Buchmesse Havanna 2008
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Kubas Wirtschaftsminister plädiert dafür, stärker die Erfahrungen Chinas zu nutzen. Ein Gespräch mit Hans Modrow
Hans Modrow war der vorletzte Ministerpräsident der DDR. Er weilt derzeit als Staatsgast in Kuba und stellte bei der Buchmesse in Havanna dem kubanischen Publikum sein Buch »In historischer Mission« vor.
Sie sind jetzt zum siebten Mal auf Kuba – haben also die Entwicklung des Landes über Jahrzehnte hinweg verfolgen können. Wie hat sich das Land nach Ihrem Eindruck in diesem Zeitraum verändert?
Es ist schwer, Vergleiche zu ziehen, bei meinem ersten Besuch 1970 existierten noch die sozialistischen Länder in Europa. Ich war mit einer DDR-Delegation hier, um über die Zusammenarbeit vor allem auf landwirtschaftlichem Gebiet zu verhandeln. Heute sind die UdSSR und die anderen sozialistischen Länder verschwunden - Kuba muß seinen Weg alleine gehen.
Beobachter erwarten, daß die kubanische Nationalversammlung am 24. Februar wichtige Veränderungen in der Staatsführung beschließt. Sie haben Gespräche mit hohen kubanischen Politikern geführt – gibt es Andeutungen, was zu erwarten ist?
Von meinen Gesprächspartnern war keiner bereit, sich konkret zu äußern. Ricardo Alarcón, der Präsident der Nationalversammlung, räumte lediglich ein, daß es in der Zusammensetzung des Staatsrates Veränderungen geben wird. Und er ergänzte, daß sich in den zu erwartenden Entscheidungen auch die Erwartungen der Bevölkerung widerspiegeln werden. Vor einiger Zeit hatte es in Vorbereitung der Wahlen eine Art Volksbefragung gegeben, bei der mehrere Millionen Verbesserungswünsche geäußert wurden.
Kuba hat mit Problemen zu kämpfen, die man ähnlich in der DDR kannte. Dort gab es mit der D-Mark eine inoffizielle Zweitwährung, was zu wirtschaftlichen Verwerfungen und ideologischen Problemen führte. Das scheint auch auf Kuba so zu sein, wo es mit dem konvertiblen Peso eine sogar offizielle Zweitwährung gibt. Konnten Sie ihren Gesprächspartnern Ratschläge geben, wie man mit diesem Dilemma umgehen könnte?
Schon zu DDR-Zeiten hielt ich es nicht für klug, Ratschläge zu erteilen. Die kubanische Führung ist sich des Problems bewußt, es wurde allerdings immer wieder betont, daß es nicht nur um die zwei Währungen geht, sondern auch um die Gestaltung der Preise. Eine zufriedenstellende Lösung brauche jedoch Zeit.
Sehr interessant war mein Gespräch mit dem Minister für Wirtschaft und Planung, José Rodriguez. Er sprach von sich aus als erstes an, daß die Versorgung dringend verbessert werden muß. Es gehe nicht an, daß jedes Jahr für 1,6 Millarden Dollar Lebensmittel importiert werden. Die eigene Landwirtschaft müsse gestärkt werden. Es hat mich an die DDR erinnert, als er auf die Schwierigkeiten verwies, den Haushalt für die kommenden Jahre festzulegen. Alle seine Ministerkollegen stellten Forderungen, keiner zeige Verständnis dafür, daß das Budget begrenzt sei. Der Sportminister z. B. wolle Mittel dafür, daß Kuba bei den Olympischen Spielen in Peking Goldmedaillen gewinnt. Klar, sagte Rodríguez, Goldmedaillen brauchen wir, aber wir haben unsere finanziellen Grenzen. Er verwies dann auf das hervorragende Gesundheitswesen Kubas, das immer mehr Geld verschlinge. Auch das Bildungssystem werde immer teurer. Sein Resümee war, daß die Wirtschaft effektiver werden muß, damit diese Mittel aufgebracht werden können. Die Erfahrungen des befreundeten China müßten stärker in die Entwicklung der kubanischen Ökonomie einbezogen werden.
Wie steht es mit der Energieversorgung?
Rodríguez sagte, Kuba fördere aus eigener Kraft 44 Prozent des Erdöls, für den Rest stehe Venezuela als zuverlässiger Partner ein. Ich fragte dann, wie ernst die Aussage des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez zu nehmen sei, daß er die Öllieferungen an die USA drosseln wolle. Antwort: Das wird angestrebt, geht aber nicht über Nacht. Venezuela braucht die Dollar-Einnahmen, um seine sozialen Programme zu finanzieren. Rodríguez schloß damit, daß Kuba nicht mehr nur auf die Solidarität anderer setzen, sondern auf eine Strategie der Zusammenarbeit und Partnerschaft hinarbeiten müsse.
Auf Kuba wird zur Zeit ein schon aus DDR-Zeiten bekanntes Problem diskutiert: Reisefreiheit. Gab es dazu Hinweise in Ihren Gesprächen?
Es wird überlegt, wie die Ausreisebedingungen neu formuliert werden können. Allerdings hat Kuba ein Problem, das auch die DDR schon hatte: Es fehlt an Devisen, damit die Leute reisen können. Es kann ja keine Lösung sein, daß Reisefreiheit nur für diejenigen existiert, die Verwandte in den USA besuchen wollen.
Sie haben auf der Messe Ihr Buch »In historischer Mission« vorgestellt, in dem Sie auch die letzte Phase der DDR schildern. Wie empfanden Sie die Reaktion des kubanischen Publikums?
Mein Buch könnte in zweierlei Hinsicht Resonanz haben. Zum einen schildere ich darin Kontakte und Beziehungen, die die DDR entwickelt hat. Kuba spielt dabei auch eine Rolle. Zum anderen habe ich ein großes Interesse daran festgestellt, was mit dem Untergang der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten in Europa zusammenhängt.
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Zeit ist relativ
Im jW-Büro, das wir mit Plastetisch und -stühlen zwischen den Zeitungsstapeln neben dem Stand improvisiert haben, ist revolutionäre Geduld gefragt.
Die Arbeit mit dem Internet hier auf der Buchmesse ist mühselig - Seitenaufbau und Datenübertragung gehen nur im Schneckentempo, das Versenden einer E-Mail dauert eine kleine Ewigkeit. Bei der Hitze und dem Krach ringsum nervt es besonders, Sklave der Maschine zu sein. In Berlin warten die Kollegen und scharren mit den Füßen, weil Termine für die Herstellung der Seiten einzuhalten sind. Keine leichte Sache, denn dort ist die Uhr stets sechs Stunden weiter.
Für eine schnelle Berichterstattung ist unser Blog hier umso wichtiger. Der Internetzugang dient darüber hinaus unserer journalistischen Arbeit insgesamt - für Recherchen, die Übertragung von Texten und Bildern, die Kommunikation mit der Redaktion in Berlin. Zu unserer Erleichterung, wenn auch gegen ein hübsches Sümmchen, klappte es mit der Einrichtung schnell und professionell. Kubas Telekommunikationsfirma ETECSA, ein Joint Venture mit der italienischen Telecom, bietet auf der Buchmesse diesen Service für die Veranstalter.
Es ist so eine Sache mit dem Internet in Kuba: In den Universitäten, Behörden und anderen Institutionen gibt es Zugänge zum Netz, wenn auch viel zu wenige, lange Wartezeiten sind die Folge. In der eigenen Wohnung ist es nicht gestattet und einen Computer kann sich ohnehin fast kein Kubaner leisten. Privatanwender sind auf Internetcafés angewiesen, was jedoch für die wenigsten erschwinglich ist. Denn dort muß mit der nur gegen harte Devisen erhältlichen Zweitwährung CUC bezahlt werden. Auf einigen Postämtern besteht immerhin die Möglichkeit, E-Mails zu versenden.
Von einer Datenautobahn kann hierzulande nicht die Rede sein. Von schnellen Breitband-Zugängen über die in der Karibik vorhandenen Unterseekabel ist der Inselstaat wegen des US-Embargos ausgesperrt. Die Satellitenverbindung, die das Land erst seit 1996 mit dem weltweiten Datennetz verbindet, ist langsam und kostet Kuba hohe Summen. Abhilfe schaffen soll eine Glasfaserverbindung mit Venezuela. Bis die Realität ist, wird es aber noch zwei, drei Jahre dauern.
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Literarisches Volksfest
Dem jW-Stand geht es nicht anders. Unsere Helfer Jessica, Monica, Rainer und Michael verteilen die spanische jW-Ausgabe, beantworten Fragen, diskutieren und verkaufen hin und wieder einige der mitgebrachten Bücher. Wir müssen aufpassen, daß wir wenigstens noch Ansichtsexemplare übrig behalten.
Am Rande des Geschiebes schwitzt unsere Havanna-Redaktion an einem wackligen Tischchen vor den Laptops. Neugierige schauen ständig über die Schulter. Bei dem Stimmengewirr ist es mitunter schwierig, einen klaren Gedanken zu fassen, was noch dadurch erschwert wird, daß man ständig von Interessenten angesprochen wird. Das Gewusel ist manchmal chaotisch – das haben die kubanischen Genossen jetzt davon. Selber schuld, warum muß man auch gleich ein ganzes Volk alphabetisieren?
Am Vorabend stellte Hans Modrow, der vorletzte Ministerpräsident der DDR, sein Buch »In historischer Mission« vor - eine Veranstaltung von junge Welt und Cuba Sí, moderiert von Harald Neuber. Unter den Gästen waren zahlreiche Funktionäre aus Ministerien und Kulturinstitutionen, darunter Francisco Brown Infante, Direktor am Institut für Europäische Studien in Havanna.Die deutsche Botschaft hatte einen Beobachter geschickt. Eine Diskussion kam nicht auf, die Atmosphäre hatte einen Hauch von Feierlichkeit. Verständlich, denn Hans Modrow ist Staatsgast, der mit allen Ehren und allem Respekt behandelt wird.
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Ein Kubaner, der neun Jahre in der DDR gelebt hat, hat im vergangenen Jahr seine früheren Wohnorte wieder besucht. Ein Gespräch mit Leonel R. Cala Fuentes
Sie haben lange in der DDR gelebt – wie empfinden Sie es als Kubaner, daß es diesen sozialistischen Staat nicht mehr gibt?Ich habe von 1976 bis 1987 in der DDR gearbeitet, im vergangenen Jahr bin ich wieder einmal nach Deutschland gefahren, auf den Spuren meiner Vergangenheit. Ich hatte u. a. in den Leuna-Werken gearbeitet, die damals etwa 30.000 Beschäftigte hatten – heute arbeiten da vielleicht noch 4000 Menschen. Ich war auch in Zeitz, in Merseburg, in Halle oder in Weißenfels und habe mit vielen Leuten gesprochen, die ich von früher kannte. Viele berichteten über ihre Sorgen, ihre Angst vor der Zukunft, sie haben sich auch über die weit verbreitete Arbeitslosigkeit beklagt. Andere wiederum sagten mir, daß sie froh darüber sind, daß sie jetzt dorthin reisen können, wohin sie möchten.
Was haben Sie von den Erfahrungen, die Sie in der DDR gemacht haben, für sich nach Ihrer Rückkehr nach Kuba nutzen können?
Was ich in der DDR als erstes gelernt habe, das war die sprichwörtliche deutsche Pünktlichkeit. Ich habe auch die großartige deutsche Kultur bewundert und vor allem das, was uns Kubaner ein wenig fehlt, die deutsche Arbeitsdisziplin.
Haben Sie heute noch Freunde in der ehemaligen DDR?
Das war wunderschön, daß ich nach zwei Jahrzehnten meine deutschen Freunde wiedersehen konnte. Zum Beispiel habe ich die Frauen getroffen, die in unserem Wohnheim gearbeitet hatten – das war sehr bewegend, das kann man gar nicht beschreiben. Einige von ihnen sind ja auch in meinem Buch erwähnt. Mehrere dieser früheren Freunde und Freundinnen möchten mich auch in Kuba besuchen. Ich hoffe, daß diese Freundschaften weiter erhalten bleiben.Das Verschwinden der sozialistischen Staaten in Europa hat auch Kuba schwer getroffen. Wie haben Sie die »período especial«, erlebt, die Zeit, als Ihr Land plötzlich von den wichtigsten Wirtschaftsverbindungen abgeschnitten war?
Das ist ja mittlerweile in der ganzen Welt bekannt, was Kuba in dieser Zeit durchmachen mußte. Und nicht nur der Staat – das hat jeden einzelnen von uns betroffen. Ich habe damals eine Zeit lang als Dolmetscher für die ehemaligen DDR-Deutschen gearbeitet, die hier noch lebten. Wir konnten nicht mehr auf die Hilfe der sozialistischen Länder zählen, hinzu kam, daß die USA ihre Wirtschaftsblockade in dieser Situation auch noch verschärften. Wir bekamen kein Öl mehr, viele Betriebe mußten schließen. Ganz schwer wurde es für mich, als meine Frau 1993 starb. Ich habe damals unter der wirtschaftlichen Situation schwer gelitten, vor allem, weil ich auch noch für meinen damals dreijährigen Sohn sorgen mußte.
Kuba hat sich seitdem wirtschaftlich erstaunlich gut erholt. Ist der heutige Lebensstandard mit dem der 80er Jahre vergleichbar?
In den 80er Jahren haben wir ganz gut gelebt, wir waren in das sozialistische Wirtschaftssystem, den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, eingebunden, es gab viele Verträge mit sozialistischen Staaten. Die Lage hat sich nach dem Niedergang Anfang der 90er Jahre langsam wieder für uns verbessert, auch wenn es heute immer noch so manches Problem gibt.
Die USA, Deutschland und andere imperialistische Staaten spekulieren darauf, daß Kuba nach dem Tode des Revolutionsführers Fidel Castro einen ähnlichen Weg geht, wie ihn die frühere DDR gegangen ist. Wie steht denn die kubanische Bevölkerung dazu?
Ich bin kein Politiker. Wir möchten gute Beziehungen mit aller Welt haben – aber unter der Voraussetzung, daß wir auch respektiert werden. Natürlich möchten wir ein besseres Leben haben, aber nur unter der Bedingung, daß wir frei sind. Dem US-Kapitalismus werden wir uns jedenfalls nicht unterwerfen.
Was erwarten die Kubaner von den Präsidentschaftswahlen in den USA?
Zunächst muß man erst einmal davon ausgehen, daß jeder US-Präsident in erster Linie die reichen Leute vertritt. Und die möchten den Zugang zum Öl haben und sind bereit, dafür auch Krieg zu führen. Den Warschauer Pakt gibt es nicht mehr, die NATO tut, was sie will. Es wird immer mehr Geld in Rüstung und Raketen gesteckt, sie wollen die ganze Welt beherrschen. Von der Wahl erwarte ich nicht viel – vielleicht kann sich die Lage ein wenig verbessern, wenn Barack Obama von den Demokraten siegt.
Von Leonel R. Cala Fuentes ist bei Dietz Berlin erschienen: »Kubaner im realen Paradies: Ausländer-Alltag in der DDR«
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Mehrere Bücher gleichzeitig
Am Donnerstag eröffnete die 17. Internationale Buchmesse von Havanna
Am Donnerstag morgen wurde bei strahlendem Sonnenschein auf der Plaza San Francisco in der historischen Festung Fortaleza San Carlos de la Cabaña die Internationale Buchmesse von Havanna mit einer Festveranstaltung eröffnet. Kubas Staatsführung war mit dem amtierenden Präsidenten Raúl Castro vertreten. Der Festakt war am Vortag wegen eines Unwetters zunächst verschoben worden.
Offizielles Gastland der diesjährigen Messe ist die spanische Provinz Galicien. Eine Reverenz nicht nur an die Wurzeln der Familie der Revolutionsführer Fidel und Raúl Castro, deren Eltern Ángel Castro Argiz und Lina Ruz González aus dem galicischen Lugo stammten und als Emigranten nach Kuba kamen. Der Vater stieg hier zu einem der reichsten Zuckerrohrplantagenbesitzer auf. Eine halbe Million Kubaner kann ebenfalls eine galicische Herkunft vorweisen, bei etwas mehr als elf Millionen Einwohnern insgesamt. Mercedes Peón, eine der bekanntesten Sängerinnen Galiciens, stimmte die Vertreter der Aussteller, des diplomatischen Corps, kubanische Künstler und Intellektuelle mit traditionellem Liedgut aus Galego ein. Die Kulturministerin der galicischen Regionalregierung, Ánxela Bugallo Rodríguez, unterstrich in ihrer Rede die gemeinsamen Wurzeln mit Kuba und das Eigenständige an der Kultur Galiciens innerhalb Spaniens. Mit Enthusiasmus hätte man die Einladung zum Schwerpunktland angenommen: »Unsere Völker sind für immer verbrüdert.«
Die kubanischen Autoren und Kulturpreisträger Graziella Pogolotti und Antón Arrufat stimmten mit Redebeiträgen auf die kommenden zehn Tage ein. Das Buch als ein biographisches Schlüsselerlebnis nahmen sie dabei zum Ausgangspunkt. Arrufat zeigte auf, wie sich ihm mit dem Eintritt in die Welt der Literatur unbekannte Horizonte geöffnet und Geheimnisse entschlüsselt hätten. Die Redner verwiesen auf eine reiche, moderne Kunst und Literatur Kubas, die sich einmische, das historische Gedächtnis wachhalte und weit über das Land hinaus wirke.
Unter den Gästen der Inauguración befanden sich unter anderen der Chefredakteur von Le Monde Diplomatique, Ignacio Ramonet – vor kurzem Referent auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt –, der spanische Autor Pascual Serrano (Gründer des Webportals rebelion.org) sowie aus Mexiko Paco Ignacio Taibo II – als Kriminalschriftsteller weltweit bekannt. Die mit Kuba solidarisch verbundene venezolanische Regierung war durch ihren Kulturminister Francisco Sesto vertreten.
Am Donnerstag mittag öffnete die Messe für die breite Öffentlichkeit ihre Tore. Tausende drängten in die Festung zu den Ständen, Lesungen und Konzerten. Am Stand der jungen Welt kam es zu vielen Begegnungen und Gesprächen mit Neugierigen sowie mit Kubanern – zirka 30000 Kubaner haben ihre Ausbildung in der DDR absolviert, sie freuen sich, daß es die Zeitung immer noch gibt. Es sind 161 Aussteller aus 32 Ländern vertreten.
Bei der Eröffnung hatte Raúl Castro erklärt, daß ihm vor lauter Regierungsgeschäften zu wenig Zeit zum Lesen bleibe. Doch um seinen Literatur-Rückstand aufzuholen, lese er manchmal zwei Bücher gleichzeitig.
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Lesung im Büro des Che
Der Stand der jungen Welt läuft gut – auch dank unserer Unterstützer. Erste Veranstaltung mit Hans Modrow heute
Wir können kaum glauben, daß heute erst der zweite Tag auf der Messe ist. Seit Montag waren wir schließlich schon mit dem Aufbau des Standes beschäftigt, haben unser Material beim Zoll ausgelöst, Tische besorgt und erste Probleme mit dem Internet ausgeräumt. Nun stellt sich Routine ein. Ein guter Zeitpunkt also, kleine Verbesserungen vorzunehmen. Kurzerhand haben wir unser provisorisches Redaktionsbüro in Havanna auf einen zweiten Tisch neben den Stand verlegt. So bleibt in der Sechs-Quadratmeter-Kabine mehr Raum für Gespräche. Bei den Menschenmassen, die sich schon jetzt, am Freitag, durch die kolonialen Hallen zwängen, werden davon am bevorstehenden Wochenende nicht wenige geführt werden.
Inzwischen sind unsere Unterstützer eingetroffen. Michael, ein jW-Internetleser aus Mexiko ist für einige Tage nach Havanna gekommen, um auszuhelfen. Auch Rainer von der jW-Leserinitiative in München ist zu uns gestoßen. Beide sprechen ebenso gut Spanisch wie unsere kubanische Freundin Mónica, die wir schon aus den vergangenen Jahren kennen, Deutsch beherrscht.
Wir alle haben alle Hände voll zu tun, die spanischsprachige jW-Sonderausgabe unter die Leute zu bringen. Zehn Zeitungspakete glt es jeden Tag zu verteilen und in der Mittagshitze ist das eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Bei einer zweiten, genaueren Durchsicht sind uns aber doch noch eine Reihe Rechtschreibfehler aufgefallen. Immerhin aber ist es die erste fremdsprachige Ausgabe der jungen Welt nach 1989. Trotzdem nehmen wir uns vor, im kommenden Jahr mehr Vorlauf einzuplanen als die sieben Tage, die wir vor unserer Abreise für die Produktion hatten. Spontaneität ist zwar eine Stärke der jungen Welt. Nötig ist sie nicht immer. Dieser kleinen Probleme ungeachtet ist das Interesse an der Ausgabe groß. Unser diesjährges Thema »Krieg und Frieden« kommt in Havanna an.
Die Veranstaltung des Tages findet in der alten Kommandantur von Ernesto »Che« Guevara statt. Um halb sechs wird dort Hans Modrow mit junge Welt sein Buch »In historischer Mission« vorstellen. Gemeinsam haben wir vor unserer Abreise die Passagen ausgesucht die wir vorlesen wollen. Dabei soll es vor allem um die Kontakte zwischen der DDR und Kuba sowie Lateinamerika gehen. Ein Freund in Bogotá hat die Textabschnite übersetzt und so schauen wir zuversichtlich einer gut vorbereiteten Lesung entgegen. Bei dem Interesse, das die DDR in Kuba immer noch genießt, sind wir froh, daß unserer Freunde von der Solidaritätsorganisation Cuba Sí noch 30 Ausgaben des Buches mitgeschickt haben.
PS: Im Programm ist Hans Modrows Buch mit »Ein Historiker auf Mission« übersetzt. So ganz falsch ist das ja aber nicht, denn es geht im Endeffekt um das historische Gedächtnis in Deutschland – und die Lehren, die Kuba daraus ziehen kann. Insofern bietet die Lesung dem Publikum einen anderen Standpunkt zu Deutschland, als er in den Hochglanzprospekten der Frankfurter Buchmesse und des Auswärtigen Amtes vermittelt wird.
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In Kontakt
Punkt 13.00 Uhr, als sich die Buchmesse für das Publikum öffnet, bricht die Invasion herein: Tausende Kubanerinnen und Kubaner strömen in das Messegelände in der alten Spanierfestung.
Schon nach wenigen Minuten schiebt sich ein Menschenstrom durch den engen Gang vor dem jW-Stand. Unserer Helferin Jessica, einer uns als Hilfskraft zugeteilten »trabajadora social«, wird die Messe-Sonderausgabe der jW buchstäblich aus der Hand gerissen. Auch Oliver Desoi hat sich als Helfer zur Verfügung gestellt – er studiert zur Zeit in Havanna. Er hält ein wachsames Auge auf unsere Bücherkartons und Zeitungsstapel hinter dem Stand. Leider nicht auf seinen Rucksack, der ist nämlich schon nach zehn Minuten geklaut.
Immer wieder kommen Besucher freudestrahlend zu unserem Stand: Der eine hat in Halle gearbeitet, der andere in Leipzig promoviert, der dritte war Maschinenbauingenieur in Magdeburg. Über 30000 Kubanerinnen und Kubaner haben ihre Ausbildung in der DDR absolviert, die alte jW ist ihnen in guter Erinnerung und sie freuen sich, daß es uns noch gibt. Einer von ihnen ist Leonel R. Cala Fuentes, der ein Buch über seine Zeit in der DDR geschrieben hat. Wir verabreden uns für Freitag mit ihm zu einem Interview, das dann auch online zu lesen sein wird.
Auch die Medien interessieren sich für unseren Stand. Eine Kollegin von Radio Havanna macht mit uns ein Interview, weitere Pressekontakte haben wir schon am Tag zuvor mit der kubanischen Seite verabredet. Mal sehen, was daraus wird.
In den Vorjahren wurde die Messe jeweils von etwa einer halben Million Menschen besucht – der Bildungshunger und die Lust am Lesen scheinen ungeheuer zu sein. Die Organisation ist perfekt und routiniert, das Militär stellt Wasserbehälter und Transportmittel zur Verfügung, hunderte »trabajadores sociales« helfen an den Ständen oder schleppen Material herbei. Im Freigelände gibt es Stände mit Bier, Spanferkel und Limonade – diese Buchmesse ist ein riesiges Volksfest.
Nach etwa drei Stunden stellen wir die Verteilung unserer Kuba-Ausgabe erst einmal ein, wir wollen noch etwas für die nächsten Tage übrig behalten. Auch die mitgebrachten Plakate gehen weg wie warme Semmeln - Hits sind das mit dem Fidel-Castro-Foto und das mit einer politisch-sinnlichen Zeichnung von Thomas J. Richter.
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Die Festung steht offen
Erster Andrang zur »Feria de Libro«: Fotostrecke
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Erster Andrang
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Auftakt
Eröffnung am Valentinstag: Fotostrecke
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Startzeichen
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Auf Regen folgt Sonne
Eröffnungsveranstaltung wurde wegen schlechten Wetters auf heute verschoben. Stolz auf kulturelle Leistungen Kubas, breite internationale Beteiligung an der Messe und die Beziehungen zum Gastland Galizien prägten die Reden zum Auftakt.
Heftige Wolkenbrüche und Windböen am Mittwoch nachmittag - auch das jW-Team wurde ordentlich durchnässt - hatten eine Verschiebung des Auftaktempfangs notwendig gemacht. Heute morgen war es dann soweit. Kubas Staatsführung - mit dem amtierenden Präsidenten Raúl Castro an der Spitze -, Vertreter des diplomatischen Corps, der Aussteller, der spanischen Provinz Galicien als Gastland, Künstler und Intellektuelle waren beim Festakt mit Ansprachen und Musik anwesend - nun unter sengender Sonne. Wir werden ausführlicher in der jW und an dieser Stelle berichten.
Während an den Ständen und Ausstellungen letzte Hand angelegt wird, öffnet in diesen Minuten die Buchmesse ihre Tore für die breite Öffentlichkeit und die Menschen strömen herein. Viele Mädchen und Frauen tragen Lilien bei sich: als Zeichen der Liebe am Valentinstag. Felicidades!
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Alles paletti!
Erstaunlich, wie dieser flapsige Spruch seinen Weg in die Karibik gefunden hat – es ist wohl schon das vierte oder fünfte Mal, daß ich in Havanna auf diese Weise angesprochen werde. Und jedesmal werde ich ungläubig angestaunt, wenn ich erkläre, daß »paletti« nur bedingt mit dem Italienischen zu tun hat – den wahren Ursprung kennen auch in Deutschland die wenigsten. Hier also ein Beitrag zur Aufklärung: »Paletti« war der Nachname eines italienischen Hausmeisters in einem Studentenheim in Münster (an der Steinfurter Straße, wer es genau wissen will). Immer wenn ein Wasserhahn tropfte oder eine Glühbirne auszuwechseln war, war der Mann mit dem Wort zur Stelle: Paletti macht das! Irgendwie entstand daraus »alles paletti«. Wie sich dieser Spruch über ganz Deutschland bis hin in die Karibik verbreitet hat – das müßten Sprachforscher herausfinden.Beim Gang durch die Altstadt Havannas kommen wir aus dem Staunen nicht heraus: Immer mehr Gebäude wurden stilgetreu renoviert – Kuba hat mit UNESCO-Hilfe enorme Mittel investiert. Es ist ein Jahr her, daß ich zum letzten Mal in Havanna war, seitdem sind wieder dutzende Altbauten instandgesetzt worden. Zumindest in diesem Stadtviertel wurde der oft beklagte Zerfall der Bausubstanz aufgehalten – anderswo sieht es allzuoft leider noch anders aus. Dennoch, auch dort wird fleißig restauriert. Jetzt scheint auch die weltberühmte Uferstraße, der Malecón, an der Reihe zu sein.
Kuba ist immer noch ein Entwicklungsland, wenn auch ein vergleichsweise entwickeltes: Unser Hotel bietet unteren Standard: die Zimme haben keine Fenster, Warmwasser gibt es nicht. Der Fernseher funktioniert auch nicht. Das Personal sehr nett – kubanisch eben. Die Rezeptionistin liest zwischendurch die kubanische Sonderausgabe der jW. Selbstverständlich haben wir gleich das Personal agitiert.
Am Morgen, vor dem Frühstück, ein kleiner Bummel über den Prado und ein kurzer Abstecher in die Calle Obispo, an deren Anfang sich die weltberühmte Bar El Floridita befindet. Auf den Parkbänken sitzen Männer und Frauen, jeder zweite liest die Parteizeitung Granma. Und überall wimmelt es von Schulkindern – man könnte meinen, ganz Kuba gehe zur Schule.
Und dann der tägliche Ärger: Der Kampf der Partei gegen die Korruption hat die Taxifahrer immer noch nicht erreicht. Taxameter gibt es zwar, werden aber nur selten eingeschaltet. Wer nicht aufpaßt und kein Spanisch kann, zahlt mitunter Phantasiepreise. Wir haben es uns zur Regel gemacht, nur Taxis mit blauem Nummernschild zu nehmen, die sind nämlich staatlich.
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Kulturell souverän
17. Internationale Buchmesse in Kuba: Der Boykott Berlins ist gescheitert. In diesem Jahr gleich doppelte Präsenz aus Deutschland
Im Umgang mit Kuba sind die westlichen Medien vom Regen in die Traufe geraten. Über Jahrzehnte hinweg haben sie ein funktionierendes politisches System in dem sozialistischen Karibikstaat geleugnet. Kubas Revolution bedeutete aus der Sicht hiesiger Meinungsmacher nicht mehr als die Allmacht ihres Anführers Fidel Castro. Die Fokussierung auf den »greisen Diktator«, wie es in der Berliner tageszeitung, dem Springerblatt Die Welt oder im Auslandssender Deutsche Welle unisono heißt, ersparte eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Errungenschaften des kubanischen Sozialismus. Über Jahrzehnte hinweg mußten sich die Apologeten des Anticastrismus dafür zwar die Kritik derer gefallen lassen, die es besser wußten. Adorno etwa, oder Hemingway. In Erklärungsnot aber befinden sie sich seit eineinhalb Jahren. Im Spätsommer 2006 trat Fidel Castro von seinen Ämtern zurück. Politisch hat sich in der Inselrepublik seither nichts geändert. Deutlich wird dadurch, daß Kubas Sozialismus mehr ist, als die Tropendiktatur, als die er dargestellt wird.
Dabei genügt ein Besuch Havannas im Februar, um zu begreifen, was die westlichen Medien verschweigen. In Kubas Hauptstadt findet dann die Internationale Buchmesse statt. Über 600000 Menschen werden auch ab dem heutigen Mittwoch wieder auf dieses Volksfest der Kultur in der alten Festungsanlage San Carlos de la Cabaña über dem Hafen von Havanna strömen. Sie sind der Beweis für die Erfolge der revolutionären Kulturpolitik. Nach 1959 war die Alphabetisierung einer der ersten Erfolge der noch jungen revolutionären Regierung. Heute arbeiten in Kuba 155 Verlage. Bücher werden staatlich subventioniert, die meisten kosten umgerechnet nur wenige Eurocents.
Kein Wunder also, daß dieses greifbare Resultat der Revolution von denen ins Visier genommen wird, die für einen Regimewechsel in Kuba kämpfen. Als Havanna im Frühjahr 2003 mit repressiven Mittel auf eine vor allem von Washington beförderte Flüchtlingswelle reagierte und mehrere Dutzend Regierungsgegner vor Gericht stellte, die mit US-amerikanischen Behörden zusammengearbeitet hatten, boykottierten mehrere EU-Staaten die Buchmesse Anfang 2004. Deutschland, das damalige Gastland, übte damit eine billige Revanche. Der Gegenschlag auf kulturellem Feld gefährdete die Geschäfte mit Kuba kaum, zugleich signalisierte Berlin Washington Bereitschaft zur Kooperation. Mit erheblichem Kraftaufwand hatte seither junge Welt gemeinsam mit Organisationen der Kuba-Solidaritätsbewegung über das eilends gegründete »Büro Buchmesse Havanna« eine alternative Präsenz organisiert – und den Kulturboykott erfolgreich gebrochen.
Diese Erkenntnis hat sich inzwischen auch in Deutschland eingestellt. Nach einer »mehrjährigen Pause«, so heißt es auf der Internetseite der Frankfurter Buchmesse, organisiere man wieder einen Gemeinschaftsstand deutscher Verlage in Havanna. Nach einer Testpräsenz im vergangenen Jahr ist die Ausstellungs- und Messe GmbH des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. als Partner des Auswärtigen Amtes erstmals wieder regulär vor Ort und präsentiert Bücher aus rund 100 Verlagen. Anders als im Fall der Ausstellungen in Buenos Aires oder im mexikanischen Guadalajara komme man aber nicht nach Havanna, um Geschäfte zu machen, sagt Dieter Schmidt, der den Stand in der kubanischen Hauptstadt betreut. Warum er dann teilnehme? »In Kuba gibt es nach wie vor viele Menschen, die an deutschen Büchern interessiert sind.« Von einem Boykott der Messe in den vergangenen Jahren will Schmidt jedoch nichts wissen. »Ich würde das nicht so nennen«, sagt er. Er will die »ziemlich differenzierte Geschichte« der letzten Jahre lieber auf sich beruhen lassen.
Innerhalb der Frankfurter Messe hatte der von Berlin verordnete Boykott zu schweren Auseinandersetzungen geführt. Die Rückkehr der Frankfurter Messe und der Berliner Regierung wird nun in Havanna zwar begrüßt. Doch ein Rest Skepsis bleibt. Die offizielle Präsenz könnte jederzeit wieder zur politischen Einflußnahme benutzt werden. junge Welt und die Freundschaftsgesellschaft BRD-Cuba e.V. haben daher erneut einen eigenen Auftritt organisiert. Für die kommende Exposition 2009 haben mehrere linke Verlage und Organisationen Interesse angemeldet, unabhängig von der Frankfurter-Messe-GmbH nach Havanna zu kommen. Diese Aussteller wollen so verhindern, daß sich die Erfahrung von 2004 wiederholt.
Die eigentliche Niederlage aber hat Kuba selbst den Boykotteuren beigebracht. Selbst der Frankfurter-Messe-Vertreter Schmidt erkennt an, daß die mehrjährige Abwesenheit der deutschen Regierungspräsenz kaum jemandem aufgefallen ist. Das lag nicht nur am »Büro Buchmesse Havanna«, sondern auch an dem riesigen Angebot aus Kuba und lateinamerikanischen Staaten. Europa ist hier willkommen, aber nicht unabdingbar. Die kulturelle Souveränität, die auf der Buchmesse deutlich wird, spiegelt sich indes auch auf der politischen Ebene wider. Am 24. Februar, dem letzten Tag der Ausstellung in Havanna, wird in Kuba der neue Staatsrat bestimmt. An diesem Tag wird sich entscheiden, ob Fidel Castro wieder an die Spitze gewählt wird. Wie das Ergebnis auch ausfällt, es wird an der Stabilität Kubas nichts ändern. Aber die westlichen Medien werden einmal mehr erklären müssen, was sie nicht erklären wollen: Daß Kuba kulturell und politisch eine Eigenständigkeit erreicht hat, an der Boykotte ebenso abprallen wie die immer wiederkehrenden Versuche direkter Einflußnahme.
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Wir brauchen Kubas Solidarität
Der Boykott ist zu Ende, unsere alternative Beteiligung an der Feria del Libro in Havanna geht weiter
Eigentlich müßten die Vertreter von Cuba Si, dem Netzwerk Cuba e.V., der Tageszeitung junge Welt und andere Unterstützer wie der Hannoveraner Bibliothekar Rolf Manfred Hasse sowie viele Verlagsvertreter ein Faß Rum aufmachen, um auf diesen Erfolg anzustoßen: Deutschland ist nun auch offiziell wieder auf der Buchmesse Havanna vertreten. 100 Verlage präsentieren sich am Gemeinschaftsstand, 450 Titel werden ausgestellt. Damit ist offenbar, daß der Boykott der Bundesregierung, die sich von 2004 bis 2007 einer Teilnahme an der Messe aus vorgeschobenen Gründen verweigerte, nur eine Wirkung hatte: Das Interesse der deutschen Verlagsbranche an der kubanischen Buchmesse ist so stark wie nie zuvor. Denn von 2004 bis 2007 war Deutschland trotz Boykott in Havanna präsent – und nicht nur das »andere Deutschland«. Obwohl der Auftritt von Cuba Si, dem Netzwerk und der jungen Welt organisiert wurde, beteiligten sich überwiegend bürgerliche Verlage an der Präsentation. Auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt hat man erst seit dem Boykott und seiner Umgehung die Feria Internacional del libro in Havanna richtig wahrgenommen.
Wie aber geht man mit so einem Erfolg um? Wie nutzt man gewonnene Potentiale, Erfahrungen, Kontakte sinnvoll weiter? Die Präsenz deutscher Verlage und der Solidaritätsbewegung neben dem offiziellen Auftritt, den traditionell die Buchmesse Frankfurt organisiert, ist garantiert. Nicht weil man in Havanna wunderbare Geschäfte machen kann, obwohl auch eine Reihe von Kooperationen und Verträge in den letzten Jahren zustande gekommen sind. Sondern weil Solidarität in diesem Fall keine Einbahnstraße ist. Verlagsmitarbeiter, Redakteure und Aktivisten der Solidaritätsbewegung haben die einmalige Möglichkeit, Land und Menschen kennenzulernen. In Havanna erlebt man in dieser Zeit, wie angesehen das kleine Land, seine Menschen und seine Regierung in ganz Lateinamerika sind. Wir sind zu Gast bei Freunden, und wir lernen hautnah, daß es auch anders geht, eine andere Welt möglich ist, Unabhängigkeit, Solidarität, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung nicht nur ein Traum sind. Oder anders formuliert: Das Beispiel Kubas ist eine wichtige Unterstützung unserer Kämpfe. Und wir brauchen diese Solidarität Kubas. Warum soll das, was in diesem kleinen und armen Karibikstaat unter härtesten Bedingungen möglich ist, nicht auch in unserem, einem der reichsten Länder der Welt, möglich sein? Wir werden weiter auf dieser Buchmesse präsent sein, weil wir weiter von Kuba lernen wollen. Gespräche dazu finden in diesen Tagen in Havanna statt, erste Pläne werden mit der Solidaritätsbewegung geschmiedet. Darüber werden wir im März auf der Buchmesse in Leipzig berichten. Und dabei auch mit einem Mojito oder einem Cuba Libre auf das Ende des Boykotts anstoßen.
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Schöne Aussichten
Sozialistischer Aufbau - die Eröffnung der Buchmesse steht bevor: Fotostrecke
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Sicher, sicherer, Frankfurt am Main
Da sind wir uns alle einig - einer der grausigsten Flughäfen ist Frankfurt/Main.
Nicht nur, weil der Rassist Roland Koch in diesem Bundesland immer noch das Sagen hat – die gesamte Anlage ist gigantisch, unübersichtlich, vom Kommerz durchorganisiert. Gewusel überall, viele Werbeplakate sind gleich in Englisch oder in einem lächerlichen Denglisch abgefaßt. Man wird von Schritt auf Tritt darauf gestoßen, daß Hessen US-amerikanische Besatzungszone war. Und auch wohl noch ist – die Anbiederung an den american way of life ist penetrant.
Noch penetranter sind die Sicherheitsvorkehrungen im Flughafen. Bei der Kontrolle müssen wir Gürtel und Jacket ablegen, die Taschen leeren, die Schuhe ausziehen. Die Visitation der Unterhose erspart man uns - ein schneller Griff in den Schritt stellt sicher, daß wir dort keine Kalaschnikow versteckt haben. Glücklicherweise sind wir von der Notwendigkeit dieses Griffs überzeugt ... Vielleicht sollte man auf diese Art Kontrolle eine Luststeuer erheben? Das wäre konsequent im neoliberalen Sinne.
Flüssigkeiten im Handgepäck sind nur bis zu 100 ccm gestattet – selbst halbleere Zahnpastatuben werden konfisziert. Wenn auf der Tube oder der Gesichtswasserflasche die Zahl 50 ccm steht, darf man es mitnehmen – allerdings nur, wenn es in einen durchsichtigen Beutel verpackt ist. Den kann man natürlich jederzeit öffnen. Das ist offenbar ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den Terror, auch wenn niemand zu erklären vermag, was dieser Blödsinn soll.Noch lustiger wird es im Flugzeug selbst. Jeder weiß, daß bei Terroristen seit dem 11. September 2001 Teppichmesser der Hit sind. Seitdem werden sogar Nagelscheren und -feilen konfisziert, selbst bei den Piloten. Wenn denen im Cockpit ein Fingelnagel abbricht, können sie sich immerhin mit der rasiermesserscharfen Notfallaxt behelfen. Die steckt für den Notfall, falls man bei einem Unfall aus einem Fenster aussteigen muß, in einer Halterung an der Cockpitwand.
Messer sind eindeutig Terroristengeräte und gehören also nicht an Bord. Damit der harmlose Normalpassagier das zähe Rindergeschnetzelte in der Bordverpflegung auch zerkleinern kann, serviert Condor ein Plastikmesser. Das ist allerdings so scharf, daß sich leicht eine Halsschlagader anritzen ließe. Bei der Air France gibt es immerhin richtige Metallmesser mit Sägezahn – aber Nagelfeilen gelten auch dort als terrorträchtig.
Ein elfstündiger Transatlantikflug nach Havanna regt unsere Phantasie an. Welch großartiges Terrrorwerkzeug könnte z. B. ein 0,3-L-Rotweinfläschchen sein? Jeder zweite Tatort-Film macht es uns vor: An der nächsten Kante den Flaschenhals abschlagen und schon hat man ein Bedrohungspotential in der Hand, hinter dem jede Nagelschere verblaßt.
Nun ja, wenn wir es nicht schon wüßten – es geht auch gar nicht um den real exisitierenden Terrorismus bei diesen Sicherheitsmaßnahmen. Es geht um Einschüchterung, Disziplinierung und darum, die Menschen in Angst zu halten. Wer Angst hat, läßt sich leichter steuern und bevormunden. Die wirklichen Terroristen fliegen nicht von Frankfurt/M ab, sondern von Ramstein und Spangdahlem.
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· Tagebuch
An Ort und Stelle
Auf dem Weg zum Sozialismus heißt es zunächst in langen Schlangen stehen.
Die Menschenmassen hier wollen weder Bückware noch Lenin sehen, sondern stauen sich am Montagmorgen vor den Sicherheitskontrollen am Terminal B des Frankfurter Flughafens. Viele Reisende sind genervt, zittern darum, ihre Flüge noch zu erreichen. „Ist das hier immer so?“, frage ich die Dame am Gepäckförderband. „Und noch viel schlimmer.“ Das Terminal habe längst seine Kapazitätsgrenzen überschritten und es mangele an Leuten. „Trotzdem wird nur immer weiter gekürzt und Personal eingespart. So, wie überall“, merkt die Flughafenangestellte an.
Nach über zehn Stunden Flug - die man dank der engen Sitzreihen in jedem Muskel spürt - und mit zwei Stunden Verspätung treffen wir in Havanna ein. Der Flughafen ist beschaulich. Auf der Fahrt in die Stadt bietet sich der Blick auf eine bunte Mischung aus ländlichen und städtischen Szenen und auf die unterschiedlichsten Transportmittel: Alles, was irgendwie fahren kann, fährt. Vom amerikanischen Straßenkreuzer, über sowjetische Ladas bis hin zu kreativen Eigenbauten. Der öffentliche Verkehr ist spärlich, viele Leute warten am Straßenrand darauf, mitgenommen zu werden. Nach einem abendlichen Stadtbummel und einer kurzen Nacht geht es hinaus zum Messegelände. Organisation und Improvisation greifen hier ineinander. Am Dienstag nachmittag trifft das Material für den Stand ein, darunter eine Palette mit 25000 Exemplaren unserer spanischsprachigen jW-Extraausgabe zur Messe. Am frühen Abend ist ein Internetanschluß am Stand eingerichtet. Gute Voraussetzungen für unsere Berichterstattung und Präsenz auf der Veranstaltung.
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Sozialistischer Aufbau