Erdoğan legt Kapital Fesseln an
Von Nick Brauns
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan legt sich mit dem größten Kapitalistenzusammenschluss seines Landes an. Am Mittwoch wurden der Vorsitzende des Türkischen Industrie- und Unternehmerverband (TÜSIAD) Orhan Turan und dessen Geschäftsführer Ömer Aras von der Polizei in ihren Häusern festgenommen und zur Staatsanwaltschaft zum Verhör geführt.
Die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft hatte nach der TÜSIAD-Generalversammlung vom 13. Februar ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden Manager eingeleitet, da sie dort »irreführende und falsche Informationen« verbreitet und versucht hätten, laufende Gerichtsverfahren zu beeinflussen. Auf dem Kongress hatten Turan und Aras die zunehmende Zahl inhaftierter Oppositionspolitiker in der Türkei kritisiert und hohe Opferzahlen bei Katastrophen wie dem kürzlichen Brand eines Hotels auf Nachlässigkeiten infolge von Korruption und Vetternwirtschaft zurückgeführt. Fehlende Rechtssicherheit sowie willkürliche Eingriffe Erdoğans in die Zinspolitik wurden als Standortnachteile und Investitionshemmnisse benannt.
Nach dem Verhör entließ ein Gericht die beiden Wirtschaftsführer unter polizeilichen Meldeauflagen. Da ihre Äußerungen das Potential hätten, »öffentliche Unruhe« zu erzeugen, wurde auch ein Reiseverbot verhängt. Geplante Geschäftsreisen in die USA und nach China werden so verhindert.
Die Festnahmen erfolgten wenige Stunden nachdem Erdoğan in einer AKP-Fraktionssitzung TÜSIAD als »überheblich, faschistisch und grobklotzig« attackiert und dem »Club der Bosse« vorgeworfen hatte, dieser positioniere sich »schon immer an der Seite von Putschisten, Junta-Mitgliedern, Imperialisten und ihrer Einflussagenten«.
Der 1971 gegründete TÜSIAD vertritt das unter Protektion des kemalistischen Staates zur Monopolstellung aufgestiegene industrielle Großkapital, das 80 Prozent des Außenhandels bestreitet. Aufgrund globaler Exportorientierung setzt TÜSIAD auf wirtschaftliche Liberalisierung und internationale Standards. Dagegen repräsentiert der AKP-nahe religiöse Unternehmerverband MÜSIAD kleine und mittlere anatolische Firmen, insbesondere im Bau, Handel und Handwerk mit einem stärkeren Fokus auf den Binnenmarkt und Exporte in islamische Länder.
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