Einfach für die großen Dinge
Von Christof Meueler
Bernd Köhler ist schneller als die Klischees. Vergleichbar mit Lucky Luke, der auch schneller zieht als sein Schatten. Sozusagen die Avantgarde in der eigenen Propaganda. Deshalb ist er natürlich besser als manche seine Linernotes, in denen tatsächlich ein »bunter Strauß neuer Songs und Texte« annonciert wird. Logischwerweise ist er auch viel interessanter als sein Genre, file under »deutsche Liedermacher«, ratzepüh. Das liegt unter Umständen daran, daß er aus Mannheim kommt, file under Arbeiterbewegung, Herbert-Mies-City. Liegt gegenüber von Ludwigshafen, der Helmut-Kohl-Stadt. In der Gegend hat man die Gesamt-BRD mit ihren Minderheit-Mehrheit-Widersprüchen ziemlich gut im Autofocus.
Bernd Köhler ist aber vor allem schneller als die Klischees, weil er direkt zur Sache kommt. Einfache Worte für die großen Dinge. Liebe und Revolution, darunter geht nichts, gerade im Alltag. Der ist nämlich keine Entschuldigung, sondern zu verändern. Soviel zur berühmten Inhaltlichkeit, die angeblich die Form bestimmt. In Wahrheit bilden aber Form und Inhalt ein dialektisches Verhältnis, schrauben sich gegenseitig hoch oder schreiben sich gegenseitig ab und nieder.
Bei Köhler ist die Musik sehr bedacht. Die läuft nicht nur mit, sondern macht sich eigenständig, traut sich was, haut rein, schwankt auch mal und kitzelt. Sie wartet und rauscht davon, will was und kommt zurück. Bei Liedermachern selten anzutreffen. Da gibt es immer noch das Gitarrengehaue (1.Generation), die süßliche Weltmusik (2.Generation) und neuerdings das Indiegepose (3. Generation). Köhler kennt sie alle und macht lieber Kunst. Und so kommt es, daß er und ewo2, »das kleine elektronische Weltorchester« die Klassiker der Linken spielen, ohne daß die Leute für dumm verkauft werden. Auf der Platte »avantipopolo« gibt es keinen Kitsch, keine Überwältigungsästhetik und keine Oldies-but-Goldies-Lügen. Ewo2 können sogar »Die Internationale« bringen, daß man ganz gespannt ist. Sehr vorsichtig, fast schon zärtlich wird das Lied extrapoliert. »Free Mumia« dann mit Schmackes, Big Beat und Call and Response und »Linker Marsch« eher ironisch, aber nicht denunziatorisch. Denn Köhler spielt »für die Sache der Linken« (Ulrike Meinhof).
In den 60ern fing er schon damit an, machte Skiffle und dann in den Siebzigern und Achtzigern die große Tour über die Berge und durch die Wüste der Jugendzentren, Gewerkschaftshäuser, DKP-Kampagnen und Streikcafés. Da hieß er noch »Schlauch« und hielt die Gitarre für alle Fälle. Mit »Gute Tradition (Nazis raus aus unsrer Stadt« im Mannheimer Rosengarten 1978 gegen die NPD oder dem »Stahlwerkersong« 1983 für die große Kumpel-Demo in Bonn 1983 – kein Ding, links, links, links. Einfache Mitmach/Mitsinglieder, auch heute noch viel weniger museal, als man befürchten könnte. Aber vor allem hat sie Köhler im Mai 1989 selber noch mal öffentlich betrachtet und geprüft. An zwei Abenden hat er zusammen mit Hans Reffert, der auch beim ewo2 mitspielt, eine Veranstaltung gemacht, die nannte er »Bernd Köhler singt Schlauch«, und auf dem Bühnenhintergrund war eine Rote Fahne mit Fragezeichen. »Linker Vogel/Schräger Kauz« sang er da und alle wußten, vorbei, vorbei, aber egal, war ja wahr und wird wahr bleiben. Wenn die alten Modelle auseinanderfallen, braucht man eben neue. Und genau die hat die handelsübliche Sozialdemokratie am wenigsten zu bieten.
Auf seiner Platte »Die neue Welt« hat Köhler 2007 aus dem Untergang des Realsozialismus eine Art kurzes Sprechgesangtheaterstück geformt: »Der Frachter wurde in voller Fahrt getroffen / Dampf unterm Kessel, stramm gegen den Wind / früher hieß es noch wegbrechende Märkte / oder zu große Riskiken der Eigner / hätten zum Absaufen geführt – doch das? (…) wir hatten Fracht geladen / bis unters Deck gestapelt, feinste Ware (…) dann sahen wir die Rudel von Helikoptern, wie sie einschwenkten / über dem aufgerissenen Schiffsbauch die Waren aushoben / unsere Schreie und Hilferufe – einfach ignoriert (…) rechtlos, vogelfrei, irgendwann dann versenkt – im friendly fire«. Dazu bohrt die Musik, als wäre es ein frühes Stück der Velvet Underground. Köhler hat sich das alles gut überlegt. Er will den »roten Stern zum tanzen bringen«. Abends auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz.
Bernd Köhler ist aber vor allem schneller als die Klischees, weil er direkt zur Sache kommt. Einfache Worte für die großen Dinge. Liebe und Revolution, darunter geht nichts, gerade im Alltag. Der ist nämlich keine Entschuldigung, sondern zu verändern. Soviel zur berühmten Inhaltlichkeit, die angeblich die Form bestimmt. In Wahrheit bilden aber Form und Inhalt ein dialektisches Verhältnis, schrauben sich gegenseitig hoch oder schreiben sich gegenseitig ab und nieder.
Bei Köhler ist die Musik sehr bedacht. Die läuft nicht nur mit, sondern macht sich eigenständig, traut sich was, haut rein, schwankt auch mal und kitzelt. Sie wartet und rauscht davon, will was und kommt zurück. Bei Liedermachern selten anzutreffen. Da gibt es immer noch das Gitarrengehaue (1.Generation), die süßliche Weltmusik (2.Generation) und neuerdings das Indiegepose (3. Generation). Köhler kennt sie alle und macht lieber Kunst. Und so kommt es, daß er und ewo2, »das kleine elektronische Weltorchester« die Klassiker der Linken spielen, ohne daß die Leute für dumm verkauft werden. Auf der Platte »avantipopolo« gibt es keinen Kitsch, keine Überwältigungsästhetik und keine Oldies-but-Goldies-Lügen. Ewo2 können sogar »Die Internationale« bringen, daß man ganz gespannt ist. Sehr vorsichtig, fast schon zärtlich wird das Lied extrapoliert. »Free Mumia« dann mit Schmackes, Big Beat und Call and Response und »Linker Marsch« eher ironisch, aber nicht denunziatorisch. Denn Köhler spielt »für die Sache der Linken« (Ulrike Meinhof).
In den 60ern fing er schon damit an, machte Skiffle und dann in den Siebzigern und Achtzigern die große Tour über die Berge und durch die Wüste der Jugendzentren, Gewerkschaftshäuser, DKP-Kampagnen und Streikcafés. Da hieß er noch »Schlauch« und hielt die Gitarre für alle Fälle. Mit »Gute Tradition (Nazis raus aus unsrer Stadt« im Mannheimer Rosengarten 1978 gegen die NPD oder dem »Stahlwerkersong« 1983 für die große Kumpel-Demo in Bonn 1983 – kein Ding, links, links, links. Einfache Mitmach/Mitsinglieder, auch heute noch viel weniger museal, als man befürchten könnte. Aber vor allem hat sie Köhler im Mai 1989 selber noch mal öffentlich betrachtet und geprüft. An zwei Abenden hat er zusammen mit Hans Reffert, der auch beim ewo2 mitspielt, eine Veranstaltung gemacht, die nannte er »Bernd Köhler singt Schlauch«, und auf dem Bühnenhintergrund war eine Rote Fahne mit Fragezeichen. »Linker Vogel/Schräger Kauz« sang er da und alle wußten, vorbei, vorbei, aber egal, war ja wahr und wird wahr bleiben. Wenn die alten Modelle auseinanderfallen, braucht man eben neue. Und genau die hat die handelsübliche Sozialdemokratie am wenigsten zu bieten.
Auf seiner Platte »Die neue Welt« hat Köhler 2007 aus dem Untergang des Realsozialismus eine Art kurzes Sprechgesangtheaterstück geformt: »Der Frachter wurde in voller Fahrt getroffen / Dampf unterm Kessel, stramm gegen den Wind / früher hieß es noch wegbrechende Märkte / oder zu große Riskiken der Eigner / hätten zum Absaufen geführt – doch das? (…) wir hatten Fracht geladen / bis unters Deck gestapelt, feinste Ware (…) dann sahen wir die Rudel von Helikoptern, wie sie einschwenkten / über dem aufgerissenen Schiffsbauch die Waren aushoben / unsere Schreie und Hilferufe – einfach ignoriert (…) rechtlos, vogelfrei, irgendwann dann versenkt – im friendly fire«. Dazu bohrt die Musik, als wäre es ein frühes Stück der Velvet Underground. Köhler hat sich das alles gut überlegt. Er will den »roten Stern zum tanzen bringen«. Abends auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz.
Bernd Köhler und ewo2 spielen am 10.1. auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz, ab 20 Uhr im großen Saal der Urania, Berlin
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