Widerstehen heißt gestalten, widerstehen heißt verändern: Vom 13. bis 17. März 2018 fand in Salvador da Bahia im Nordosten Brasiliens das vierzehnte Weltsozialforum statt. junge Welt berichtete direkt vom Treffen der sozialen Bewegungen und NGO.
In Salvador da Bahia fand das globale Gipfeltreffen der Alternativen statt. Es stand im Zeichen des Kampfes der brasilianischen Linken
Peter Steiniger
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Vorbei sind die Zeiten, in denen westliche Leitmedien dem Event Schlagzeilen widmeten, es in den Berichten von den Zusammenkünften der globalen Kapitalelite gern für den Gegenschuss nutzten. Das liegt nicht nur daran, dass das Weltsozialforum nicht mehr synchron läuft mit dem Weltwirtschaftsforum von Davos. Die Krise machte Banken paradoxerweise relevanter als die Denkfabrik der Alternativen.
Das Meeting der sozialen Bewegungen und NGOs verließ seinen Gründungsort Porto Alegre in Brasilien und besuchte andere Kontinente, so das Tunesien des »arabischen Frühlings«. Auf seiner letzten Station 2016 in Kanada blieb vielen Aktivisten aus dem globalen Süden der Zutritt verwehrt. Der Schwung des Anfangs im linken Aufbruch Lateinamerikas schien nach anderthalb Jahrzehnten verbraucht, die »andere Welt« wieder entrückt, ein Abspann ohne großes Publikum nicht mehr fern.
In diesem Jahr kehrte das Weltsozialforum in sein Geburtsland zurück, wo nun wieder das Herrenhaus kommandiert. Vom 13. bis 17. März war Salvador da Bahia, die afrobrasilianische Metropole mit ihrer großen Tradition schwarzen Widerstands, Austragungsort seiner vierzehnten Ausgabe. Es kam in ein Land, das nach dem parlamentarischen Putsch dem neoliberalen Ausverkauf preisgegeben ist. In dem die Arbeitenden schwerste soziale Kämpfe zu führen haben. In dem von der formellen Demokratie nicht viel übrig ist und wo sich die Hoffnung auf bessere Zeiten für Millionen wieder mit einem Namen verbindet: Lula. Eine Hoffnung, die durch politische Justiz ausgelöscht werden soll.
Und so war das Weltsozialforum von Salvador natürlich auch innenpolitisch und insbesondere für Lulas Arbeiterpartei ein enorm wichtiges Ereignis, war man aufeinander angewiesen. Nicht das Trennende, sondern die Solidarität, der gegenseitige Respekt und das gemeinsame Lernen machen den Geist dieses Festivals aus, das unterschiedlichen weltlichen und spirituellen Überzeugungen, verschiedenen Traditionen und Kulturen Raum gibt. Ein Miteinander der Kraft der Ideen und der Kraft der Straße.
Überschattet wurde das Forum durch den Mord an der linken Lokalpolitikerin Marielle Franco in Rio de Janeiro. Trotz der Wut und Trauer verhalf Brasilien dem Gegenprojekt zu einer Globalisierung durch Raubbau an Mensch und Natur zu neuem Leben: Zu den 20.000 Teilnehmenden an den Veranstaltungen und Seminaren kamen weitere Zehntausende Besucher, Demonstranten, Feiernde. Salvador schenkte Leidenschaft und nicht zuletzt auch die Lust und die Freude, die der Kampf gegen kapitalistisches Unrecht an jedem Ort braucht.
Ist das Event, das von brasilianischen Themen stark mitgeprägt wird, wirklich ein Weltsozialforum? Uta Grunert schildert für Radio Dreyeckland ihre Eindrücke aus Salvador.
Darüber, wie die Organisatoren trotz Schwierigkeiten bei der Finanzierung die Herausforderung eines Ereignisses mit »wahnsinnig vielen Menschen« doch noch meisterten, über die beste Taktik, mit den vielen Programmänderungen zurechtzukommen, über die Bedeutung des Themas Wasser in der Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus, über die inhaltlichen Schwerpunkte an einem Ort, der eine Hochburg der Schwarzenbewegung war und ist. Und über die selbstbewusste und starke Rolle von Frauen im Kampf um eine andere Welt.
Fabian Kern sprach am vergangenen Donnerstag mit Uta Grunert von der Kooperation Brasilien e. V. (Kobra), dem bundesweiten Zusammenschluss der Brasilien-Solidarität
Am letzten Abend unseres Aufenthalts in Salvador sind wir nochmal unterwegs in der historischen Altstadt, wo es quirlig und lebensfroh zugeht. Da kann man sich die Gegensätze hier gar nicht vorstellen: die Gewalt und die Korruption in einer brutalisierten Klassengesellschaft.
Der Mord an Marielle Franco in Rio ist da nur die Spitze des Eisbergs. Mittlerweile ist klar, dass die Kugeln, die die linke Kommunalpolitikerin und ihren Fahrer am Mittwoch trafen, aus Polizeibeständen stammten. Man merkt seitdem überall die Trauer, aber auch Wut und Entschlossenheit, das nicht hinzunehmen.
Am Tag zuvor hatte die Teilnehmergruppe am Weltsozialforum, mit der ich unterwegs war, in Bahia gleich vier verschiedene Besetzungen organisierter Obdachloser zur Gründung kleiner Favelas besucht. Bei der einen waren wir anwesend, als sie gerade ihre Strategie gegenüber der Polizei besprachen. Die Besetzer hatten auf dem Gelände zuvor fünfzehn Leichen entdeckt und vermuten noch mehr dort. Möglicherweise haben sie zufällig einen Ort besetzt, an dem die Polizei oder Drogengangs heimlich ihre Opfer vergraben.
Bereits am Donnerstag abend waren wir bei einer Großkundgebung in einem Stadion am Rande Salvadors dabei. Da sitzt auf der Bühne ein alter Mann, der apathisch wirkt, häufig auf den Boden starrt. Immer wieder wischt er sich den Schweiß von der Stirn, immer wieder trinkt er aus einer Plastikflasche. Das soll dieser Lula sein? Kann man es ihm überhaupt noch zumuten, frage ich mich, in der Öffentlichkeit zu stehen, ein langes Programm wie heute über sich ergehen zu lassen?
Dann steht dieser alte Mann auf und beginnt zu reden. Wie eine Naturgewalt reißt er die Menschen im Stadion mit. Lula erzählt eine Geschichte von sozialen Kämpfen, spricht über Würde. Er berichtet von persönlichen Rückschlägen und der Hoffnung und der Notwendigkeit, das Erreichte zu verteidigen und darüber hinauszugehen. Er macht die Kraft einer Bewegung deutlich, in der Schwarze, Indigene, Landlose, Frauen kämpfen.
Noch nie habe ich live eine so kraftvolle Rede gehört. Und man spürt: Lula verkörpert für die Menschen hier noch immer die Hoffnung auf ein besseres Leben. Deshalb liegt er in allen Umfragen vorn, meilenweit vor dem faschistischen Kandidaten.
Die Frage ist, ob Lula antreten kann, nachdem er mittlerweile in zweiter Instanz verurteilt worden ist. Angeblich geht es um Korruption. Ich habe mit vielen Leuten darüber gesprochen. Immer wieder höre ich die Aussage, dass dort keine Politik ohne Korruption stattfindet. Doch in Lulas Regierungszeit habe sich die soziale Lage für die Armen, Frauen, Indigenen tatsächlich verbessert. Das sei für die Menschen, die auf Lula setzen, das Entscheidende, zumal unter der aktuellen rechten Putschregierung vieles wieder schlimmer würde.
Am Morgen der Abreise stehe ich langsam auf, mache mich fertig, packe meine Sachen und frühstücke. Zurück nach Deutschland nehme ich unglaubliche Eindrücke mit, mehr als ich hier aufzählen kann. Aber sicher werde ich Gelegenheiten finden, mal das eine oder andere zu berichten. Vielleicht mache ich dazu demnächst sogar mal eine kleine Veranstaltung. Also, bis bald! :-)
Lorenz Gösta Beutin ist Energie- und Klimapolitiker der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke im Deutschen Bundestag
E, também terminou o Fórum Social Mundial na capital baiana. 19 horas me separam ainda de Berlim, ao embarcar, domingo à tarde, no avião da Azul Linhas Aéreas Brasileiras no Aeroporto de Salvador. Infelizmente, a companhia aérea não é patrocina este blog, mas o nome dela é tão legal. E, linda é também a cidade da Bahia de Todos os Santos, no Nordeste Brasileiro e a qual merece mais atenção do que eu pude dar-lhe durante os únicos cinco dias da minha estadia. Não é fácil dizer adeus ao seu povo caloroso.
Enquanto aguardava o voo para Belo Horizonte, no interior do Brasil – de lá é que começo o regresso ao outro lado do grande charco – um passageiro que reparara no logo do junge Welt no meu computador fala comigo. Albert Lieberg se apresenta para mim e conta que também veio a Salvador para o Fórum Social Mundial e que participou de um evento lá. Sobre como unir forças para uma mudança do sistema. "A mudança de sistema" é também o nome do livro de Lieberg. Apenas alguns dias atrás, tinha tido um anúncio em nosso jornal. Então, por que não um pequeno acréscimo. ”Utopia ou necessidade existencial?” É o subtítulo da obra. Eu aposto em necessidade existencial, então.
O Conselho Internacional do Fórum Social Mundial ainda se reúne no final de semana, mas não é cedo para uma primeira conclusão. Salvador foi um verdadeiro ‘Comeback’. O movimento mundial contra a globalização neoliberal comprovou que pode continuar a impulsionar. Participaram cerca de 1.500 grupos e organizações oriundos principalmente dos países da América Latina, Ásia e África.
A esquerda brasileira utilizou o Fórum Social Mundial como a plataforma para as atuais lutas no país e como teste à sua própria força. Apesar da situação complicada após a mudança de poder em 2016, Salvador correspondeu às expetativas.
Com certeza irão ainda aparecer aqui alguns suplementos sobre o Fórum em Salvador. O meu obrigado vais desde já para todos os que prestaram atenção a este Blog, ou que de alguma forma contribuíram para isso. À redação da casa, e especialmente ao meu colega André Scheer, que dirige nosso departamento de política externa e cujo coração bate por outra América. O mesmo se aplica a Jörg Tiedjen que se fez as correções, e a Roland Wagner que se ocupou das publicações no Twitter e Facebook. Para as pessoas diligentes que se ocupam da nossa campanha de forma a que o junge Welt ganhe mais leitoras e leitores.
Nas páginas web das organizações que contribuíram para o blog pode, ainda, encontrar mais informações sobre o FSM 218 e os eventos realizados pelas organizações da Alemanha e Suíça e demais parceiros. Queremos a mesma coisa: criar um público mais amplo para o Fórum Social Mundial e para as questões importantes lá debatidas. Envio um enorme abraço a todos os novos amigos e amigas de Salvador.
Das war es also mit dem Weltsozialforum in der Hauptstadt von Bahia. Neunzehn Stunden trennen mich noch von Berlin, als ich am Sonntag nachmittag auf dem Flughafen von Salvador in die Maschine der Azul Linhas Aéras Brasileiras einsteige. Die Airline ist leider auch kein Sponsor dieses Blogs, aber ihr Name klingt so schön. Und schön ist auch die Stadt an der Allerheiligenbucht in Brasiliens Nordosten, die mehr Beachtung verdient, als ich ihr während der nur fünf Tage meines Aufenthalts schenken konnte. Von ihren warmherzigen Menschen nimmt man nicht leicht Abschied.
Während ich auf den Flug nach dem im Landesinneren gelegenen Belo Horizonte warte – von dort erst geht es dann für mich wieder zurück über den großen Teich –, spricht mich ein Reisender an, der auf meinem Notebookdisplay das Logo von junge Welt bemerkt hat. Albert Lieberg stellt sich mir vor und berichtet, dass auch er wegen des Weltsozialforums nach Salvador kam und dort an einer Veranstaltung mitgewirkt hat. Es sei darum gegangen, wie man Kräfte für einen Systemwechsel bündeln könne. »Der Systemwechsel« heißt auch Liebergs Buch. Erst vor wenigen Tagen habe er dazu eine Anzeige in unserer Zeitung gehabt. Also, warum nicht eine kleine Zugabe: »Utopie oder existentielle Notwendigkeit?« lautet der Untertitel des Werks. Ich tippe mal auf letzteres.
Das Wochenende über tagt noch der Internationale Rat des Weltsozialforums, doch für ein erstes Fazit ist es nicht zu früh. Salvador war ein echtes Comeback. Die Weltbewegung gegen die neoliberale Globalisierung hat bewiesen, dass sie weiter Impulse setzen kann. Etwa 1.500 Gruppen und Organisationen nahmen teil, überwiegend aus den Ländern Lateinamerikas, Asiens und Afrikas.
Brasiliens Linke nutzte das Weltsozialforum auch als Plattform für die aktuellen Kämpfe im Land und um sich der eigenen Stärke zu vergewissern. Salvador hat auch diesbezüglich, trotz der komplizierten Lage nach dem Machtwechsel 2016, die Erwartungen erfüllt.
Einige Nachträge zum Forum von Salvador werden hier sicher noch folgen. Mein Dank geht schon jetzt an alle, die diesem Blog Aufmerksamkeit geschenkt oder etwas dazu beigetragen haben. An die Redaktion zu Hause und hier besonders an meinen Kollegen André Scheer, der unser Außenpolitikressort leitet und dessen Herz sehr für das andere Amerika schlägt. Genauso an Jörg Tiedjen, der die Korrektur besorgte, und an Roland Wagner, der die Beiträge auf Twitter und Facebook postete. An die fleißigen Leute, die sich gerade um unsere Kampagne kümmern, damit die junge Welt mehr Leserinnen und Leser findet. Vielleicht möchten auch Sie die Zeitung einmal kostenlos ausprobieren?
Auf den Seiten der mit eigenen Beiträgen hier im Blog vertretenen Organisationen aus Deutschland und der Schweiz und der ihrer Partner finden sich viele weitere Informationen zum WSF 2018 und den dort gelaufenen Veranstaltungen. Wir wollen das gleiche: eine größere Öffentlichkeit für das Weltsozialforum und die wichtigen Fragen herstellen, die dort behandelt wurden. Eine große Umarmung sende ich an viele neue Freundinnen und Freunde in Salvador.
»Fastenopfer«, ein katholisches Hilfswerk aus der Schweiz, möchte mit seinem Wirken zu einem gesellschaftlichen Wandel beitragen. Dazu setzt sich »Fastenopfer« in vierzehn Ländern für Ernährungssouveränität ein. Des weiteren werden in internationalen Programmen Themen wie Rohstoffabbau und Menschenrechte, Energie und Klimagerechtigkeit, Agrobusiness und Alternatives Wirtschaften bearbeitet.
Am Weltsozialforum 2018 in Salvador ist das »Fastenopfer« deshalb präsent. Denn hier werden große Fragen diskutiert wie: Welche Elemente sind zentral für einen Paradigmenwechsel? Wie kann ein gesellschaftlicher Wandel angestoßen werden? Denn eines ist allen Anwesenden klar. Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sondern auch dringend nötig.
»Fastenopfer« hat maßgeblich zur Organisation einer großen, zweitägigen Diskussionsrunde zu «neuen Paradigmen» beigetragen, welche von ISER Assessoria, einer NGO, welche die partizipative Demokratie auf politischen und dem kirchlichen Feld stärken will, und ABONG, der »Brasilianischen Vereinigung von Nichtregierungsorganisationen«, lanciert wurde.
Für diese Diskussion kommt im Zelt der »Novos Paradigmas« ein bunter Strauß von Akteuren zusammen: Vertreterinnen und Vertreter der lateinamerikanischen Zivilgesellschaft und indigener Völker, von Jugendbewegungen aus Brasilien und den USA, Aktivistinnen und Aktivisten aus der ganzen Welt und Interessierte von nah und fern. Morgens ist das Zelt mit rund 150 Personen zum Bersten voll, die Stimmung ist gut. Nachmittags gehen die Diskussionen in kleinen Gruppen weiter, trotz der drückenden Hitze.
Der Slogan des Forums, »Resisir É Criar, Resistir É Transformar« (Widerstand ist Erschaffen, Widerstand ist Transformation), fasst die Debatten gut zusammen. Widerstand ist wichtig. Denn für einen erfolgreichen gesellschaftlichen Wandel müssen die nötigen Freiräume geschaffen werden. Die indigene Kandidatin der Partei für Sozialismus und Freiheit (PSoL) für das Amt der Vizepräsidentin Brasiliens, Sônia Guajajara, erklärt in einer mitreißenden Rede, wieso der Kampf für die Selbstbestimmung der indigenen Völker und für ihre Lebensformen ein wichtiges Element des Paradigmenwechsels ist. Der Kampf für eine Verschiebung der Machtverhältnisse – weg von den Privilegierten hin zu den lokalen Gemeinschaften – ist zentral. Denn diese Gemeinschaften sind die Basis für das Erschaffen von Neuem, von lokalen und aufs Gemeinwohl ausgerichteten Produktions- und Konsumzyklen.
Pablo Solón, ehemaliger UN-Botschafter Boliviens, hebt klar hervor, dass für einen systemischen Wandel der Anthropozentrismus – dass der Mensch sich als alleinigen Mittelpunkt sieht – überwunden werden muss. Es reicht nicht, fossile Energieträger einfach durch Solarenergie zu ersetzen. Ein kultureller Wandel muss den technologischen Wandel begleiten, denn unsere Konsummuster sind alles andere als nachhaltig. Damit diesbezüglich ein echter Wandel geschehen kann, muss jede und jeder auch sich selber und seinen Beitrag zum Wohl aller hinterfragen. Diese innere Transformation wurde von verschiedenen Rednerinnen und Rednern als besonders wichtig hervorgehoben.
Nach zwei Tagen geht die Diskussionsrunde zu »neuen Paradigmen« zu Ende. Die Diskussionen waren intensiv und inhaltlich oft sehr reich. Gerade deshalb, weil die Teilnehmenden aus der ganzen Welt angereist sind. Die Dynamik des Weltsozialforums sorgt auch immer wieder für Überraschungen. Eine Gruppe von Aktivisten hat kurzerhand das Zelt gekapert und mit Musik und Gesang für ihr Anliegen – die Verbesserung der Lage behinderter Menschen – geworben. So geht das auf dem Weltsozialforum. Mit viel Elan im Einsatz für eine andere Welt.
Die bei dem Mordanschlag gegen die linke Kommunalpolitikerin Marielle Franco am Mittwoch in Rio de Janeiro verwendete Munition vom Typ UZZ-18 stammt aus Chargen, die an die Bundespolizei verkauft wurden. Das berichten brasilianische Medien unter Berufung auf die Ermittler. Nach den Aussagen der Behörden kamen die dreizehn Schüsse auf das Auto, in dem Franco saß, aus einer Pistole vom Kaliber neun Millimeter. Beim Fahrzeug der Täter vom Typ Cobalt wurde das Nummernschild eines anderen, ihm gleichenden Cobalts verwendet.
Die für die Rechte der Favelabewohner engagierte Politikerin der Partei Freiheit und Sozialismus (PSoL) war bei der Rückkehr von einer antirassistischen Veranstaltung ermordet worden. Mit ihr starb der Fahrer des Fahrzeugs, eine Mitarbeiterin wurde verletzt. Marielle Franco gehörte auch einer Kommission an, die die Verletzung von Bürger- und Menschenrechten im Zusammenhang mit der Übertragung von Machtbefugnissen an die Armee im Bundesstaat Rio de Janeiro durch Präsident Temer untersucht.
In Rio de Janeiro sind Teile der Polizei mit dem organisierten Verbrechen verstrickt. Die Militärintervention dient dem Sicherheitsempfinden der mittleren und oberen Schichten, die Bewohner der Favelas werden pauschal als Verdächtige behandelt. Der »Drogenkrieg« zeigt Elemente einer ethnischen und sozialen »Säuberung«, vor allem schwarze junge Männer fallen, wie es in den amtlichen Statistiken heißt, »Tötungen im Zusammenhang mit Widerstand gegen polizeiliches Eingreifen« zum Opfer.
Paramilitärische Bürgerwehren (Milícias) aus aktiven oder pensionierten Polizisten, Soldaten und Sicherheitsleuten erpressen am Zuckerhut »Gebühren« und haben die lokale Politik infiltriert. In der Rangliste der gefährlichsten Städte Brasiliens liegt Rio dennoch nicht an der Spitze. Der Militäreinsatz – mit dem der Kriminalität nicht beizukommen ist – verschlingt immense Mittel, während die sozialen Probleme weiter wachsen.
Der Mord an Michelle Franco hat landesweit eine Welle von Protesten ausgelöst. Brasiliens Linkskräfte sprechen von »Trauer und Kampf«. Auch auf der Großveranstaltung »Weltversammlung zur Verteidigung der Demokratien« im Rahmen des Weltsozialforums im Pituaçu-Stadion in Salvador da Bahia am Donnerstag abend wurde der Politikerin gedacht. Die Rednerinnen und Redner aus vielen Ländern verurteilten die Tat und erklärten sich mit dem Kampf um Demokratie und soziale Rechte in Brasilien solidarisch.
Gleisi Hoffmann, Vorsitzende der brasilianischen Arbeiterpartei (PT), erklärte, Marielle sei »für die Sache gestorben« und nun zu einem Symbol des Kampfes »der armen Bevölkerung, der Favela« gegen die Gewalt und den Rückschritt geworden. Die Sängerin Ana Cañas würdigte Marielle und ihren Kampf für die Rechte diskriminierter Minderheiten mit dem Song Tigresa (Tigerin) von Caetano Veloso.
An dem sehr emotionalen Meeting wirkten auch Brasiliens Expräsident Lula, der sich juristischer Verfolgung aus politischen Gründen ausgesetzt sieht, und Manuel Zelaya aus Honduras mit, dessen Absetzung als Staatschef 2009 eine Blaupause für nachfolgende parlamentarische Putsche darstellt. Zuletzt wurde so 2016 Brasiliens legitime, gewählte Präsidentin Dilma Rousseff (PT) um ihr Amt gebracht. Mit im Bunde auf der Bühne vor Tausenden Teilnehmern und Mitwirkenden am WSF war auch die Präsidentschaftskandidatin der kommunistischen Partei PCdoB, Manuela D’Avila. Immer wieder skandierten die Massen: »Racistas! Fascistas! Não passarão!«
Weltsozialforum in Brasilien vor dem Abschluss. Zehntausende demonstrieren für Solidarität und gegen den Imperialismus
Peter Steiniger, Salvador da Bahia, und André Scheer
Im brasilianischen Salvador da Bahia geht am Samstag das diesjährige Weltsozialforum zu Ende. Seit Dienstag haben sich Zehntausende Aktivisten und Vertreter von sozialen Bewegungen, linken Parteien und Nichtregierungsorganisationen aus etwa 120 Ländern in zahllosen Diskussionsrunden und anderen Veranstaltungen ausgetauscht. Menschen aus einem breiten Spektrum politischer Tendenzen und Weltanschauungen kamen in der afrobrasilianischen Metropole zusammen und machten sie zu einer Werkstatt für Theorie und Praxis der Befreiung.
Überschattet wurde das Forum durch den Mord an der linken Kommunalpolitikerin Marielle Franco. Die Menschenrechtsaktivistin der Partei Sozialismus und Freiheit (PSoL) war am Donnerstag in Rio de Janeiro von einem Auto aus erschossen worden, als sie sich in ihrem Fahrzeug auf dem Rückweg von einer Veranstaltung für die Rechte schwarzer Frauen befand. Mit ihr starb ihr Fahrer Anderson Pedro Gomes.
Der frühere brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva verurteilte das Verbrechen am Donnerstag abend bei einer Großveranstaltung zur Verteidigung der Demokratie, die im Rahmen des Weltsozialforums in Salvador stattfand. »Wir alle sind ein bisschen Marielle«, rief er aus. Er machte indirekt Staatschef Michel Temer für den Mord an der Politikerin verantwortlich, weil dessen Entscheidung zur Entsendung von Soldaten nach Rio de Janeiro die Gewalt dort weiter verschärft habe. »Rio braucht kein Militär auf den Straßen, sondern dass der Staat zum Funktionieren gebracht wird und die Bevölkerung Gesundheitsversorgung, Bildung, Beschäftigung und Gehalt kriegt«, so der Expräsident, der sich selbst der Verfolgung durch das Regime ausgesetzt sieht. »Macht euch keine Sorgen um mich«, sagte er mit Blick auf seine drohende Inhaftierung. »Ich habe entschieden, meine Ehre gegen diejenigen zu verteidigen, die jeden Tag Lügen über mich verbreiten.« Er werde bei den Wahlen im kommenden Oktober antreten, bekräftigte Lula.
Wenn sie nicht gerade zu solchen Großveranstaltungen zusammenkommen, verlieren sich die Teilnehmer des Weltsozialforums auf dem riesigen Campus der staatlichen Universität von Bahia. Bei Temperaturen von mehr als 30 Grad sind die raren Schattenplätze gefragt.
Es ist ein Festival, das vor allem von jungen Leuten geprägt wird. Auch die vielen Freiwilligen, die hier arbeiten und an gelben T-Shirts erkennbar sind, auf denen in vier Sprachen »Kann ich helfen?« steht, sind überwiegend weiblich und im Studierendenalter. Doch nur einige der Helferinnen studieren tatsächlich hier. Das vielköpfige Team setzt sich aus Menschen zusammen, die einem Aufruf der Organisatoren gefolgt sind. Wortreich und enthusiastisch macht etwa Ana-Carolina klar, wie wichtig das Forum ist, damit diese Welt eine bessere wird.
Neben zahllosen Seminaren gibt es eine Reihe von Ausstellungen und künstlerischen Installationen zu besichtigen, etwa über Sklaverei und Rassismus, über die Unterdrückung und den Widerstand von Frauen, über die Geschichte der Militärdiktatur oder zu Umweltfragen. Am Freitag kamen Tausende zu einem »Welttreffen der Frauen« zusammen. Weitab vom Zentrum hat das »Volk ohne Angst« auf einer kleinen Lichtung neben einer Straße am Rande des Campus ein »Tenda sem medo« (Zelt ohne Angst) aufgeschlagen. In der 2015 gegründeten Bewegung hat sich eine bunte Mischung aus aktionsorientierten Massenbewegungen, Gewerkschaften sowie radikaleren linken Parteien, Gruppen und Jugendverbänden zusammengeschlossen. Eine der Aktivistinnen ist Lilian Fernandes aus São Paulo. Sie gehört zur »Manifesta-Jugend«, die sich im Umfeld der PSoL bewegt. Das sei die einzige Partei, deren Politiker nicht korrupt seien und die Klartext rede, so Lilian. Die Bewegung sei aber viel mehr. Es gehe um Gleichheit und eine gute öffentliche Bildung. Die größten Probleme für Brasiliens Jugend sieht sie in der hohen Arbeitslosigkeit und der herrschenden Kultur der Gewalt.
Vor dem Eingang zum Campus rätselt eine junge Frau, von wo welcher Bus wohin gehen könnte. Sie ist mit einer ganz kleinen Gruppe aus Calgary in Kanada nach Brasilien gekommen, um das Weltsozialforum zu erleben. Die 23jährige Taruneek Kapoor macht gerade ihren Master in politischer Wissenschaft. Dabei beschäftige sie sich mit Frauen in feministischen Bewegungen und mit linkem Aktivismus, berichtet sie im Gespräch mit junge Welt. Daher habe es für sie nahegelegen, sich ein Bild vom Forum zu machen. Sie erwartet eine Auseinandersetzung mit Neoliberalismus und Kapitalismus. Allerdings brauche das Weltsozialforum mehr Selbstkritik, so Taruneek.
José Miguel Hernández gehört der kubanischen Solidaritätsorganisation für die Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas (OSPAAAL) an und ist mit einer Delegation aus Havanna nach Salvador da Bahia gekommen. Es sei wichtig, dass das Forum nach Lateinamerika zurückgekehrt sei, wo es 2011 seinen Ursprung gehabt habe, sagt er der Nachrichtenagentur Prensa Latina. Die Region erlebe gerade eine Gegenoffensive des Imperialismus, insbesondere gegen Venezuela, so der Aktivist. »Wir haben auf dem Forum immer viel Solidarität für unsere Sache erfahren, zum Beispiel gegen die US-Blockade und im Kampf um die Freilassung der Cuban Five und für die Rückgabe des von den USA widerrechtlich besetzten Gebiets in Guantánamo«, erinnert er sich. »Nun drückt unsere Anwesenheit hier unsere Unterstützung für die Mehrheit des brasilianischen Volkes aus, das Lula verteidigt. Außerdem können wir die verschiedenen Solidaritätsaktionen für die Bolivarische Republik Venezuela und ihren Präsidenten Nicolás Maduro unterstützen.«
Uma viagem de cidade para cidade no Brasil pode ser o equivalente a atravessar um continente. Vieram de todos os lugares para a capital da Bahia. Sozinhos e em grupos, de ônibus, avião ou partilhando carros. Não foram poucos os que se deslocaram mais de mil quilómetros para poderem estar presentes no Festival da Resistência Global .
Terça-feira é feriado para todos. O Fórum Social Mundial é inaugurado com uma grande manifestação pela cidade. Alguns milhares já se reúnem à hora anunciada, às três da tarde, no Largo do Campo Grande com seus parques. Ouve-se um grupo de bateria e na esquina seguinte há capoeira para ver.
Muitos trazem ao pescoço o seu cartão de participante no “Fórum Social Mundial”. Um jovem fala comigo com um sotaque do sul da Alemanha, que não consigo identificar. Ele vive com a sua namorada brasileira no lindo Recife. Leu na Internet o que reporta o junge Welt sobre o Brasil. Thumbs up. Ativistas dos direitos das mulheres decoram-se com fitas roxas, podem ver-se muitas bandeiras com martelo e foice do partido comunista PCdoB. Dos altifalantes no carro ouve-se: Vai ter luta, Fora Temer! Muitas pessoas irão chegando à medida que a marcha se inicia duas horas mais tarde.
No meio do ruidoso trem com danças e canções há vários repartidores. Entre outros, recebo um jornal marxista-leninista mais um abraço, convites para vários eventos no FSM, um folheto A6 que anuncia a apresentação de Lula no Estádio Pituaçu dia 15 de março, e outro para um evento do Partido Liberdade e Socialismo (PSoL) com os candidatos presidenciais Guilherme Boulos e Sónia Guajajara.
Um velho trabalhador de baixa estatura com rugas vincadas no seu rosto negro distribui folhetos com apelos da Federação dos Sindicatos CUT. Não quer falar muito. Mas ele sabe porque está aqui: “Porque sou contra esse Temer.” Só um pouco mais falador é um dos polícias militares que rondam por aqui e por ali, em redor do trem, segurando com firmeza os seus cassetetes. Sim, por aqui é tudo bem pacífico. Sem vandalismo, como acontece às vezes nesta cidade, enfatiza. Sim, esta marcha decorre feliz e calorosa. De onde vem você? E você? As fotos mostram três dos ativistas com quem falei ontem.
Die Gewerkschaft Unia, die größte Gewerkschaft der Schweiz, nimmt seit Porto Alegre 2001 an den Weltsozialforen teil. Denn die Foren sind ein wichtiger Ort, um uns mit gewerkschaftlichen Bewegungen aus verschiedensten Ländern und Kontinenten auszutauschen und zu vernetzen. Sie sind ein wichtiger Ort, um uns über aktuelle Diskussionen und praktische Erfahrungen im Kampf für eine gerechtere Welt zu informieren – etwas, was in der alltäglichen Arbeit in der Schweiz leider oft zu kurz kommt.
Gleichzeitig nutzen wir die Foren für bilaterale Treffen mit Gewerkschaften, die in den gleichen Branchen tätig sind. Hier in Brasilien zum Beispiel mit der Baugewerkschaft SINTEPAV und der von ihr unterstützten Landlosenbewegung Movimento de Luta pela Tera (MLT).
Für mich persönlich ist es bereits das achte Weltsozialforum. Die Foren sind immer sehr stark von den jeweiligen Ländern, in denen sie stattfinden, beziehungsweise deren sozialen Bewegungen geprägt. Auffällig am diesjährigen Forum ist die sehr starke Präsenz von Frauen und von gewerkschaftlichen Organisationen. Das Thema Arbeit ist präsenter als auf früheren Foren. Gutbesuchte Debatten über die Zukunft der Arbeit, Frauen und Arbeitswelt, Digitalisierung und Prekarisierung etc. geben wichtige Impulse für unsere Arbeit in der Schweiz.
Sehr erfreulich ist auch, wie häufig an verschiedenen Workshops über das Thema soziale Verantwortung von multinationalen Konzernen diskutiert wurde (und noch wird). Die Gewerkschaft Unia ist in der Schweiz in einer breiten Allianz von mehr als 90 Organisationen aktiv, welche zwingende Vorschriften für international tätige Konzerne fordert.
In Salvador gab es nicht nur die Gelegenheit, die von der Schweizer Allianz lancierte Konzernverantwortungsinitiative vorzustellen, über die das Schweizer Stimmvolk voraussichtlich 2019 abstimmen wird. Wir erfuhren auch viel über ähnliche Bemühungen in anderen Ländern. So über das in Frankreich 2016 verabschiedete Gesetz für eine bindende Sorgfaltspflicht für Konzernen, bei dem die Gewerkschaft CFDT eine wichtige Rolle spielte. Oder über Bemühungen für eine bindende UN-Konvention (UN Treaty on Human Rights and Transnational Corporations) und über viele konkrete Kämpfe gegen der Bergbaukonzerne in verschiedensten Ländern, welche nicht zuletzt von Gewerkschaften getragen werden.
Welle von Protesten in Brasilien nach Mord an linker Politikerin in Rio de Janeiro
Peter Steiniger, Salvador da Bahia
Ihr Tod ist ein Schock für die linken und demokratischen Kräfte Brasiliens. Am Mittwoch (Ortszeit) fiel die populäre Politikerin Marielle Franco von der Partei Sozialismus und Freiheit (PSoL) im Zentrum von Rio de Janeiro dem Anschlag eines professionell agierenden Killerkommandos zum Opfer. Bei der Rückkehr von einer Veranstaltung einer Bewegung schwarzer Frauen war ihr Fahrzeug in der Rua Joaquim Palhares von einem anderen Auto eingeholt und von diesem aus unter Feuer genommen worden. Vier der neun abgegebenen Schüsse trafen die auf dem Rücksitz befindliche Politikerin in den Kopf. Auch der Fahrer des Fahrzeugs wurde tödlich getroffen, eine Mitarbeiterin der Politikerin verletzt.
Die Stadträtin, selbst in einem Armenviertel der Metropole aufgewachsen, hatte sich besonders für die Belange der Favelabewohner eingesetzt. Sie machte sich für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in der Stadt und für mehr Geburtshäuser in den Vierteln stark. Seit zwei Jahren gehörte Franco Rios Stadtparlament an, wo sie die Kommission für Frauenrechte leitete. Den von der Temer-Regierung angeordneten Einsatz der Armee gegen die Kriminalität kritisierte Franco als untaugliches Mittel und entlarvte ihn als politisches Manöver. Teile von Polizei und Militär sind selbst in kriminelle Netzwerke involviert.
Die Soziologin setzte sich besonders mit den Ursachen der Gewalt in den Favelas auseinander und kritisierte immer wieder das brutale Vorgehen der Einsatzkräfte gegen deren Bewohner, besonders die schwarze Jugend dort. Nur einen Tag vor ihrem eigenen hatte Franco auf Twitter die Militärpolizei für den Tod eines 23jährigen verantwortlich gemacht, den Schüsse trafen, als eine Kirche verließ. »Wie viele müssen noch sterben, damit dieser Krieg endet?« fragte sie.
Alles spricht für einen politischen Hintergrund der Tat. Die Behörden versprechen intensive Ermittlungen zur Ergreifung der Täter, linke Politiker und Menschenrechtler – darunter Amnesty International – fordern Aufklärung. Der Mord überschattet auch das derzeit im nordostbrasilianischen Salvador stattfindende Weltsozialforum (WSF), auf dem heute auch Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT auftreten wird. Die PT-Vorsitzende Gleisi Hoffmann würdigte die PSoL-Politikerin als »Kämpferin«, den Mord bezeichnet sie in einer Erklärung als »ein Verbrechen, das sich direkt gegen Bürger und die Demokratie richtet«. Am Donnerstag morgen versammelten sich viele WSF-Teilnehmer zu einem Protestmarsch. Hochrufe auf Marielle Franco waren zu hören, in kurzen Ansprachen wurde die Notwendigkeit von mehr Einheit unter Brasiliens Linkskräften betont. An vielen Orten Brasiliens riefen Aktivisten zu Versammlungen auf, um der ermordeten Stadträtin zu gedenken und die Gewalt gegen die schwarze Bevölkerung anzuprangern.
Am Mittwoch sprach ich in Salvador am Rande einer Veranstaltung des Weltsozialforums mit Guilherme Boulos von der Bewegung der wohnungslosen Arbeiter (MTST). Boulos wird als Kandidat der Partei Sozialismus und Freiheit (PSoL) bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst antreten. Um es aufzuschreiben, fehlt hier die Zeit, doch das Interview wird in einer der kommenden Ausgaben von junge Welt erscheinen.
Die große Zukunftswerkstatt ist in vollem Betrieb. Die Teilnehmer des Weltsozialforums verlieren sich auf dem riesigen Campus der staatlichen Universität von Bahia. Bei Glimme und mehr als dreißig Grad sind die raren Schattenplätze gefragt. Vor manchen Veranstaltungen herrscht großer Andrang, anderswo hat sich nur eine Handvoll Leute eingefunden.
Es ist ein Festival, dass vor allem von jungen Leuten geprägt wird. Auch die vielen Freiwilligen, die hier arbeiten und die an gelben T-Shirts leicht erkennbar sind, auf denen in vier Sprachen »Kann ich helfen?« steht, sind überwiegend weiblich und im Studentenalter. Mein Verdacht, dass hier die Uni ihre Hand mit im Spiel hat, bestätigt sich nicht. Ana-Carolina gehört zu denen, die das Medienzentrum betreuen. Sie klärt mich auf. Nur einige der Helfer studieren tatsächlich hier. Das vielköpfige Team setzt sich aus Menschen zusammen, die einem Aufruf der Organisatoren gefolgt sind, sich als Freiwillige zu melden. Wortreich und enthusiastisch macht mir Ana-Carolina klar, wie wichtig das Forum dafür ist, dass diese Welt eine bessere wird.
Der Raum im zweiten Stock des Fakultätsgebäudes 1, in dem ich eine Veranstaltung zur Ressource Wasser erwartet habe, liegt wüst und leer. Vielleicht eine Planänderung, oder ich habe diesen nicht verstanden. Oder beides. Aber das hier ist ja der Ort für Alternativen. Neben den Seminaren gibt es eine Reihe von Ausstellungen und künstlerischen Installationen zu besichtigen, etwa über Sklaverei und Rassismus, über die Unterdrückung und den Widerstand von Frauen, über die Geschichte der Militärdiktatur oder zu Umweltfragen. Ich möchte als nächstes zum Zelt des »Volkes ohne Angst«. Das ist echt schwer zu finden und liegt weitab vom Zentrum des Geschehens. Schließlich reicht mir eine findige Helferin ihre Hand, schleust mich durch das Gebäude der Physik und schubst mich auf den richtigen Weg.
Auf einer kleinen Lichtung neben einer Straße am Rande des Campus hat sich die 2015 gegründete »Bewegung Volk ohne Angst« mit ihrer »Tenda sem medo« (Zelt ohne Angst) niedergelassen. Zu ihr zusammengeschlossen hat sich eine bunte Mischung aus aktionsorientierten Massenbewegungen, Gewerkschaften, radikaleren linken Parteien und Gruppen sowie Jugendverbänden. An einem Tisch abseits der Bühne sitzt eine Gruppe junger Leute und bietet Devotionalien an.
Mit einer der Aktivistinnen komme ich ins Gespräch. Lilian Fernandes kommt aus São Paulo. Sie gehört zur »Manifesta-Jugend«. Die sei unabhängig, erklärt sie mir, bewege sich aber im Umfeld der Partei Freiheit und Sozialismus, PSoL. Warum gerade die, möchte ich wissen. »Ich glaube an die PSoL«, sagt Lilian. Das sei die einzige Partei, deren Politiker nicht korrupt seien und die Klartext rede. Die Bewegung sei aber viel mehr. Es gehe um mehr Gleichheit, um eine gute öffentliche Bildung. Die größten Probleme für Brasiliens Jugend sieht sie in der hohen Arbeitslosigkeit und der herrschenden Kultur der Gewalt.
Seit 2003 ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung (hier: FRL) in Brasilien mit einem Regionalbüro mit Sitz in São Paulo vertreten. Sie unterstützt dort vor allem Projekte, bei denen es um die Verteidigung sozialer Rechte in Stadt und Land und um Alternativen zum extraktivistischen Modell mit seinen gravierenden negativen Folgen für Mensch und Umwelt geht. Auf dem Weltsozialforum in Salvador de Bahia wird sie sich sowohl mit eigenen Aktivitäten einbringen als auch an denen ihrer Partner beteiligen. Dabei geht es zum Beispiel um Klimapolitik, Freihandel und institutionellen Rassismus.
Ein großes Thema wird die Verkehrspolitik sein. Der Personentransport in den Metropolen zählt zu den großen Problemen Brasiliens mit enormen sozialen Konsequenzen. Am kommenden Donnerstag nachmittag wird auf dem Gelände der Fakultät für Architektur der UFBA unter dem Titel »Nulltarif« hierzu ein runder Tisch stattfinden. Dabei wird über Beispiele und Perspektiven einer Politik des kostenlosen Nahverkehrs in Brasilien und weltweit diskutiert werden. Mit dabei sind Daniel Caribé, der an der Uni Bahia forscht, Judith Dellheim von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin, die solche Prozesse in Europa untersucht, sowie Lucio Gregori, Exstadtrat für Transport aus São Paulo und Verfechter eines kostenlosen ÖPNV. Moderiert wird die Debatte von Daniel Santini (FRL São Paulo).
Zwei weitere Veranstaltungen (am 15. und 17. März) beschäftigen sich mit Kultur und ihrem Austausch zwischen Afrika und Lateinamerika. Bei einer Theateraufführung auf dem Campus unter freiem Himmel werden Szenen gezeigt, die Diol Mamadou, Regisseur aus dem Senegal, gemeinsam mit Aktivisten der Wohnungslosenbewegung in Bahia (MSTB) entwickelte. Die unterschiedlichen Erfahrungen, Kunst als Instrument politischer Emanzipation zu nutzen, sind hierbei eingeflossen. Beim Event am kommenden Sonnabend werden auch Vertreter der »Volksbewegung Die Würde« aus Argentinien mitwirken. Die Aufführung nutzt die Formen des »Theaters der Unterdrückten«, die der brasilianische Regisseur und Theatertheoretiker Augusto Boal entwickelte.
Die Veranstaltungen, an denen die Rosa-Luxemburg-Stiftung beteiligt ist, und weitere Informationen finden Sie auf der Webseite (in portugiesischer Sprache): https://rosaluxspba.org/fsm/
In Rio de Janeiro ist am Mittwoch die Kommunalpolitikerin Marielle Franco im Auto erschossen worden, als sie sich auf dem Rückweg von einer Veranstaltung für die Rechte schwarzer Frauen befand. Die 38jährige saß für die linke Partei Sozialismus und Freiheit (PSoL) im Stadtrat von Rio de Janeiro. Bei dem Angriff wurde zudem Francos Fahrer getötet, eine weitere Frau wurde verletzt.
Franco war in einem der berüchtigten Armenviertel von Rio de Janeiro aufgewachsen. Als Politikerin kritisierte sie das Vorgehen der Polizei in den Favelas und die Anordnung des durch einen institutionellen Putsch an die Macht gekommenen Staatschefs Michel Temer, die Armee zur Bekämpfung der Gewalt in Rio einzusetzen. (AFP/jW)
Wir dokumentieren nachstehend die Erklärung der PSoL zu dem Verbrechen:
Die Partei Sozialismus und Freiheit erklärt ihre Trauer über die Ermordung der Stadträtin Marielle Franco und des sie begleitenden Fahrers Anderson Pedro Gomes.
Wir stehen in diesem Moment des Schmerzes und der Empörung an der Seite der Familienangehörigen, Freunde, Berater und Parteiführer der PSoL Rio de Janeiro. Das Handeln von Marielle als Stadträtin und Menschenrechtsaktivistin erfüllt die gesamte Mitgliedschaft der PSoL mit Stolz und wird in der Fortsetzung ihres Kampfes in Ehren gehalten.
Wir können die Hypothese eines politischen Verbrechens, also einer Hinrichtung, nicht ausschließen. Marielle hat das brutale und aggressive Vorgehen der Militärpolizei in der Region Irajá in der Gemeinde Acari angeprangert. Außerdem unterstützen die Umstände des Verbrechens diese Möglichkeit: Ein Auto fuhr neben das Fahrzeug, in dem sich die Stadträtin befand, aus ihm wurden viele Schüsse abgegeben, und dann flohen die Täter. Deshalb fordern wir eine sofortige und gründliche Untersuchung dieses schrecklichen Verbrechens. Sie werden uns nicht zum Schweigen bringen!
Die junge Frau wirkt etwas verloren. Am Wegesrand vor dem Eingang zum Campus der Universität sitzend, rätselt sie offenbar darüber, von wo welcher Bus wohin gehen könnte. Gut, dass es die junge Welt gibt. Wir stellen fest, dass wir dasselbe Ziel haben, und gemeinsam finden wir die Lösung des Transportproblems. Ich erfahre, dass sie mit einer ganz kleinen Gruppe aus Calgary in Kanada nach Brasilien gekommen ist, um das Weltsozialforum zu erleben. Bereits am kommenden Sonntag geht es wieder zurück in den Norden.
Während uns das betagte Fahrzeug durchschüttelt, plaudern wir weiter. Taruneek Kapoor (23) macht gerade ihren Master in politischer Wissenschaft. Am Fahrtziel angekommen, gibt sie mir ein kurzes Interview. Für das Foto dazu legt sie ihre Sticker an und prüft noch mal ihr Äußeres. Dann kann es losgehen. Im Studium beschäftige sie sich gerade mit Frauen in feministischen Bewegungen und mit linkem Aktivismus, berichtet sie. Daher habe es für sie nahegelegen, sich ein Bild davon zu machen, was auf dem WSF los sei. An einigen der Workshops dort möchte sie teilnehmen, um ihr Wissen zu vertiefen. Die Angebote findet Taruneek spannend. Vom Forum erwartet sie eine Auseinandersetzung mit Neoliberalismus wie Kapitalismus.
Das Weltsozialforum brauche mehr Selbstkritik, findet Taruneek. In den vergangenen Jahren sei es wohl ziemlich desorganisiert gewesen. Auch müsse es die große Gefahr ernster nehmen, dass analog zu Frankreich rechte Themen auf links gewendet werden. Sich selbst bezeichnet sie als Neomarxistin und sozialistische Feministin. Ob sie am Weltsozialforum vor zwei Jahren vor der eigenen Haustür auch teilgenommen habe, möchte ich wissen. 2016 tagte das WSF in Montreal in der kanadischen Provinz Quebec. Nein, sagt sie. »Ich habe es nicht mal bemerkt.« Das sei noch vor ihrer Beschäftigung mit Politik gewesen, und die großen Medien in Kanada hätten das Ereignis weitgehend übergangen.
Wie die brasilianische Landlosenbewegung MST am heutigen Mittwoch mitteilte, ist das Lager Plínio de Arruda Sampaio in São Paulo in den gestrigen Abendstunden mit Schusswaffen angegriffen worden. Aus vier Fahrzeugen sei das Feuer eröffnet worden. Über Verletzte wurde zunächst nichts mitgeteilt.
Wie der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur in diesem Zusammenhang informierte, hatte die MST bereits im Vorfeld Drohungen erhalten. Es wird vermutet, dass der Anschlag eine Reaktion auf die Besetzung einer Hacienda von Staatschef Michel Temer darstellt. (jW)
Schon eine Reise von Stadt zu Stadt kann in Brasilien der Durchquerung eines Kontinents gleichkommen. Von überall her sind sie in die Hauptstadt von Bahia gekommen. Einzeln und in Gruppen, mit dem Bus, dem Flugzeug oder als Mitreisende im Auto. Nicht wenige haben so mehr als tausend Kilometer zurückgelegt, um beim Festival des globalen Widerstands dabeisein zu können.
Der Dienstag ist für sie alle ein Festtag. Mit einer großen Demonstration durch die Stadt wird das Weltsozialforum eröffnet. Ein paar tausend sammeln sich bereits zur angekündigten Stunde um drei Uhr am Nachmittag auf dem Largo do Campo Grande mit seinen Parkanlagen. Transparente werden ausgelegt, Gruppen posieren mit ihren Fahnen und Losungen für Fotos. Eine Trommelgruppe trommelt, an der nächsten Ecke gibt es Capoeira zu sehen.
Viele tragen um den Hals ihre Teilnehmerkarte für das »Forum Social Mundial«. Ein junger Mann spricht mich mit – genauer geht es nicht – süddeutschem Akzent an. Er lebt mit seiner brasilianischen Freundin im schönen Recife. Im Internet liest er, was die junge Welt über Brasilien berichtet. Daumen hoch. Frauenrechtlerinnen schmücken sich mit lila Bändern, viele Fahnen mit Hammer und Sichel der kommunistischen Partei PCdoB sind zu sehen. Ihr Sprecher im Lautiwagen legt schon mal los: Auf zum Kampf, weg mit Temer! Weitaus mehr Menschen werden pünktlich dazustoßen, als sich der Marsch zwei Stunden später in Bewegung setzt.
Inmitten des lautstarken Zugs mit Tänzen und Gesängen sind etliche Verteiler unterwegs. Unter anderem erhalte ich eine marxistisch-leninistische Zeitung plus Umarmung, Einladungen zu diversen Veranstaltungen auf dem WSF, ein A6-Flugblatt, das Lulas Auftritt am 15. März im Pituaçu-Stadion ankündigt, und ein weiteres für eine Veranstaltung der Partei Freiheit und Sozialismus (PSoL) mit deren Präsidentschaftskandidaten Guilherme Boulos und Sónia Guajajara. Ein kleingewachsener alter Arbeiter mit tiefen Falten im schwarzen Gesicht verteilt Zettel mit Appellen des Gewerkschaftsbundes CUT. Viel reden möchte er nicht. Aber er weiß, warum er hier ist: »Weil ich gegen diesen Temer bin.« Nur wenig gesprächiger ist einer der Militärpolizisten, die hier und da am Rande des Zuges stehen und sich an ihren Knüppeln festhalten. Ja, das hier sei alles ganz friedlich. Kein Vandalismus wie sonst manchmal in dieser Stadt, betont er. Ja, es geht ausgesprochen fröhlich und herzlich auf diesem Marsch zu. Woher kommst du? Und selbst? Die Fotos zeigen drei der Aktivisten, mit denen ich gestern sprach.
Zehntausende auf den Straßen von Salvador da Bahia zum Auftakt des vierzehnten Weltsozialforums. Vom Platz des 2. Juli (besser bekannt als Largo do Campo Grande) zieht am späten Dienstag nachmittag ein langer und lebendiger Demonstrationszug durch die Innenstadt in Richtung des Barra-Viertels. Fahnen und Transparente der linken Parteien und der Gewerkschaften Brasiliens sind zu sehen und hier und dort auch die Flaggen internationaler Organisationen, die am WSF teilnehmen. Die Slogans der Sprechchöre richten sich vor allem gegen die illegitime Temer-Regierung und deren neoliberale Projekte. Die Menschen feiern Lula. Es wird getrommelt und gesungen. Impressionen von einem großartigen Start – mit einer starken feministischen Note – in den globalen Workshop der sozialen Bewegungen.
Das Goethe-Institut Salvador-Bahia stellt seine Räume für ein Treffen der deutschsprachigen Teilnehmer am Weltsozialforum zur Verfügung. Ein paar Dutzend finden sich am späten Dienstag vormittag in der ansehnlichen Stadtvilla am Anfang der Avenida Sete de Setembro im historischen Zentrum Salvadors ein. Ein großes Stück dorthin habe ich vom nordöstlich an der Küste gelegenen Viertel Rio Vermelho aus mit dem Bus bewältigt. Eine ältere Dame weist mir den Weg zur nicht identifizierbaren Haltestelle und warnt mich vor Dieben, die es auf die Passagiere abgesehen hätten. Für die letzte Meile bedarf es dann doch eines Taxis.
Nach Agenturmeldungen und Presseerklärungen von Politikern ist das Geplauder von Taxifahrern weltweit die wichtigste journalistische Quelle. Meine sagt: Die Lage in Brasilien ist düster. Mit der Wirtschaft geht es den Bach runter, die Leute kommen kaum über die Runden. Alle Politiker, ohne Ausnahme, sind korrupt. Die Wahlen in diesem Jahr werden überhaupt nichts ändern. Lula ist zwar der Kompetenteste, aber den wird man mit Sicherheit ins Gefängnis stecken.
Die meisten von Goethes Gästen sind bereits bei einigen Sozialforen mit von der Partie gewesen. Stark vertreten sind Brot für die Welt, das Netzwerk Kobra, IG Metall und GEW. Für die Delegation der etwa fünfzig nach Salvador gereisten Schweizer spricht der pensionierte Chemiegewerkschafter Hans Schäppi. Auch die Deutsche Botschaft ist mit zwei Fachreferenten auf dem Treffen vertreten. Hugo Braun (ATTAC) kommt auf den Grundkonflikt zu sprechen, der in der Bewegung gärt. Hat diese wirklich an Kreativität und Dynamik verloren, sollte sie politischer und aktionsorientierter wirken? Hugo, wir sind hier alle per du, sieht im WSF eine nach wie vor »lebendige Begegnungsstätte«. Er betont die Einmaligkeit eines solchen »offenen Raums zur Debatte«. Würde man das Weltsozialforum umfunktionieren, »zerbräche es sofort«.
Auf der Sitzung des Internationalen Rats des WSF am kommenden Wochenende wird also heftig diskutiert werden. Eine Kursänderung wird laut Hugo aber sicher ausbleiben. Auch eine praktische Frage bleibt zu klären. Wo und wann soll das nächste Forum stattfinden? Der ATTAC-Vertreter verweist auf die schlechten Erfahrungen mit Kanada. In dem nördlichen Industrieland wurde 2016 das WSF veranstaltet, doch aufgrund seiner Visapolitik wurden Teilnehmer aus dem globalen Süden weitgehend ausgesperrt. Auch Asien scheint derzeit keine Option zu sein, ist nur noch marginal am Weltsozialforum beteiligt.
In der Diskussion taucht auch die Frage auf, inwieweit das Forum durch seinen Austragungsort in die brasilianische Innenpolitik hineingezogen wird. In den ersten Jahren habe man sich gern mit Lula geschmückt. Das WSF profitierte von der logistischen und finanziellen Unterstützung, die es damals noch von offizieller Seite erhielt. Heute muss der Gürtel enger geschnallt werden. Auch deshalb ist es am Austragungsort weniger sichtbar, als es frühere Events dieser Art in Brasilien waren. Nun stehen Lula und seine Arbeiterpartei PT erneut vor der Tür, ihr Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im Herbst wird in Salvador in einem Stadion auftreten.
Dass die wahrlich nicht homogene brasilianische Linke – die Basisbewegungen haben mit den Realos noch einiges offen – Lula gegen seine politisch-juristischen Verfolger ziemlich geschlossen verteidigt, ist für alle hier auffällig. Für Brasilien liegt die Bedeutung des Fórum Social Mundial gerade jetzt auch darin, dass die Linkskräfte hier ihre Stärke zeigen können und müssen. Das Weltsozialforum in Brasilien, man kann es durchaus als Win-win-Situation sehen.