Licht und Schatten
Von Ina Sembdner
Das als hochrangig vom Auswärtigen Amt angekündigte Symposium war den Spitzen der Ampelregierung dann letztlich wohl doch egal. Zu der Veranstaltung des Afrikahauses in Berlin geladen waren Olaf Scholz und Annalena Baerbock, teilgenommen und geredet hatte Ende Januar dann letztlich als deutscher Vertreter nur der kurz darauf verstorbene frühere Bundespräsident Horst Köhler. Thema der Veranstaltung: 140 Jahre Berliner Afrikakonferenz, bei der auf Einladung Frankreichs und Deutschlands im Winter 1884/1885 die koloniale Aufteilung des Kontinents von 13 Mächten abgesegnet wurde.
Das Desinteresse der Bundesregierung (jenseits wohlfeiler Worte) an dieser einschneidenden und folgenreichen Episode – auch der deutschen Geschichte – spiegelt allerdings nicht wider, dass es in den vergangenen Jahren durchaus ein gesteigertes Interesse hierzulande an kolonialen Verstrickungen gibt. So erläutern Dayana Lau und Studierende in dieser Beilage im Text »Kolonial verflochten«, warum sie sich an der Berliner Alice-Salomon-Hochschule mit Sozialer Arbeit als kolonialem Wissensarchiv befassen. Denn der Beruf in seiner modernen Form entstand zur gleichen Zeit, in der Deutschland zur Kolonialmacht wurde. Das Forschungsprojekt hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Prozess des Entinnerns vor allem der nichtweißen Beteiligten und Beschäftigten in diesem Arbeitsfeld in Gang zu setzen. Demgegenüber unterstützte die DDR in ihrer Geschichte Befreiungsbewegungen in den Kolonien einerseits mit Solidarität, aber auch ganz praktisch mit Waffen, wie Matthew Read in seinem Text »Unverzichtbarer Widerstand« schreibt. Die Führung sah explizit im bewaffneten antikolonialen Kampf auch keinen Widerspruch zum Prinzip der friedlichen Koexistenz.
Eine »Mörderische Tradition« hat Jörg Tiedjen in der Geschichte ausgemacht: Weder begann der deutsche Kolonialismus mit der sogenannten Kongo-Konferenz noch haben Institutionen wie etwa das in Hamburg ansässige German Institute for Global and Area Studies (GIGA) Konsequenzen aus der Aufarbeitung ihres kolonialen Ursprungs (Deutsches Überseeinstitut) gezogen. Im Nachbarland wiederum sind seit einigen Jahren »Frankreichs Indigènes« im antikolonialen Kampf aktiv, die jedoch – wenig progressiv – Zugehörigkeit am muslimischen Glauben festmachen und nicht an Klasse.
Auch auf anderem Feld erlangten der Kolonialismus und seine Folgen für die kolonisierten Gesellschaften in der DDR deutlich mehr Aufmerksamkeit als in der BRD. So widmet auch der Historiker Ulrich van der Heyden den Vorzügen einer marxistisch geleiteten Geschichtswissenschaft einen größeren Anteil in seiner Streitschrift zum Umgang mit dem deutschen Kolonialismus und fordert statt blindem Eifer »Demut vor den Fakten« ein, wie eine Rezension zusammenfasst. Demut wiederum war nicht die Sache Wilhelms II. Helga Baumgarten zeichnet »Auf Kaisers Spuren« nach, wie der letzte Besuch eines deutschen Kaisers in Palästina und dessen Wille, die deutsche Präsenz zu stärken, bis heute nachwirken.
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