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Aktuell

  • 17.01.2025 19:30 Uhr

    Freiheit blutig eingeschränkt

    Demokratieabbau konkret: Wenn Medien dabei als Pressestellen des Staates wirken
    Dietmar Koschmieder
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    In Berlin haben sich am vergangenen Sonnabend über 3.000 Menschen zur 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK) getroffen, einen Tag später gedachten gut 20.000 Personen mit einer Demonstration oder durch den Besuch der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde der KPD-Gründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Bürgerliche Medien reduzieren die Veranstaltungen auf tatsächliche oder erfundene Krawalle. So berichtete der Berliner Tagesspiegel von der RLK lediglich über ein Grußwort der ehemaligen RAF-Militanten Daniela Klette, die im Februar 2024 verhaftet wurde und noch immer ohne Prozess festsitzt. Im Anschluss sei es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Teilnehmenden gekommen, heißt es dann weiter. Das ist schlicht unwahr: Es gab keinerlei Zwischenfälle.

    Die Liebknecht-Luxemburg-Ehrung bewegt noch immer viele tausend Menschen dazu, auf die Straße zu gehen. Das ist seit Jahren ein Ärgernis für all jene, für die die damit verbundene antikapitalistische Haltung Teufelszeug darstellt. Deren Hoffnung, dass die ewiggestrigen DDR-Anhänger bald ausgestorben sind und sich die Sache damit von selbst erledigt, erfüllt sich nicht: Noch immer wird an jedem zweiten Sonntag im Januar die größte regelmäßig stattfindende antikapitalistische Demonstration im deutschsprachigen Raum veranstaltet.

    Schwarze Kampfmaschinen

    Organisiert wird die Demo von vielen linken Gruppen. Einige im Bündnis warfen die Frage auf, wie man auf zunehmende Provokationen durch die Polizei reagieren könnte. Es geht ihnen dabei nicht um Straßenschlachten mit der Polizei, sondern vielmehr darum, dass man nicht mehr wegrennt, sich spalten lässt, wenn schwarz verkleidete, bewaffnete Spezialeinheiten die Demo stürmen, zuschlagen und chemische Kampfstoffe versprühen. Sondern dass man sich dem Geschehen zuwendet, sich unterhakt, sich also nicht ängstlich, sondern widerständig präsentiert. Eine zulässige, wenn auch gefährliche Form des passiven Widerstands. Denn noch lassen sich die schwarzen Kampfmaschinen davon abhalten, trotzdem hineinzustürmen, gebrochene Knochen, geplatzte Schädel und womöglich Tote in Kauf nehmend. Brutal zugeschlagen wurde aber trotzdem, auch in Gesichter. Dass es Verletzte gab, konnte etwa der Berliner Linke-Abgeordnete Ferat Koçak im Gespräch mit junge Welt berichten. Trotzdem wird in den meisten Medien vorrangig die Interpretation der Polizei bedient. So wurde in der Anmoderation zum Beitrag in der RBB-Abendschau vom vergangenen Sonntag behauptet, dass die »Demonstranten mit Gewalt auf die Polizei losgegangen seien«. Erst auf Nachfrage der Tageszeitung junge Welt räumte die RBB-Redaktion ein, dass für diese Sicht der Dinge ausschließlich Mitteilungen aus den Reihen der Polizei genutzt wurden. Nicht das wurde als Fehler gegenüber jW eingeräumt, sondern der Umstand, dass man dies nicht kenntlich gemacht habe. Immerhin zitierte RBB online auch, dass der Abgeordnete Koçak gegenüber junge Welt über Polizeigewalt berichtet habe, auch tagesschau.de verlinkte auf den jW-Beitrag.

    Lügen und verschweigen

    Die Taz zitierte in ihrem Bericht zwar auch Koçak, hielt es aber nicht für nötig, eine Quelle anzugeben. Der Rosa-Luxemburg-Konferenz widmete die Zeitung keine Silbe, über die Demo (»rund 3.000 Teilnehmende laut Polizeiangaben«) am Sonntag wird im ausführlichen Bericht über Linkssektierer gefrotzelt (»Folklore«). Brutale Übergriffe werden als »polizeiliche Zwangsmaßnahmen« verharmlost, und es werden immer wieder Polizeisprecher zitiert. Aber ganz zum Schluss kommt dann die junge Welt doch noch vor. Die »Auseinandersetzungen« seien zu erwarten gewesen, weil »das kommunistische Traditionsblatt junge Welt eine ›Gemeinsame Erklärung des Revolutionären Blocks auf der LLL-Demo‹ dokumentierte, in der dazu aufgerufen wurde, sich zu verteidigen«. In der gleichen Ausgabe klärt die Taz in einem anderen Beitrag zudem darüber auf, dass die Tageszeitung junge Welt »neostalinistisch« sei – ohne irgendeine inhaltliche Begründung.

    Die Taz hat die junge Welt in letzter Zeit immer wieder beschimpft und dabei auch mit Unwahrheiten operiert. Natürlich trennen Taz und jW politisch Welten, aber kann man sich nicht trotzdem inhaltlich darauf verständigen, dass die Polizei zunächst ganz einfach das Recht jedes einzelnen, seine Meinung frei kundzutun, zu schützen hat – wie auch die Demonstrationen selbst? Wieso können Taz und andere Medien nicht offen darüber berichten, dass Spezialeinheiten der Polizei dieses Recht an diesem Wochenende für Tausende in Berlin (und bei der Anti-AfD-Demo in Riesa) blutig eingeschränkt haben? Und wieso muss sich die Zeitung als Stichwortgeber für den Inlandsgeheimdienst andienen und damit die Beschränkung vieler weiterer Rechte der jungen Welt begünstigen? Der Verfassungsschutz kann sich bei seiner absurden Konstruktion, dass die junge Welt nicht nur marxistisch orientiert sei, sondern vielmehr Lenin sympathisch finde und daher auch stalinistisch sei, mittlerweile auf die Taz berufen. Einig sind sich Geheimdienst und Taz offenbar auch in der Vorstellung, dass die junge Welt Gewalt und Terror fördere, indem sie Diskussionsprozesse in der Linken spiegelt.

    Lang ist’s her, da hat die Taz Geld für die Bewaffnung einer Guerillaorganisation gesammelt. Die Taz hat wahrlich schon bessere Zeiten erlebt.

  • 17.01.2025 19:30 Uhr

    Wir sagen einfach mal: Danke!

    Verlag, Redaktion undGenossenschaft junge Welt
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    Die 30. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar war ein großer Erfolg – mehr als 3.000 Menschen im Saal und rund 25.000 Zu-schauerinnen und Zuschauer via Livestream konnten das Programm mitverfolgen.

    Wir danken allen Helferinnen und Helfern, Sicherheitskräften, Standbetreibern im »Markt der Möglichkeiten«, mitwirkenden Dienstleistern sowie den über 30 unterstützenden Organi-sationen, die diesen Erfolg erst möglich gemacht haben.

    Wir freuen uns darauf, mit euch gemeinsam am 10. Januar 2026 die 31. Rosa-Luxemburg-Konferenz ausrichten zu dürfen.

  • 17.01.2025 19:30 Uhr

    Welt in Flammen

    An die 3.000 Besucher nahmen auf der 30. Rosa-Luxemburg-Konferenz an der Debatte über Imperialismus und Krieg teil
    Arnold Schölzel
    Hannes Zerbe und Band
    Clare Daly, Irland
    »Friedensfähig statt kriegstüchtig« – Mobilisierung gegen die »Sicherheitskonferenz« in München
    Kwesi Pratt, Ghana
    Jennifer Black, USA
    Voller Saal, konzentrierte Aufmerksamkeit
    Dietmar Dath
    Anja Panse (l.) und Anna Klein
    Das Jugendforum
    Ezé Wendtoin, Burkina Faso, und Mal Élevé – gegen Rechte, Rassismus und Faschisten
    Yücel Demirer, Türkei
    »Unblock Cuba! Free Palestine!« – Die Solidaritätsmanifestation
    George Rashmawi, Palästina
    Susann Witt-Stahl und Eran Torbiner
    Rolf Becker
    Peter Mertens, Belgien
    Die Podiumsdiskussion
    Bücherverkauf
    Gina Pietsch
    »Die Internationale« erklingt

    Die Atmosphäre stimmte einfach an diesem Tag, das Programm auch. Schon am Vormittag saßen in der Halle B der Wilhelm-Studios im Berliner Bezirk Reinickendorf weit über 1.000 Gäste, die konzentriert den ersten Referaten der diesjährigen Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz folgten. Gut besucht und eng blieb es bis zum traditionellen Abschluss, dem gemeinsamen Gesang der »Internationale« am Abend, es wurde aber weder drangvoll noch hektisch. Der Veranstaltungsort, eine ehemalige, um 1900 erbaute Eisengießerei, gibt das her. Er sei, meinten Besucher aus dem Ruhrpott, der bisher passendste in der 30jährigen Geschichte der Konferenz: Hohe Wände, verglaste Decken, rußgeschwärzte Wände – die Sanierer haben die industrielle Vergangenheit des Backsteingebäudes sorgfältig bewahrt.

    Hinzu kam: Enorm viele Helfer sicherten weitgehende Reibungslosigkeit. Das reichte vom Einlass und den in der Kälte ausharrenden Ordnern, die darauf achten mussten, dass sich in dem Gewirr der großen Anlage niemand verirrte, über den »Markt der Möglichkeiten«, auf dem sich Initiativen und politische Gruppen vorstellten, bis zum Saal mit Buchverlagen und Antiquariaten und den Verpflegungsstationen – dem »Café K« der DKP und dem großen, leider ungeheizten Speisesaal, in dem Frauen und Männer der Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF) den Temperaturen trotzten und türkische Speisen anboten. Größere Pannen gab es nicht, obwohl diese bei einem neuen Veranstaltungsort zu erwarten waren.

    Das Gelingen der Konferenz war bei aller Routine der Veranstalter aus dem junge Welt-Verlag 8. Mai GmbH und den rund 30 Unterstützerorganisationen nicht vorhersehbar. Zumal sich erst spät herausgestellt hatte, dass die größere Halle der Wilhelm-Studios aus baurechtlichen Gründen nicht zur Verfügung stand.

    Von Anspannung war an diesem Tag nichts zu merken. Dafür sorgte vor allem das Programm. Es sah Referate und Musik von fünf Kontinenten (wenn Istanbul, von wo aus Yücel Demirer per Video sprach, zu Asien gezählt wird) vor. Um es zusammenzufassen: Die Vorträge waren durchweg hochklassig (sie werden in einer jW-Beilage am 29. Januar nachzulesen sein), die Musik traf bei den verschiedenen Generationen – mehr als die Hälfte der Besucher waren unter 30 – wie stets auf unterschiedliche Resonanz, das kleine literarische Programm »Clara Z. – Kämpfen, wo das Leben ist« mit Anja Panse als Rosa Luxemburg und Anna Keil als Clara Zetkin stieß ins Zentrum linker und friedensbewegter Fragen: »Was ist aus der SPD geworden?« Es geht längst nicht mehr um die sich immer noch so nennende Partei, sondern um das Ende von Humanismus, um eine »Welt in Flammen«, wie Kwesi Pratt aus Ghana formulierte und wie es Dietmar Dath im Hinblick auf die künstliche Intelligenz in den Händen von Monopolen besonders eindringlich analysierte.

    Was tun? Die Manifestation für Kuba und Palästina, Peter Mertens’ Vorschlag für eine europäische Friedensordnung durch Arbeiterparteien, aber auch die abschließende Podiumsdiskussion gaben eine Ahnung: Nur mit internationaler Solidarität gegen Ausbeutung und imperialistischen Krieg hat die Menschheit eine Chance. Durch Zusammenführen aller politischen Richtungen, die in der Tat und nicht nur demagogisch für Frieden eintreten, kann auch in diesem Land erreicht werden, dass der vermaledeite Kriegskurs gestoppt wird. Da stimmte nicht nur die Atmosphäre.

  • 12.01.2025 19:30 Uhr

    Schläge, Tritte, Pfeffer

    Berlin: Polizei attackiert Gedenkdemonstration für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Großer Andrang bei Rosa-Luxemburg-Konferenz
    Philip Tassev
    Staatsgewalt gegen Versammlungsfreiheit. Polizei stoppt Luxemburg-Liebknecht-Demonstration am Sonntag in Berlin

    Wie schon im Jahr zuvor ist die Polizei am Sonntag in Berlin rabiat gegen die alljährlich stattfindende Demon­stration zum Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg vorgegangen. Der Angriff fand bereits kurz nach Beginn der Demonstration auf der Frankfurter Allee statt und richtete sich hauptsächlich gegen einen Block kommunistischer Jugendorganisationen sowie den Block der Palästina-Solidarität. Polizisten traten, schlugen und setzten Pfefferspray ein.

    Beamte in Kampfmontur trennten die beiden Demoblöcke erst voneinander und stürmten sie anschließend. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt, die von Sanitätern behandelt werden mussten. Der als parlamentarischer Beobachter anwesende Berliner Linke-Abgeordnete Ferat Koçak berichtete gegenüber junge Welt von mindestens vier Personen, darunter zwei Minderjährigen, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Einem Verletzten droht laut Koçak der Verlust des Augenlichts. Ein weiterer Demonstrant wurde von der Polizei bis zur vorübergehenden Besinnungslosigkeit verprügelt. Die betreffende Person befindet sich nach Angaben der Polizei in Gewahrsam und soll der Justiz überstellt werden.

    Auch der Kommunistische Aufbau wurde angegriffen. In einem Handgemenge entwendeten Beamte das Fronttransparent der Gruppe. Der SDAJ wurde noch vor Demobeginn ein Seitenbanner abgenommen, weil die Polizei darauf ein rotes »Hamas-Dreieck« erkannt haben wollte. In Wahrheit handelte es sich um die Abbildung eines bekannten Plakats aus dem sowjetischen Bürgerkrieg um 1920.

    Selbst nach Abschluss der Demonstration griff die Staatsmacht am Zielort, dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde, noch einzelne Leute heraus. Nach jW-Beobachtungen wurden mindestens zwei junge Frauen aus der Palästina-Solidaritätsbewegung festgenommen. Auch abziehende kommunistische Gruppen wurden erneut attackiert.

    Laut Polizei gab es mehr als 20 Festnahmen, zehn Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden. Begründet wurden die Verhaftungen unter anderem mit der Verwendung der kriminalisierten Parole »From the River to the Sea, Palestine will be free«. Zu den »körperlichen Angriffen auf Einsatzkräfte«, die als weiterer Grund aufgeführt wurden, kam es erst, als sich Demonstranten gegen die anstürmenden Polizisten zu schützen versuchten. Es war einzig und allein der Besonnenheit und Geschlossenheit der angegriffenen Demonstrationsblöcke zu verdanken, dass die Situation nicht völlig eskalierte.

    Vor der Demonstration hatte es die Befürchtung gegeben, Baumaßnahmen auf dem Friedhofsvorplatz könnten für Probleme sorgen. Die Disziplin der beteiligten Gruppen verhinderte ein Chaos an der Engstelle. So konnte die Demonstration erfolgreich bis zur Gedenkstätte der Sozialisten marschieren, wo nach Verantsalterangaben mehr als 10.000 Teilnehmer – die Polizei will lediglich 3.000 gezählt haben – Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, der Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands, gedachten. Die beiden Revolutionäre waren am 15. Januar 1919 von protofaschistischen Freikorps mit Rückendeckung der SPD-Regierung ermordet worden.

    Die ermordete Kommunistin ist auch Namensgeberin der alljährlich von der Tageszeitung junge Welt veranstalteten Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz, die am Sonnabend zum 30. Mal stattfand. »Wir sind die einzigen Erben von Luxemburg und Liebknecht«, hatte dort die irische sozialistische Politikerin und ehemalige EU-Abgeordnete Clare Daly als erste Rednerin mit Blick auf die weltweite Linke und Arbeiterbewegung ausgerufen. Der Veranstaltungsort der diesjährigen Konferenz, die Wilhelm-Studios, war mit rund 3.000 Besuchern so voll, dass zeitweise ein Einlassstopp verhängt werden musste. Zehntausende Menschen verfolgten das Programm zudem im Livestream.

  • 12.01.2025 19:30 Uhr

    Solidarität zuerst

    Mut machen in Kriegszeiten: Die 30. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz
    Arnold Schölzel
    Manifestation »Unblock Cuba! Free Palestine!« – das zweite Motto der Konferenz: George Rashmawi (PLO) spricht
    Ezé Wendtoin (Burkina Faso, l.) mit Special Guest Mal Élevé (Deutschland)
    Jugendforum »Alle Räder stehen still?«
    Dietmar Dath: Wieso künstliche Intelligenz den Niedergang des Imperialismus noch gefährlicher macht, und warum sie den Neuaufbau einer anderen Gesellschaft erleichtern könnte
    Peter Mertens: Eine andere Lösung der Probleme – eine europäische Friedensordnung
    Technik und Presse auf einer Empore über dem Saal
    Großer Andrang – gute Stimmung. Bereits am Vormittag waren alle Plätze in Halle B besetzt

    Winter in Berlin-Reinickendorf, im Industriegebiet am S-Bahnhof Wilhelmsruh drängen sich am Samstagvormittag Besucher der Rosa-Luxemburg-Konferenz vor einer um 1900 erbauten Eisengießerei, heute Wilhelm-Studios. Am Abend werden an die 3.000 Gäste gezählt, etwa zur Hälfte junge Leute. Der sanierte neue Veranstaltungsort kommt mit seinen rußgeschwärzten Wänden gut an, obwohl oder weil es eng wird.

    Furios geben Hannes Zerbe und Band den Startschuss, sie und andere Künstler treten mehrfach auf. Souverän führt Moderatorin Gina Pietsch durch den Tag. Sie bittet die irische Politikerin Clare Daly als erste ans Rednerpult. Deren These: Die Herrschenden zerstören die Welt, das Abschlachten in Gaza – »ein Testfall für die Menschheit«. Letzteres und die internationale Solidarität mit Palästina sind der rote Faden dieser Konferenz.

    Kwesi Pratt (Ghana), der kein Visum erhielt, spricht per Video unter Hinweis auf Kuba, Afrika und Palästina von einer »Welt in Flammen«. Aus dem US-Knast heraus warnt Mumia Abu-Jamal davor, mit Furcht zu reagieren. Das nütze allein den Rechten. Dietmar Dath nennt »künstliche Intelligenz« eine Neuformierung der Ausbeutung: Der Kapitalismus trennte einst die Arbeitenden von den Produktionsmitteln, heute soll KI zur »Verschrottung« der Menschheit dienen, das Ende von Humanismus besiegeln, kann aber auch eine echte »Leistungsgesellschaft« fördern. Anschaulich berichten junge Gewerkschafter und die SDAJ im Jugendforum: Das Streikrecht wird unterlaufen. Yücel Demirer (Türkei), dem auch das Visum verweigert wurde, sagt: Kampf gegen den Krieg ohne den gegen Kapitalismus ist nicht möglich.

    Ein Höhepunkt wird erneut die Saalmanifestation: »Unblock Cuba! Free Palestine!« – das zweite Konferenzmotto. Solidarität auch mit der gefangenen Daniela Klette, deren Grußbotschaft Rolf Becker vorträgt. Isolation prägt die Linke in Israel, so Eran Torbiner im Gespräch mit Susann Witt-Stahl. Mitreißend und Mut machend ruft Peter Mertens (Belgien) zum Zusammenschluss der Arbeiterparteien auf: »Sozialismus statt Krieg!«

    Am Mittwoch, dem 29. Januar, veröffentlicht jW die Referate der Konferenz in einer Beilage.

  • 12.01.2025 19:30 Uhr

    Grußwort aus der Haft von Daniela Klette an die Rosa-Luxemburg-Konferenz

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    Der Schauspieler Rolf Becker verliest das Grußwort von Daniela Klette am Sonnabend auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin

    Auf der 30. Internationalen ­Rosa-Luxemburg-Konferenz verlas der Schauspieler Rolf Becker ein Grußwort der in der JVA Vechta in Untersuchungshaft sitzenden mutmaßlichen früheren RAF-Militanten Daniela Klette, das jW hier dokumentiert:

    Liebe Teilnehmer*innen der Rosa-Luxemburg-Konferenz – liebe Genoss*innen,

    ich grüße Euch heute aus dem Gefängnis von Vechta. Ich wurde vor bald einem Jahr nach Jahrzehnten des Lebens in der Illegalität verhaftet.

    Vor mir liegt ein mehrere Jahre dauerndes Justizverfahren, in dem ich angeklagt werde, an bewaffneten Enteignungsaktionen teilgenommen zu haben. Darüber hinaus strebt die Justiz nach einem weiteren Prozess gegen mich, in dem ich angeklagt werden soll, als Militante an Aktionen der Stadtguerilla gegen Kapitalismus und Imperialismus teilgenommen zu haben.

    Ich war 17, als der vietnamesische Befreiungskampf den US-angeführten Imperialismus besiegte. Der unglaubliche Sieg wurde mit weltweiter Solidarität erkämpft – trotz Napalm, trotz der enormen Militärmaschine, die der Befreiungsbewegung entgegenstand, und trotz der Massaker an der vietnamesischen Bevölkerung, die die US-Militärs mit der Hilfe und Komplizenschaft des Westens, allen voran Deutschlands, verübt hatten.

    Ich war 16, als ich mitbekam, dass man einen Menschen in Haft ermordete, der im Hungerstreik gegen die Folter der Isolationshaft kämpfte. Es war Holger Meins, der gegen die Verhältnisse aufgestanden war und im Gefängnis durch gezielte Unterernährung während der staatlichen Zwangsernährung und der Verweigerung von medizinischer Hilfe getötet wurde.

    Es war in vielen Ländern eine Zeit der Versuche der Befreiung und antikolonialer Kämpfe: z. B. die Black Panthers gegen die rassistische Unterdrückung und für die Revolution in den USA, der Kampf gegen die Apartheid in Südafrika oder der FSLN in Nicaragua gegen die Diktatur. Ich begann zu verstehen, was die Menschheit von Kapitalismus und Imperialismus zu erwarten hat. Ja, ich sah mich als Teil der weltweiten Bewegungen, die für die Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Kapitalismus und Patriarchat und gegen Krieg und Militarismus kämpften.

    Die Justiz verhandelt nun über meine Schuldigkeit in einem juristischen Sinn. Für mich ist es keine Frage der Schuld, sondern danach, was Millionen Menschen bewegte und bewegt: Wie überwinden wir Verhältnisse, die global Krieg, Vertreibung, Ausbeutung, patriarchale und rassistische Unterdrückung, Armut und vollkommene ökologische Zerstörung hervorbringen?

    Die Mächtigen rüsten sich im Kampf für den Erhalt ihrer Macht zum großen Krieg. Die Gesellschaft ist von wachsender Armut, Militarisierung und einer nach rechts tendierenden Entwicklung geprägt. Der Kapitalismus steuert in Richtung des ökologischen GAUs: Der Zustand der heutigen Welt zeigt überdeutlich, dass die Fragen nach der Überwindung dieser Zustände gerechtfertigt waren und heute notwendig sind. Diese Fragen sind Fragen an uns alle, und wir werden sie nur kollektiv und in großen Bewegungen beantworten können. Ich wäre gerne bei Euch, um gemeinsam an diesen Fragen zu arbeiten. Aber die Repression und der staatliche Wille, die Geschichte der Fundamentalopposition abzuurteilen, lässt das nicht zu.

    Niemand, der als Teil der emanzipatorischen und revolutionären Linken eingesperrt wird, wird einfach wegen seiner angeblichen oder tatsächlichen Taten zur Gefangenschaft gezwungen. Wir sitzen alle aufgrund des staatlichen Willens, die Geschichte revolutionärer Kämpfe zu delegitimieren und zur Abschreckung der Kämpfe der Zukunft im jahrelangen Elend der Gefängnisse. Das betrifft mich genauso wie Mumia Abu-Jamal und Leonard Peltier in den USA, die gefangenen Anarchist*innen in Griechenland – Marianna, Dimitri, Nikos, Dimitra – und viele andere politische Gefangene weltweit.

    In diesem Sinne ist der Justizprozess gegen mich ein Prozess gegen eine emanzipatorische, linksradikale und antikapitalistische Opposition.

    Ich würde mich sehr freuen, wenn die, denen es möglich ist, zu meinem in Kürze beginnenden Prozess kommen – auch als Ausdruck davon, dass es nicht nur ein Prozess gegen mich ist, sondern auf einer anderen Ebene ein Prozess gegen alle, die sich mit der Frage der Überwindung des Kapitalismus auseinandersetzen. Ich würde mich sehr über jegliche Solidarität freuen!

    Ich wünsche Euch viel Erfolg und, ja, ich hoffe auch viel Spaß bei der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz!

    Solidarische, kämpferische und herzliche Grüße an Euch alle.

    D. K.

  • 12.01.2025 19:30 Uhr

    Die passenden Töne

    Sehr wahr, sehr bunt: Das Kulturprogramm der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
    Norman Philippen
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    Vorwärts und nicht vergessen: Das Hannes-Zerbe-Jazz-Orchester spielt auf

    Als sich am Sonnabend morgen die alten Hallen der einstigen Eisengießerei Winkelhoff füllten, wurden die aus der Kälte einströmenden Warmherzigen ab 10.30 Uhr vom Berliner Hannes-Zerbe-Jazz-Orchester aufs Stimmigste empfangen. Verschmolzen die Klänge der durchs Publikum zur Bühne schreitenden Bläser sich doch mit denen des übrigen Ensembles zur Geräuschkulisse einer produzierenden Eisengießerei, da zum Einklang unter großem Beifall das Stück »Sawod« (Fabrik) des russischen Komponisten Alexander Mosorow gespielt wurde. Eine erfolgreiche maschinenmusikalische Evokation der Zeiten, in denen die Industriehallen auf dem Areal der heutigen Wilhelm-Studios noch so neu waren wie der furiose Inhalt des »Futuristischen Manifests«, das die Bigband anschließend zum Besten gab. Inmitten der imposanten historischen Konstruktion aus Backstein und Stahlträgern erscholl ein Klangerlebnis, das von den alten so sehr wie von notwendig zu erringenden neuen Zeiten kündete. Als – »Vorwärts und nicht vergessen …« – die letzten Töne des Orchesters Darbietung von Hanns Eislers famoser, für Slatan Dudows Filmklassiker »Kuhle Wampe« komponierter Filmmusik erklangen, war die passende Tonalität für das letzte Gefecht und die Diskussion der Frage »Wie gefährlich ist der Imperialismus im Niedergang« gesetzt und hatten sich die meisten der rund 3.000 Gäste bereits eingefunden, so dass gebührender Applaus toste, bevor Moderatorin Gina Pietsch das weitere Programm ankündigte.

    Dessen Kulturteil bot neben einer zweiten Einlage des Hannes-Zerbe-Jazz-Orchesters nach Abschluss des Jugendpodiums mit den zwei Musikern Ezé Wendtoin und Mal Élevé nicht nur dem insgesamt wieder erfreulich jungen Publikum auch ganz andere Töne. Der aus »dem Land der Aufrechten« (Burkina Faso) stammende Ezé brachte mit seiner erfrischend eigentümlichen Fusion von Reggae, Dancehall, Ska, Rap und Punk nämlich nicht nur die jüngeren zu breitem Grinsen, sondern animierte spielend auch die älteren Jahrgänge, zwar nicht zur Luftgitarre zu greifen, aber mit seiner Fahrradfahrhymne doch zum energetischen Luftpedaltreten, wie man das auch nicht alle Tage zu sehen bekommt. So waren denn Jung wie Alt längst in erhebliche Mitklatsch- und -machstimmung versetzt, als der nur seinem Künstlernamen nach schlecht erzogene Mal Élevé (ehemals Sänger der 2017 aufgelösten Heidelberger Band Irie Révoltés) zu Ezé stieß, um gemeinsam – »Faschismus! Warnung! Sie kommen nicht durch!« – die antifaschistische Botschaft in Richtung AfD-Parteitag nach Riesa sowie sowieso contra Rechtsruck, gegen Rassismus und Faschismus zu senden. Um stimmliche Unterstützung aus dem Publikum mussten die beiden da nicht erst bitten.

    Allerdings, das soll nicht verschwiegen werden, kam es nach Dietmar Daths aufschlussreichem Vortrag über die Gefahren und Chancen der KI im Kulturprogramm auch zu einem Drama. Wenn auch nur zu einem kleinen, einem Dramolett. Einem höchst erfreulichen zudem, dafür sorgten Anja Panse und Anna Keil vom authentischen, alternativen, angstfreien Theaterkollektiv AAA, das sich darum verdient macht, historische Ereignisse zu aktuellem Geschehen in Beziehung zu setzen. In den Rollen Rosa Luxemburg (Panse) und Clara Zetkin (Keil) boten sie einen Auszug aus dem Stück »Clara Z. – Kämpfen, wo das Leben ist«, ein fiktives Gespräch der Revolutionärinnen am Vorabend des Ersten Weltkriegs. »Was ist aus der SPD geworden?«, fragten sich die beiden zur Partei, die einst die Kriegskredite befürwortete, die den Ersten Weltkrieg mitfinanzierten. Und setzten so ein historisches mit einem Geschehen in Beziehung, das – Stichwort »Verteidigungskrieg« gegen Russland – dem vom deutschen Untertanengeist weitgehend unerfassten Publikum als aktuell brisantes nicht erst allzu dick aufs Brot geschmiert werden musste, um sich mit den Schauspielerinnen einig zu werden, dass zwischen Kanonen und Butter stets Letzteres zu wählen ist, ohne vom Ersteren zu schweigen.

    Dass, wie es Mal Élevé ausdrückte, der Kapitalismus den Krieg in sich trägt wie die Wolke den Regen, wussten Anja und Anna respektive Rosa und Clara so gut wie der israelische Filmemacher, linke Aktivist und Koordinator des Archivs der Linken in Israel, Eran Torbiner, der auf dem Kulturpodium im Gespräch mit Susann Witt-Stahl (Chefredakteurin des Kulturmagazins Melodie & Rhythmus) die Problematiken seiner ambitionierten Arbeit erläuterte und seinen auch filmisch geführten Kampf für Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden in Ausschnitten vorstellte. Solange das Kapital herrscht, werden die Kriege nicht aufhören. Das wussten wohl auch die allermeisten der dem Kulturprogramm Applaudierenden, das diese eindringliche Botschaft sicher auch nächstes Jahr laut und deutlich nicht verhehlen wird. Wenn die Zeiten sich bis dahin nicht zu gründlich wenden, perspektivisch dann in noch größerer Location und noch lauterem Beifall.

  • 12.01.2025 19:30 Uhr

    Israels fehlende Linke

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    Der israelische Dokumentarfilmer Eran Torbiner, am Sonnabend zu Gast auf der 30. Rosa-Luxemburg-Konferenz, präsentierte am Sonntag in der Maigalerie der Tageszeitung junge Welt in Berlin Ausschnitte aus seinem Werk. Torbiner (r.) dokumentiert die letzten lebenden Zeitzeugen der radikalen und antizionistischen Linken aus Israel, darunter Mitglieder der israelisch-arabischen Organisation Matzpen, Mitkämpfer der Internationalen Brigaden im Spanienkrieg und des jüdischen Bundes. Susann Witt-Stahl (l.), Chefredakteurin der Kulturzeitschrift Melodie & Rhythmus, moderierte das Gespräch, Dror Dayan (M.) übersetzte für die 70 Zuschauerinnen und Zuschauer aus dem Hebräischen ins Deutsche. Die radikale Linke in Israel war immer klein, heute ist sie kaum noch wahrnehmbar. Das Massaker der israelischen Armee in Gaza erfordere jedoch eine klare Stellungnahme. Heutzutage die Stimme gegen die Besatzung und die israelische Kriegführung zu erheben, sei weitaus gefährlicher als noch vor wenigen Jahrzehnten. (sc)

  • 12.01.2025 19:30 Uhr

    »Eine Bedrohung für uns alle«

    »Kriegstüchtig? Nie wieder! Wie stoppen wir die Aufrüstung in Deutschland?« Auszüge aus der Podiumsdiskussion auf der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
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    Wollen nicht kriegstüchtig sein: Mark Ellmann, Petra Erler, Nick Brauns, Ulrike Eifler und Willem (v.l.n.r.)

    Am Sonnabend diskutierte junge Welt-Chefredakteur Nick Brauns mit Ulrike Eifler (Sprecherin BAG Betrieb und Gewerkschaft, Vorstandsmitglied der Partei Die Linke), Mark Ellmann (Mitglied der DKP-Friedenskommission und der GEW), Petra Erler (Mitglied der SPD, ehemalige Staatssekretärin in der Regierung de Maizière) und Willem (Rheinmetall entwaffnen) zum Thema »Kriegstüchtig? Nie wieder! Wie stoppen wir die Aufrüstung in Deutschland?« Wir dokumentieren an dieser Stelle das Podiumsgespräch in Auszügen. (jW)

    Nick Brauns: Das Thema der heutigen Podiumsdiskussion lautet »Kriegstüchtig. Nie wieder. Wie stoppen wir die Aufrüstung in Deutschland?« Nun ist es bald drei Jahre her, dass ein sozialdemokratischer Kanzler ohne große gesellschaftliche Debatte eine Zeitenwende ausgerufen hat. Was diese Zeitenwende bedeuten sollte, machte dann im letzten Jahr Boris Pistorius deutlich, als er sagte, »wir müssen bis zum Jahr 2029 kriegstüchtig sein«. Gemeint ist ein direkter Krieg gegen Russland. Denn der NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland läuft ja schon längst. Und jetzt gerade erleben wir einen Rüstungswettlauf. Aufrüstung ist direkte Kriegsvorbereitung und sie geschieht auf Kosten vor allem der arbeitenden Bevölkerung. Die arbeitenden Klassen haben in dieser Zeitenwende nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren. Was bedeutet die Zeitenwende mit dem Ziel der Kriegstüchtigkeit für die Arbeitswelt?

    Ulrike Eifler: Die Zeitenwende ist vor allem ein Frontalangriff auf die Interessen der abhängig Beschäftigten, ein Frontalangriff auf die Welt der Arbeit. Wie sagte Rosa Luxemburg? »In Kriegen steigen die Dividenden und die Proletarier fallen.« Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Es sind nicht die Söhne und Töchter der Oligarchen, die in den Schützengräben kämpfen, sondern es sind die Söhne und Töchter unserer Kolleginnen und Kollegen. Es ist die arbeitende Bevölkerung, die in die Kriege geschickt und dort auch verheizt wird. Die Zeitenwende wird von den abhängig Beschäftigten bezahlt. Sie sollen den Gürtel enger schnallen, heißt es. 3,5 Prozent des BIP für die Militarisierung, dafür aber keine Kindergrundsicherung. In dieser Atmosphäre werden gewerkschaftliche Kämpfe schwieriger. Gleichzeitig erleben wir, dass die Zeitenwende ein riesiges Umverteilungsprogramm ist. Ein einziger Panzer kostet 27,5 Millionen Euro. Ein einziger Schuss des neuen Panzerabwehrsystems der Bundeswehr kostet 100.000 Euro. Die Bundesregierung hat eine ganz klare Vorstellung davon, wo das Geld für solche Anschaffungen hergeholt werden soll, das steht nämlich in der nationalen Sicherheitsstrategie. Die Rede ist da von Umverteilung im Haushalt, und das heißt: Kürzungen bei anderen Etatposten. Das Rentenniveau soll eingefroren werden, der Angriff auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hatte jüngst einen Testlauf, die Kindergrundsicherung ist vom Tisch. Es wird gespart werden, bis es quietscht, um die Zeitenwende zu finanzieren. Insbesondere dann, wenn Friedrich Merz Bundeskanzler wird. Im übrigen wird die Zeitenwende den Klimawandel beschleunigen. Eine Flugstunde des »Eurofighters« oder der F-35 stößt mehr CO2 aus, als jeder einzelne von uns im Jahr verursacht. Und Zeitenwende heißt auch Angriff auf die Demokratie und auf die betriebliche Mitbestimmung. Die Grundrechte werden eingeschränkt. Die Bundesregierung hat Anfang September ein Gesetz vorgelegt, wonach die Anwendung der Notstandsgesetze erleichtert werden soll. Demgemäß können alle Frauen zwischen 18 und 50 zwangsverpflichtet werden, in den zivilen Sanitätsdienst einzutreten. Diese Notstandsgesetzgebung ist eine elementare Bedrohung für die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, für uns alle.

    Brauns: Die DKP spricht von einem militaristisch-reaktionären Staatsumbau. Wo besteht da der Zusammenhang zwischen der Forderung nach Kriegstüchtigkeit? Was hat die Zeitenwende mit dem Abbau von Grundrechten zu tun?

    Mark Ellmann: Der deutsche Imperialismus hat bereits vor fünf Jahren damit angefangen, die Grundrechte einzuschränken. Das stand vor dem Hintergrund, dass Deutschland wieder Führungsmacht werden sollte. Wir wollen die Triebkräfte dieses Umbaus deutlich machen. Und es gibt weitere Beispiele für diesen Umbau, etwa die neuen Polizeigesetze in den Bundesländern. Während der Pandemie wurden gleichsam über Nacht die Grundrechte eingeschränkt. In Bayern hat es ein Dreivierteljahr gedauert, bis sich im Landtag mal irgendeine Opposition kritisch geäußert hat. Doch die Zeitenwende stellt eine neue Qualität dar, und zwar deshalb, weil die Herrschenden für ihre kriegerische Auseinandersetzung mit Russland und China rüsten. Überall ist inzwischen die Bundeswehr sichtbar. Das THW wurde kaputtgespart, die Bundeswehr springt beim Katastrophenschutz ein. Großflächige Werbung der Bundeswehr im städtische Raum, an Hauswänden, auf Straßenbahnen und so weiter. In Bayern sind Schulen verpflichtet, die Bundeswehr Werbung unter Schülern machen zu lassen. Neben den erwähnten Gesetzesänderungen ändert sich natürlich auch der öffentliche Diskurs. Da geht die Rede von Lumpenpazifisten, wenn die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert werden. Ich erlebe, dass sich Freunde und Kollege kaum mehr trauen, ihren kritischen Standpunkt zu artikulieren.

    Brauns: Die Aufrüstung der Bundeswehr wird mit der Behauptung begründet, dass Russland eine Gefahr für die NATO-Staaten und speziell auch für Deutschland darstelle. Was entgegnen Sie denjenigen, die sagen, wir brauchen die Hochrüstung, um ein aggressives Russland zu stoppen?

    Petra Erler: In dem Buch, das ich zusammen mit Günter Verheugen verfasst habe, stellen wir uns gegen das Narrativ, dass Russland quasi genetisch bedingt aggressiv und imperial agiert. Statt dessen hat der Westen die große Chance der Jahre 1989 bis 1991 verpasst, diese Welt im Sinne der Vereinten Nationen in Ordnung zu bringen, eine Ordnung, in der die Menschheit gemeinsam ihre großen kollektiven Probleme in Angriff nimmt. Das widersprach dem erklärten Willen der USA, die sich als einzig verbliebene Supermacht nun ausersehen fühlten, die Welt zu dominieren, und die einen extrem militaristischen Kurs eingeschlagen haben, den mit der Zeitenwende nun auch die Bundesrepublik Deutschland einschlägt. Wir leben in einer irre gewordenen Welt, in der uns einzig das Versprechen, niemals Atomkriege führen zu wollen, noch vom Untergang trennt. Dabei gibt es Leute, die sagen, vielleicht lässt sich ja doch ein begrenzter Atomschlag riskieren. Da sind ferner der Klimawandel, die großen Umweltprobleme, und seit Jahrzehnten tut sich nichts. Da sind die großen Probleme von Armut und Migration, verursacht durch kriegerische Konflikte. Da sind die Multimilliardäre, die aufgrund ihres Vermögens erheblichen Einfluss auf die Politik nehmen; nicht im Interesse von Arbeitern, Rentnern, jungen Müttern und kleinen Kindern, sondern im eigenen Interesse der Vermögensanhäufung. Die Frage, die wir heute diskutieren, ist also nicht nur ein deutsches Problem. Wir sind Teil einer Menschheit und das müssen wir begreifen. So unterschiedlich wir auch sind, wir werden es nur gemeinsam schaffen oder wir gehen gemeinsam unter.

    Brauns: Reden wir über die Rüstungsindustrie. Welche Rolle spielt sie, was macht Rheinmetall unter den Rüstungsschmieden so besonders?

    Willem: Rheinmetall ist der größte deutsche Rüstungskonzern. Rheinmetall war im Zweiten Weltkrieg ein großer Waffenproduzent und hat sich in den Jahren danach reingewaschen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Konzern sein Schmuddelimage inzwischen losgeworden. Rheinmetall-Arbeiter geben Interviews und sagen, sie freuen sich, dass ihre Arbeit endlich anerkannt wird. Dennoch steht Rheinmetall nur stellvertretend für alle Rüstungskonzerne, für die fortschreitende Militarisierung, für den industriell-militärischen Komplex insgesamt. Und dagegen richten sich unsere Aktionen. Die Rüstungskonzerne spielen eine enorme Rolle. Rheinmetall baut Waffen in der Ukraine, in Litauen und weltweit in 28 Ländern. Rheinmetall hat also einen Einfluss auf den Krieg in der Ukraine. Auch in Gaza stößt man immer wieder auf Reste von Waffen, die von Rheinmetall stammen. In der Türkei, in Syrien, in Kurdistan, überall hat Rheinmetall seine Finger im Spiel, aber natürlich auch die anderen deutschen Rüstungskonzerne. Wir von der Initiative »Rheinmetall entwaffnen« machen vor den Toren der Waffenschmieden Aktionscamps und wollen so die Rüstungsindustrie effektiv blockieren. Zwar nur für ein paar Tage, aber damit setzen wir ein Zeichen: In Deutschland werden Waffen produziert, mit denen weltweit gemordet wird.

    Brauns: Wie steht es um den Antimilitarismus in der Partei Die Linke? Wie verhält sie sich in der Friedensfrage? Das Bündnis Sahra Wagenknecht scheint da in vielen Fragen viel konsequenter als Die Linke aufzutreten.

    Eifler: Die Linke wird von der Friedensbewegung immer weniger als Friedenspartei wahrgenommen. Das hat zu tun mit bestimmten Entscheidungen, die in der jüngsten Vergangenheit getroffen wurden. Und das hat auch etwas zu tun mit der Schwerpunktsetzung im jetzigen Wahlkampf. Wenn alle Parteien über Kanonen statt über Butter reden, die SPD vielleicht noch über Kanonen und Butter, ist es Aufgabe der Linken, auch über die Kanonen zu reden und nicht nur über die Butter. Ich halte es für einen großen strategischen Fehler, dass Die Linke sich vor dem jetzt anlaufenden Bundestagswahlkampf dazu entschlossen hat, dies nicht in der notwendigen Schärfe zu thematisieren. Eine zögerliche Linke schwächt die Friedensbewegung. Die Friedensbewegung hat seit dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999, den die rot-grüne Bundesregierung mitgeführt hat, kein organisatorisches Rückgrat mehr. Aufgabe von Die Linke, schließlich war das ja auch Konsens bei der Parteigründung 2004, sollte jedenfalls sein, sich klar gegen Kriege zu positionieren. Es sollte selbstverständlich für eine linke Partei sein, sich sehr klar als Teil der Friedensbewegung zu verstehen. Das zögerliche Verhalten der Partei hat ihre Ursachen. Linke Parteien sind immer in die Krise geraten, wenn es große Kriege gegeben hat. Man denke an das Jahr 1914, man denke an den Vietnamkrieg, an den Kosovo-Krieg. Irrtümer gab es immer. Wir sind alle tagtäglich dem ideologischen Dreck ausgesetzt. Eines möchte ich aber noch sagen. Die Partei Die Linke befürwortet diese Zeitenwende nicht, sie befürwortet auch kein Zwei-, Drei- oder Fünf-Prozent-Ziel in der Aufrüstung und auch nicht die 100 Milliarden Euro Sondervermögen. Da äußert sie Kritik. Und es gibt viele Genossinnen und Genossen, die wollen, dass Die Linke, dass ihre Partei sich stolz und selbstbewusst in die Friedensbewegung einreiht.

    Brauns: Petra Erler, Sie gehören der SPD an und haben in den letzten Jahren gemeinsam mit Günter Verheugen mehrere Aufrufe und Appelle unterschrieben, die zur Beendigung des Krieges in der Ukraine durch diplomatische Maßnahmen aufrufen. Es gibt also auch innerhalb der SPD noch Stimmen der Vernunft. Gleichzeitig stellt Ihre Partei den Kanzler, der die Zeitenwende ausgerufen hat, und den Verteidigungsminister, der uns kriegsfähig machen will. Ihr Genosse Ralf Stegner erntete dementsprechend bei der Friedenskundgebung am 3. Oktober in Berlin viel Häme für seine Aussage, die SPD sei stets eine Friedenspartei gewesen. Da erinnerten einige an 1914, andere an 1999, also den Kosovo-Krieg, den ersten Angriffskrieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Haben Sie noch Hoffnung, dass die SPD tatsächlich eine friedenspolitische Rolle spielen kann? Oder ist sie nicht selbst längst Teil des Problems geworden?

    Erler: Ich habe aufgrund der Umfragen in der Bundesrepublik Deutschland die begründete Hoffnung. Es muss in allen Parteien eine Diskussion darüber stattfinden, wie wir aus der gegenwärtigen Unsicherheitslage herauskommen. Es stimmt ja, dass wir seit dem 24. Februar 2022 mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Teile der Ukraine konfrontiert sind. Ich sage Teile der Ukraine, weil zwei abtrünnige Donbassrepubliken auf der russischen Seite kämpfen. Insofern ist es nicht nur ein Stellvertreterkrieg, es ist auch ein Bruderkrieg und die Fortsetzung dieses Krieges seit 2014. Wenn wir jetzt in Europa nach 1999 und der Bombardierung Serbiens wieder Krieg haben, dann ist es die gottverdammte Pflicht aller, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Trotz Zeitenwende war der Bundeskanzler anfangs für eine Verhandlungslösung. Er will das heute nicht mehr wissen. Wir waren nahe daran in Istanbul, bis zum 15. April. Wer hat denn den Frieden nicht gewollt? Es war nicht Putin, es war der Westen. Allen voran waren es die Amerikaner und die Briten, die gesagt haben: Es ist zu früh. Seitdem ist alles, was in diesem Krieg passiert, nicht allein mehr nur Putins Schuld. Es ist auch unsere Mitschuld. Wer weiß, wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer mittlerweile gefallen sind? Sind es 30.000 oder 40.000, von denen Selenskij spricht? Sind es vielleicht eine Million Verwundete oder Getötete? Wie können wir da mit ruhigem Gewissen zugucken? Bei uns herrscht immer noch die Ansicht: Jeder tote Russe ist ein Gewinn, weil sich ja herausgestellt hat, dass sich dieser Krieg in Wahrheit gar nicht um die Ukraine dreht. Er geht in Wahrheit gegen Russland. Dessen strategische Schwächung, dessen potentielle Zerschlagung ist das Kriegsziel. Wer das mitträgt, und derzeit ist es die Mehrheit des Bundestags, aber nicht die Mehrheit in der Bevölkerung, der muss wissen, dass er uns an den Rand des Atomkrieges bringt. Und dann haben wir noch 20 Minuten Zeit und sind hoffentlich in der Nähe derer, die wir noch mal in den Arm nehmen wollen. Denn danach ist alles vorbei. Das ist eine unverantwortliche Politik. Meine Partei ist die Partei von Willy Brandt, die Partei der Entspannungspolitik, und eben die fordere ich wieder ein, so wie viele andere auch.

    Brauns: Nun hört man auch von Seiten der AfD Stimmen, die sich sehr deutlich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und gegen den NATO-Kriegskurs aussprechen. Die AfD versucht sich als Friedenspartei darzustellen und hat damit, wie die Wahlergebnisse in den östlichen Bundesländern zeigen, offensichtlich einigen Erfolg. Wie glaubwürdig ist denn die AfD als Friedenspartei? Man hört ja mitunter sogar Stimmen, die sagen, auch wenn wir sonst das Programm dieser Partei völlig ablehnen, müssen wir doch in der Friedensfrage mit ihnen zusammengehen.

    Ellmann: Weil AfD-Politiker Positionen äußern, die dem ähneln, was wir als Friedensbewegung fordern, heißt das noch lange nicht, dass wir als Friedensbewegung die Position der AfD teilen oder in irgendeiner Form rechtsoffen sind, wie uns das die Medien erzählen wollen. Aber im Gegensatz zu allen anderen parlamentarischen Parteien spricht die AfD – neben ihrer ganzen rassistischen und völkischen Hetze – Zusammenhänge an, die existieren. Vorhin wurde erwähnt, dass die Preise durch die Energiepolitik der Regierung gestiegen sind. Das spricht die AfD an, und es wird dadurch nicht falsch, dass sie es ist, die das tut. Dass Menschen auf die AfD reinfallen, ist dramatisch. Wir müssen daher die AfD als das entlarven, was sie wirklich ist: eine völkische und nationalistische Formation mit einem starken faschistischen Flügel, die an allen Ecken und Enden für deutsche Aufrüstung eintritt. Das ist nicht kompatibel mit der Friedensbewegung. Zu behaupten, die AfD sei eine Friedenspartei, ist plumpe Propaganda, um die Friedensbewegung zu diskreditieren. Am Ende ist die AfD doch nur eine Alternative für das herrschende Monopolkapital in diesem Land und dessen Großmachtambitionen. Unsere Kritik sollte sich an den Klassenpositionen der AfD abarbeiten. Aber eines noch: Ich finde es wichtig, dass wir nicht in das Geheule der Herrschenden einstimmen, die AfD würde deutsche Interessen verraten, wie es bei der letzten EU-Wahl hieß. Das ist nicht unsere Klassenposition, von der aus wir die AfD kritisieren. Wir kritisieren sie dafür, dass sie Fleisch vom Fleische der CDU ist. Die AfD ist keine Friedenspartei, sie ist der Stichwortgeber für die reaktionäre Regierungspolitik in diesem Land.

    Brauns: Die Angst vor dem Krieg, aber auch die Sorgen um die sozialen Folgen der Hochrüstung und des Wirtschaftskrieges gegen Russland setzen sehr unterschiedliche Milieus in Bewegung. Gerade im Osten reichen die Antikriegsproteste oft bis in weit rechts stehende Milieus. Umgekehrt haben wir die absurde Situation, dass bellizistisch gewendete Liberale und Grüne und selbst einige ehemalige radikale Linke oder Teile der Antifa die Friedensbewegung insgesamt als rechts oder rechtsoffen diffamieren wollen. Wie sollen linke Kriegsgegner und Antimilitaristen in so einer Gemengelage agieren?

    Willem: Diese Gemengelage rührt daher, dass es sowohl in der Linken als auch in der Friedensbewegung eine gewisse Orientierungslosigkeit gibt. Die Linkspartei tut nicht das, wofür sie mal angetreten ist. Sie stiftet keine Orientierung in der Friedensbewegung. Wir haben Rechte, die sich – gepusht durch den medialen Diskurs – als Anti-Establishment- und als Antikriegskräfte darstellen. Zugleich war die Friedensbewegung ja noch nie eine homogene Bewegung. Die Friedensbewegung, die ich kenne, geht von K bis K, also von Kirche bis Kommunismus. Für uns ist wichtig, dass wir eine Klassenposition in sie hineintragen. Die arbeitende Klasse hat kein Interesse am Krieg. Dann gibt es die alte Losung von Karl Liebknecht: Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Und da werden dann die Unterschiede deutlich. Denn es sind nicht die US-Konzerne allein, die diesen Krieg führen. Nein, es sind deutsche Konzerne, Konzerne, gegen die wir hier vor Ort vorgehen können. Das ist der Unterschied zur AfD und anderen Rechten: Der Feind ist hier bei uns. Grundsätzlich würde ich sagen, dass es unsere Aufgabe ist, eine antikapitalistische Orientierung in die Friedensbewegung hineinzutragen und deutlich zu machen, dass der Krieg dem Kapitalismus inhärent ist. Einen wirklich langfristigen Frieden kann es nur in einer Gesellschaft jenseits von Lohnsklaverei und Kapitaldiktatur geben. Die radikale Linke ist in weiten Teilen umgekippt. Es gibt Leute, die fordern Waffenlieferungen an die Ukraine oder unterstützen Israel beim Krieg in Gaza. Dagegen wenden wir uns bei »Rheinmetall entwaffnen«. Bei uns gibt es sehr viele unterschiedliche Akteure, aber es gibt klare, feste Prinzipien: internationale Solidarität, Antikapitalismus, das Einstehen gegen Waffenlieferungen und für einen langfristigen Frieden. In den entscheidenden Fragen, in der Solidarität mit Kurdistan und mit Palästina sowie in der Hauptfeindfrage sind wir uns einig.

    Brauns: Nun droht uns ab 2026 die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen. Welche Gefahren ruft das hervor? Und was müsste eigentlich geschehen, um das noch zu verhindern?

    Erler: 2017 sind in den USA die Grundsatzbeschlüsse zu der Stationierung gefasst worden. Lange vor dem Ukraine-Krieg, lange vor der einseitigen Kündigung des INF-Vertrags über Mittelstreckenwaffen durch die Amerikaner. Die Russen sind damals nachgezogen. Alle Vermittlungsversuch sind seinerzeit gescheitert. Die Außenminister der Europäischen Union wollten diesen Vertrag behalten. Aber die NATO hat es nun mal so gewollt, weil es in der NATO einen Primus inter pares gibt, und das sind die USA. Was wir tun, ist das Nachvollziehen amerikanischer Beschlüsse. Nicht mehr und nicht weniger. Wir sind wie Knechte. Ich hätte schon erwartet, dass in einer so weitreichenden Frage wie der Stationierung von Angriffswaffen auf unserem Territorium – denn es geht ja nicht um Verteidigung, es geht um Angriff – eine öffentliche Diskussion stattfindet, zumindest im Bundestag. In den US-Medien kann man die Gründe dafür lesen, warum diese Waffen stationiert werden sollen. Da geht es nicht um russische Waffen in Kaliningrad. Da geht es darum, dass die US-Armee aktuell weltweit nicht mehr überall so handeln kann, wie sie das gerne möchte. Weil nämlich China und Russland territoriale Verteidigungssysteme aufgebaut haben. Die will die amerikanische Armee knacken. Da kann man dann Kaliningrad einnehmen und ist rasch in Sankt Petersburg. Und es wird nicht bei diesen Waffen bleiben, es wird sich weiter hochschaukeln. Erinnern wir uns, wie es im Fall der Ukraine war. Am Anfang waren es Helme, dann Patronen, dann Panzer. Nur bei Taurus steht der Bundeskanzler noch gerade, weil wir glücklicherweise schwatzhafte Generäle hatten, die geäußert haben, dass das einer direkten deutschen Kriegsbeteiligung gleichkomme. Verdammt noch mal, wissen wir wirklich nicht mehr, was wir im Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion angerichtet haben?

    Brauns: Welche Initiativen gibt es denn momentan in den Gewerkschaften, um in Sachen Hochrüstung Druck zu machen?

    Eifler: Die Debatte in den Gewerkschaften ist natürlich nicht einfach. Das hat auch damit zu tun, dass wir einen sozialdemokratischen Bundeskanzler haben und die Gewerkschaften in den Regierungskurs integriert sind. Es gibt aber eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die eine Debatte darüber führen, dass die Gewerkschaften Teil der Friedensbewegung sein müssen und die auch die Stationierung von Mittelstreckenraketen ablehnen. Die war schon ein Fehler, als Trump noch nicht gewählt war. Mit Trump allerdings, der Grönland bedroht, der Dänemark bedroht, der das NATO-Zwei-Prozent-Ziel auf fünf Prozent erhöhen will, steht ein Wahnsinniger an der Spitze der USA. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen erwarten, dass die Bundesregierung daraus ihre Schlüsse zieht und die Stationierung der Mittelstreckenraketen rückgängig macht. Die Friedensfrage spielt in den Gewerkschaften durchaus eine Rolle. Wir haben die gewerkschaftspolitische Friedenskonferenz vor zwei Jahren in Hanau organisiert. Wir haben sie letztes Jahr in Stuttgart wiederholt, jeweils in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Auch in diesem Jahr wird es wieder eine solche Gewerkschaftskonferenz für den Frieden geben, im Juli in Salzgitter. Die Gewerkschaften sind unersetzlich für die Friedensbewegung. Nur durch die Gewerkschaften wird die Friedensbewegung breiter.

    Ellmann: Ich glaube auch, dass wir diese Auseinandersetzung letztendlich wieder in die Betriebe tragen müssen. Ich komme aus München, dort haben die GEW und Verdi zusammen mit dem Friedensbündnis am 12. Oktober zum Protest aufgerufen: »Soziales rauf, Rüstung runter«. Das ist ein wichtiges Signal. Wir müssen die soziale Frage mit dieser Kriegspolitik verbinden, auch mit Blick auf die Tarifrunde im öffentlichen Dienst zum Beispiel. Was wollen wir denn da groß rausholen, wenn wir weiterhin die Füße stillhalten?

  • 12.01.2025 19:26 Uhr

    Furiose Eröffnung mit dem Hannes-Zerbe-Jazz-Orchester

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    Großer Andrang herrschte am Samstag morgen bei winterlichen Temperaturen vor den Wilhelm-Studios im Berliner Stadtteil Reinickendorf. Schon von weitem war erkennbar: Hier musste sie sein, die Rosa-Luxemburg-Konferenz 2025. Nachdem das Nadelöhr am Eingang überwunden war, füllte sich langsam der Saal. Groß waren auch die Erwartungen auf die diesjährige RLK an neuem Ort. Die Spannung löste sich, als dann pünktlich um 10.30 Uhr das Hannes-Zerbe-Orchester die Konferenz mit jazzigen Klängen furios eröffnete. Die zahlreichen Bläser wandelten zunächst durch das Publikum, bis sie dann zu den anderen Musikern auf der Bühne stießen. Genauso vereinten sich die einzelnen Musikstränge zu einem mitreißenden Stück, dessen solistische Einlagen spontanen Beifall fanden. Es handelte sich um das Stück »Sawod« des russischen Komponisten Alexander Mosorow, das – passend zum Veranstaltungsort, einer alten Industriehalle – die Geräusche einer Eisengießerei nachempfindet. Darauf folgte eine weitere Komposition von Zerbe selbst mit aufrüttelndem Sprechgesang nach dem sowjetischen »Futuristischen Manifest«, das eine neue Epoche und das Ende der »alten Zeit« ankündigte. Den Abschluss bildete Hanns Eisler: Das Orchester spielte die ebenso schräge wie mitreißende Filmmusik zu dem unvergesslichen Klassiker »Kuhle Wampe« von Slatan Dudow: »Vorwärts und nicht vergessen ...« Applaus brandete auf, bevor dann Moderatorin Gina Pietsch auf die Bühne trat. Sie warnte vor der erhöhten Kriegsgefahr, der erneuten Präsidentschaft Donald Trumps in den USA und begrüßte die zahlreichen Gäste – unter anderem diplomatische Vertreter Russlands, Chinas, Vietnams und nicht zuletzt Kubas. Inzwischen hatten sich auch die Reihen gefüllt. Es kann eng werden! (jt)

  • 12.01.2025 19:26 Uhr

    Bildstrecke (1): 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz

    Erste Impressionen von der Konferenz in den Wilhelm Studios Berlin
    Im Eingangsbereich des Veranstaltungssaals werden an zahlreichen Ständen Literatur und anderes präsentiert. Karl Marx war nicht nur in Form der beliebten Statuette dabei ...
    Chefredakteur Nick Brauns und Geschäftschführer Dietmar Koschmieder begrüßten schon am Vorabend in der Maigalerie die Gäste der RLK ...
    Besucher des Empfangs am Vorabend der RLK in der jW-Maigalerie
    Im Foyer herrschte gedrängte Enge. Überhaupt wurde es brechend voll in den Wilhelm-Studios ...
    Mitreißend: Hannes Zerbes Jazzorchester gemahnte mit Hanns Eisler an die internationale Solidarität ...
    Engagiert: Gina Pietsch gemahnte zu Beginn der Konferenz an die Kriegsgefahr, das Massaker in Gaza ...
    Keine falschen Hoffnungen: Nur die Arbeiter und die einfachen Leute werden laut der irischen Politikerin Clare Daly Kriege und sozialen Kahlschlag beenden ...
  • 11.01.2025 14:00 Uhr

    Clare Daly: »Wir sind die einzigen Erben von Luxemburg und Liebknecht«

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    Klare Kante: Die irische Linkspolitikerin Clare Daly prangerte die Kriege in der Ukraine und in Nahost an ...

    Als erste Referentin begrüßen wir nun Clare Daly, irische Politikerin und bis zum vergangenen Jahr Abgeordnete im EU-Parlament. Mit ihrer kraftvollen Stimme, die sie seit Jahren im Kampf gegen Krieg und Kapital erhebt, führt sie das Publikum in einer Tour de Force durch die Herausforderungen unserer Zeit – und zeigt, wie die herrschende Klasse alles daran setzt, diese Welt zu zerstören. Die EU spielt dabei eine zentrale Rolle und hat sich vollkommen den US-Interessen unterworfen. Der sogenannte Europäische Verteidigungsfonds, die Friedensfazilität – alles Institutionen, die tatsächlich auf Krieg ausgelegt sind. Und den größten Kontrast zu der EU-Propaganda von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten bildet die Unterstützung der »Barbarei, die in Gaza entfesselt« wurde. Und wie schon Julian Assange zum Krieg in Afghanistan erklärte: Das einzige Ziel ist es, das Geld der transnationalen Elite zu waschen.

    Allen voran die sozialdemokratischen und »grünen« Parteien weltweit »baden im Blut ihrer Komplizenschaft« und ermöglichen den Genozid mit ihren Waffenlieferungen. Zu diesen deutlichen Worten am Beginn der Konferenz brandet Applaus auf. Dabei sei es unerträglich, so Daly, über das »abschlachten«, das alle täglich verfolgen könnten, zu sprechen. Palästina ist ein Labor, »ein Testfall für die Menschheit« mit einem Staat Israel, der Standards – »die natürlich nicht für uns geschaffen wurden, aber doch eine gewisse Ordnung vorgaben« – nach dem Zweiten Weltkrieg außer Kraft gesetzt hat. Und Daly macht klar, »niemand kommt, um uns zu retten«. Es liege an der weltweiten Arbeiterklasse, den Kampf gegen Krieg und Militarisierung aufzunehmen. Gaza zeige, was uns alle erwarte, und wir alle müssten unsere Anstrengungen verdoppeln. »Wir sind die einzigen Erben von Luxemburg und Liebknecht.«

  • 12.01.2025 19:25 Uhr

    Die junge Welt in eigener Sache

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    Ein Werbeblock darf auf der RLK nie fehlen, und die Botschaft lautet immer gleich: Abos, Abos, Abos ...

    Eine Konferenz wie die RLK ist nicht billig. Daran erinnerten Verlagsleiter Sebastian Carlens und der leitende Chefredakteur Daniel Bratanovic im Anschluss an den Beitrag von Kwesi Pratt. Carlens bezifferte die Ausgaben auf ganze 300.000 Euro. Diese stolze Summe müsse irgendwie wieder reinkommen, und selbstverständlich ist auch eine tägliche Zeitung kostspielig. Es gibt aber für die junge Welt und den Verlag 8. Mai keine Zuwendungen von Institutionen wie dem Staat oder der Kirche. Also bleiben vor allem Spenden – und nicht zuletzt Abos, Abos, Abos, um die gedruckte Ausgabe zu erhalten, auf die die junge Welt gegen den Trend nach wie vor setzt. Jonas Pohle vom AVZ-Verlag mahnte, dass für die im Sommer begonnene Aktion »3.000 Abos für die Pressefreiheit« noch 700 fehlen. Diese war nach dem enttäuschenden Urteil in dem Prozess gegen die BRD wegen der Verfolgung durch den Inlandsgeheimdienst gestartet worden. jW-Mitarbeiterin Jeannette Quaas wies auch auf die Unterstützerinitiativen für die jW hin, die es bundesweit gibt bzw. die noch gegründet werden. Auch werden weiter Helfer gesucht für die Aktionen der Zeitung am 1. Mai. Um alle Anstrengungen zu koordinieren, gibt es monatlich einen eigenen Unterstützer-Newsletter. Vor dem nächsten Wortbeitrag spielte dann das Hannes-Zerbe-Jazz-Orchester eine weitere Komposition von Hanns Eisler, die »Kleine Sinfonie«. (jt)

  • 12.01.2025 19:23 Uhr

    Yücel Demirer: Der Weg, um imperialistische Kriege zu beseitigen, führt über den Kampf gegen das kapitalistische System,

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    Der Politikwissenschaftler Yücel Demirer aus der Türkei, der seine Anstellung an einer Universität aufgrund seiner Unterstützung eines Friedensappells verloren hat, kann nicht persönlich an der Rosa-Luxemburg-Konferenz teilnehmen, da er nicht rechtzeitig ein Visum erhalten hat. In seinem Videobeitrag widerspricht er zwar dem Motto der diesjährigen Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz, wonach sich der westliche Imperialismus bereits im Niedergang befinde. Gleichwohl setzte der Imperialismus auf Krieg und Faschismus als »Lösung«, wie die Entwicklungen in der Ukraine und Syrien zeigten.

    Demirer sieht zwei grundsätzliche Trends: Nach dem Ende der Konfrontation mit dem sozialistischen Block ist seit den 1990er Jahren das relative Gleichgewicht gebrochen, und Kriege unterschiedlicher Dimension haben zugenommen. Zum anderen wurden in vielen Teilen der Welt in den letzten Jahren gemäßigte Mitte-rechts-Parteien durch autoritäre und faschistische Parteien ersetzt und der Rahmen der bürgerlichen Demokratie erschüttert.

    Es zeige sich, dass Kriege und regionale Konflikte mit imperialistischen Motiven von autoritären Regierungen zur Legitimierung ihrer antidemokratischen Praktiken genutzt werden. Imperialistische Staaten oder Regionalmächte, die am imperialistischen Aufstieg teilhaben wollen, nutzen diese Konflikte auch zur Herrschaftssicherung im Inneren. Hier verweist Demirer auf das Beispiel des Erdogan-Regimes in der Türkei, das die Entwicklungen in Syrien seit dem Sturz von Präsident Baschar Al-Assad genutzt hat, um im eigenen Land trotz wirtschaftlicher Krise und Verarmung der Arbeiterklasse Unterstützung zu gewinnen.

    Weiterhin setzte sich Demirer mit bürgerlichen Legitimierungspraktiken für imperialistische Kriege auseinander, mit denen es gelingt, Teile der Arbeiterklasse unter patriotischen Parolen für den Kriegskurs zu gewinnen. So mache die Betonung des Machtkampfes zwischen den Ländern den Konflikt zwischen den Kapitalfraktionen unsichtbar und stelle die Ausbeutung in den Schatten.

    Dies gelte es von kommunistischer Seite im Antikriegskampf mit einem Diskurs zu kontern, der auf das Alltagsleben der Arbeiterklasse zielt und imperialistische Verzerrungen auch in der Sprache entschleiert.

    Der Weg, um imperialistische Kriege und das Gemetzel und Elend der Kriege generell zu beseitigen, führt über den Kampf gegen das kapitalistische System, betont Demirer abschließend.

  • 12.01.2025 19:25 Uhr

    Eine andere Welt ist möglich!

    Kwesi Pratt, Journalist und Mitglied des Socialist Movement of Ghana, über die Folgen des Hegemonieverlustes des globalen Nordens in Westafrika
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    Verschiedenste Konfliktherde schwelen in Westafrika: Islamistische, dem IS nahestehende Rebellen proben den Aufstand – besonders davon betroffen sind Tschad, Burkina Faso, Mali und Niger. Verstärkt wird dies durch die Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA), die in Nordmali eine unabhängige Republik gründen will.

    Ein weiterer Krisenherd ist Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, in dem die Hälfte der gesamten westafrikanischen Bevölkerung lebt: Im Osten des Landes, in der Region Biaffra, findet ein sezessionistischer Aufstand statt, im Nordosten treibt die Miliz Boko Haram ihr Unwesen, und auch die Situation im Nigerdelta ist schwierig. Das Problem: Wenn Nigeria explodiert, dann wird das die gesamte Region ins Wanken bringen.

    Noch immer befinden sich US-Militärbasen in der Region, so auch auf dem internationalen Flughafen Ghanas, die die Kämpfe der Beschäftigten (Proletarier?) bedrohen. Der Kampf gegen diese westlichen Militärs nimmt zu – so haben Niger, Burkina Faso, Mali und Tschad westliche Militärs Schritt für Schritt aus dem Land gejagt. Dennoch ist der Imperialismus weiter stark: In den französischsprachigen Ländern, die die Währung CFA-FRANC benutzen, müssen noch immer Zinsen gezahlt werden, um eigenes Geld zu leihen. Um sich aus diesen neokolonialen Verstrickungen zu befreien, hat sich die Westafrikanische Volksorganisation (West African Peoples Organisation) gegründet, ein Netzwerk panafrikanischer Bewegungen und Organisationen.

    Während Afrika für seine Unabhängigkeit kämpft, dürfe nicht vergessen werden, dass auch die Welt in Flammen steht: Das israelische Apartheidsregime verübt einen Genozid im Gazastreifen, Marokko hält entgegen von UN-Resolutionen und öffentlicher Meinung die Demokratische Arabische Republik Sahara weiter besetzt, die USA führen mit einer Wirtschaftsblockade einen tödlichen Kampf gegen die unabhängige Regierung Kubas. Auch gegen Venezuela gehen die USA vor, weil ihnen die Wahlentscheidung des venezolanischen Volkes nicht passt. Nicht zu vergessen sind der Ukraine-Krieg, den die NATO mit ihrem Verhalten gegenüber Russland vom Zaun gebrochen hat, und die Provokationen gegenüber China mit der US-Politik der strategischen Zweideutigkeit.

    Trotz alledem, das macht Pratt in seinen Schlussbemerkungen unmissverständlich klar: Eine andere Welt als die des Hungers, des Analphabetismus, des Krieges und des aggressiven Imperialismus ist möglich. Und zwar, »indem wir uns die Hände reichen und zusammenarbeiten, sodass wir gemeinsam eine Welt aufbauen, in der kein Kind mit leerem Magen schlafen gehen muss und in der uns der Boden gehört, auf dem wir stehen.«

  • 12.01.2025 19:25 Uhr

    Grußbotschaft von Mumia Abu-Jamal

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    Jennifer Black leitete Mumias Beitrag ein und prangerte das repressive Gefängnissystem in den USA an ...

    Seit 43 Jahren sitzt er zu Unrecht aus rein politischen Gründen im Gefängnis: der US-amerikanische Autor und Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal. Lesern der jungen Welt ist er durch seine regelmäßigen Kolumnen bekannt. Gina Pietsch bittet Jennifer Black auf die Bühne. Sie ist Ärztin und Mitarbeiterin des Prison Radio in den Vereinigten Staaten, das Mumias geschliffene Glossen übermittelt und sich für die Abschaffung des repressiven Gefängnissystems in den USA einsetzt. Sie berichtet davon, dass der Fall Mumia paradoxerweise in Pennsylvania, von wo Mumia stammt und wo er im Gefängnis festgehalten wird, weniger bekannt ist als in Deutschland. Im Anschluss wird eine Grußbotschaft Mumias eingespielt. Er spricht über den Rechtsruck nicht allein in den USA und die Furcht, die permanent gesät wird, um die Gesellschaften vor allem in den reichen Ländern noch weiter nach rechts zu rücken: Furcht vor sogenannten Migranten, Furcht vor Transpersonen, Furcht vor allem … Mumia zitiert keinen Geringeren als US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der 1934 sagte: »Das einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht selbst.« Auch erinnerte er an das Credo aller aufrechten Linken, dass die Arbeiterklasse keine Heimat habe. »Wir können uns organisieren: Migranten, Arbeiter, LGBTQ …« Denn: »Furcht ist nicht mehr als eine Emotion.« Zu Beginn des Programmpunktes hatte Moderatorin Gina Pietsch bereits daran erinnert, dass Mumia Abu-Jamal nicht der einzige politische Gefangene in den USA ist. Insbesondere der indigene Aktivist Leonard Peltier – der noch länger einsitzt als Mumia, und zwar seit 1977 – könnte aufgrund einer ruinierten Gesundheit und mangelnder medizinischer Versorgung die Haft nicht überleben. Nur noch etwas mehr als eine Woche bleibt für die fällige Begnadigung durch den scheidenden US-Präsidenten Joe Biden. (jt)

  • 12.01.2025 19:25 Uhr

    Bildstrecke (2): 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz

    Impressionen von der Konferenz in den Wilhelm Studios Berlin
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    Interessiertes Zuhören in vollem Saal
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      Gegen Aufrüstung und Krieg. Mobilisierung zum Protest gegen die sogenannte Sicherheitskonferenz in München
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      Wenn der Imperialismus nur noch Ramsch produziert. Dietmar Dath spricht zu KI unter den Bedingungen der bestehenden Produktionsverhältnisse
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      Linker Markt. Zahlreiche Buchstände auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz
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      Industrial Jazz in der alten Industriehalle: Hannes Zerbe und Band
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      Mutspendendes Grußwort aus Afrika: Der ghanaische Journalist und Sozialist Kwesi Pratt in seiner Videobotschaft
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      Solidarität für Mumia Abu-Jamal
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      Von der Empore sieht man besser. Der Standort der Technik und der Online-Redaktion
  • 12.01.2025 19:24 Uhr

    Stück gegen Krieg und Untertanengeist

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    Wer hat uns verraten? In den Rollen von Clara Zetkin und Rosa Luxemburg zogen Anja Panse und Tochter eine Parallele zum Ersten Weltkrieg ...

    Ein höchst aktuelles Minidrama führten im Anschluss an den spannenden Vortrag von Dietmar Dath Anja Panse und Anna Keil auf: »Clara Z. – kämpfen, wo das Leben ist«. Sie schlüpften in die Rollen von Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, die sich am Vorabend des Ersten Weltkriegs zu einem fiktiven Gespräch treffen, in dem es vor allem um den Opportunismus der Sozialdemokraten angesichts des aufziehenden imperialistischen Massenschlachtens geht. Mit der Ausnahme Karl Liebknechts unterstützte die SPD im Reichstag damals die für die Kriegführung erforderlichen, von der Regierung geforderten Kredite. Ganz ähnlich wie in der gegenwärtigen Situation, in der es wieder darum geht, einen angeblichen »Verteidigungskrieg« gegen Russland zu führen. Doch egal, ob Angriff oder Verteidigung – »alle Kriege müssen aufhören«, so Clara und Rosa einmütig, die zugleich fragen: »Was ist aus der SPD geworden?« Auch geht es in dem kleinen Stück um den deutschen Untertanengeist: »Die Regierung pfeift, und die Abgeordneten tanzen.« Clara und Rosa lassen in dem Dramolett wie in der Realität keinen Zweifel: Solange das Kapital herrscht, werden die Kriege nicht aufhören. (jt)

  • 12.01.2025 19:25 Uhr

    Dietmar Dath: KI ist mehr als Technik, es ist eine Neuformierung der Ausbeutung

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    Alles soll sie können, die Artifical General Intelligence, womit die leidige Arbeit passé sein könnte. Doch dieses aktuelle Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft ist ebenso glaubwürdig wie das Versprechen der Menschenrechte, erinnert der Schriftsteller und Journalist Dietmar Dath in seinem Vortrag. Oder des Weltmarktes, der mittels Angebot und Nachfrage auch nicht den Wohlstand für alle brachte.

    Die KI-Entwicklung lief wie immer im Kapitalismus im Schnelldurchlauf: Von Non-Profit zu Profit. Sie verbindet wie das Internet offenbar Menschen, vereinzelt sie aber vor allem. Es geht um ein Koordinationsmonopol auf das, was wir wissen.

    Schon früh waren bei dieser Entwicklung die US-Demokraten an Bord. Wer das weiß, schaut anders auf eine scheinbare Bromance zwischen Donald Trump und Elon Musk. Zerfall des Geistes im Monopolkapitalismus bedeutet heute auch: Nachwuchssorgen selbst bei den Intelligenzjobs der MINT-Fächer. Wenn du auf der Galeere die guten Jobs streichst, starren die Ruderer nur auf ihre Ketten – oder halt die Smartwatch. Die Lieferkette des Wissens wird zur Befehlskette.

    Wir werden von Programmen imitiert mithilfe von sehr viel Trainingsmasse. Die Aufmerksamkeitsspanne der Maschinen steigt, die der Menschen sinkt, dank ständiger Behelligung mit Push-Meldungen etc. Vor einigen Jahren ging es noch darum, jeden Nischenmarkt zu erschließen, heute geht es nur noch darum, Ramsch loszuwerden. Das ist Teil des offen autoritären Turns des Silicon Valley. Lenin nennt das die Fäulnis des Imperialismus. Weltweite Gewerbefreiheit für die heutigen Monopole ist unvereinbar mit Demokratie, ein Vordenker der Fascho-Technokratie wie Curtis Yarvin sagt das ganz offen. Der Staat soll geführt werden wie ein Unternehmen.

    Wie sorgt man für Massenanhang für so was: Mit Populismus. Dagegen ist kein Kraut des bürgerlichen Humanismus gewachsen.

    KI könnte in einer tatsächlichen »Leistungsgesellschaft« große Chancen bieten, ist Dath überzeugt. Aber das seien Gedankenspiele. Entscheidend sei: Wo sind die Kämpfe, wie laufen die Kämpfe, wie sind die Kräfteverhältnisse? Ohne soziale Kräfte, die aus Einfällen Verhältnisse machen, passiert nichts. Hemmt KI diesen Kampf oder stimuliert sie ihn? Eins bringt die KI: Sie bedeutet eine Verkürzung der Lernwege. KI ist mehr als Technik, es ist eine Neuformierung der Ausbeutung. Dieser Monopolismus frisst Gesellschaft und scheißt Privatinteresse aus. Nur im Kampf gegen die Klasse, die diese Art Ausbeutung organisiert, ist irgendeine Form von Humanismus vorstellbar – diese Botschaft gibt Dath dem Publikum mit. (pm)

  • 12.01.2025 19:24 Uhr

    Jugendpodium gegen Krieg und Sozialabbau

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    Wer glaubt, dass junge Leute unpolitisch und wenig engagiert sind, wurde auf der RLK eines besseren belehrt ...

    Das war eine starke Diskussion, die fünf Vertreter von Jugendorganisationen der Gewerkschaften, der DIDF-Jugend und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) auf der RLK darboten. Sie erzählten von ihrem Kampf gegen sozialen Kahlschlag, Stellenabbau und Krieg, für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. In Berlin wollten Erzieher zum Beispiel einen Erzwingungsstreik durchführen, der aber vom Gericht verboten wurde, wie Jim von der Jungen GEW erzählte. Denn gleichzeitig tagte bundesweit eine Tarifkommission. Der Abbruch sei bedauerlich gewesen, wie Jim rekapituliert. Denn der Erziehungsbereich hätte ruhig einmal komplett zusammenbrechen sollen, um die Bedeutung der Arbeit zum Beispiel in den Kitas allgemein vor Augen zu führen. Auch versicherte Jim: »Streiken macht Spaß.« Er hatte klare Ratschläge an die Gewerkschaftsführungen: Die Forderungen der Gewerkschaft müssten den Mitgliedern und den Streikenden »schmecken«, nicht den Verhandlungsführern. Die Vorstellung, dass die Gewerkschaft ruft, und die Streikenden kommen, sei veraltet. Die Konzerne hätten vor allem eine Stellschraube, an der leicht zu drehen ist, sagte Henrik von der Jugend der IG Metall. Das sei das Personal. Er arbeite bei Bosch, und die Firma wollte Stellen abbauen und Fertigungsstätten ins Ausland verlegen – einzig, um die sogenannte EBIT-Rate zu verbessern, was wichtig ist, um günstig an neue Kredite zu kommen. Hier regiere auch auf betrieblicher Ebene gewissermaßen das »Diktat der schwarzen Null«.

    Beklagt wurde zudem, dass Streikmaßnahmen immer mehr diffamiert werden, zum Beispiel im öffentlichen Personenverkehr. Das gehe so weit, dass sogar über Streikverbote nachgedacht werde, obwohl die Zulässigkeit von Streiks ohnehin geregelt ist. Hinzu komme eine Entpolitisierung der Gewerkschaften, die früher einmal ein bedeutender Teil der Friedensbewegung waren. Wer sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine einsetze, würde auch in der Gewerkschaft häufig als »Putin-Freund« verunglimpft, wer ein Ende des Gazakriegs fordere, als »Antisemit«. Dabei gebe es einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen der gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Krise und den Kriegen. Doch die Militarisierung erfasse mittlerweile die ganze Gesellschaft. Die Teilnehmer waren sich einig: Der Antiimperialismus müsse in die Schulen, an die Universitäten und in die Betriebe getragen werden. Vorbild dabei könnten Italien oder Griechenland sein, wo Gewerkschafter Waffenlieferungen an die Ukraine oder Israel verhinderten. (jt)

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