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Aus: Ausgabe vom 08.04.2025, Seite 4 / Inland
Palästina-Solidarität

Senat bleibt hart

Berlin: Protest gegen Ausweisung von vier Palästina-Demonstranten. Stadt hält an Entscheidung fest
Von Max Grigutsch
Nicht zu spät: Ein Demonstrant auf dem Weg zur Kundgebung für die »Berlin 4« (7.4.2025)
Nach Polizeiangaben versammelten sich etwa 400 Demonstranten (Berlin, 7.4.2025)
Die deutsche Staatsräson dient der Rechtfertigung repressiver Maßnahmen (Berlin, 7.4.2025)

Weitflächig abgesperrt war am Montag morgen das Berliner Abgeordnetenhaus. Anlass war eine in der Nähe stattfindende Kundgebung in Solidarität mit vier jungen EU- und US-Bürgern, die aufgrund ihrer Teilnahme an propalästinensischen Protestaktionen des Landes verwiesen werden sollen. »Eine Bewegung kann man nicht abschieben«, hallte es aus den Lautsprechern. Zur Sicherung des Gebiets und der Versammlung waren dabei rund 200 Polizisten im Einsatz, wie der RBB am Montag mittag berichtete. Die Zahl der Demonstranten will die Polizei auf 400 geschätzt haben.

Die vier Aktivisten sind angewiesen, Deutschland bis zum 21. April freiwillig zu verlassen, ansonsten drohen Abschiebungen in die USA, nach Polen und Irland. »Saoirse don Phalaistín«, irisch für »Freiheit für Palästina«, war bei der Kundgebung auf Transparenten und Plakaten zu lesen. Die Betroffenen sind angeklagt, an Protestaktionen gegen den Genozid in Gaza teilgenommen zu haben, etwa an einer Besetzung des Präsidiumsgebäudes der Freien Universität Berlin im Oktober 2024. Verurteilungen liegen allerdings noch nicht vor. »Das ist ein grundlegender Angriff auf Gewaltenteilung und Grundrechte«, kommentierte Ramsis Kilani am Montag gegenüber junge Welt. Kilani, der wegen seines Engagements für Palästina aus der Linkspartei ausgeschlossen wurde, sieht eine Chance auf Ausweitung der Proteste. Allerdings fehle ein Aufgreifen im gewerkschaftlichen Spektrum.

In Redebeiträgen kritisierten Teilnehmer die erneute Ausweitung der genozidalen Kampfhandlungen des israelischen Militärs gegen die Palästinenser. Verteidigungsminister Israel Katz hatte vergangenen Mittwoch eine militärische Offensive angekündigt, um in Gaza »große Gebiete einzunehmen, die zu den Sicherheitszonen des Staates Israel hinzugefügt werden«. Wenige Tage zuvor waren 15 exekutierte palästinensische Rettungskräfte geborgen worden, die mutmaßlich von israelischen Soldaten erschossen und in einem Massengrab verscharrt worden waren. Mitschuldig an diesen Verbrechen mache sich die deutsche Regierung nicht nur durch ihre materielle und politische Unterstützung Israels, erklärten die Demonstranten, sondern auch durch ihre andauernde Repression palästinasolidarischer Stimmen in der BRD. »Sind wir wirklich frei, wenn unsere Freiheit von Schweigen abhängt?«, fragte Rednerin Yasemin Acar mit Verweis auf die jüngst angekündigten Ausweisungen.

Der Berliner Senat hält indessen an den Ausweisungen fest. »Wir können so etwas nicht tolerieren und wollen es auch nicht«, verkündete der Staatssekretär für Inneres des Landes Berlin, Christian Hochgrebe, am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Das berichtete der RBB. Die Protestaktionen, die den Aktivisten vorgeworfen werden, hätten »mit freier Meinungsäußerung nichts, aber auch gar nichts zu tun«, sagte der SPD-Politiker. Kritik an den Ausweisungen übte der Allgemeine Studierendenausschuss der FU Berlin. »Jede Abschiebung ist eine zuviel«, heißt es in einer Mitteilung von Sonntag. Die Instrumentalisierung von Antisemitismusvorwürfen sowie die Kriminalisierung und Gefährdung von palästinasolidarischen Demonstranten seien »trauriger Alltag geworden«, an den Hochschulen sei »ein sich ständig verstärkender autoritärer Umbau zu beobachten, der nun einen neuen Höhepunkt der Eskalation erreicht hat«.

Davon will die FU-Leitung, die mindestens durch ihre strafrechtliche Verfolgung der Betroffenen einen zentralen Beitrag zu den Ausweisungen leistet, nichts wissen. Der Universität seien »keine konkreten aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen gegen Personen oder gar Studierende, die an Protestaktionen an der Freien Universität Berlin teilgenommen haben sollen, bekannt«, reagierte die Pressestelle vergangenen Dienstag auf eine Anfrage von jW. Obwohl sie sich für »Meinungsfreiheit und das Recht auf friedlichen Protest« einsetze, obliege die »Bewertung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen zuständiger Behörden« nicht der Universität.

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