Israel beschießt Rückkehrer
Von Karin Leukefeld
Vereinbarungen für Waffenruhen mit Israel sind eine unsichere Sache. Um so mehr, wenn die angeblichen Vermittler einer Seite zugeneigt sind. Die Waffenruhe im Südlibanon, die am Sonntag enden sollte, ist nun bis zum 18. Februar verlängert worden. Das kündigten die USA am Sonntag an und folgten damit einer Ansage Israels, dessen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bereits vor einer Woche klargemacht hatte: Israelische Truppen werden nicht aus dem Südlibanon abziehen. Begründet wurde das damit, dass die libanesische Armee angeblich ihre Aufgaben nicht erfüllt habe. Die libanesische Armee wiederum wirft Israel vor, ein Vorrücken ihrer Soldaten zu blockieren, weil Israel seine Truppen nicht abziehe.
Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im November für den Südlibanon – wo zwischen der libanesischen Hisbollah und der israelischen Armee Krieg herrschte – waren von den USA und Frankreich dominiert worden. Beide Staaten bekämpfen die libanesische Hisbollah auf ihre Weise und sind mit Israel verbündet. Der US-Unterhändler Amos Hochstein – Reservist der israelischen Armee – hatte mit Benjamin Netanjahu Sonderkonditionen für die Waffenruhe ausgehandelt. Der politisch schwache Libanon hatte wenig zu sagen, die UN-Friedensmission im Libanon (UNIFIL) musste unparteiisch bleiben. Die Waffenruhe wurde schließlich von einem Militärrat überwacht, dem neben der libanesischen und israelischen Armee sowie der UNIFIL auch zwei Generäle aus den USA und Frankreich angehörten. Den Vorsitz im Gremium hatten die USA.
Die Aufgabenverteilung war klar: Die Hisbollah muss sich und ihre Waffen rund 30 Kilometer von der »Blauen Linie« zurückziehen, in ein Gebiet nördlich des Litani-Flusses. Die libanesische Armee muss ihre Soldaten gleichzeitig in dem als »Pufferzone« von Israel geforderten Südlibanon stationieren, um dort gemeinsam mit UNIFIL das dann entmilitarisierte Gebiet zu kontrollieren. Von Israel wiederum wurde verlangt, seine Truppen im gleichen Zeitraum hinter die »Blaue Linie« zurückzuziehen und das libanesische Territorium zu verlassen. Stichtag war Sonntag, vier Uhr morgens.
Doch als die Bewohner an diesem Tag in ihre Dörfer um den Ort Burj Al-Mouluk (Turm der Könige) unweit von Marjayoun zurückkehren wollten, hatten israelische Truppen die Straße blockiert. »Unbewaffnet und mit erhobenen Köpfen« seien die Südlibanesen den »israelischen Invasoren« gegenübergetreten, »um ihr Land zurückzuholen«, hieß es im libanesischen Nachrichtensender Al-Majadin. Die israelischen Soldaten eröffneten das Feuer auf die Menschenmenge, die auf ihrem Recht auf Rückkehr beharrte. Am Ende des Tages meldeten die libanesischen Behörden, dass 22 Personen durch israelischen Beschuss getötet worden seien, darunter auch ein Soldat der libanesischen Armee. 124 Libanesen seien verletzt worden, darunter Kinder und ein Rettungssanitäter.
UNIFIL rief dazu auf, Gewalt zu unterlassen. Das israelische Militär »muss es vermeiden, auf libanesischem Gebiet auf Zivilisten zu feuern«, hieß es in einer Erklärung. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, »Vorsicht walten zu lassen«. Die Hisbollah hatte während der Waffenruhe täglich auf die zahlreichen Angriffe der israelischen Soldaten hingewiesen, während sie selbst ihre Stellungen abbaute und Waffen abtransportierte, wie die Autorin beobachten konnte. Die israelische Armee dagegen nutzte den Rückzug der Hisbollah während der Waffenruhe dazu, in zahlreiche Orte im Südlibanon vorzurücken, die sie vorher nicht erreichen konnte. Satellitenbilder, die von der Washington Post ausgewertet wurden, zeigen, dass die israelische Armee allein zwischen dem 5. Dezember und dem 6. Januar mehr als 800 Gebäude zerstört oder beschädigt hat. Demnach wurden täglich 26 Gebäude gesprengt. Orte wie Nakura, ganz im Westen der »Blauen Linie« an der Mittelmeerküste, und Khiam, ganz im Osten jener Demarkationslinie, wurden fast vollständig zerstört, berichteten Angehörige der libanesischen Streitkräfte und Anwohner, die zurückkehren konnten.
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