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Aus: Ausgabe vom 17.04.2025, Seite 7 / Ausland
Österreich

Verfahren eingestellt

Österreich: Staatsanwaltschaft lässt alle Vorwürfe gegen Hilfsorganisation »Rahma« fallen
Von Dieter Reinisch, Wien
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Weil sie in Gaza dringend erforderliche Hilfe leistete, geriet die NGO »Rahma« unter Terrorverdacht (15.4.2025)

Das Verfahren gegen die österreichische Hilfsorganisation »Rahma Austria« ist eingestellt worden. Das hat die Nichtregierungsorganisation am Freitag bekanntgegeben. Demnach hat die Staatsanwaltschaft die Causa bereits am 27. Februar zu den Akten gelegt. Im vergangenen Mai waren die Büros von »Rahma« durchsucht und mehrere hunderttausend Euro an Spendengeldern aus dem Tresor beschlagnahmt worden. Der Grund: »Rahma« wurde Terrorismusfinanzierung vorgeworfen, da sie humanitäre Arbeit in Gaza leistet. Die Staatsanwaltschaft behauptete, diese humanitäre Unterstützung sei versteckte Hamas-Finanzierung. Im Oktober 2024 wies ein Gericht dann an, die Gelder wieder freizugeben.

Der Hilfsverein ist in verschiedenen Ländern des globalen Südens aktiv. Seit 2006 leistet »Rahma« humanitäre Hilfe in Europa, Asien und Afrika: Brunnen, Solaranlagen, Schulen und Kliniken wurden gebaut, Containersiedlungen und Entsalzungsanlagen für Erdbebenopfer errichtet und Waisen und Flüchtlinge unterstützt. »Wir wollen nachhaltig arbeiten. Uns geht es darum, die notwendige Infrastruktur aufzubauen, um nachhaltige Hilfe zu leisten«, erzählte Gözde Taşkaya, Pressesprecherin von »Rahma Austria«, im Juni im jW-Interview. Seit Jahren liegt der Schwerpunkt auf Gaza, dem besetzten Westjordanland und den palästinensischen Flüchtlingslagern im Nahen Osten. Das rückte die Organisation ins Visier der österreichischen Behörden.

Fast fünf Jahre lang ist gegen »Rahma« ermittelt worden. Im November 2020 wurden im Zuge der sogenannten Operation Luxor die Bürogebäude und Wohnhäuser einiger Vorstandsmitglieder durchsucht. Dabei handelte es sich um eine der größten Polizeioperationen Österreichs. Mehrere Dutzend Hausdurchsuchungen wurden in den frühen Morgenstunden durchgeführt, und gegen fast 100 Personen wurde Anzeige wegen Terrorunterstützung erstattet. Die Staatsanwaltschaft Graz meinte, zusammen mit dem späteren Bundeskanzler und damaligen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) einen wichtigen »Schlag gegen den politischen Islam« getätigt zu haben. Angeblich habe sich die »Operation Luxor« gegen ein verstecktes Netzwerk von Muslimbrüdern und der Hamas gerichtet.

In den folgenden Jahren mussten jedoch alle Anschuldigungen von den Gerichten aufgehoben werden, so auch jene gegen »Rahma«. Das betonte Anwalt Andreas Schweitzer auf einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag. Die Behörden hätten versucht, eine einfache Hilfsorganisation durch Ermittlungen »mundtot zu machen«. Und »Rahma«-Obmann Taher Hassan sagte vor Pressevertretern: »Wir werden weiterhin jeden Cent unserer Spender mit allen uns legal zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen.« Die nun zurückerhaltenen Spendengelder würden wieder an die einzelnen Hilfsprojekte überwiesen, versprach er.

Und dennoch: Obwohl alle Verfahren eingestellt worden sind, erhält der Verein bisher bei keiner Bank ein Konto, auf das Spenden überwiesen werden können. Finanzielle Zuwendungen kann »Rahma« im Moment daher nur in bar in der Vereinszentrale in Wien annehmen.

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