarfilmer hätte den Sportfilm »Platz oder Sieg?« (1980/81) aufregender fotografiert als er? Mit Tiefschlägen der »Kino-Eule« war immer zu rechnen. Doch Pietsch, der an diesem Mittwoch 90 Jahre alt wird, hat auch Filme mitverantwortet, die noch heute Bestand haben, etwa die Anna-Seghers Adaption »Die große Reise der Agathe Schweigert« (mit Helga Göring, 1972) oder die Storm-Verfilmung »Am grauen Strand, am grauen Meer« (mit Fred Düren, 1980). Und auch sein Zweiteiler »Das Buschgespenst« (1986, mit Rolf Ludwig) läuft noch oft zur Freude des Publikums, denn Karl May ist einfach nicht totzukriegen.

Als 19jähriger saß Claus Jurichs 1954 gemeinsam mit Götz George als Oberprimaner in der Klasse von Lehrerin Luise Ulrich in dem Film »Ihre große Prüfung«. Schon ein Jahr später gab er in Bremen sein Theaterdebüt, ging dann nach Leipzig und Meiningen. Ab 1959 in Berlin ging’s zum DFF nach Berlin-Adlershof. Hier und bei der Defa spielte er bis 1966 zahlreiche große Rollen neben DDR-Stars jener Jahre, so Inge Keller, Ingeborg Nass und Eva-Maria Hagen, und mit besonderem Erfolg den Medizinstudenten Klaus, der sich 1960 in »Papas neue Freundin« Angelica Domröse verliebt. Zwei weitere Filme der Reihe schlossen sich an. Auch Ulrich Thein gab ihm in seinem Debüt »Titel hab’ ich noch nicht« 1964 eine große Nebenrolle. Der Erfolg hielt den Westberliner in der DDR, aber bald blieb ihm nur die Arbeit im Westen, wo er zum Beispiel Terence Hill und Robert De Niro die deutsche Stimme gab und in Krimis (»Tatort« 1975–77, »Detektivbüro Roth«, 1986) oder Familienserien mitwirkte (»Drei Damen vom Grill«, 1977/78; »Die Wicherts von nebenan«, 1988). Vor genau 20 Jahren starb er, drei Tage nach seinem 70. Geburtstag am 28. März.

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