Deiß, Horn, Martens, Olbrychski, Schwarz
Von Jegor Jublimov
Mindestens in einer DFF-Serie hat Victor Deiß fest die Brücken zum Publikum geschlagen. In rund 20 Folgen von »Zahn um Zahn« (1985–88) spielte er den Zahntechniker Opitz an der Seite von Alfred Struwe und Helga Piur. Um die 100 Film- und Fernsehrollen gestaltete er seit seinem TV-Debüt in Ulrich Theins Wismut-Film »Columbus 64« (1966). Es folgten bis in die 2000er Jahre oft Rollen als Kriminalist, Geldverleiher, Beamter, Lehrer, und sogar König Friedrich Wilhelm I. gab er 1981 in einer »Charité«-Reihe Gestalt. Der jetzige Berliner wurde am 25. Februar vor 90 Jahren in der heutigen Republik Moldau geboren. Nach dem Schauspielstudium kam er über Leipzig und Karl-Marx-Stadt ans Berliner Ensemble, wo er fast vier Jahrzehnte lang die Spielkultur mitprägte. Kritiker sahen bei ihm die »rechte Mischung zwischen Komik und Tragik«, als er Nestroy spielte, oder »eine wahrhaft äffische Exzentrik mit großer Präzision« im frühen Brecht-Drama.
Als Deiß 1974/75 Goethes Weggefährten Stephan Schütze in der Literaturadaption »Lotte in Weimar« spielte, stand er im Szenenbild von Harald Horn, der das Weimarer Goethe-Haus in Babelsberg originalgetreu nachbauen ließ. Nach ersten Meriten in der Vorfilmreihe »Das Stacheltier« startete er in den Sechzigern durch, als er Defa-Filme wie »Der fliegende Holländer« (1964) und »Spur der Steine« (1966) ausstattete. Seine kreativste Zeit teilte er mit dem Regisseur Egon Günther. Zwischen 1968 und 1992 drehten sie neun Filme miteinander. Horn starb 2012 und wäre am 24. Februar 100 Jahre alt geworden.
100 Jahre alt wäre am Freitag auch Hans-Joachim Martens, der wenige Tage nach seinem 93. Geburtstag starb. Der Kunststudent wechselte an die Schauspielschule, wurde schnell am Maxim-Gorki-Theater und an der Volksbühne engagiert, wo er 1964 im dritten Stock auch seine erste Inszenierung vorstellte. Bald wurde die Regie seine Hauptbetätigung. Ab 1970 entwickelte er sich am Metropol-Theater zu einem der führenden Berliner Musiktheaterregisseure der heiteren Muse. Film- und TV-Auftritte (obwohl er 1956 in der Fühmann-Adaption »Betrogen bis zum jüngsten Tag« einen internationalen Erfolg verzeichnete) traten in den Hintergrund. Die Laufbahn seines Ziehsohns Florian Martens hat er mit großem Interesse begleitet.
Aus vielen Filmen von Andrzej Wajda (u. a. »Das Birkenwäldchen«, 1970) ist uns Daniel Olbrychski gut in Erinnerung. Er wurde schnell ein internationaler Star, der in Ungarn, den USA, Frankreich und auch im deutschen Film Erfolge feierte. Bei uns erinnert man sich besonders an Volker Schlöndorffs »Die Blechtrommel« (1979) und Margarethe von Trottas »Rosa Luxemburg« (1986), in dem Olbrychski neben Barbara Sukowa in der Titelrolle den Lebensgefährten der leidenschaftlichen Sozialistin, Leo Jogiches, verkörperte. Olbrychski wird am Donnerstag 80 Jahre alt.
Wegen frecher Sprüche wie »Niemand ist schneller zu entmutigen als ein Mann in der schnellen, aber flüchtigen Zeit zwischen Akne und Arthrose« aus Kolumnen von Dusty war ich vor drei Jahrzehnten davon überzeugt, dass die junge Welt den richtigen Ton traf. Erst später erfuhr ich, dass sich hinter dem Pseudonym Stefan Schwarz verbarg. Der Journalistikstudent aus Leipzig war zum Studium vom MfS delegiert worden. Das fiel ihm auf die Füße. Später entwickelte er sich zum Humoristen (u. a. in Das Magazin) und Schriftsteller (»Da stimmt was nicht«, 2021). In seinem neuesten Buch »Der große Wurf« resümiert er kindgemäß, leicht nachvollziehbar und tabulos seine bisherigen sechs Lebensjahrzehnte, die er am 26. Februar beschließt.
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