Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobt die Pressefreiheit als »überlebenswichtig«: »Der Mut von Journalistinnen und Journalisten ist die Steinschleuder gegen Unterdrückung und Propaganda«, sagte er vor zwei Wochen. Das sind ermutigende Worte von der Spitze des deutschen Staates. Sie richten sich, will man hoffen, nicht nur an prowestliche Journalisten in Russland, auf die der Präsident seine Aussagen gemünzt hatte, sondern gelten auch für jene im eigenen Land.
Wie weit es mit der Presse- und Meinungsfreiheit in der BRD her ist, demonstriert hingegen das Verwaltungsgericht Berlin. Der Verlag 8. Mai, in dem die Tageszeitung junge Welt erscheint, klagt gegen die regelmäßige Anschwärzung der Zeitung durch den Verfassungsschutz. Seit Jahren wird die jW in dessen Bericht als das »bedeutendste und auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus« verunglimpft. Dies hat, wie unsere Leserinnen und Leser wissen, erhebliche Nachteile für die Zeitung und ihre Mitarbeiter – verweigerte Werbeflächen, blockierte Webseiten in öffentlichen Einrichtungen, verängstigte Interviewpartner und Autoren. Die geheimdienstliche Bespitzelung greift tief in das Recht und in die Presse-, Meinungs- und Gewerbefreiheit ein.
»Den Nährboden entziehen«
Beantragt wurde durch unseren Verlag auch eine einstweilige Verfügung, damit die Berichte des Verfassungsschutzes bis zur Entscheidung in der Hauptsache nur noch ohne die Nennung von jW und herausgebendem Verlag verbreitet werden dürfen. Das Verwaltungsgericht hat am Freitag, den 18. März 2022, diesen Antrag zurückgewiesen (siehe jW vom 23. März). Das Gericht behauptet, dass es »tatsächliche Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht« gebe, nach denen die Redaktion der jungen Welt die »Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassisch marxistisch-leninistischem Verständnis« anstrebe. Der vermeintliche Beweis: »Die ›junge Welt‹ ist eine marxistisch orientierte Tageszeitung.« Daraus alleine, so das Gericht, ergäben sich zwar »nicht zwingend Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung«, solange lediglich »eine verfassungskonforme Umgestaltung der wirtschaftspolitischen Verhältnisse gemeint« sei. Nach einem länglichen Exkurs zum KPD-Verbotsurteil von 1956 kommt das Gericht allerdings zum Schluss, dass die jW durch Betreten der »Arena des Klassenkampfes« eine »kommunistisch-sozialistische Gesellschaftsordnung« anstrebe. Übersetzt bedeutet dies: Man darf durchaus behaupten, dass es Arm und Reich gibt. Warum dies so ist, wie diese soziale Kluft zu schließen sei, ist hingegen tabu – das ist der feine Unterschied zwischen »Ökonomie« und »Politik« in der Sicht des Berliner Gerichts. Weiterhin wird der Zeitung zum Vorwurf gemacht, »ihr Hauptaugenmerk« liege »auf der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung«. Sie wolle »auf politischer Ebene Reichweite schaffen«. Nun ist »Reichweite« sicher das Ziel jedes Mediums; dies bildet sich in Abonnements und Einzelverkäufen ab. Die Teilhabe an der Politik dürfte ebenfalls für jede Zeitung mit politischen Inhalten gelten – zum Beispiel für die Bild aus dem Hause Springer, die Politiker aufbauen (und stürzen) kann – darunter auch deutsche Bundespräsidenten.
Eine »marxistische Orientierung« allein genügt also, in den Ruch des Extremismus zu geraten. Dies ist nicht nur für die junge Welt, sondern für beinahe alle links orientierten Menschen ein ernsthaftes Problem: für Gewerkschafter, Sozial- und Gesellschaftswissenschaftler, Lehrer und Dozenten, selbst Historiker. Die junge Welt ist ein Medium, das Informationen anbietet – Analysen, Hintergründe und Diskussionsangebote, ganz im Sinne von Steinmeiers Aussagen zur Pressefreiheit. Doch ob eine Zeitung wie die jW auf dem (kapitalistischen) Markt Bestand hat, soll nicht den regulierenden Kräften, also Angebot und Nachfrage, überlassen werden. Der Staat fühlt sich bemüßigt einzugreifen, um der Zeitung den »Nährboden zu entziehen«.
Demokratie stärken
Diese Auseinandersetzung kann nur gewonnen werden, wenn die jW ökonomisch gestärkt aus ihr hervorgeht – wenn wir beweisen können, dass die staatlichen Unterdrückungsmaßnahmen das Gegenteil des Gewünschten bewirken. Dies, liebe Leserinnen und Leser, ist nur durch eine deutliche Anreicherung unseres »Nährbodens« zu erreichen: indem mehr Menschen die Zeitung lesen, mehr Abonnements gemacht werden. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: einmal ein Umstieg bei bestehenden Abos, eine Kombination von Print- und Onlineabo beispielsweise, oder auch eine freiwillige Aufstockung auf ein Normal- oder Soliabo. Weiterhin haben wir entschieden, unser nach wie vor nachgefragtes »75er-Angebot«, also 75 Ausgaben der jW für 75 Euro, fortzuführen – dies ist ein guter Weg, um Freunde, Verwandte und Bekannte durch Verschenken eines Abos mit der Zeitung bekannt zu machen. Auch eine Spende für unseren Prozesskostenfonds hilft der jW, diese Auseinandersetzung durchzustehen.
Denn jedes Abo der jW stärkt die Demokratie, verteidigt die Presse- und Meinungsfreiheit. Unser Kampf für die Grundrechte, darunter auch die sozialen, hat in vielen Fällen – auch auf dem Feld juristischer Auseinandersetzungen – Erfolg. So hat erst am Donnerstag das Kammergericht Berlin dieser Zeitung ein gutes Gespür für Recht und Gesetz bescheinigt: Der bei uns regelmäßig im Fokus der Berichterstattung zu Wohnungsnotstand und seinen Verursachern stehende Akelius-Konzern wollte uns einer irreführenden Aussage bezichtigen und finanzielle Belastungen in vierstelliger Höhe aufbürden. Wir hatten über die schwierige Lage einer während ihrer Coronaquarantäne von Zwangsräumung bedrohten Mieterin berichtet. Das Gericht bestätigte nun, dass die junge Welt bei der »Bildung eines besonders drastischen Beispiels für das, was passieren kann, wenn es nicht zur Regelung über eine Karenzzeit für Zwangsräumungen kommt«, in zulässiger Weise berichtet hatte. Ohne die Mittel aus unserem Prozesskostenfonds sind auch solche Erfolge nicht möglich.
Weitere Informationen: www.jungewelt.de/keinmarxistillegal
jW-Prozesskostenfonds:
Kontoinhaberin: Verlag 8. Mai GmbH
IBAN: DE25 1005 0000 0190 7581 55
Stichwort: Prozesskosten