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Analphabetismus - Fremdwort in Kuba: Fotostrecke
Analphabetismus - Fremdwort in Kuba: Fotostrecke
Wissbegieriger Besuch am Stand der jungen Welt - Deutsch-Studierende der Universität Havanna.
Sie lassen sich alles über die junge Welt erklären und en detail unsere Internetausgabe vorführen. Daß wir soviel über Kuba und Lateinamerika berichten, beeindruckt sie. Besonders freuen sie sich über die verschiedenen thematischen jW-Beilagen, die am Stand abgegeben werden.
Derzeit belegt die Gruppe den einjährigen Vorbereitungslehrgang mit Deutsch-Intensivkursen, Spanisch und Sport. Fünf Jahre Ausbildung schließen sich an. Neben der ersten und mindestens einer weiteren Fremdsprache kommen dann noch weitere Fächer hinzu, wie Geschichte, Linguistik und Literatur. Ab dem dritten Jahr wird ausschließlich in den Fremdsprachen unterrichtet.
Obwohl noch am Anfang ihrer Ausbildung, sprechen einige unserer Besucher schon erstaunlich gut deutsch. Aussprache und Grammatik seien das Schwerste - das Kompliment kann ich zurückgeben.
Über 100 Persönlichkeiten aus 27 Ländern haben einen
Brief an US-Außenministerin Condoleezza Rise, den
Generalstaatsanwalt der USA Michael B. Mukasey und an den Minister
für Innere Sicherheit Michael Chertoff geschrieben.
Sie fordern
darin, aus humanitären Gründen den beiden Kubanerinnen Olga
Salanuevo und Adriana Pérez, Visa zu gewähren, damit sie
ihre in den USA seit acht, bzw. neun Jahren inhaftierten Ehemänner
besuchen dürfen. Die USA haben bislang jeden Besuchsantrag ohne
Angabe von Gründen abgelehnt. Zu den zitierten Persönlichkeiten
gehört auch die ehemalige Justizministerin der Bundesrepublik
Deutschland, Herta Däubler-Gmelin (SPD). Das unten dokumentierte
Schreiben wurde ferner unterzeichnet von Adolfo Pérez
Esquivel, Danielle Mitterrand, Rigoberta Menchú, Hebe de
Bonafini, Rosa Regás, und Ignacio Ramonet. Aus den USA
unterschrieben: Der katholische Bischof Thomas Gumbleton, die
Pastorin Dr. Joan Brown Campbell, Angela Davis, Danny Glover ,
Alice Walker, Noam Chomsky, Howard Zinn, die ehemaligen
Kongreß-Abgeordneten Esteban Torres, Wayne Smith und Michael
Parenti sowie der Bürgermeisterin von Richmond, Gayle
McLaughlin.
An
die Außenministerin
Frau Dr. Condoleezza Rice
den Generalstaatsanwalt
Herrn Michael B. Mukasey
den Minister für innere Sicherheit
Herrn Michael Chertoff
Nachrichtlich:
UN-Menschenrechtsrat
Berichterstatter gegen Folter
UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Freiheitsentziehungen
Amnesty international
Ombudsman
Sehr geehrte Damen und Herren ,
wir, die Unterzeichnenden, wenden uns an das Außenministerium und das Justizministerium der Vereinigten Staaten von Amerika mit der Bitte, umgehend den kubanischen Staatsangehörigen Olga Salanueva und Adriana Pérez - Ehefrauen des Gefangenen René González beziehungsweise des Gefangenen Gerardo Hernández- denen es ohne irgendeine rechtliche Grundlage seit 8 bzw. 9 Jahren unmöglich gemacht wird, ihre Ehemänner im Gefängnis zu besuchen, Visa zu erteilen.
Wir wissen, daß sie schon achtmal Visaanträge gestellt haben. Jedes Mal hat das Außenministerium mit unterschiedlichen Begründungen und ohne Angabe irgendeiner Rechtsgrundlage, die die Willkürlichkeit dieser Maßnahme hätte stützen können, die Anträge abgelehnt.
Amnesty international hat dies seit 2003 verschiedentlich gerügt und ausgeführt:
„Artikel 10 Abs. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPZPR), den die USA ratifiziert haben, bestimmt: „Jeder, dem seine Freiheit entzogen ist, muß menschlich und mit Achtung vor der dem Menschen innewohnenden Würde behandelt werden“.
In den allgemeinen Erläuterungen des UN-Menschenrechtskomitees zu diesem Artikel heißt es in Nummer 4, daß es eine fundamentale und universell geltende Regel ist, alle Personen, denen ihre Freiheit entzogen worden ist, menschlich und ihre Würde achtend zu behandeln ..... Diese Regel ist anzuwenden ohne irgendeinen Unterschied insbesondere bezüglich der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status.“
Am 17. Januar 2007 hat amnesty international erneut die Verletzung des Rechts dieser Gefangenen, Besuch von ihren Ehefrauen zu erhalten, gerügt, und zwar als unnötige (weitere) Bestrafung.
Wir erinnern daran, daß am 27. Mai 2005 die UN-Arbeitsgruppe zu willkürlichen Freiheitsentziehungen eine Stellungnahme veröffentlicht hat, in der sie die Inhaftierung dieser Personen als”unrechtmäßig und willkürlich“ bezeichnete und die nordamerikanische Regierung aufforderte, diese Situation zu beenden, wobei sie auf die von dieser begangenen Rechtsverstöße und das Fehlen von Rechtsgarantien für ein gerechtes und unparteiisches Gerichtsverfahren hinwies. Unter anderem erklärte sie: „dies ist ein Verstoß gegen Artikel 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte“.
Am 9. August desselben Jahres haben sodann drei Richter des Gerichts in Atlanta für den 11. Gerichtsbezirk die Verurteilungen aufgehoben und ein neues Verfahren angeordnet.
Zur Zeit befindet sich der international unter der Bezeichnung der Fall der „Cuban Five“ bekannte Fall im Stadium der Appellation. (vergleichbar Berufung)
Zwei Gefangenen das Recht zu verweigern, von ihren Ehefrauen besucht zu werden, hat sich inzwischen zu einer anderen Form der Grausamkeit und der Folter entwickelt.
Wir fordern Sie auf, dieser Situation ein Ende zu bereiten und unverzüglich OLGA SALANUEVA UND ADRIANA PÉREZ HUMANITÄRE VISA zu erteilen.
Solidarität vom jW-Team aus Havanna mit Christel Wegner
Mit Entsetzen haben wir von der Buchmesse in Havanna aus die Diskussion über Christel Wegner in Deutschland verfolgt. Hier, in der kubanischen Hauptstadt, können wir sehr gut die Zerrbilder der bürgerlichen Presse von allem, was auch nur nach Sozialismus riecht, überprüfen. Wir mußten uns wieder einmal davon überzeugen, daß so ziemlich alles falsch ist, was Spiegel-Online, Panorama, Die Welt oder die mehr oder weniger staatlich gesteuerten Nachrichtenagenturen über Kuba berichten. Letztes Beispiel: Die Kampagne wegen des Streitgesprächs zwischen einem kubanischen Studenten und dem Parlamentspräsidenten Ricardo Alarcón, über das die jW berichtete.
Christel Wegner hat die Kühnheit besessen, zu sagen, daß zwei mal zwei gleich vier ist. Nicht mehr und nicht weniger. Auch die Kubaner haben die Erfahrung gemacht, daß ein sozialistischer Staat nicht darauf verzichten darf, diejenigen unter Kontrolle zu halten, die sich von der CIA bezahlen lassen oder die im Auftrag der enteigneten Zuckerbarone, Mafiabosse und Batista-Mörder handeln.
Jedem bürgerlichen Staat, der seine eigene Verfassung ernst nimmt, stünde es ebenfalls gut an, rechtsextreme Umtriebe mit allen Mitteln zu unterbinden. Offenbar will man genau das vermeiden – deshalb die Aufregung über Christel Wegner.
Ebenso entsetzt sind wir über jene als Angehörige der Linkspartei getarnten Sozialdemokraten, die offensichtlich nur darauf warten, über jedes Stöckchen zu springen, das ihnen die Bourgeoisie vorhält. Menschlicher Anstand hätte erfordert, daß sie sich erst einmal darüber sachkundig machten, was Christel Wegner wirklich gesagt hat. Und daß Gregor Gysi ihr unterstellt, sie – und nicht etwa Panorama - sei vom Verfassungsschutz gesteuert, ist nicht mehr als eine bodenlose und opportunistische Frechheit.
Rainer Schulze, Peter Wolter, Oliver Desoi, Harald Neuber, Peter Steiniger, Mónica Corbano
»Ich strebe weder das Amt des Staatsratsvorsitzenden noch das Amt des Oberkommandierenden der Streitkräfte an.« Eine Botschaft des Comandante en Jefe Fidel Castro Ruz
* Die Tageszeitung Granma, Zentralorgan der Kommunistischen Partei Kubas, veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 19. Februar 2008 auf Seite eins eine Erklärung Fidel Castros. Renate Fausten und Ekkehard Sieker (hintergrund.de) besorgten eine Übersetzung ins Deutsche.
Die meisten Kubaner hatten wohl damit gerechnet, daß sich Fidel Castro zurückzieht
Die meisten Kubaner hatten wohl schon damit gerechnet: Der gesundheitlich stark angeschlagene Revolutionsführer Fidel Castro kandidiert nicht mehr für die Ämter des Staatspräsidenten und des Oberbefehlshabers. Wen die Nationalversammlung am Sonntag zu seinem Nachfolger wählen wird, ist zwar noch unklar – aber auch das scheint auf Kuba kaum jemanden aufzuregen.
Der Parque Central in der Nähe des Kapitols bot am Dienstag Morgen das übliche Bild: Dutzende Kubanerinnen und Kubaner saßen auf den Bänken, einige spielten Schach, andere hielten ein Schwätzchen. Fast jeder dritte hatte die Parteizeitung Granma vor sich. Lapidare Schlagzeile: »Mensaje del Comandante en Jefe« (Mitteilung des Oberbefehlshabers). Erst in der Mitte der zweiten Spalte findet sich die Nachricht des Tages: »... teile ich Ihnen mit, daß ich das Amt des Präsidenten des Staatsrates und das des Oberbefehlshabers weder anstreben noch annehmen werde – ich wiederhole: weder anstreben noch annehmen.«
»Das konnte man sich doch ausrechnen«, kommentierte ein etwa 50jähriger Lehrer. »Das heißt aber nicht, daß Fidel zurücktritt. Für uns wird er immer die Nummer eins bleiben, solange er lebt.« Daß es wesentliche Veränderungen geben wird, erwartet er jedoch nicht. »Wir haben doch eine stabile Spitze, die in den anderthalb Jahren seit der Erkrankung Fidels den Staat genau so geführt hat, als wäre der Comandante immer noch am Ruder.«
Auf der »feria del libro« der Buchmesse in der alten spanischen Festung vor der Stadt, zeigt sich ein ähnliches Stimmungsbild. Das, was eigentlich die Nachricht des Tages wäre, löst kaum Diskussionen aus – man hatte schließlich damit gerechnet. Auf die Frage, was sich denn mit Castros Rücktritt ändern könnte, reagieren einige Gesprächspartner mit verständnislosen Blicken, andere zucken ratlos mit der Schulter. »Was soll sich denn ändern?« entgegnet einer. »Der Staat ist stabil – auch wenn wir immer noch eine Menge Probleme haben. Allerdings hoffe ich schon, daß sich einiges verbessert, wenn jüngere Leute das Sagen haben.«
Einer der jungen Studenten, die als Helfer zur Buchmesse abgeordnet wurden, wird konkreter. »Fidels Bruder Raul Castro wird das Heft wohl in der Hand behalten. Ich hoffe jedenfalls, daß sich gerade für uns Studenten einiges ändert. Wir haben alle eine erstklassige Ausbildung bekommen – und die wollen wir nach unserem Abschluß auch einsetzen. Leider passiert es immer noch, daß sich so mancher nach der Universität erst einmal Arbeit als Taxifahrer oder Kellner suchen muß. Das muß dringend geändert werden – wir brauchen qualifizierte Arbeitsplätze, auf denen wir unsere Fähigkeiten auch nutzen können und die entsprechend bezahlt werden.«
»Fidel wird ja nicht aus dem politischen Leben verschwinden«, sagte ein anderer. »Immerhin hat er angekündigt, daß er regelmäßig in der Granma seine >Reflexiones del companero Fidel< veröffentlichen wird.«
Kurz vor Wahl des Staatsrates: Kubas Präsident Fidel Castro kandidiert nicht mehr für Staatsämter, bleibt aber »Soldat der Ideen«. Führungswechsel in Havanna erwartet
Nach fast einem halben Jahrhundert an der Spitze Kubas hat Staatschef Fidel Castro in Havanna seinen Rücktritt angekündigt. In einem in der Tageszeitung Granma am Dienstag veröffentlichten Brief erklärte er, er werde sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen. »Ich werde die Ämter des Präsidenten und des Oberbefehlshabers weder anstreben noch annehmen.« Die »Nachricht des Comandante en Jefe« nahm die gesamte Titelseite des Zentralorgans der Kommunistischen Partei Kubas ein. Zwei Jahre, nachdem Castro die Regierungsgeschäfte an seinen jüngeren Bruder und Vizepräsidenten Raúl Castro abgegeben hat, schafft der 81jährige damit Klarheit: »Es wäre ein Betrug an meinem Gewissen, wenn ich eine Verantwortung übernehmen würde, die mir eine Mobilität und Aufopferung abverlangt, zu der ich physisch nicht mehr in der Lage bin«. Fidel Castro war 49 Jahre an der Regierung Kubas: nach der Revolution 18 Jahre als Ministerpräsident, nach einer Verfassungsreform 1976 als Präsident der Republik.
Die Erklärung kommt wenige Tage vor der Wahl des neuen Staatsrates. Am Sonntag werden die 614 Abgeordneten der Nationalversammlung aus ihren Reihen 31 Mitglieder des Regierungsgremiums bestimmen. Seit der Verabschiedung der sozialistischen Verfassung am 15. Februar 1976 stand Fidel Castro selbst dem Staatsrat vor und war damit zugleich Präsident der Republik. Aus Regierungskreisen war schon am Wochenende zu erfahren, daß es in der Führungsriege »weitreichende personelle Veränderungen« geben wird.
Erstmals schreibt Fidel Castro in der Granma über die Schwere seiner Erkrankung. Er habe einige Zeit gebraucht, »um die volle Geistesleistung und die Kraft zum Lesen« wiederzuerlangen. Eine seiner größten Sorgen sei es in dieser Zeit gewesen, seinen Rückzug einzuleiten. »Nach so vielen Jahren des Kampfes war es meine Aufgabe, die Bevölkerung psychisch und politisch auf meine Abwesenheit vorzubereiten«, schreibt Fidel Castro in dem Beitrag, der auf Montag nachmittag datiert ist. »Ich verabschiede mich aber nicht von euch. Ich möchte weiter als ein Soldat der Ideen kämpfen«, heißt es am Ende der Mitteilung. Er werde auch künftig seine als »Reflexionen« bekannten Aufsätze veröffentlichen: »Sie werden eine Waffe mehr im Arsenal sein«. Der Brief endet mit einem einfachen »Danke«.
Der US-amerikanische Präsident George W. Bush bezeichnete Fidel Castros Rücktritt als »Abschnitt des Übergangs, der ein demokratischer Übergang für das kubanische Volk sein sollte«. Der US-Nachrichtensender CNN berichtete am Morgen über die »Top-News« live aus Miami, der Hochburg des antikubanischen Exils in den USA. »Es ist nun an der Zeit«, erklärte die Reporterin, »daß sich die Menschen in Kuba erheben und für einen demokratischen Wandel kämpfen.« Der Text hätte so auch aus der PR-Abteilung des Weißen Hauses stammen können.
Das Londoner
Zentralbüro der Menschenrechtsorganisation Amnesty International
forderte von der künftigen kubanischen Regierung »Reformen« ein, »die
den Schutz der Menschenrechte garantieren«. Ein Sprecher des
EU-Entwicklungskommissars Louis Michel betonte das Ziel Brüssels, in
Kuba einen »friedlichen Übergang« zu erreichen, »der zu einer
pluralistischen Demokratie« führe. Das chinesische Außenamt hingegen
würdigte Fidel Castro als »revolutionären Führer« und »alten Freund«.
Kapitalistische Restauration ist alles: Wie sich die Friedrich-Ebert-Stiftung auf der Buchmesse in Havanna aufführt
Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Kuba haben ihren Tiefpunkt überwunden. Nachdem Brüssel – damals noch auf Drängen des spanischen Postfaschisten José María Aznar – Anfang 2003 Sanktionen gegen den Karibikstaat verhängt hatte, sind die Kontakte inzwischen wieder weitgehend hergestellt. Das merkt man auch auf der Internationalen Buchmesse in Havanna. Erstmals seit vier Jahren sind hier wieder die Messe- und Ausstellungs GmbH des Börsenvereins des deutsches Buchhandels, die die Frankfurter Buchmesse veranstaltet, und das Auswärtige Amt neuerlich vertreten. Die Rückkehr der EU läßt neue Spannungen mit der kubanischen Regierung erwarten. Einen Vorgeschmack gab eine Veranstaltung am Sonntag auf der Messe. Die internationale Zeitschrift der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) Nueva Sociedad (Neue Gesellschaft) hatten zur Debatte über »Soziale Gleichheit in Lateinamerika in Zeiten der Globalisierung« eingeladen.
Havanna ohne Musik und Tanz ist nicht denkbar.
Nach einem langen, durch Hitze und Lärm schlauchenden Tag am jW-Stand auf der Buchmesse brauchen wir Auslauf. Im Altstadtviertel Vieja, am Bulevar Obispo, einer historischen, touristisch geprägten Einkaufsgasse, gibt es an einer Ecke noch eine kleine Kiezkneipe. An der Wand hängt eine recht eindrucksvolle Urkunde mit dem Konterfei von Che Guevara. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich um die Schanklizenz. "Für den Hut" musiziert hier ein Trio: Kontrabass, eine dreisaitige Gitarre und Gesang. Die voluminöse Sängerin reißt mit Stimme, Ausstrahlung und Temperament mit.
Anschließend ist Salsa angesagt. Im Lluvia de Oro ("Goldregen"), einer legendären Tanzbar nur wenige Schritte weiter, spielt eine geradezu explosive Combo auf. Jeder Ton, jede Bewegung ist Lebensgefühl, die Musik bezieht den ganzen Körper ein. Model-Figuren werden auf der Tanzfläche kaum vorgeführt, zählen tun Hingabe und Rhythmusgefühl. Im ganzen Lokal herrscht eine lärmende Ausgelassenheit, wird mitgesungen. Kubanische Sinnlichkeit ist der genaue Gegensatz von deutschem "Frohsinn". Alle und alles ist in Bewegung. Die Fremden fallen tänzerisch etwas ab, bleiben abwärts der Hüfte steif.
Unter den Tanzenden sind auch viele Schwarze, vor allem Frauen, Nachfahren der Sklaven, die in den Minen, in den Zuckermühlen und auf den Plantagen ausgebeutet wurden. Großformatige Fotografien an den Wänden zeigen das Lokal in viel früheren Tagen: voller hellhäutiger Männer. Vor der Revolution haben Schwarze hier nicht getanzt, sondern den Boden gewischt.
Ein Spaziergang durch das Zentrum Havannas: Fotostrecke
Schlüpfen wir zur Abwechslung doch mal in die Rolle eines Journalisten von Panorama oder Spiegel-Online
Havanna. Kubanische Polizisten haben in der Nacht zum Sonntag in der Altstadt von Havanna einen Dissidenten auf brutale Weise festgenommen und abtransportiert. Nach Berichten von Augenzeugen wurde der etwa 30jährige Mann auf offener Straße mit Gewalt festgehalten, in Handschellen gelegt und unter Schmerzensschreien in einem Wagen abtransportiert. Grund der Festnahme war offenbar, daß er ein T-Shirt mit einem Anti-Castro-Aufdruck trug. Protestierende Anwohner, die den Vorfall beobachteten, äußerten die Sorge, daß er im Gefängnis gefoltert wird. Über den weiteren Verbleib des Festgenommenen wurde bislang nichts bekannt. »
Und so war es wirklich:
Der Festgenommene war betrunken und hatte auf offener Straße wegen eines Ehestreits eine Schlägerei angezettelt. Polizisten versuchten zunächst, ihn zu beruhigen. Als er dann um sich schlug, wurden ihm Handschellen angelegt. Die waren allerdings etwas zu fest angezogen, worauf sich ein Polizist bemühte, sie zu lockern. In der Tat kam dann ein Polizeiwagen, der den Mann zur Wache mitnahm. Sein T-Shirt war mit dem Namen einer Band bedruckt, Passanten beobachteten die Szene und gaben belustigte Kommentare ab.
Den oben erwähnten Lohnschreibern könnte man auch folgendes empfehlen: Ein Klassenraum einer Grundschule in der Calle Obispo ist durch ein offenes Gitter von der Straße abgetrennt, so daß Passanten den Verlauf der Schulstunde beobachten können. Wie wäre es mit der Schlagzeile: »Castros Kuba: Jetzt auch Kinder hinter Gittern«?
Wie schmeckt, wie riecht, wie fühlt sich Kuba an?, fragt uns eine Leserin aus Berlin-Kreuzberg. Wir sollten mehr darüber für diejenigen berichten, die dieses Land noch nicht selbst kennenlernen konnten.
Selbst Kuba-Neuling, lassen sich die ersten Eindrücke aus Havanna so zusammenfassen: Dies ist ein sehr sonderbares Land. Im Stadtbild wechseln ländliche Szenen mit glanzvollen Kolonialbauten, Verfall und den Überbleibseln realsozialistischer Moderne. Die Gerüche der Stadt mischen sich mit denen des Meeres, von der Seeseite weht stets eine leichte, angenehm kühlende Brise. Die Parks und Grünanlagen sind gepflegt, die Straßen und Wege werden einigermaßen sauber gehalten, sind aber voller Schlaglöcher und Stolperfallen. Wer Leuchtreklamen und Werbeschilder mag, wird sie in Havanna vermissen. Nur hier und da grüßen Fidel, Ché oder Los Cinco von einer Hauswand oder Propagandatafel.
Als erstes fällt hier der Verkehr ins Auge. Das Aufkommen ist für eine Großstadt mit etwa drei Millionen Einwohnern spärlich und viele Fahrzeuge machen einen abenteuerlichen Eindruck. Neben modernen Touristenbussen und Mietwagen sind vor allem Lada, amerikanische Straßenkreuzer - die mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben und mit umgebauten Dieselmotoren aus Traktoren fahren -, Motorräder von Java oder aus Zschkopau sowie alles unterwegs, was bei uns in Deutschland schon lange auf dem Schrottplatz ruhen würde. Natürlich darf man es sich nicht nehmen lassen, mit so einem uralten Chevrolet, der als Linientaxi für 10 Peso nacional pro Person verkehrt, mitzufahren. Ein intensives Erlebnis, auch angesichts von sechs Fahrgästen, die sich in den Veteran quetschen. Als Déjà-vu-Erlebnis entpuppt sich für die Fahrt mit den osteuropäischen Fabrikaten. Im Fahrzeuginneren riecht es nach Kraftstoff. Ostdeutsche wissen: Nicht die Benzinpumpe ist gebrochen – das muß so sein. Eine leichte Übelkeit gehörte in der Kindheit zu Autofahrten einfach dazu.
Wie lebt es sich in dieser Synthese aus Dritter Welt und Sozialismus, aus Karibik, Afrika, USA und DDR, wie denken und fühlen die Kubanerinnen und Kubaner selbst? Die kubanische Realität entschlüsselt einem sich nicht in wenigen Tagen. Das Fremdheitsgefühl jedoch weicht schnell - nicht nur wegen der Anklänge an eigene Erfahrungen – es liegt an der Offenheit und Freundlichkeit der Menschen.
Über vieles hier herrscht Unzufriedenheit: die Bürokratie, eintönige Zeitungen, katastrophale Wohnbedingungen, fehlende Reisemöglichkeiten, die viel zu niedrigen Einkommen, von denen allein das Leben nicht zu bestreiten ist. Viele wichtige Dinge sind nur gegen Devisen zu haben. Der Peso convertible untergräbt als Parallelwährung die gesellschaftliche Moral. Qualifizierte Leute müssen versuchen, irgendwie im Tourismus Fuß zu fassen. Taxifahrer und Vermieter an Ausländer verdienen ein Vielfaches von Universitätsprofessoren.
Wenn man den kubanischen Alltag beobachtet, fällt auf, daß vieles mühselig und improvisiert ist, Dinge fehlen, die für uns selbstverständlich sind. Auf offene Armut trifft man kaum. Die meisten Menschen in Havanna sind gut gekleidet und ernährt, ohne Zahnlücken, im Unterschied zu Berlin wird man nirgendwo angebettelt. Und noch etwas unterscheidet sich von der Welt, wie wir sie bei uns kennen: Das andere Tempo, eine kubanische Entspanntheit - den Menschen hier steht nicht die Existenzangst ins Gesicht geschrieben.
Am Malecón, der langen, sehr romantischen Uferpromenade, gehen ständig zahlreiche Menschen spazieren, sitzen Pärchen, wird Musik gemacht und kreist die Rumflasche. In der Nacht kann man auf das tief dunkle Meer hinausblicken, auf dem kein einziges Boot oder Schiff seine Lichter wirft. Kuba erscheint dann als ein verwunschener, abgeschnittener Ort. In der letzten Nacht sahen wir am Malecon einen Auflauf mit hunderten, die ein „Gay-Treffen" feierten. Übrigens völlig unbehelligt von der Polizei.
Unser kleines Hotel liegt in einer düsteren Seitenstraße in Alt-Havanna, nur wenige Fußminuten vom Capitolio und den aufgemotzten Geschäftsstraßen für Touristen und alle, die sonst noch mit harter Währung zahlen können. Nachts wirkt das Viertel um die Calle Consular wenig vertrauenserweckend, Dealer und leichte Mädchen lungern herum. An den Straßenkreuzungen beobachten Ordnungshüter aus ihren Autos heraus das Treiben ringsum. Morgens strömen aus den verschlissenen Häusern die Leute, um sich auf den Weg zur Arbeit zu machen und junge Pioniere ziehen in Gruppen durch die Straßen.
In den Reiseführern wird unsere Absteige als Etablissement beschrieben, welches vor allem von Studenten aus aller Welt gern frequentiert wird. Studenten haben es nämlich gerne fensterlos und legen auch auf warmes Wasser keinen großen Wert. Tatsächlich haben sich einige junge Leute aus Norwegen und England hier einquartiert. Überwiegend aber sind es männliche Touristen, aus Kanada oder Deutschland. In der Lobby lassen sich am Abend ein, zwei herausgeputzte Afrokubanerinnen nieder, um sich etwas ausgeben zu lassen oder einträgliche Bekanntschaften zu schließen. Einen Hort der Revolution würde man hier nicht unbedingt vermuten. Und doch finden sich in einem abgelegenen Winkel, neben Gerümpel, Abfällen und einem versifften Pissoir, zwei lieblos gestaltete Wandzeitungen. Die Parteigruppe der PCC informiert darüber, daß Fidel aufruft. Daneben prangt die Straße der Besten.
Havanna ist eine Stadt voller Musik. Noch bis heute läuft hier das 24. internationale Jazz-Festival
Auf dem Weg zurück in unser Hotel ist die Luft angenehm warm wie in einer Julinacht in Berlin.
Propaganda der deutschen Bundesregierung auf der Buchmesse in Havanna – wie die Latinos an der Nase herumgeführt werden
Viele bunte Bilder, grafisch aufwendige Gestaltung, Hochglanzdruck: Die Bundesregierung scheut keine Ausgaben, um im Ausland für den »german way of life« zu werben. Als verlängerten Arm nutzt sie in Havanna den Stand der Frankfurter Buchmesse, die vorwiegend Kinderbücher und Werke zum Deutschlernen präsentiert. Kostenlos und in hoher Auflage wird dort aber nur die Broschüre »La actualidad de Alemania« (Tatsachen über Deutschland) verteilt.
In der 2005 vom Auswärtigen Amt im mehreren Sprachen aufgelegten Broschüre versuchen Historiker, Wirtschaftsprofessoren und Journalisten ein möglichst positives Bild Deutschlands zu zeichnen. Es ist zwar richtig, die BRD als wirtschaftlich potenten und industriell hochentwickelten Staat zu präsentieren – das ist aber nicht einmal ein Viertel der Wahrheit.
Die Verdrehungen beginnen schon bei der Darstellung des deutschen Erfinder- und Forschergeistes. Laut Broschüre wurde die Glühbirne nicht etwa von dem US-Amerikaner Thomas A. Edison erfunden, sondern von Heinrich Göbel. Das erste Telefon baute nicht der US-Amerikaner Alexander Graham Bell, sondern der Deutsche Philip Reis. Das erste Strahltriebwerk für Flugzeuge wurde nicht von dem Briten Frank Whittle konstruiert, sondern von Hans von Ohain. Der hatte allerdings mit dem praktischen Einsatz die Nase vorne: Seine Erfindung diente als Antrieb für eine der Hitlerschen »Wunderwaffen«. Dem deutschen Erfindergeist ist eben auch die Entwicklung der ersten Großrakete, der V 2, geschuldet – das allerdings wird schamhaft verschwiegen.
Buchstäblich nichts erfährt man in der Broschüre über die deutsche Alltagswirklichkeit. Kein Wort zur schon 2005 wahrnehmbaren Verarmung der unteren Einkommensschichten, kein Wort zur zunehmenden Altersarmut. Man erfährt nichts zu den seit 1990 kräftig zurückgegangenen Realeinkommen; die über zwei Millionen in Armut lebenden Kinder werden nicht einmal erwähnt. Daß die Zahl der Arbeiterkinder an den Universitäten immer weiter zurückgeht, wird ebenso verschwiegen wie die PISA-Studie, die die Effizienz des deutschen Bildungssystems auf einem Entwicklungsländern vergleichbaren Rang einstuft. Das deutsche Sozialsystem wird über den grünen Klee gelobt – verschwiegen wird jedoch, daß Millionen Deutsche offiziell als arm eingestuft werden (2006: 10,6 Millionen). Das Horrorkürzel »Hartz IV« taucht nicht einmal auf.
Man erfährt nichts davon, daß in vielen deutschen Orten heutzutage Neonazis Jagd auf Ausländer machen. Zur Darstellung der deutschen Realität würde auch gehören, daß seit 1990 in Deutschland etwa 100 Menschen durch Neonazis umgebracht wurden. Das Zuwanderungsgesetz wird zwar kurz erwähnt – nicht jedoch, daß Migranten in Lagern festgehalten und von den Behörden bei Nacht und Nebel und unter menschenunwürdigen Umständen abgeschoben werden. Weitere Punkte auf der Mängelliste: Verdummung der Bevölkerung durch Massenmedien, das Zusammenknüppeln von Demonstranten durch die Polizei, der völkerrechts- und grundgesetzwidrige Bundeswehreinsatz in Afghanistan, die Ausschnüffelung der Bevölkerung durch Polizei und Geheimdienste.
Realität ist immer komplex – besonders die deutsche. Diesem Anspruch wird die Broschüre nicht einmal im Ansatz gerecht, die Liste dessen, was verschwiegen, verdreht, beschönigt oder einfach erlogen wird, läßt sich fast endlos verlängern. Das Urteil über dieses Machwerk kann man in einem Wort zusammenfassen, höflicherweise auf Spanisch: »mierda«. Für so etwas geben sich hochbezahlte deutsche Professoren her – Kopflanger der Propaganda.
Auf der Internationalen Buchmesse in Havanna erfreut sich ein Amateurvideo derzeit großer Beliebtheit. Dabei enthält die Aufnahme der Debatte zwischen dem kubanischen Parlamentspräsidenten Ricardo Alarcón und den Studenten der Informatikuniversität UCI nur wenig Neues. Über zwei Stunden hatte sich der Politiker Anfang des Monats den Fragen der Studierenden gestellt. Kritisch hinterfragten die Jugendlichen Probleme mit restriktiven Reiseregelungen, nahmen zu sozialen Gegensätzen in Kuba Stellung und debattierten das Wahlsystem. Seit der amtierende Staatschef Raúl Castro im September vergangenen Jahres zur solcher Kritik aufgerufen hatte, haben in Kuba tausende solcher Diskussionen stattgefunden. Es war der jüngere Castro selbst, der einen „Überschuß an Restriktionen" konstatierte, durch den „mehr Schaden als Nutzen" angerichtet werde.
Die FG legt dort Informationen über ihr Cátedra-Projekt aus. (Die Cátedra gehört zur Universität Havanna und dient der Weiterbildung kubanischer Deutschlehrer.) Es liegen auch Publikationen des Komitee »basta ya« zur Befreiung der Los Cinco aus – das sind die fünf in den USA inhaftierten Kubaner, die den von Miami ausgehenden Terrorismus gegen ihr Land aufklären wollten. Beides ist immer wieder Anknüpfungspunkt für interessante Gespräche.
Umso größer ist die Freude, als mir plötzlich ein Plakat mit der Forderung nach Visa für die Ehefrauen der Fünf unter die Nase gehalten wird. Graziella Ramirez vom Internationalen Komitee zur Befreiung der Fünf und die kubanische jW-Korrespondentin Daisy Francis Mexidor machen Werbung für ihre Kampagne und bitten die jW um Veröffentlichung ihres Aufrufs, den u.a. die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) unterzeichnet hat.
Im Namen von »basta ya« übergebe ich Graziella unser Buch über die Geschichte der Fünf, die seit zehn Jahren in US-Gefängnissen einsitzen. Als ich später zum Stand des Internationalen Komitees komme, steht es gleich vorne im Regal mit anderen Publikation aus Kuba zu dem Fall. Zudem gibt es einen Tisch mit Karikaturen und Zeichnungen, die die Fünf in der Haft gefertigt haben. Das greife ich gerne auf und bitte die Genossinnen um Unterstützung: Die Zeichnungen und weitere Dokumente zu den Fünfen wären gut für die vom Komitee geplante Ausstellung zum 10. Jahrestag ihrer Verhaftung geeignet. Wir werden gemeinsam daran arbeiten und die Ausstellung vielleicht auch in der Cátedra in Havanna zeigen können.
Impressionen vom Messegeschehen: Fotostrecke
Auf der Messe versorgen sich die Kubaner mit großen Mengen geistiger Nahrungsmittel. Nicht nur dadurch wird deutlich, dass sie ein lesefreundliches Volk sind
Ganz anders ist die bundesdeutsche Wirklichkeit. In einer Veranstaltung über die Leseförderung in Deutschland durch die Stiftung Lesen erfahren die Kubaner von der Mühsal, deutschen Schülern den Spaß am Lesen zu vermitteln. Die Kubaner sind ein wenig ratlos – eine Diskussion kommt kaum zustande, nachdem Anke Maerk-Buermann und Karola Penz von der Akademie zur Leseförderung der Stiftung Lesen ihren Vortrag gehalten haben.
Beide Wissenschaftlerinnen belegten mit Zahlen, daß viele deutsche Schüler weder Lust am Lesen haben noch dazu in der Lage sind. Die Ergebnisse der Pisa-Studie, die der BRD blamable Noten ausgestellt hat, werden zitiert. Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Herkunft – zementiert durch das dreigliedrige Schulsystem - fehlen auch nicht. Abhilfe schaffen sollen unter anderem Netzwerke zur Leseförderung, in denen Eltern, Lehrer und Erzieher zusammenwirken. Zentrum dieser Netzwerke sollen Bibliotheken sein.Im Nebel bleibt, wie das angesichts der bundesdeutschen Realität funktionieren soll – die bleibt nämlich weitgehend ausgeblendet. Da nur jede zehnte Schule eine Bibliothek hat, sind hier wohl die öffentlichen Einrichtungen gefragt. Ein großer Teil davon wird aber in vielen Städten gerade geschlossen oder ist unterfinanziert. Und das dreigliedrige Schulsystem wird auch nicht abgeschafft. Hier stoßen zwei Welten aufeinander: Das Entwicklungsland BRD und die fortgeschrittene Kulturnation Kuba.