Augrund vieler Nachfragen: Weitere Fotos von der XXI. Internationalen Buchmesse in Kuba und der Stadt Havanna. Zwei Bilderstrecken zeigen vor allem persönliche (Ein-)Blicke.
Über die weitere Arbeit des Büros Buchmesse werden die Diskussionen in den nächsten Monaten geführt. Havanna und Kuba bleibt die junge Welt aber weiterhin verbunden.
Zum »Treffen der Intellektuellen für den Frieden und die Umwelt«, zu dem der frühere kubanische Präsident Fidel Castro am 10. Februar 2012 in den Palacio de Convenciones in Havanna etwa 120 Gäste einlud, waren auch Vertreter des Berliner Büro Buchmesse Havanna eingeladen: Heinz Langer, Botschafter der DDR in Kuba, Andreas Köhn, Fachbereichsleiter Kunst und Medien bei verdi Berlin-Brandenburg, Marion Leonhardt von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba sowie Katja Klüßendorf von der Tageszeitung junge Welt.
Zu den deutschen Gästen zählten zudem Harri Grünberg, Frank Schwitalla und Brigitte Schiffler von der Delegation des Netzwerks Kuba, die sich ebenfalls gerade in Havanna aufhielten und neben der Buchmesse weitere Termine auf der Insel wahrnahmen.
Unter den geladenen Intellektuellen fanden sich bekannte Namen wie Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel,
der Träger des angesehenen spanischen Literaturpreises Premio Cervantes,
Sergio Pitol, die argentinische Publizistin Stella Calloni, der
brasilianische Befreiungstheologe Frei Betto, die Journalisten Ignacio
Ramonet und Atilio Borón oder der spanische Schriftsteller Santiago Alba.
Zahlreiche Gäste ergriffen das Wort. Als erster von ihnen sprach Ignacio Ramonet und kritisierte, daß das globale
Mediensystem die Information zu einer reinen Ware gemacht und die
Medien von tatsächlichen Inhalten entkleidet habe. Die Massenmedien seien heutzutage die ideologische Maschine der Globalisierung,
denn sie helfen die Menschen glauben zu lassen, in der besten
Gesellschaft zu leben.
In der Diskussion dazu wurden der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur und die deutsche marxistische Tageszeitung junge Welt als wichtige Beispiele für Medien der Gegeninformation zur Propaganda der von kapitalistischen Konzernen beherrschten Massenmedien genannt.
Aus der deutschen Delegation meldete sich auch Harri Grünberg, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Kuba, zu Wort und plädierte für eine bessere Zusammenarbeit lateinamerikanischer und europäischer Intellektueller. An seinen Hinweis auf die junge Welt-Vertreterin unter den Gästen erinnerte sich Fidel Castro auch noch ein paar Stunden später und ließ sie kurz vor Schluß der Veranstaltung auf die Rednerliste setzen. Der Beitrag von Katja Klüßendorf ist im folgenden Video des kubanischen Fernsehens dokumentiert, übersetzt wird sie von Harri Grünberg. (jW)
Heute beschließen wir als Berliner Büro Buchmesse Havanna unsere Veranstaltungsreihe mit Heinz Langer, dem früheren Botschafter der DDR in Kuba - dort, wo sie auch am 13. Februar begann: in der einstigen Kommandantur Che Guevaras, einem der schönsten Vortragsäle auf der Cabaña.
»Die Zärtlichkeit der Völker«, ein Buch über die Beziehungen zwischen der DDR und Kuba, war Thema der ersten Veranstaltung gewesen. Viele Kubaner im Publikum erinnerten sich an die regen Handelsbeziehungen und an den kulturellen Austausch. Auch die Kubanische Buchkammer, die jährlich die Buchmesse ausrichtet, hat ihre Wurzeln in einer Initiative der DDR zur Kooperation im Verlagswesen in den frühen 60er Jahren.
Das Buch »Mit Bedacht, aber ohne Pause«, um das es heute geht, analysiert die Vorgeschichte des letzten Parteitages und den Prozeß der Entwicklung der verabschiedeten Leitlinien. Heinz Langer referiert nicht den Inhalt seines Buches. Denn das hieße, vor einem kubanischen Publikum Eulen nach Athen zu tragen, wie er sagt. Aber es ist ihm wichtig darzulegen, warum er dieses Buch geschrieben hat. Es soll einen Beitrag zu der bis in die Linke in Deutschland reichenden Diskussion leisten, ob Kuba seinen sozialistischen Weg verläßt.
Langer argumentiert, daß Kuba - wie seit Beginn der Revolution - an seinem Weg festhalte und es sich um eine Stärkung, eine Aktualisierung des Sozialismus handle. Er illustriert den breiten Diskussionsprozeß zu den Leitlininen in der kubanischen Gesellschaft, der in der BRD in Gesetzgebungsverfahren undenkbar sei.
Im Publikum wird rege diskutiert. Ein junger Mann will mehr Demokratie im Parlament, wobei nicht klar wird, was er darunter versteht. Daraufhin steht ein ältere Kubaner auf und sagt, daß er zum ersten Mal in seinem Leben ein Mikrofon ergreife. Über eine Million Kubaner hätten ihre Meinung zu den Leitlinien abgegeben, überall in den Betrieben und Barrios seien sie diskutiert worden. Dies sei die breiteste Einbeziehung der Menschen in einen solchen Prozeß, den er kenne. Der Beifall aus dem Publikum bestärkt ihn.
Als von der Organisationsleitung das Zeichen kommt, daß die Zeit um sei, wird die Diskussion kurzerhand im Freien fortgesetzt.
Ich stand kurz nach vier auf, nahm meinen gepackten Rucksack (Landkarte, Paß, Kameras, Notizbuch) und schlich mich aus dem Hotelzimmer. Ich ging am Revolutionsmuseum mit dem Granma-Memorial und der ewigen Flamme vorbei, marschierte die calle Aguacate nach rechts bis zur Obispo hinunter, dann nach links am Hotel Ambos Mundos vorbei bis zur Avenida del Puerto. Dann wieder nach rechts, vorbei am alten Zollgebäude und der Hafenmeisterei, weiter zum Fähranleger.
Wenn der öffentliche Nahverkehr in Havanna zum Erliegen kommt - die Fähren nach La Regla und Casa blanca am Ostufer der Bahía de la Habana fahren immer noch. Es gibt strenge Sicherheitskontrollen, aber zwischen fünf und halb sechs sind sie noch nicht übertrieben streng. Es gab in der Vergangenheit Versuche, eine Fähre nach Miami zu entführen, was, wenn es geklappt hätte, eine abenteuerliche und langwierige Reise geworden wäre. Seitdem darf man keine Handfeuer- und blanken Waffen, Glasflaschen und Laptops mitführen. Das mit den Laptops habe ich nicht verstanden, denn soweit ich erkennen konnte, haben die alten Dieselbarkassen keinen USB-Anschluß.
Als ich die Fährstation erreichte, fuhr mir mein Boot vor der Nase davon, aber selbst mit dem nächsten kam ich noch pünktlich auf dem Bahnhof in Casa blanca an. Was nicht kam, war der Zug. Der Fahrkartenschalter war geschlossen, jemand hatte, soweit ich das im Dunkeln entziffern konnte, auf ein Schild geschrieben: »no hay tren hasta ...«. Der Rest war nicht zu lesen. Es sah ein bißchen aus wie: »Es fährt kein Zug vor neun.«
Ich wartete eine Weile gemeinsam mit enem Dutzend Einheimischer (die wichtigere Termine hatten als ich und sichtlich nervös wurden). Nach einer halben Stunde fuhr ich zurück in die Stadt So sah ich den Sonnenaufgang über der Bucht, dem natürlichen Hafen von Havanna. Ich schlenderte an den Kais entlang zurück ins Hotel, frühstückte, drehte noch eine Runde durch Centro Habana und Habana Vieja, kaufte die Granma und zwei Zigarren, das Stück für einen kubanischen Peso, den Gegenwert von vier Eurocent. Die Polizisten am Fähranleger in Havanna Vieja waren sich ziemlich sicher, daß der Zugverkehr wieder rollen würde, also versuchte ich mein Glück aufs Neue mit dem Mittagszug.
Ich wollte den Kräutermann in Arcos de Canasí besuchen. Vor ein paar Tagen hatte ich ihn auf der Fähre kennengelernt: Ein kleiner, von der Sonne verschrumpelter alter Bauer aus der Gegend um Matanzas. Früher hatte er als Vorsitzender einer Bananenkooperative gearbeitet, jetzt war er pensioniert und kam jeden Tag mit dem Frühzug von Canasí nach Havanna, um auf dem Markt Medizinkräuter zu verkaufen. Für die hundert Kilometer brauchte der Zug, wenn er denn fuhr, ganze drei Stunden. » Wenn du nach Canasí kommst, frag nach dem hierbero«, sagte er, dem Kräutermann.
Der Alte strahlte die ganze Zeit. Nun, er hatte eine Menge Sonne abgekriegt in seinem Leben. »Schau dich um«, sagte er. »Das ist einer der schönsten Flecken auf Gottes Erde. Wir Kubaner sind eine Mischung von allem: Spanier, Afrikaner, Chinesen. Und alle ganz entspannt. Auf Kuba gibt es keine Rassendiskrimierung.«
Zwei Tage später traf ich ihn wieder auf der Fähre. Am Tag zuvor hatte ich dem kubanischen Fernsehen ein Interview gegeben, in dem ich mich für die Freilassung der fünf in den USA verurteilten kubanischen Agenten ausgesprochen hatte, die seit 1998 in Miami im Strafvollzug sitzen. Sie hatten in den 90ern terroristische Exilgruppen unterwandert, um Anschläge auf touristische Einrichtungen auf der Insel zu verhindern. Ihre Informationen hatten sie später dem FBI übergeben, das daraufhin eine Bombenwerkstatt hochnahm. Trotzdem wurden die fünf zu unverhältnismäßig hohen Gefängnisstrafen verurteilt. »Ich hab dich in den Nachrichten gesehen«, begüßte mich der Kräutermann am nächsten Tag, strahlend wie immer.
»War`s okay, oder hab`ich Blödsinn erzählt?«, wollte ich wissen.
»Das war eine sehr gute Intervention«, sagte er.
Er hatte mich eingeladen, sein Dorf zu besuchen. 1958 hatte er als Guerrillero mit dem M-26-7 in den Bergen gekämpft. Als ich sah, wie behende der alte Mann mit seinem Rucksack vom Boot kletterte, glaubte ich ihm aufs Wort. Ich versprach, ihn am nächsten Tag zu besuchen.
Der Fahrkartenschalter war immer noch geschlossen. Drinnen klingelte ununterbrochen ein Telefon. Es hatte am Morgen schon geklingelt, und so ging es vermutlich schon den ganzen Tag. Jetzt, in der Mittagssonne, konnte ich die Schrift auf dem Schild in Gänze entziffern: »no hay tren hasta nuevo aviso«, stand da: »Kein Zug bis zu neuer Auskunft«. Zehn Meter neben dem Bahnsteig verkaufte eine Frau Kuchen aus einem Kiosk. »Haben Sie eine Idee, ob hier heute noch ein Zug fährt?«, fragte ich.
»Fragen Sie mal am Fahrkartenschalter«, sagte sie.
»Der Schalter ist schon den ganzen Tag geschlossen«, sagte ich. »Da gibt`s niemanden, den man fragen kann.«
Auf dem Bahnsteig saß ein Bauarbeiter, einer von der schwärzesten Sorte, wie man sie in Habana Vieja, Centro und Regla trifft. » Was glaubst du«, fragte ich, »wann kommt der neue aviso?«
»Kann in einer Stunde sein«, sagte er. »Oder morgen. Kann in vierzehn Tagen sein oder in einem Jahr.«
»Ich werd`mal ein bißchen warten.«, sagte ich. »Auf Kuba braucht man vor allem Geduld.«
»Auf Kuba ist alles schwierig«, sagte er, »und nichts einfach.«
Er arbeitete seit Januar auf einer Baustelle ein paar hundert Meter weiter in einer Fabrik. Einen Arbeitsvertrag hatte er noch nicht. »Der Chef hat uns 300 Pesos versprochen, aber wie`s aussieht, will er jetzt nur 250 zahlen.«
»In der Woche?«, fragte ich.
»Monatlich.« 250 kubanische Pesos (CUP) sind ungefähr zehn Euro oder knapp 13 konvertible Pesos (CUC). Man muß natürlich bedenken, daß die Kubaner keine Miete und Krankenversicherung zahlen.
»Passiert sowas öfter, daß man keine schriftlichen Arbeitsverträge bekommt und beim Lohn über den Tisch gezogen wird?«
»Ist hier wie überall auf der Welt«, sagte der Arbeiter. »Wenn du Geld hast, hast du keine Probleme, aber wenn du für dein Geld arbeiten mußt, fangen die Schwierigkeiten an.«
»Gibt es keine Behörden, die die Einhaltung der Arbeiterrechte überwachen – Verträge, Gesetze, Arbeitsschutz, Lohn?«
»Behörden gibt`s«, antwortete er. »Aber ich hab noch nicht gesehen, daß die etwas überwachen.«
»Eine Frage«, sagte ich. »Auf Kuba hat theoretisch die Arbeiterklasse die Macht.«
»Ja«, sagte er. »In der Theorie ist das so.«
Er verabschiedete sich (seine Mittagspause war vorbei) und ging gemächlich an seine Arbeit. Ich packte meine Sachen und marschierte fünf Kilometer. Ich kletterte einen Berg hoch und wieder runter. Ich passierte das erste Haus, das Che Guevara auf Kuba bewohnt hatte. Im Garten grasten ein paar Ziegen. Das schlichte Anwesen ist heute ein Museum, und zwei uniformierte Frauen wollten mich für sechs konvertible Pesos hineinlassen. Ich versprach, später wiederzukommen. An der Autobahn erwischte ich einen Bus zu den Playas del Este, den sechsten, nachdem fünf hoffnungslos überfüllte vorbeigefahren waren. Dummerweise fuhr der Bus heute mit veränderter Linienführung, was ich daran bemerkte, daß er plötzlich auf eine Ausfallstraße einbog, die ins Landesinnere führte. Ich stieg um auf einen russischen Ural-LKW, der mich bis Guanabo brachte, 27 Kilometer östlich von Havanna. Die Halte stelle lag nur zweihundert Meter vom Strand. Unten zog ich die Schuhe aus und ging ein Stück weiter Richtung Osten. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft auf Kuba am 6. Februar sprang ich ins Wasser und schwamm eine Runde im karibischen Meer. Ein paar Männer fischten mit der taraya, einem kreisrunden Wurfnetz, an dessen Rand kleine Gewichte befestigt sind. Ein vielleicht vierjähriger Junge spielte mit einer angespülten Portugiesischen Galeere, einer giftigen Nesselqualle. »Bengel«, schrie ich, »faß die nicht an!« Es war das erste und bislang einzige Mal, daß ich mich in kubanische Angelegenheiten eingemischt habe, die Sache mit den fünf Agenten nicht eingerechnet. Ich setzte mich unter eine Kokospalme, zündete eine Zigarre an und vertiefte mich ins Studium der Granma.
Am Donnerstag besuchten wir die Ciudad Escolar Libertad, eine am Stadtrand von Havanna gelegene Bildungseinrichtung, in der vorwiegend künftige Pädagoginnen und Pädagogen ausgebildet werden.
Derzeit lernen und wohnen 1107 Studierende auf dem Gelände, das tatsächlich einer kleinen Stadt gleicht. Neben Häusern, in denen die Vorlesungen stattfinden, gibt es Kantinen, Wohnheime, Kulturzentren sowie großzügige Parkanlagen und Grünflächen. Außerdem ist hier auch das Alphabetisierungsmuseum untergebracht, in dem die heroische Episode der Ausrottung des Analphabetismus in Kuba im Jahr 1961 dargestellt wird.
Die Schule bzw. Universität – hier lernen und forschen Abiturjahrgänge, Studenten und Doktoranden – hat selbst eine bewegte Geschichte. 1898 wurde auf dem Gelände die erste US-Kaserne in Kuba gegründet. Im März 1959 wurde die Kaserne wie viele andere im Land in eine Schule umgewandelt. Camilo Cienfuegos persönlich habe die Mauer zerstört, erzählt uns Sergio, der damals ein Teenager war und selbst an der Alphabetisierungskampagne teilgenommen hat. Auch Raquel, die vor einigen Tagen am jW-Stand auf der Buchmesse war, ist zufällig da.
Die Alphabetisierungsveteranen begleiten uns durch das Museum und erzählen uns von der Kampagne, die im Frühjahr 1961 begann. Mehr als 100 000 Menschen folgten damals dem Aufruf der revolutionären Regierung, sich am Kampf gegen die Leseunkundigkeit zu beteiligen. Das Durchschnittsalter der „Lehrer", die in Landgemeinden gingen, um Bauern und Arbeitern das Lesen und Schreiben beizubringen, bewegte sich zwischen 14 und 16 Jahren. Kinder unterrichteten damals Erwachsene. Die jüngsten Lehrer waren bei Beginn der Kampagne 7 Jahre alt, die ältesten Schülerinnen eine 102jährige und eine 106jährige Frau.
Durch die Erzählungen der Beteiligten und die Dokumente im Museum wird deutlich, wie wichtig die Kampagne nicht nur für das Land, sondern für jeden einzelnen Beteiligten war. Für jene, die endlich Lesen und Schreiben konnten, fing damals ein neues Leben an. Aber auch für die Jugendlichen, welche den Unterricht erteilten, war die Erfahrung prägend. Vor allem die damals beteiligten Frauen sagen heute, dass die Kampagne für ihre Emanzipation unglaublich wichtig war. Viele Väter waren strikt dagegen, dass ihre Töchter für mehrere Monate von zuhause weggingen. Zehntausende machten es trotzdem und erlangten durch die Unterrichtstätigkeit, aber auch durch die Tatsache, sich gegen ihre Väter durchgesetzt zu haben, ein Selbstbewusstsein, das für ihr gesamtes weiteres Leben von großer Bedeutung war.
Havanna hat zwei Lenin-Denkmäler – bemerkenswert wenig für die Hauptstadt eines Landes, dessen Regierung sich auf die Lehren von Marx, Engels, Lenin und den kubanischen Nationalhelden José Martí beruft. Letzterer hingegen ist omnipräsent in Havanna.
Martí-Büsten findet man an jeder Ecke, sie zieren Eingänge zu Museen und Behörden ebenso wie Parks oder das Schaufenster des Citröen-Autohauses im Stadtteil Vedado. Außerdem prägen Konterfeis von Camilo Cienfuegos und Che Guevara das Stadtbild. An zahlreichen Hauswänden sowie im Logo des Kommunistischen Jugendverbandes sind die beiden zusammen mit Julio Antonio Mella zu sehen, dem in den 1920er Jahren im mexikanischen Exil ermordeten kommunistischen Studentenführer.
Lenin hingegen gibt's nur zwei Mal. Im großen Lenin-Park südlich des Stadtzentrums steht ein vom sowjetischen Bildhauer L. E. Kerbel 1984 errichtetes Denkmal zu Ehren des russischen Revolutionärs. Der andere Lenin-Gedenkort Havannas ist bereits 60 Jahre älter. In dem heute zur Hauptstadt gehörenden Hafenstädtchen Regla ließ der damalige sozialistische Bürgermeister anlässlich des Todes Uljanows ein Denkmal errichten und pflanzte einen Olivenbaum dazu.
Regla liegt dem Zentrum von Havanna gegenüber auf der anderen Seite des riesigen Hafenbeckens. Am schnellsten ist die Arbeitervorstadt mit der Fähre zu erreichen, die alle zehn Minuten von der Altstadt abfährt. Nach zwei Entführungsversuchen der langsamen alten Schiffe in den Jahren 1994 und 2003 gibt es nun Sicherheitsvorkehrungen: Rucksack öffnen, Metalldetektor, Fotografieren verboten. Besonders streng wird dies alles aber nicht gehandhabt.
Für die Fahrt zahlen Einheimische ein paar Centavos in kubanischen Pesos, Touristen müssen einen konvertiblen Peso berappen. In Regla angekommen, stößt man zuerst auf die direkt neben dem Hafen gelegene Iglesia de Nuestra Senora de Regla. Hier verehren Katholiken wie auch Anhänger der Santería-Religion die Santísima Virgen de Regla – Schutzherrin der Matrosen, in den 1990er Jahren angeblich auch Pilgerstätte für Flüchtlinge, welche sich per Boot Richtung Florida aufmachten.
Regla ist das Zentrum traditioneller afrokaribischer Religionen in Kuba. Und so können Gläubige neben der Kirche nicht nur katholische Heiligenbilder, sondern auch Santería-Kultgegenstände kaufen. Die Hafenstadt hat – abgesehen vom Lenin-Denkmal – wenig für Besucher zu bieten und ist deshalb trotz der Nähe zur Altstadt bisher von den Touristenströmen verschont geblieben.
Man spaziert durch ruhige Gassen, kleine Geschäfte bieten ihre Waren feil, Handwerker gehen ihrer Tätigkeit nach. An den zwei oder drei Bushaltestellen im Ort stehen und sitzen Wartende. Restaurants hoffen auf Kundschaft und würden sich über etwas mehr ausländische Besucher in diesem Teil der Hauptstadt freuen. Die Einheimischen ziehen – nicht zuletzt aus finanziellen Gründen – Kaffee und kleine Snacks vor, die direkt auf der Straße, meist aus Wohnhäusern heraus verkauft werden.
Ein paar Straßen nördlich vom zentralen Platz Reglas soll laut Reiseführer eine „hohe Metalltreppe" zum Lenin-Denkmal führen. Die Wegbeschreibung ist ungenau, die Autoren des Buches rechneten offenbar nicht damit, daß sich Reisende tatsächlich auf die Suche nach Lenin machen würden. In einem kleinen Park mit Bushaltestelle und einem der mobilen Schießstände, die man in Havanna häufig sieht, erhebt sich die Treppe hinauf auf den kleinen Hügel, den Colina Lenin. Die Stiegen sind unbenutzbar, bei den beiden Aufgängen fehlt jeweils der unterste Teil der Treppe, so daß diese erst ab einer Höhe von etwa zwei Metern benutzbar wäre.
Nach kurzer Neuorientierung findet der Lenin-Suchende aber die Straße, die auf der anderen Seite des Hügels zwischen kleinen Häusern auf den Hügel führt. Neben dem letzten Haus vor einem großen Parkplatz rattert eine kleine Wasserpumpe. Gegenüber sind ein paar Männer mit Renovierungsarbeiten beschäftigt. An den Wäscheleinen einiger Häuser flattern Kleidungsstücke in der warmen Februar-Brise.
Am Ende des leeren Parkplatzes steht etwas versteckt hinter Bäumen und Sträuchern ein Haus, davor eine weitere Martí-Büste. Links davon führt ein kaum ausgetrampelter Pfad dorthin, wo das Denkmal stehen müßte. Die Mischung aus Verlassenheit und dem offiziellen Charakter des Hauses mit der Büste lädt nicht dazu ein, hier weiter vorzudringen.
Als ich gerade wieder den Rückzug antreten will, kommen zwei Frauen und ein Mann aus dem Haus und registrieren erstaunt den einsamen Besucher. Auf meine Frage, ob hier das Lenin-Monument zu finden sei, erklären sie mir, dass dieses derzeit renoviert würde und deshalb geschlossen sei. Als könne er meine Gedanken erraten, erklärt mir der Mann, dass gerade Geld für die Instandsetzung gesammelt würde. Das erklärt wohl, weshalb nirgends Renovierungsaktivitäten oder zumindest Hinweise auf diese zu sehen sind.
Unverrichteter Dinge mache ich mich auf den Rückweg. Den Colina Lenin hinunter, dann auf Umwegen durch die Gassen Reglas zurück Richtung Hafen. Lenin habe ich nicht gefunden. Ein paar Mal nicke ich am Weg noch José Martí zu, dann warte ich auf die nächste Fähre, die mich in die Altstadt zurückbringt.
Ich ging die Landstraße von der Cabaña-Festung Richtung Casablanca. Es war abends, die Buchmesse schloß langsam ihre Tore. Ich wollte die Fähre über die Bucht von Havanna nehmen. Mir sind Boote lieber als Busse oder Taxis, und die Seeluft über der Lagune schmeckt bessert als die Abgase im Tunnel, der die Hafeneinfahrt unterquert. Ich kam an eine Kreuzung und war mir nicht ganz sicher, wo ich lang mußte. Aber weil gerade Buchmesse war, stand heute an dieser ruhigen Kreuzung ein Polizist neben seinem Motorrad.
"'n Abend", sagte ich. "Bin ich hier richtig nach Casablanca? Zur Fährlinie?" Und dann passierte es. Der Polizist schüttelte mir die Hand. Guten Abend, Compañero. Ich dachte erst, er hätte mich mit jemandem verwechselt oder wollte Zeit gewinnen, weil er den Weg selbst nicht wußte. Aber nein: Dieser junge Mann war nicht verwirrt. "Ja, ja , du bist richtig. Immer geradeaus.
Die Geste war von einer rührenden, unbeholfenen, aber absolut authentischen Freundlichkeit, die - davon bin ich überzeugt - nicht nur mit karibischer Mentalität, sondern auch mit dem fortwirkenden Impuls der kubanischen Revolution zu tun hat, einer Bewegung von Intellektuellen aus eher bescheidenen Verhältnissen, Arbeitern und Bauern. Natürlich sind Kubas Polizisten Ordnungshüter wie ihre Kollegen in aller Welt, und ihre Schlagstöcke tragen sie demonstrativ offen, damit niemand auf dumme Gedanken kommt. Die Ordnung hier kennt wie jede Ordnung strikte Regeln. Aber trotz wachsender sozialer Unterschiede ist es dennoch keine Ordnung, die der Herrschaft eines reichen Besitzbürgertums dient. Natürlich sieht die Realität anders aus die Ideologie, aber die spontane, anrührende Freundlichkeit des kubanischen Polizisten hat ihre eigenen sozialen Wurzeln. Es hat etwas mit dem Klassencharakter der kubanischen Revolution zu tun.
Im Übrigen zahle ich fünf Dollar oder konvertible Pesos an jeden, der mir glaubhaft versichern kann, daß ihm so etwas schon einmal in irgendeinem Land außerhalb der Republik Kuba widerfahren ist.
Wenn man in Havanna mit den an ihren Uniformen sofort erkennbaren Schulkindern spricht und diese nach ihrer beruflichen Zukunft befragt, möchten 90 Prozent der Grund- und Mittelschüler einen akademischen Beruf ergreifen. Die verbleibenden zehn Prozent wollen eher einen Job als Kraftfahrer oder Hotelportier, als in einer Fabrik arbeiten.
Um dieser Fehlentwicklung entgegenzuwirken, werden zunehmend Berufsberatungen durchgeführt. Diese beginnen bereits in der Grundschule. Um Interessa an handwerklichen Tätigkeiten zu wecken, werden Workshops organisiert, in denen die Schüler z. B. Spielsachen aus Plastik- und Kartonabfällen herstellen. Die 24 Grundschulen der Hauptstadt führen dazu sogar einen Wettbewerb durch. Das Projekt wird auch von der UNESCO gefördert. Da diese und andere Workshopangebote nach der Schule stattfinden, wird damit auch der Jugendkriminalität und dem Alkoholmißbrauch durch eine sinnvolle Freizeitgestaltung entgegengewirkt.
Hervorzuheben ist dabei noch, daß die ausgebildeten Teamer und Referenten die Kurse und Gruppen ohne Honorar in ihrer Freizeit leiten.
Ein weiteres Angebot, das vorrangig in Havannas Stadtvierteln mit niedrigem Bildungsniveau durchgeführt wird, ist die Beratung von werdenden und stillenden Müttern. Man hätte eigentlich erwartet, daß nach 53 Jahren Sozialismus allgemeine Kenntnisse über elementare Fragen der Kinderhygiene eine Selbstverständlichkeit sind. Leider scheint sich Kuba da aber nicht von anderen Entwicklungsländern zu unterscheiden.
Seit 1998 sitzen fünf kubanische Staatsbürger im US-amerikanischen Strafvollzug. Unter dem Vorwurf der Spionage wurden sie vor einem Schwurgericht in Miami zu ungewöhnlich hohen Freiheitstrafen verurteilt. Reaktionäre exilkubanische Gruppen sorgten während des Prozesses für eine aufgeheizte Atmosphäre.
Tatsächlich ging es dabei aber um "Spionage" einer etwas anderen Art. Mitte der 90er Jahre führten terroristische Gruppen der exilkubanischen Rechten mehrere Bombenanschläge auf touristische Einrichtungen in Kuba durch. Das Ziel: ein Klima der Angst zu erzeugen und in der Weltöffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, Kuba sei kein sicherer Ort für Urlauber.
Letztlich ging es darum, die sozialistische Inselrepublik von einer Deviseneinnahmequelle abzuschneiden, die langsam zu sprudeln begann. Dafür waren die kubanischen Contras bereit, über Leichen zu gehen.
Die fünf Agenten unterwanderten im Auftrag der kubanischen Regierung die terroristischen Organisationen, sammelten Beweismaterial und übergaben dieses ans FBI. Dieses stellte aufgrund dieser Informationen Attentatspläne und Sprengstoff sicher. Gleichzeitig wurden die fünf Kubaner festgenommen und wegen Spionage gegen die USA vor Gericht gestellt und von einer eingeschüchterten Jury in Miami verurteilt.
In Berufungsverfahren wurden die Urteile bislang im Wesentlichen bestätigt. Weitere juristische Schritte sind nur noch in sehr begrenztem Umfang möglich. Umso größere Bedeutung gewinnt die Arbeit für eine politische Lösung. "Obama - give me five" ist der Slogan einer Kampagne, mit der die kubanische Regierung die internationale und insbesondere die US-amerikanische öffentliche Meinung dafür gewinnen will, Druck auf den US-Präsidenten auszuüben, eine humanitäre Lösung herbeizuführen und die fünf wieder zu ihren Familien nach Kuba zu lassen.
Und diese Kampagne gewinnt an Fahrt. Es ist beeindruckend, zu sehen, daß die Republik Kuba die "Miami-Five" nicht im Stich läßt. Nicht nur die Regierung, nicht nur die Familien - Künstler, Intellektuelle und einfache Leute machen sich stark für die Freilassung der fünf. Am Mittwoch beteiligten sich mehrere hundert Intellektuelle, größtenteils Hohschullehrer und Akademiker, im Rahmen einer internationalen bildungspolitischen Konferenz in Havanna an einer Diskussion, auf der die Planung der Kampagne besprochen wurde. Und die ist, wenngleich es sich unverkennbar um eine Angelegenheit handelt, die bei vielen Kubanern, nicht nur den Familienangehörigen, starke Emotionen auslöst, hochgradig professionell organisiert.
Ein Beispiel von vielen ist ein youtube-Videoclip mit dem US-amerikanischen Schauspieler Danny Glover, in dem es diesem gelingt, Leuten, die noh nie etwas vom Fall der fünf gehört haben, den Kern der Sache in einer virtuellen zweiminütigen Pressekonferenz zu erklären. Mit auf dem Podium saß auch der brasilianische Befreiungstheologe Frei Betto.
Er verwies auf ein Buch seines Landsmannes, des Schriftstellers Fernando Morais: "Die letzten fünf Soldaten des kalten Krieges". Die Resonanz auf dieses Werk, ds bislang nur auf portugiesisch vorliegt, sei in Brasilien enorm gewesen, und zwar weit über die Linke und die Kuba freundlich gesonnen Kreise hinaus. Selbst Anhänger der konservativen Rechten hätten das Buch beeindruckt aufgenommen, und seien entsetzt gewesen über das einer breiteren Öffentlichkeit unbekannte Ausmaß und die Perfidie des konterrevolutionären Terrorismus. "Morais Buch ist einfach auch ein hervorrragend geschriebener Roman", fügte der kubanische Publizist Enrique Ubieta hinzu. Der Kampf, die öffentliche Meinung in den USA und international für die Sache der fünf politischen Gefangenen zu gewinnen, sei letztlich Teil eines umfassenden Kampfes um die kulturelle Hegemonie zwischen Imperialismus und Sozialismus.
Vor einigen Tagen hat uns Raquel Lara beim Buchmesse-Stand der jungen Welt besucht. Raquel war eine von zehntausenden Frauen, die während der Alphabetisierungskampagne in eigenen Frauenvereinigungen gearbeitet haben.
Ihre Gruppe war zunächst für die statistische Erfassung der Analphabeten in Havanna zuständig. Dies war notwendig, um abschätzen zu können, welchen Umfang die Kampagne überhaupt haben müsse. Danach hat sie aber auch beim Lernprozess selbst mitgeholfen und einzelnen Frauen oder Gruppen die Kunst des Lesens und Schreibens beigebracht. Dies dauerte unterschiedlich lange, erzählt Raquel.
Während einige bereits nach zwei, drei Monaten intensiven Lernens Lesen und Schreiben konnten, konnten andere dies am Ende der bis 1961 andauernden Kampagne erst in Ansätzen. Danach wurden sie aber weiterbetreut und besuchten normale Schulen. So gern Raquel über diesen wichtigen Erfolg der kubanischen Revolution erzählt – die heutige Situation liegt ihr fast noch mehr am Herzen. Sie spricht von den Veränderungen, die derzeit auf der Insel vonstatten gehen, von der Blockade, welche die Lebensumstände der jüngeren Generationen so stark beeinflusst hat. Und sie sieht die Notwendigkeit eines Umdenkens.
Darum geht es auch bei den Weichenstellungen, die vom kürzlich zu Ende gegangenen Parteikongress vorgenommen wurden, wo von der Notwendigkeit einer „neuen Mentalität" die Rede war. Für Raquel zielt dies etwa auf die Haltung vieler jüngerer Kubanerinnen und Kubaner ab, die es als selbstverständlich ansähen, dass das Gesundheitswesen und die Ausbildung kostenlos seien. Viele würden meinen, dass dies für alle Bereiche gelten müsse, verlangten, dass alles umsonst sein müsse und wollten nicht arbeiten.
Schließlich erzählt Raquel noch von Familienmitgliedern, die in die USA gegangen sind. Diese hätten große Illusionen von einem besseren Leben gehabt, aber schließlich gemerkt, dass sie ihre Lebenssituation in dem fremden Land nicht verbessern konnten. Statt auszuwandern müsse es darum gehen, ständig neue Entwicklungen anzustoßen um die Revolution in Gang zu halten. Raquel selbst versuchte als jahrelange Aktivistin der Gewerkschaft ihren Beitrag hierzu zu leisten. Und auch heute noch engagiert sie sich in der Solidaritätsbewegung für die Freilassung der fünf in den USA gefangenen kubanischen Helden.
Beim heutigen Besuch der »Casa del Nino y la Nina« im Zentrum Havannas war ich beeindruckt: Die Kinder, auf die wir dort trafen und die zwischen 10 bis 12 Jahre alt waren, kannten ihre Rechte laut UN-Kinderrechtskonvention von 1989 ganz genau. Kuba unterschrieb diese sofort. Was für eine »Diktatur«, in der die Bürger, - selbst schon die Kinder -, ihre Rechte kennen. Zum Beispiel das Recht auf Unversehrtheit, auf Bildung, auf eine saubere Umwelt, auf Geborgenheit und Liebe in der Familie, auf gesunde Ernährung, das Recht, seine Rechte zu kennen.
Die deutsche Bundesregierung hatte die UN-Kinderrechtskonvention trotz Proteste zunächst nur unter ausländerrechtlichen
Vorbehalten unterschrieben, nach denen das deutsche Ausländerrecht
Vorrang vor Verpflichtungen der Konvention hat. Neben Österreich verhängte Deutschland Abschiebehaft gegen Kinder und Jugendliche. Nach Zustimmung des Bundesrates hat die Bundesregierung erst am 3. Mai
2010 beschlossen, die bei der Ratifizierung der
UN-Kinderrechtskonvention abgegebene Vorbehaltserklärung zurück zu
nehmen.
Der Besuch der Casita, die fröhlichen, selbstbewußten und pfiffigen Kinder, haben mich bestärkt, weiterhin meine Solidaritätsarbeit verstärkt fortzuführne. Trotz einiger negativer Beobachtungen, die ich ebenso bei meinem diesjährigen Besuch in Havanna gemacht habe, gehört meine Sympathie und Solidarität dem kubanischen Volk und seiner Revolution, die Kampf aller Linken in der Welt ist.
Katja Klüßendorf war für die junge Welt zum »Treffen der Intellektuellen« bei Fidel Castro eingeladen
Katja, du warst eine von den insgesamt vier Eingeladenen der Berliner Büro Buchmessen-Delegation zum »Treffen der Intellektuellen für den Frieden und die Bewahrung der Umwelt« am vergangenen Freitag. Die Veranstaltung hat 9 Stunden gedauert, das ist unheimlich viel.
Ja, es ist unglaublich, welche Ausdauer, Aufmerksamkeit und Neugier Fidel Castro seinen Gästen entgegengebracht hat.
Alle waren sehr froh, den Comandante so zu erleben und wollten ihm ihre persönlichen Wünsche aussprechen.
Jetzt sind schon ein paar Tage vergangen. Rückblickend gesehen: Was hat dich am meisten beeindruckt?
Zunächst Fidel selbst, er ist sehr humorvoll und ist auf jeden einzelnen Redebeitrag der Gäste eingegangen. Natürlich auch seine klaren Analysen, Fidel ist sehr gut informiert über die Entwicklungen in Europa.
Er findet nach wie vor kämpferische Worte, keine Floskeln, sondern vom Herzen und Verstand ausgesprochen. Katiuska Blancos Buch könnte auch heißen: »Guerillero para siempre«.
Von den Gästen ist mir insbesondere Ignacio Ramonet im Gedächtnis geblieben. Er sprach von der Rolle der Massenmedien, der »Zwilling der öknomischen Power«, wie er sagte, und deren Einfluß auf die öffentliche Meinung.
Wir als junge Welt sind selbst mit dem Thema der Medienmanipulation konfrontiert. Das fängt damit an, daß wir von den Informationen der großen Nachrichtenagenturen angewiesen sind, die zwar keine Lügen im direkten Sinne bringen, aber bestimmte Information vorenthalten und damit verhindern, daß sie überhaupt zum Thema werden. Für unsere Arbeit bedeutet das, daß wir uns stärker mit anderen progressiven linken Medien in anderen Ländern stärker vernetzen müssen.
Und was hat dir ganz persönlich dieses Treffen bedeutet?
Ich muß mich manchmal immer noch kneifen lassen, um es zu glauben. Ich habe mir das immer gewünscht, aber nie für möglich gehalten. Als ich dann vom Comandante das Wort bekam, für die junge Welt zu sprechen, bin ich vor Nervosität fast gestorben. Natürlich habe ich die Chance genutzt, ihn zur nächsten Rosa-Luxemburg-Konferenz einzuladen, aber er mußte herzlich lachen und meinte, daß könnte zeitlich eng werden.
Ich bin viel zu Fuß und mit dem Bus unterwegs in dieser pulsierenden karibischen Metropole. Obwohl mein Spanisch etwas eingerostet ist und die Kubaner kein Español, sondern Cubañol sprechen, komme ich schnell mit unterschiedlichsten Leuten ins Gespräch.
Allerdings ist es ausgesprochen frustrierend, daß praktisch jede persönliche Unterhaltung in Havanna über kurz oder lang auf eines hinausläuft. Nein, nicht erotische Dienstleistungen, obwohl das auch ein omnipräsentes Thema ist. Generell entwickelt sich nahezu jede Unterhaltung, die in einer alltäglichen Situation beginnt, auf einen Punkt hinzu, an dem dein kubanischer Gesprächspartner an ein paar konvertible Pesos herankommen will.
Ich rede nicht von den unverschämten Schleppern und Bauerfängern, die die touristischen Zentren in Scharen umlagern und die sofort zur Sache kommen. Ich rede von Luis, der seit einem Unfall vor einem dreiviertel Jahr gehbehindert ist, und sich und seine Mutter, die eine Mindestrente bezieht, mit Bongounterricht und musikalischen Gelegenheitsjobs durchbringen muß. "Kannst du ihr nicht ein Päckchen Milchpulver kaufen?", fragt er.
Oder Marbelis, die ältere Dame, die vor mir an der Wechselstube schlangesteht. Sie zeigt mir Hemingways Stammkneipe, die Bodeguita del Medio, heute ein gräßlicher Touristennepp mit dem Charme von Disneyland. "Für nichts gehe ich da rein", sage ich. Und sie: "Hemingway würde sich im Grabe umdrehen." Dafür muß ich sie einfach in den Arm nehmen. Auch sie würde gern noch etwas Vernünftiges zu essen kaufen, für ihre Tochter, die unter Schizophrenie leidet. Die bescheidenen Renten von Marbelis und ihrem Mann Jorge reichen nicht weit. Wenn ich sie mit ein, zwei Dollar unterstützen könnte. Wie könnte ich nicht?
Aber, um ehrlich zu sein, mich zermürbt das auch ein wenig. Bequemer ist es da, sich auf die großen Epochefragen von Revolution und Konterrevolution zu konzentrieren. Nur: Wer hier lebt und überleben will, kann sich diese Art Luxus nicht leisten.
Eine spannende Begegnung folgt der nächsten bei der diesjährigen Buchmesse. Alles ist aufregend und anregend, viele Diskussionen sowohl auf der Messe als auch mit unseren anderen Gesprächspartnern. Viel wird über die Aktualisierung des kubanischen Weges gesprochen.
Dann heute ein „Herzenstermin". Wir sind bei Angela, Anna, Elena und Maria eingeladen. Die vier engen Freundinnen, die seit den Anfängen der kubanischen Revolution gemeinsam für sie kämpfen, sind die Hauptdastellerinnen in dem Dokumentarfilm »Zucker und Salz« von Tobias Kriele. Auf ihrer Filmrundreise durch Deutschland vor zwei Jahren haben wir sie kennengelernt: Herzlich, vital und voll Würde. Unser Besuch bei ihnen während der letzen Buchmesse war nicht nur wegen des Singewettstreits legendär, auch die guten Gespräche und die Heiterkeit sind uns in Erinnerung geblieben.
Auch dieses Mal tauschen wir uns bei Mojitos und Leckreien über das Erlebte des letzten Jahres aus und über die Situation in unseren Ländern. Obwohl die Schilderung des sich verschärfenden politischen Klimas in der BRD die Kubanerinnen sichtlich betroffen macht, ist aber auch Zeit für Heiteres und ein ganz großer Sack voll Optimismus, den wir von ihnen mitnehmen. Bei den Freindinnen besonders hoch im Kurs: Heinz Langer. So mancher Flirt konnte beobachtet werden...
Es gibt Dinge und Menschen im Leben, die sind treue Begleiter. Sie tauchen ab und an auf, gehören irgendwie dazu, und es kommt einem gar nicht erst der Gedanke, daß es eines Tages nicht mehr so sein könnte.
Ähnlich ist es mit dem chinesischen Austauschstudenten Pasquati Fang, der seit meiner ersten Buchmesse 2008 regelmäßig an unseren Stand kam. Ich erinnere mich noch gut an die erste Begegnung. Da stand er, bat um ein Gespräch und war bestens vorbereitet. Einen ganzen Fragenkatalog hatte er auf Spanisch und Englisch bei sich. Und nie werde ich die erste Frage vergessen: Welche Zeitung linker sei, das Neue Deutschland oder die junge Welt. Die Frage bekam er natürlich wie die weiteren auch beantwortet.
Geduldig gab er dann seinerseits Auskunft. Über seine westchinesische Heimat, sein Spanischstudium und das der Sozialarbeit in Havanna sowie die Chancen, die ihm Kuba mit dem Studium gab. Regelmäßig tauschten wir uns Buchmesse für Buchmesse über seine Lebenssituation und Studienfortschritte aus.
Heute war er wieder bei uns am Stand. Im Sommer soll es so weit sein: Er wird sein Studium mit dem Examen beenden und Kuba verlassen. So wird es wohl unsere letztes Zusammentreffen gewesen sein. Ich gebe ihm die aktuelle jW-Postkarte mit dem Kuba-Motiv von Thomas J. Richter versehen mit allen guten Wünschen mit auf dem Weg. Und hoffe, daß er sein Glück findet.
Die Buchmesse von Havanna ist ein Ort des intellektuellen Austausches. Und genau wie im verflossenen osteuropäischen Sozialismus bekommt jede intellektuelle Debatte auf dem Gebiet von Kultur und Kunst sofort einen politischen Charakter von einer Intensität, wie es in westlichen bürgerlichen Demokratien unvorstellbar ist.
In den Präsentationen der Sala Nicolás Guillén werden Probleme diskutiert, die der jüngste Schwenk der revolutionären Führung auf eine kontrollierte marktwirtschaftliche Öffnung mit sich bringt, gleich nebenan, in der Sala Nuestra América debattiert man über Kubas Platz in der fortschreitenden Globalisierung, über sein Verhältnis zu Lateinamerika und seinen unmittelbaren Nachbarn, den Karibikstaaten.
Darüberhinaus ist die Buchmesse aber auch ein riesiges Volksfest, ein Rummel mit Ponyreiten und Riesenrad. "50 Prozent der Leute kommen überhaupt nicht wegen der Bücher her", erklärt mir eine Besucherin. Für die bibliophile Hälfte ist die Feria vor allem eine grandiose Möglichkeit, sich mit Schreibutensilien, Gebrauchsliteratur, Kochzeitschriften und Kreuzworträtseln einzudecken. Es wird einigen westeuropäischen Freunden der kubanischen Revolution vielleicht nicht gefallen, aber Sudokus gehen hier deutlich besser weg als revolutionäre Flugschriften. Aber, Hand aufs Herz: Alles andere wäre doch auch etwas verstörend, oder nicht?
Dies ist erst mein dritter Besuch auf
der Insel, verteilt über drei Jahrzehnte. Die Unterschiede zu den ersten beiden
Besuchen jedoch sind eklatant und unübersehbar.
Überall sprießen kleine private
Unternehmen hervor: Vom Lebensmittelhändler über den Friseur, von
der Tanzschule bis zum Handwerker. Jeder leistet seinen Beitrag für
den Aufbau und die Zukunft des Landes. Die Gassen und Straßen
wimmeln nur so von Menschen aller Generationen und Hautfarben.
Und
das Feuer der Revolution brennt ewig weiter. Nicht nur am Memorial
Granma, sondern auch und vor allem in den Herzen der Menschen.
Am Mittwoch hatten wir eine Einladung in die Redaktion der Granma Internacional. Die internationale Ausgabe der wichtigsten Tageszeitung Kubas gibt es in sieben Sprachen – neben der spanischen existiert derzeit eine französische, eine englische, eine portugiesische, eine italienische, eine türkische und eine deutsche Granma Internacional.
Die besten oder für die Zielregion interessantesten Artikel der Granma werden für die wöchentlich oder monatlich erscheinenden Ausgaben zusammengestellt und übersetzt. In der an der Plaza de la Revolucion in Havanna angesiedelten Redaktion, wo neben der Granma auch die vom Kommunistischen Jugendverband herausgegebene Juventud Rebelde und das Gewerkschaftsblatt Trabajadores hergestellt werden, hieß uns Gustavo Becerra Estorino willkommen.
Der stellvertretende Generaldirektor der Granma Internacional erläuterte uns die Produktion und Verbreitung der deutschsprachigen Version. Diese existiert seit 1994 und wurde von Beginn an von Solidaritätsgruppen aus der Bundesrepublik unterstützt. Derzeit wird die deutsche Ausgabe in Kuba gedruckt. Mehrere Versuche, eine Druckerei in Deutschland zu finden, scheiterten an den zu hohen Kosten, die damit verbunden wären. Diese würden nicht einmal durch die weit geringeren Transportkosten aufgewogen, die jetzt durch die Drucklegung in Kuba entstehen.
Durch den langen Weg aus der Karibik nach Mitteleuropa nimmt die Auslieferung der Zeitung viel Zeit in Anspruch. Dies stellt insbesondere die beiden Redakteurinnen der deutschen Granma Internacional vor Herausforderungen. Ute und Sophie erzählen, daß sie häufig interessante Artikel nicht aufnehmen können, weil diese bei der Ankunft der Zeitung in Deutschland einfach schon veraltet wären. Überhaupt sei die Auswahl der Beiträge der schwierigste Teil ihrer Arbeit.
Da die deutsche Ausgabe nur einmal im Monat erscheint, liegen den beiden Redakteurinnen unzählige Artikel aus den Tages- und Wochenausgaben der Granma vor. Aus diesen müssen sie jene Beiträge auswählen, die am besten dazu geeignet sind, den deutschsprachigen Leserinnen und Lesern die Entwicklungen und Ereignisse in Kuba zu vermitteln. Dabei haben Ute und Sophie auch im Blick, welche Themen für die Leser in Europa von besonderem Interesse sind. Diese beiden Aspekte bei der Auswahl der Artikel unter einen Hut zu bekommen ist aber nicht immer einfach.
Sobald sie diesen Teil ihrer Aufgabe erfüllt haben, geht's ans Übersetzen. Die Redakteurinnen erläutern uns die damit verbundenen Schwierigkeiten. Viele Formulierungen des kubanischen Spanisch lassen sich kaum ins Deutsche übertragen. Gleichzeitig haben die Granma-Mitarbeiterinnen aber den Anspruch und auch Auftrag, daß die Übersetzungen möglichst nahe an den Originalartikeln bleiben. Nicht zuletzt bei der Auseinandersetzung mit neuen Gesetzen auf Kuba ist das eine fast unlösbare Aufgabe. Zum Verständnis der kubanischen Politik ist es aber unumgänglich, dem deutschen Leser auch diese trockene Materie zur Verfügung zu stellen.
Uns interessiert die persönliche Geschichte von Ute und Sophie. Beide wohnen seit über 30 Jahren auf der Insel. Sie hatten während ihres Studiums in der Sowjetunion viele Kubaner kennengelernt, Kontakte geknüpft, schließlich geheiratet. Ob sie jemals daran gedacht haben, wieder in die DDR oder später in die neue BRD zurückzukehren? Nur selten. Natürlich würden sie Freunde und Verwandte gerne öfter sehen, aber Reisen nach Europa sind teuer. Dauerhaft nach Deutschland zu übersiedeln können sie sich nicht vorstellen. Nach so langer Zeit fühlen sie sich in Kuba zuhause.
Pizza in Havanna? Ist das nicht so ähnlich wie Schnitzel auf Mallorca? Warum - um alles in der Welt - in Havanna Pizza essen? Und warum darüber berichten? Weil die Pizza in Havanna nicht nur anders ist, sondern auch ihre eigenen Geschichten schreibt.
Nehmen wir die Pizzeria Fabio. Ein blauer, kubischer Bau mit netter Atmosphäre. Die Pizza ist lecker, fast original italienischh dünn und der Kellner erklärt uns geduldig und professionell, warum in unseren Mojitos Rum nur in homöopathischen Dosen vorkomme. Schließlich sei der Mojito ein Aperetif...Unseren Bitten, das Mischschungsverhältnis Rum und Limonade zugunsten des Rums zu verändern, kommt er trotzdem nach.
Aber viel interssanter ist die Geschichte der Pizzeria, die man sich hier erzählt. Ende der 90er Jahre kam ein italiniescher Tourist bei einem Sprengstoffanschlag von rechten Miami-Exilkubanern auf ein Hotel in Havanna ums Leben. Sein Vater wurde irgendwann von Fidel gefragt, was ihn trösten könne und was er sich wünsche. Eine Pizzeria in Havanna zu betreiben, antwortete der Mann. Ja, und da ist sie nun, die Pizzeria Fabio.
Ganz anders, aber ebenso lecker, kommt die Pizza im Hotel Kohly daher. Stämmig, dicker Boden und viel Käse weisen sie als eine Schwester der Pizzen aus, wie man sie in den kleinen kubanischen Pizzerien trifft. Und eine Geschichte unter Schwestern bzw. unter Brüdern ist auch die des Hotels.Früher gehörte das Haus der sowjetischen Generalität. Nostrowje: Nicht nu rdie Pizza, auch der Wodka mundete hier.
Wiederum eine ganz andere Geschichte erzählt die Pizza im NH-Hotel am Parque Central. Kross, schmackhaft mit Salami (die echt italiniesch schmeckt) belegt und im gediegenen Ambiente auf edlen Tellern auf blütenweißer Tischdecke serviert, sucht sie ihre Liebhaber eher unter denjenigen, die hier aus Europa kommend einen Urlaub der gehobenen Art verleben. Die meisten von ihnen werden wohl an ihrer »echt italienischen Pizza« festhalten, ohne zu sehr mit der Realität in Kontakt kommen zu wollen. Möglicherweise kann man so ja auch seine Vorurteile besser pflegen.
Und da sage noch einmal jemand, Pizza sei langweilig und habe nichts mit Havanna zu tun.
Fidel auf der Buchmesse - jedes Jahr habe ich gehofft, dass das passieren könnte. Und uns würde er über den Weg laufen. Stattdessen sahen wir seinen Bruder Raúl, Luís Baez, Eusebio Leal, Aleyda Guevara, Michelle Bachelet, Rigoberta Menchú, Ignacio Taibo und immer wieder Abel Prieto, der täglich auf dem Messegelände ein- und ausgeht und die zahlreichen Lesungen dort besucht.
Und nun lesen wir bei Cubadebate über die Präsentation zweier Bände von »Guerillero del Tiempo« am gestrigen 4. Februar, welches die umfangreichen und zuweilen sehr persönlichen Gespräche der Schriftstellerin und Journalistin Katiuska Blanco mit dem Revolutionsführer enthalten. Fidel selbst eröffnete die Veranstaltung im Palacio de Convenciones. Im Publikum saßen Freunde, Familienmitglieder der Miami 5, Intellektuelle und viele Journalisten, oftmals mit lachenden, manchmal auch gerührten Gesichtern.
Es sind nur noch wenige Tage bis zur Eröffnung der Buchmesse am 9. Februar. Dort wird es die Bände sicherlich geben, nur leider ohne Fidel persönlich. Oder doch?