Beschenken Sie sich in diesem Jahr doch mal selbst und schreiben der Weihnachtsfrau die untenstehenden drei Wünsche auf den Zettel. Vielleicht sind Sie aber auch schon wunschlos glücklich, kennen dafür aber jemanden, der sich über den einen oder anderen der genannten Artikel unterm Weihnachtsbaum freuen würde? Dann erfüllen Sie doch diesen Wunsch! Bitte beachten Sie dabei, dass Ihre Bestellung bis spätestens zum kommenden Mittwoch, den 18. Dezember, bei uns eingetroffen sein muss, damit das Geschenk auch bis zum 24. Dezember bei Ihnen ankommt.
»Der Bandera-Komplex«. Dieses Buch, das auf Grundlage einer internationalen Konferenz von junge Welt und Melodie & Rhythmus mit Faschismusexperten zustande kam, war im Nu ausverkauft. Jetzt liegt die zweite Auflage vor, und auch die wird wohl kaum bis zur Rosa-Luxemburg-Konferenz reichen. Besorgen Sie sich dieses Buch, in das auch Gespräche mit den Referenten sowie jW-Artikel, die im Zeitraum von 2022 bis 2024 zum Bandera-Komplex erschienen sind, aufgenommen wurden. Bestellen können Sie das Buch in Ihrer Buchhandlung oder auf jungewelt-shop.de/Witt-Stahl-Hg-Der-Bandera-Komplex. Preis: 23,90 Euro (hier finden Sie auch noch andere spannende jW-Bücher!)
junge Welt-Abo. Als marxistisch orientierte Tageszeitung beschäftigt sich die jungeWelt mit Fragen, auf die es ankommt: Wer rüstet auf und warum? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Mit einem Abo der jW erhalten Sie Antworten auf Fragen, die andere gar nicht erst stellen. Alle Möglichkeiten des Bezugs finden Sie auf jungewelt.de/abo. Als Geschenk eignet sich besonders ein Aktionsabo. Der oder die Beschenkte erhält entweder 75 Ausgaben der gedruckten jW für 75 Euro oder für drei Monate den Zugang zur aktuellen jW-Ausgabe im Netz und den Zugriff auf unser bis 1997 zurückreichendes Onlinearchiv für nur 18 Euro. Beide Aktionsabos laufen automatisch aus, müssen also nicht abbestellt werden.
RLK-Ticket. Für viele Leserinnen und Leser ist die Rosa-Luxemburg-Konferenz ein fester Termin im Kalender. Auch in diesem Jahr haben wir wieder ein hochkarätiges Programm zusammengestellt. Das Motto der diesjährigen Konferenz lautet: »Das letzte Gefecht – Wie gefährlich ist der Imperialismus im Niedergang?« Das ganze Programm finden Sie auf jungewelt.de/rlk. Darüber hinaus ist die RLK ein Ort, an dem Sie sich mit anderen Aktiven der Friedens- und Arbeiterbewegung bekannt machen und vernetzen können. Bestellen können Sie auf jungewelt-shop.de/tickets. Wenn Sie das Ticket zu Weihnachten verschenken wollen, muss Ihre Bestellung bis zum kommenden Mittwoch, den 18. Dezember, bei uns eingegangen sein. Bestellbar bleibt das Ticket noch bis zum Freitag, den 3. Januar 2025 (damit wir es Ihnen noch rechtzeitig vor der Konferenz zuschicken können). Danach sind nur noch verbindliche Reservierungen möglich – falls die Veranstaltung dann nicht schon ausverkauft ist. Das Normalticket erhalten Sie für 39 Euro, mit dem Soliticket für 59 Euro helfen Sie mit, die Sozialtickets für 24 Euro zu finanzieren.
13.12.2024 19:30 Uhr
RLK 2025: Mit Spenden die junge Welt entlasten
Verlag, Redaktion und Genossenschaft junge Welt
Der Kartenvorverkauf für die 30. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar 2025 läuft ausgesprochen gut. Die Veranstaltung finanziert sich allerdings nur zum Teil über die Eintrittskarten. Neben Standgebühren und den Beiträgen der Unterstützer sind es vor allem Spenden, die darüber entscheiden, wie hoch der fehlende Restbetrag ist. Der wird von Verlag und Genossenschaft der jungen Welt übernommen. Deshalb hilft auch Ihre Spende bei der Finanzierung der Konferenz, entlastet die junge Welt und macht sie auch künftig möglich. Bitte notieren Sie auf Ihrem Überweisungsträger den Spendenzweck »RLK 2025«. Ab einer Spende von 40 Euro erhalten Sie als kleines Dankeschön den Kühlschrankmagneten mit dem aktuellen Konferenzlogo. Um Ihnen diesen zuschicken zu können, geben Sie bitte auch Namen und Adresse an.
06.12.2024 19:30 Uhr
Meinungsfreiheit kostet Geld. Ein Aufruf
Dietmar Koschmieder, Nick Brauns, Michael Sommer für Verlag, Redaktion und Genossenschaft der jungen Welt
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland legt großen Wert auf Pressefreiheit und garantiert jedem, seine Meinung frei äußern und sich aus allgemein zugänglichen Quellen frei informieren zu können. Liest sich gut auf Papier oder im Netz, allerdings sind Anspruch und Realität zwei Paar Stiefel. Denn um Meinungen, Analysen und Fakten tatsächlich wirkungsvoll nach außen vertreten zu können, braucht man ein Medium mit Reichweite. Wenn dort die Inhalte der Bundesregierung allerdings nicht passen, schränkt diese schon mal (wie im Fall junge Welt) die Pressefreiheit massiv ein.
Aber auch das Recht, Inhalte und Meinungen über Veranstaltungen verfügbar zu machen, wird stark beschränkt. Mit der Rosa-Luxemburg-Konferenz erreicht die junge Welt seit nunmehr fast 30 Jahren regelmäßig Tausende Interessierte. Die Durchführung so einer Veranstaltung war noch nie leicht, schon weil der Verfassungsschutz die Konferenz verleumdet und reaktionäre Kräfte versuchen, eine Raumvergabe an die junge Welt zu verhindern. Es kommt aber ein mittlerweile großes Problem hinzu: Für die Durchführung einer Raumveranstaltung mit drei- bis viertausend Teilnehmern muss Kapital in sechsstelliger Höhe zur Verfügung stehen. Ansonsten ist diese Option der Meinungsfreiheit nicht möglich.
Das war nicht immer so. Die Rosa-Luxemburg-Konferenzen fanden in den ersten Jahren an diversen Hochschulen und Universitäten statt. Da ein studentisches Gremium Mitveranstalter und Unterstützer war, konnten die Räumlichkeiten kostenfrei genutzt werden. Diese Option gibt es längst nicht mehr. Studierendenvertretungen wurde das gesamtpolitische Mandat genommen, mittlerweile verlangen auch Hochschulen hohe Nutzungsgebühren. Die junge Welt wurde dann (auch aus Platzgründen) in die Urania und später in das MOA-Konferenzhotel verlegt. Die Raumkosten stiegen von einigen tausend Euro auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Mit Corona explodierten zum einen die Raumkosten, zum anderen trauen sich Einrichtungen, die von öffentlichen Mitteln abhängig sind, immer weniger, politisch exponierten Veranstaltern Räume zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile muss bei der Planung der Konferenz alleine für Raumnutzung und Ausstattung ein sechsstelliger Betrag berechnet werden, auch andere Kostenfaktoren sind explodiert. Benötigten wir zur Finanzierung der ersten Rosa-Luxemburg-Konferenz 1996 deutlich weniger als 5.000 Euro, brauchen wir für die 30. Konferenz 2025 mindestens 300.000 Euro. Ohne die Beiträge von über 30 Unterstützerorganisationen, aber vor allem ohne die Spenden von vielen Leserinnen und Lesern der Tageszeitung junge Welt und vielen Besucherinnen und Besuchern der Konferenz (vor Ort und vor den Bildschirmen) ist so eine Konferenz für uns nicht mehr finanzierbar. Trotzdem bleiben die Eintrittspreise von Verlag und Genossenschaft der jungen Welt bezuschusst, selbst in der Solipreiskategorie.
Der politische Stellenwert dieser Veranstaltung im europäischen Raum hat allerdings in den vergangenen 30 Jahren zugenommen. Die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz ist der Jahresauftakt linker Kräfte. Sie liefert Orientierung und Analyse, führt Menschen aller Altersschichten und unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammen, die Verhältnisse verändern wollen, und macht die Erkenntnis im Wortsinn hautnah erlebbar, dass sie dabei nicht alleine sind. Dass die Tageszeitung junge Welt neben der anstrengenden Arbeit, werktäglich eine gute Zeitung anzubieten, auch die Mühen einer solchen Konferenz auf sich nehmen kann, ist dem Umstand zu danken, dass sie über eine starke Basis von Abonnentinnen und Abonnenten verfügt. Damit aber die Zuschüsse, die der jW-Verlag und seine Genossenschaft auch diesmal zur Verfügung stellen, möglichst niedrig ausfallen, sind wir auf jede Spende angewiesen. Bitte nutzen Sie deshalb den Zahlungsträger, der der heutigen Ausgabe der jW beiliegt, oder überweisen Sie Ihre Spende online!
06.12.2024 19:30 Uhr
»Zionismus killt uns und macht uns zu Killern«
Über Versuche, unterdrückte sozialistische Alternativen in Israel zu retten. Ein Gespräch mit Eran Torbiner
Susann Witt-Stahl
Der Antizionismus zieht sich wie ein roter Faden durch Ihr Filmschaffen und Ihr Archiv der Linken in Israel. Warum?
Die zionistische Linke wie etwa die Meretz-Partei ist in erster Linie nationalistisch. Es gibt rechte und linke Zionisten, aber das sind keine wirklichen Linken. Es gibt nur eine Linke, und die ist sozialistisch. Daher nenne ich mein Projekt auch nicht Archiv der radikalen Linken, sondern Archiv der Linken. Sozialisten waren von Anfang an in Palästina und haben immer für Gleichberechtigung gekämpft und dagegen, dass jemand Privilegien hat, zum Beispiel wegen seiner jüdischen Herkunft. Die Palestine Communist Party existiert seit 1919, Anhänger des 1897 in Wilna entstandenen sozialistischen Bundes kamen bereits Anfang der 1920er Jahre nach Palästina. 1951 gründeten sie die israelische Sektion des Bundes und ihre eigene Zeitung, Lebns-fragn.
Politisch sozialisiert wurden Sie aber in einer linkszionistischen Jugendbewegung.
Ja, in Haschomer Hatzair und Mapam – Vereinigte Arbeiterpartei. Mein Vater nahm mich schon zu 1.-Mai-Kundgebungen mit, als ich noch klein war. Während des ersten Libanon-Krieges 1982 diente er in der Armee, aber wenn er Fronturlaub hatte, ging er mit mir zu den Antikriegsdemos. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich dann selbst Proteste organisiert. Zum Beispiel haben wir mit 20, 30 Jugendlichen Kundgebungen von Meir Kahane, dem Führer der faschistischen Kach-Partei, Vorgänger von Itamar Ben-Gvirs Otzma Jehudit, mit Sprechchören wie »Lo, lo, lo ya’avor, Hafashizem, lo ya’vor« (freie hebräische Übersetzung von »¡No Pasarán!«) gestört.
Hat Ihre Familie eine lange linke Tradition?
Ja. Mein Großvater väterlicherseits war Kommunist, und mein Vater war sozialistischer Zionist und auch schon bei Haschomer Hatzair. Ich bin 1971 in Bat Jam, einer Stadt am Meer südlich von Tel Aviv, geboren. Aber sie hatten ihre Wurzeln in Warschau; dort saß mein Großvater als junger Mann wegen seiner kommunistischen Aktivitäten ein Jahr im Gefängnis. Während des Zweiten Weltkriegs lebte die Familie in der Sowjetunion – dort kam auch mein Vater 1940 auf die Welt – und kehrte später nach Polen zurück. Als dort der Antisemitismus zunahm, wanderte sie 1957 nach Israel aus. Zunächst wählten mein Großvater und mein Vater die Kommunistische Partei, später Mapam. Die Schwester meiner Großmutter und andere ältere Familienmitglieder blieben ihr ganzes Leben lang Kommunisten. Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit mit ihnen verbracht.
Auch zur linkszionistischen Erziehung gehört der Militärdienst.
Meine Freunde rieten mir, zu verweigern. Aber ich meinte damals noch, es wäre besser, wenn auch Leute wie ich, die keine Rassisten und gegen die Okkupation sind, zur Armee gingen – als Gegengewicht zu den verdammten Faschisten. Ich war bei einer Fallschirmjägereinheit der Nahal-Bewegung, die die Arbeit im Kibbuz mit dem Militärdienst verbindet. Ich spreche ein bisschen Arabisch. Eines Tages musste ich zu einem Einsatz in Aqabat Jaber, einem Flüchtlingslager bei Jericho, und sollte übersetzen. Wir klopften morgens um fünf Uhr an die Haustür einer Familie, um den Vater mitzunehmen. Seine Kinder begangen zu weinen, und ich weinte mit ihnen und sagte meinem Offizier: »Es reicht – ich kann das nicht.« Der Kommandeur meines Zugs erklärte mir später im Stützpunkt, ich sei eine Schande für die israelische Armee, und er könne mich ins Gefängnis bringen. Statt dessen wurde ich zum Küchendienst eingeteilt und noch zu Einsätzen in den Libanon, aber nicht mehr in die besetzten Gebiete gegen Zivilisten geschickt. Ich habe später von ähnlichen Fällen gehört. Man wollte das Problem der Verweigerer in der Armee geräuschlos lösen, um zu vermeiden, dass aus einem Refusenik zehn Refuseniks werden.
Wie sind Sie schließlich Antizionist geworden?
Ich habe 1994 ein Politikwissenschaftsstudium mit Schwerpunkt Medien und Dokumentarfilm an der Universität Tel Aviv begonnen und erste Erfahrungen beim israelischen Fernsehen gesammelt – ich wollte Journalist werden. Ich trat in den Studentenverband von Chadasch ein und gründete die Organisation »Studenten für soziale Veränderung«, dort schloss ich auch meine ersten Freundschaften mit Palästinensern. Ich hatte schon früher bei Haschomer Hatzair von der Sozialistischen Organisation in Israel gehört, besser bekannt unter dem Namen ihres Organs Matzpen, dessen erste Ausgabe am 21. November 1962 erschienen war. Ebenso kannte ich aus Presseberichten Udi Adiv, der sich der Untergrundorganisation Rote Front von Maʼawak, einer Abspaltung von Matzpen, angeschlossen hatte, nach Syrien gegangen, 1972 vom israelischen Sicherheitsdienst Schabak (auch bekannt als Schin Bet, jW) verhaftet und zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Als er 1985 vorzeitig freikam, gab es viele Schlagzeilen, wie »Der Verräter ist entlassen worden«. Mir hatten schon Freunde meines älteren Bruders, die sehr radikal waren, vom Antizionismus erzählt. Ich habe damals noch nicht verstanden, wie man Israeli und gleichzeitig gegen den Zionismus sein konnte. Nach israelischem Selbstverständnis ist jeder Zionist ein guter Mensch, der alten Damen über die Straße hilft. Erst als ich für eine Seminararbeit, die ich über Matzpen als leninistische Organisation schreiben wollte, Moshe Machover, Akiva Orr, Haim Hanegbi, Michel Warschawski, Leah Tsemel und andere ihrer Mitglieder traf, verstand ich, was Zionismus wirklich ist: eine Ideologie. Und diese Ideologie hat sich als die größte Katastrophe erwiesen – für die Juden, die Araber, die Israelis, vor allem für die Palästinenser. Zionismus killt uns und macht uns zu Killern. Er hat die jüdischen Israelis dazu gebracht, nur noch an sich selbst zu denken und in einem Getto zu leben.
Das bedeutet auch völlige Abschottung von den Palästinensern.
Die israelische Gesellschaft ist sehr rassistisch. Araber werden immer als bösartig oder als Abschaum und Idioten dargestellt, im Alltag sind sie nur die Leute, die unseren Müll entsorgen und unsere Teller spülen. Ein großes Problem ist, dass weit mehr als 90 Prozent der israelischen Juden kein Arabisch können. Viele israelische Soldaten würden das Massaker im Gazastreifen nicht mitmachen, wenn sie arabische Zeitungen lesen, die Kultur kennen und die Palästinenser als Menschen wahrnehmen würden. Aber sie betrachten die Bewohner des Gazastreifens nur als Terroristen, die angeblich alle am 7. Oktober beteiligt gewesen sind – wenn nicht als Angehörige der Hamas, so zumindest als deren Unterstützer. Das ist absolut verrückt!
Wie kam es dazu, dass Sie Ihren ersten Film über Matzpen gedreht haben?
1997 schrieb ich eine zweite Seminararbeit über die Bündnisse von Matzpen und der sozialistischen Linken in den seit dem 67er Krieg besetzten Gebieten. Matzpen arrangierte Treffen für mich in Ramallah mit dem Mitgründer der Volksfront zur Befreiung Palästinas und Gründer der Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas, Nayef Hawatmeh, und anderen marxistischen Linken. Ich filmte auch die große Konferenz anlässlich des 35. Geburtstags von Matzpen an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Unter den Rednern waren Michael Warschawski, Jamal Zahalka, Vorsitzender der Balad-Partei, moderiert hat Daphna Baram vom Alternative Information Center, einer linken Grassroot-Organisation, die mit dem internationalen Friedenslager vernetzt ist. Erster Redner war Akiva Orr, ein Gründungsmitglied von Matzpen, der Israel 1964 verlassen, danach seinen Wohnsitz in London hatte und 1991 zurückgekehrt war. Er war sehr charismatisch und lebte, was er sagte. Seine Rede hat mich unglaublich bewegt und inspiriert – sie markiert einen Wendepunkt in meinem Leben. Ähnlich erging es mir, als ich im Jahr 2000 Moshe Machover in London traf – einen der letzten Überlebenden eines Israels, wie es sein könnte. Diese Leute haben vielen Menschen die Augen geöffnet, in Israel und auch in anderen Ländern.
Matzpen pflegte Kontakte zur APO in der BRD und zu Linksradikalen in Europa.
Ja. Akiva Orr war in Berlin geboren worden, emigrierte aber 1934 mit seinen Eltern nach Palästina. Er war mit dem Dichter Erich Fried befreundet, der in London sein Nachbar war und ihn mit Rudi Dutschke bekannt machte. 2005 hat er Erich Fried in seinem Buch »Enlightening Disillusionments« ein Kapitel gewidmet. Matzpen konnte zwar in Israel für seine Demonstrationen keine Massen mobilisieren, aber sie waren international sehr gut vernetzt und hatten namhafte Unterstützer wie Jean-Paul Sartre und Tariq Ali. Diese Leute schrieben regelmäßig Protestbriefe, wenn Mitglieder von Matzpen verhaftet wurden. Ehud Sprinzak, ein renommierter Extremismusforscher, den ich interviewt habe und der auch als Berater für den Schabak gearbeitet hat, sagte, dass die Regierung Matzpen als gefährlich betrachtete, weil die Mitglieder der Organisation aus dem Herzen der israelischen Gesellschaft kamen. Dass Sabre (in Israel geborene Juden, jW) wie Moshe Machover, der in der israelischen Armee gedient hatte und Mathematikprofessor an der Hebräischen Universität war, sich gegen den Zionismus aussprachen, löste einen Schock aus.
Wie ist es heute um die antizionistische Linke in Israel bestellt?
Sie ist sehr isoliert und kaum mehr existent. Von den einigen hundert Aktivisten, die es noch gibt, werden vermutlich nicht mehr viele Moshe Machover und Akiva Orr kennen. Sie werden Antizionismus eher allgemein mit sozialistischen Ansichten und Protesten gegen die Besatzung in Verbindung bringen. Ich fürchte, das ist im Ausland kaum anders.
Inwieweit kann sich diese Linke in Israel überhaupt noch frei artikulieren?
Die Polizei und die Öffentlichkeit tolerieren es gar nicht mehr, wenn auf Demonstrationen Palästina-Fahnen geschwenkt oder Slogans gegen das Massaker im Gazastreifen gerufen werden. Nicht nur antizionistische, sondern auch nichtzionistische Linke ernten aggressive Reaktionen und können verhaftet werden, sobald sie nur ein Plakat mit dem Wassermelonensymbol für Palästina hochhalten. Die Situation der palästinensischen Bürger Israels, selbst wenn sie keine Verbindung zur Linken haben, ist noch weitaus schlimmer. Sie können schon für Facebook-Posts im Gefängnis landen, sogar wenn sie nur Mitgefühl mit den Menschen in Gaza zeigen. Palästinensische Politiker und andere Bürger können jederzeit in den Straßen von Städten, wo Juden die Mehrheit bilden, etwa in Beer Scheva oder Tel Aviv, angegriffen werden. Auch der Kulturbetrieb ist von Repression betroffen: Zum Beispiel schloss die Polizei ein Kino, in dem eine Dokumentation über die Nakba in der Stadt Lyd aufgeführt werden sollte, ebenso einen Klub, der einen Film über das Flüchtlingslager Dschenin zeigen wollte.
Von um so größerer Bedeutung ist Ihr zweites Arbeitsfeld, das Archiv der Linken in Israel.
Ich habe es im Juli 2023 gegründet, um Sozialisten zusammenzubringen. Die Freunde von Matzpen, der Kommunistischen Partei, dem Bund etc. Viele Genossen sind schon alt, krank und in Vergessenheit geraten. Aber wir sind eine Gemeinschaft. Wir treffen uns auf Demonstrationen. Es ist eine goldene keyt, wie man auf jiddisch sagt. Das Archiv der Linken soll daran erinnern, dass es immer eine Alternative zum zionistischen Konsens gab, für alle Menschen vom Fluss bis zum Meer. Es soll Linken mit den dort versammelten historischen Fakten eine Waffe in die Hand geben. Was Sozialisten in den 1940ern, den 1960ern und 1970ern geschrieben haben, ist enorm wichtig für die Gegenwart. Sie wussten, wohin der Zionismus, die Nakba, die Besatzung und die Militäroperationen uns alle treiben. Nach dem 7. Oktober habe ich ein 1971 veröffentlichtes »Schwarzbuch Gaza« hochgeladen, über Greueltaten, Morde, Vergewaltigungen, die Israelis an Palästinensern bereits in den späten 60er Jahren begangen hatten – die hässlichsten Dinge, die Menschen einander antun können. Das bedeutet freilich nicht, dass diese Massaker die Massaker vom 7. Oktober rechtfertigen. Es zeigt aber, dass solche Brutalität nicht an die Herkunft gebunden ist. Heute ist die Verwendung des Wortes »Kontext« in Israel tabu, niemand will etwas vom Leben und Sterben der Menschen in Gaza vor dem 7. Oktober hören. Den Kontext zu kennen und zu verstehen, ist aber unabdingbar notwendig, damit so etwas nicht wieder geschehen kann.
Beim Zusammenbruch des Realsozialismus ist eine Menge des historischen Erbes der internationalen Linken verschüttet worden – war das in Israel auch so?
Früher hat die Kommunistische Partei jedes Jahr die Updates ihres Archivs in die UdSSR geschickt, weil sie damit rechnen musste, dass die israelischen Sicherheitsbehörden die Dokumente beschlagnahmen würden. Nach dem Kollaps der UdSSR hat die KP ihr Archiv verloren – es wurde einfach verkauft. Vor einigen Jahren wurde es zurückgegeben, heute ist es in der Nationalbibliothek in Jerusalem und damit unter Kontrolle des zionistischen Staates.
Und wie sind Sie an die zum Teil einzigartigen historischen Dokumente gelangt, die Sie im Archiv der Linken verwahren?
Viele der alten Genossen, mit denen ich gearbeitet habe, gaben mir Bücher, Broschüren und Plakate. Sie fürchteten, dass diese nach ihrem Tod auf dem Müll landen könnten. Eines Tages fand ich mich in meinem Zwei-Zimmer-Apartment mit zehn riesigen Kisten voller historischer Dokumente wieder. Es gibt natürlich noch mehr Material über die antizionistische Bewegung, aber verteilt auf viele Archive, und man bekommt nirgendwo die ganze Geschichte erzählt. Daher beschloss ich, die Webseite Documenting the Left aufzubauen, mit einem bisschen Material aus verschiedenen Jahrzehnten, zum Beispiel von John Bunzl, Felicia Langer etc., als Visitenkarte. Besonders wichtig sind mir die Videos von den Interviews mit Hunderten von Aktivisten, die ich in den vergangenen 27 Jahren gefilmt habe. So können israelische Linke in Tel Aviv oder auch in Berlin und in der ganzen Welt ihre politischen Vorfahren kennenlernen.
Dazu gehören auch die jüdischen Freiwilligen der Internationalen Brigaden im Spanischen Krieg, denen Sie Ihren zweiten Film »Madrid Before Hanita« gewidmet haben.
Die Kämpfer der Internationalen Brigaden in Spanien sind meine Helden. Ihnen war es gelungen, eine Volksfront aufzubauen, wie auch in Frankreich unter der Führung von Léon Blum. Ich gehe auf Demonstrationen und unterzeichne Petitionen etc., aber diese Leute waren bereit, ihr Leben zu opfern. Der letzte der jüdischen Freiwilligen starb 2012, und ich denke immer wieder: Wie konnte man es wagen, ihre Geschichte nicht früher zu erzählen?! Inspiriert wurde ich von Ken Loachs Spielfilm »Land and Freedom« – die zweite Offenbarung in meinem Leben. Nach dem Interview mit dem berühmten Spanien-Kämpfer und Journalisten Kurt Goldstein, das ich in Berlin geführt hatte, fühlte ich, dass ich einen Schatz geborgen hatte. Es war auch ein riesiges Privileg, David Ostrowski, Schmuel Segal und Dora Lewin zu begegnen. Schon bevor sie nach Spanien gingen, wussten sie, dass dort ein gigantisches Gemetzel im Gange war. Viele Kommunisten aus Palästina, die im Juli 1936 zur Volksolympiade – eine Gegenveranstaltung zu Hitlers Olympischen Spielen in Berlin – nach Barcelona gekommen waren, blieben, um gegen die Faschisten zu kämpfen; nicht wenige starben bereits kurz nachdem der Krieg begonnen hatte.
Apropos Faschismus: Heute sind die Kahanisten so mächtig wie nie zuvor in Israel. Wie gefährlich ist das für die Linke?
Dank Netanjahu, der Ben-Gvir zum Minister für Nationale Sicherheit ernannt hat, und der Apathie des Großteils der israelischen Bevölkerung kontrollieren die Kahanisten den Polizeiapparat. Jeder Beamte weiß sehr gut, was er zu tun hat, wenn er eine Karriere anstrebt. Ich bin mir sicher, dass die Polizei längst Listen mit den Namen von Linken hat und handeln wird, sobald sie den richtigen Zeitpunkt gekommen sieht. Außerdem war eine der ersten Maßnahmen, die Ben-Gvir veranlasst hat, die Herausgabe von Zehntausenden Waffenscheinen. Viele dürften an militante Rechte gegangen sein. Sie können jede Sekunde losschlagen.
29.11.2024 19:30 Uhr
junge Welt unbeliebt
Kampf für Aufklärung und Pressefreiheit geht weiter
Verlag, Redaktion und Genossenschaft
Insgesamt 98 neue Abobestellungen für die junge Welt haben unseren Verlag alleine in dieser Woche erreicht (siehe Graphik). Erfreulich viele davon (41) sind unbefristet, die klare Mehrheit der Neuabonnenten (32) hat sich für ein Printabo (und neun für ein Onlineabo) entschieden. Bei den in dieser Woche bestellten befristeten Aktionsabos (57) sieht es genau umgekehrt aus: 38 wollten die digitale Version für 18 Euro, für die gedruckte (75 Ausgaben für 75 Euro) entschieden sich »nur« 19 Leserinnen und Leser. Zunächst aber erst einmal ein herzliches Dankeschön an alle, die uns in dieser und in den vergangenen Wochen geholfen haben, Reichweite und Ökonomie der Tageszeitung junge Welt zu erweitern. Und natürlich Glückwunsch zur Entscheidung, die notwendige tägliche Gegeninformation und Aufklärung zu nutzen – und dafür auch etwas zu bezahlen. Denn damit sich die junge Welt diese journalistische Arbeit leisten kann und damit auch eine möglichst hohe Reichweite erzielt, braucht es dringend zusätzliche bezahlte Abonnements. »Nährboden« nennt das die Bundesregierung nicht ganz zu Unrecht, den sie allerdings der jungen Welt am liebsten entziehen möchte – wegen der dort veröffentlichten Fakten und vertretenen Gesinnung. Jedes jW-Abo ist allerdings ein schlagender Beleg dafür, dass ihr das nicht gelingt. Denn die jW kann man falten – aber nicht knicken!
So unbeliebt wie die junge Welt ist in Berliner Regierungskreisen (egal wie die sich heute oder morgen zusammensetzen) auch die von der jW organisierte Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz. Zeitung wie Konferenz würden Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess nehmen, wird uns tatsächlich vorgehalten. Genau das können wir allerdings nur bestätigen. Wenn sie uns dann aber auch noch zu viel »Reichweite« und »Wirkmächtigkeit« vorwerfen, möchten wir dem energisch widersprechen. Da ist noch gewaltig Luft nach oben! Nicht nur bei den Abonnements, auch bei der Zahl der Konferenzbesucher! Am 11. Januar 2025 werden maximal 3.000 Menschen vor Ort in den Berliner Wilhelm-Studios sein können – wem es bis dahin nicht mehr gelungen sein sollte, eine Eintrittskarte zu ergattern, darf die Konferenz gerne auch kostenlos zu Hause (oder mit Freunden) live vor dem Bildschirm mitverfolgen – gemeinsam mit voraussichtlich weiteren 20.000 Zuschauerinnen und Zuschauern. In diesen Tagen konnten wir den Medienkanal Cubainformación als Streamingpartner gewinnen, der den Konferenzstream in spanischer Sprache weltweit verfügbar machen wird. Auch im kommenden Jahr wird der Kampf gegen Hochrüstung, Krieg und faschistische Tendenzen wie die Kraft der internationalen Solidarität im Mittelpunkt stehen – obschon unlängst ein deutsches Gericht behauptete, wir würden mit der Konferenz in Wirklichkeit aktiv die »Errichtung einer Einparteiendiktatur« vorbereiten, alles andere sei Tarnung. Aber: Wir lassen uns nicht knicken! In diesen Tagen haben wir den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Gesinnungsurteil des Berliner Verwaltungsgerichts beim Oberverwaltungsgericht eingereicht. Wenn die Unterstützung so großartig bleibt wie bisher, kann der Kampf auch dank Ihrer Hilfe weitergehen!
22.11.2024 19:30 Uhr
Gemeinsam handeln!
Wie Leserinnen und Leser für die Rosa-Luxemburg-Konferenz werben
Aktion & Kommunikation
Im Aktionsbüro werden fleißig Aktionspakete gepackt, die bereits mehrere Dutzende aktive Leserinnen und Leser bestellt haben: Mit Programmflyern, Plakaten und Aufklebern soll überall im deutschsprachigen Raum auf die nächste Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar 2025 in Berlin hingewiesen werden. Dort werden dann einige tausend Menschen vor Ort zusammenkommen (bitte rasch Karten bestellen, voraussichtlich wird es an der Tageskasse keine mehr geben!), es sollen aber mindestens weitere 20.000 Menschen über den Livestream vor den Bildschirmen erreicht werden. Und darüber hinaus wollen wir, dass Hunderttausende von dieser mutmachenden Konferenz erfahren, auf der sich Linke aus der ganzen Welt in Berlin treffen.
Dazu werben wir Anfang Dezember und Anfang Januar besonders intensiv vor allem in Berlin, Hamburg und Leipzig, aber auch überregional im ganzen deutschsprachigen Raum über Zeitungsanzeigen, Postings im Internet und durch die Verteilung von Werbematerial. Dabei können Sie, liebe Leserinnen und Leser, mitwirken, den Effekt deutlich zu verstärken, indem Sie das Material, das Sie über unsere Aktionspakete bestellen können, in Ihrer Region in Schulen, Kneipen, Einkaufsstraßen und sonstigen Treffpunkten aufhängen bzw. verteilen. Ob am schwarzen Brett in der Uni, am Anschlag der Gemeinde oder im eigenen Schaufenster, die Plakate sind ein Hingucker und regen zum Denken und Diskutieren an. Flyer und Aufkleber lassen sich gut auch direkt an den Mann oder die Frau bringen, etwa auf dem Weihnachtsmarkt oder auf einer Jahresendfeier. Warum nicht mal bei der Pächterversammlung, dem Sportverein oder der freiwilligen Feuerwehr ein bisschen Politik ins Spiel bringen und über das Programm der nächsten Rosa-Luxemburg-Konferenz reden?
Wenn auch Sie hier aktiv werden wollen: Wir packen gerne viele weitere Pakete in der kommenden Woche! Unter jungewelt.de/rlk-aktionspaket können Sie per Onlineformular eines oder mehrere Pakete ordern. Wenn Sie an der Zusammenstellung etwas ändern wollen oder größere Mengen benötigen, wenden Sie sich direkt an das Aktionsbüro (0 30/53 63 55-10 oder aktionsbuero@jungewelt.de). Die Kosten übernehmen zunächst wir; aber wir haben auch nichts dagegen, wenn Sie sich mit einer Spende daran beteiligen. Bitte bestellen Sie rasch, damit Ihr Material noch rechtzeitig vor dem Zeitraum vom 6. bis 12. Dezember, der ersten Intensivwerbephase, bei Ihnen eintrifft. Es ist übrigens ein schönes Gefühl, zu wissen, dass man nicht alleine ist und mit vielen anderen Menschen zum gleichen Zeitpunkt dabei mitwirkt, die Konferenz und ihre Inhalte bekanntzumachen.
15.11.2024 19:30 Uhr
Die ersten 1.000 Karten sind weg
Rosa-Luxemburg-Konferenz voraussichtlich schon im Dezember ausverkauft
RLK-Kollektiv
Das Programm für die kommende Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar 2025 in Berlin steht weitgehend und kann im Internet eingesehen werden (jungewelt.de/rlk). Probleme gab es in dieser Woche allerdings in der Raumkonzeption für die Veranstaltung, denn eine der beiden großen Hallen, in denen die Konferenz vor allem stattfinden sollte, wurde behördlich nicht rechtzeitig als Veranstaltungsstätte freigegeben. Rasch haben wir allerdings eine Lösung erarbeitet, so dass die Konferenz 2025 wie geplant in den Wilhelmshallen (Berlin-Wilhelmsruh) stattfinden wird. Dort werden zwar mehr Stände beim »Markt der Möglichkeiten« als im Tempodrom im Januar 2024 möglich sein, aber nicht ganz so viele, wie wir zunächst geplant hatten. Deshalb lohnt es sich, einen Stand so früh wie möglich anzumelden. Eine Verbesserung wird es dafür bei der Essensversorgung geben. Diese war bei der letzten Konferenz im Berliner Tempodrom sehr eingeschränkt, hier haben wir in unserer neuen Veranstaltungsstätte mehr Möglichkeiten und interessante Partner. Der gastronomische Bereich spielt als Treffpunkt und Ort zum Verweilen eine wichtige Rolle auf den Konferenzen.
Aufgrund der neuen Raumsituation werden wir allerdings nicht, wie bisher geplant, uneingeschränkt Eintrittskarten verkaufen können. Wir gehen heute davon aus, dass die Konferenz noch im Dezember ausverkauft sein wird, zumal die ersten tausend Karten bereits weg sind. An der Tageskasse wird es dann – wenn überhaupt – nur noch einzelne Restkarten geben. Deshalb empfehlen wir allen Leserinnen und Lesern der jungen Welt, die unsere 30. Konferenz direkt vor Ort erleben wollen, sich rechtzeitig ihre Eintrittskarten zu sichern! Die Werbemaßnahmen für die Konferenz laufen ab Anfang Dezember, empfohlen wird deshalb eine Bestellung im jW-Shop so schnell wie möglich. Und wir bitten (wenn es der Geldbeutel hergibt) um den Kauf der Karte zum Solipreis von 59 Euro, denn die Konferenz wird über 300.000 Euro kosten. Als Dankeschön wird beim Solipreis-Ticket der Kühlschrankmagnet zur Konferenz mitgeschickt.
Wer nicht nach Berlin kommen kann oder will, darf trotzdem an der Konferenz teilnehmen. Wir übertragen die komplette Veranstaltung im Internet, sie kann also auf der Seite jungewelt. de kostenlos live mitverfolgt werden. Schon heute wollen wir anregen, sich dazu Freunde ins Haus einzuladen, oder gar im Waldheim, dem Naturfreundehaus oder dem Kneipennebenzimmer gleich mit dem Verein, der Initiative oder der Parteigruppe selber eine Spielstätte zu kreieren. Wir bitten auch alle, die nicht an der Konferenz vor Ort teilnehmen können, um Spenden zur Finanzierung der Veranstaltung. Ab einer Spendenhöhe von 40 Euro ist der Kühlschrankmagnet inkludiert (wenn man in der Betreffzeile Namen und Adresse angibt).
08.11.2024 19:30 Uhr
Sich der eigenen Stärke vergewissern
Der Westen ist aus den Fugen – die 30. Rosa-Luxemburg-Konferenz findet in turbulenten Zeiten statt
RLK-Kollektiv
Steht wirklich »das letzte Gefecht« ins Haus? Das Motto der nächsten Rosa-Luxemburg-Konferenz (11. Januar 2025, Berlin-Wilhelmsruh) wird durch den Untertitel in Form einer Frage konkretisiert: »Wie gefährlich ist der Imperialismus im Niedergang?« Gewählt wurde dieses Motto vor der US-Präsidentenwahl – und vor dem Scheitern der deutschen Ampelkoalition. Beide Ereignisse, Donald Trump als neuer US-Präsident und Friedrich Merz (absehbar) als nächster deutscher Kanzler, sind nur eine weitere Bestätigung, dass »der Westen« aus den Fugen geraten ist: Kriege, die nicht mehr gewonnen und Krisen, die nicht mehr gelöst werden können.
Umso wichtiger ist es, sich der eigenen Stärke in diesen Zeiten zu vergewissern. Die 30. Rosa-Luxemburg-Konferenz ist ein solcher Anlass. Das größte Treffen der deutschsprachigen Linken bietet neben Kunst und Kultur, Analysen und Einordnungen genau das: gemeinsam mit Tausenden Gleichgesinnten erleben, dass wir nicht alleine stehen.
Wir rufen Sie dazu auf, sich jetzt Tickets zu sichern. Denn die Warteschlangen werden lang, die Tickets sind vermutlich im Laufe des Monats Dezember ausverkauft - auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie vor der Anreise nach Berlin alles geklärt (und gegebenenfalls auch ein Hotelzimmer gebucht) haben. Bestellen Sie daher am besten jetzt Eintrittskarten – oder schauen Sie in unserem Laden in der Torstraße 6 in Berlin vorbei!
Auch unser »Markt der Möglichkeiten«, also die Info- und Verkaufsstände, kann sofort gebucht werden. So sichern Sie sich, Ihrer Initiative, Ihrem Verlag oder Ihrem Verband schon jetzt einen guten Platz. Unsere Kolleginnen und Kollegen beraten Sie gerne und helfen, Ihren Auftritt zu konzipieren.
Wir freuen uns auf Sie – auf der nächsten Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar 2025! Bringen Sie gerne Freunde und Genossen mit und helfen Sie, die Konferenz zu bewerben: am besten mit unseren Aktionspaketen, die ebenfalls bestellt werden können.
08.11.2024 19:30 Uhr
»Wir haben eine Welt zu gewinnen«
Über Formen und Bedeutung von Meuterei in unseren Tagen und die Erfolge der belgischen Partei der Arbeit. Ein Gespräch mit Peter Mertens
Daniel Bratanovic
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Ihr neues Buch heißt »Meuterei«. Warum dieser Titel? Worauf bezieht er sich?
Mein Buch beginnt in Großbritannien mit den Streiks im Gesundheitswesen im Sommer 2023. Ich erzähle da von einer Krankenschwester, die zum ersten Mal in ihrem Leben streikt, und sie erklärt, warum sie das tut. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als die englischen Bergleute Mitte der 80er Jahre gegen Premierministerin Margaret Thatcher streikten. Dieser Arbeitskampf ist in das kollektive Gedächtnis der internationalen Arbeiterbewegung eingegangen, und es hält sich die Wahrnehmung, dass zu jener Zeit die Kampfbereitschaft viel größer gewesen sei als heute. Aber was kaum einer weiß: Im Sommer 2023 gab es in England mehr Streikaktionen als damals. In Frankreich ist es das gleiche. Im Kampf gegen Macrons Rentenreform gab es mehr Streiktage als im legendären Jahr 1968. Die gängige Erzählung lautet, es gebe keine Formen des kollektiven Widerstands mehr. Aber das stimmt nicht. Sie sind derzeit bloß noch nicht politisiert, eher spontan, gewerkschaftlich, auf ökonomische Fragen beschränkt. Deshalb spreche ich von Meuterei: 1768 strichen Seeleute in Sunderland die Segel, um ihren Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen. Die Aktion war eine der ersten großen Arbeitsniederlegungen und wurde damals als Meuterei bezeichnet. Und seit dieser Meuterei, bei der die Seeleute die Segel strichen (»striking the sails«), hat sich im Englischen das Wort »strike« für einen Ausstand etabliert.
Es gibt im Buch allerdings noch eine zweite Begriffsebene für Meuterei.
Ja. Den Buchtitel verdanke ich im Grunde Fiona Hill, einer ehemaligen Mitarbeiterin des Sicherheitsrats im Weißen Haus. Als die UN-Vollversammlung Russland wegen seines Angriffs auf die Ukraine verurteilt und ein Drittel der Staaten die Zustimmung zu dieser Verurteilung verweigert hatte, nannte sie das Meuterei. Und ich dachte mir: Stimmt, auch das ist eine Form von Meuterei. Eine ganze Reihe von Ländern folgt nicht mehr den Maßgaben der Vereinigten Staaten. Und diese Verweigerung der Länder des globalen Südens beschreibt der zweite Teil des Buchs. Es ist eine Meuterei, die sich gewissermaßen am Oberdeck abspielt, also auf der Ebene der Staaten. So hat die vom ANC geführte Regierung Südafrikas vor dem Internationalen Gerichtshof ein Verfahren gegen Israel angestrengt. Das ist von symbolischer Bedeutung, weil Südafrikas ANC diejenige politische Kraft ist, die erfolgreich gegen die Apartheid gekämpft hat. Gleichzeitig kämpft die südafrikanische Stahlarbeitergewerkschaft Numsa gegen denselben ANC wegen dessen Korruption und Privatisierungspolitik. Das ist dann die Meuterei unter Deck. Unten der Klassenkampf, oben der Widerspruch gegen die etablierte Weltordnung.
Meuterei in ihrer ersten Bedeutung wäre demnach nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer Stärkung der Arbeiterbewegung. Wo stehen wir da gegenwärtig? Mir scheint, von einer kampfbereiten Arbeiterbewegung, wie sie in England von Thatcher zerschlagen wurde, sind wir meilenweit entfernt.
Sicher, es gab eine Zeit, in der ohne die Arbeiterbewegung nichts ging, in der sie in einigen Bereichen die Hegemonie besaß. 40 Jahre neoliberaler Kapitalismus waren katastrophal und haben diesen Zustand gründlich geändert. Doch nun befinden wir uns in einer Phase der Wiederaufrichtung, und ich bin guten Mutes. Zwar sind die alten industriellen Strukturen, in denen es eine gut organisierte Arbeiterbewegung gab, verschwunden. Dennoch gibt es in Europa und den USA Ansätze für den Wiederaufbau einer starken klassenbewussten und kämpferischen Gewerkschaftsbewegung. Aber es stimmt schon, von den Zuständen, wie sie noch in den 80er Jahren herrschten, sind wir weit entfernt, da ist noch eine Menge zu tun.
Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite, das ist die zweite Bedeutungsebene, bleibt, Sie haben es bereits angedeutet, ein großer Widerspruch zu konstatieren. Da gibt es Staaten, die eine Änderung der Weltordnung anstreben, die aber mitunter, was ihre Innenpolitik angeht, alles andere als ein fortschrittliches Programm verfolgen und in denen ja auch ein bisweilen scharfer Klassenkampf geführt wird. Müsste man nicht sagen, dass diese Staaten aufstrebende kapitalistische Nationen sind, die also bei gleicher Produktionsweise das Niveau der westlichen Staaten erreichen wollen und dabei mit einer wachsenden Arbeiterklasse im eigenen Land konfrontiert sind?
Das ist ein Prozess, der auf globaler Ebene betrachtet werden muss. In Brasilien beispielsweise wirft Präsident Lula die Frage auf, wem die natürlichen Ressourcen gehören sollen, zu welchem Zweck sie ausgebeutet werden. Sollen sie US-amerikanischen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden oder sollten die jeweiligen Nationen die Kontrolle behalten? Das ist eine sehr relevante Frage. Die Bewegung der blockfreien Staaten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war wesentlich politischer, als es BRICS heute ist. Politisch ging es um Unabhängigkeit, aber ökonomisch bestand eine nahezu vollständige Abhängigkeit von den imperialistischen Staaten und vom Dollar. Heute verhält sich die Sache umgekehrt. BRICS hat keine eigentlich politische Agenda und ist viel heterogener zusammengesetzt, aber die ökonomische Macht ist viel größer als damals, vor allem wegen Chinas wirtschaftlicher Bedeutung. Die BRICS-Staaten suchen eine Alternative zum Dollar, zur Weltbank etc. Das ist fortschrittlich, ohne dass BRICS per se ein fortschrittliches Bündnis wäre. Es bietet aber die Chance für eine Kooperation der Staaten des globalen Südens. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, der Umstand, dass ein Land vom Zahlungsverkehr abgeschnitten werden sollte, zeigte die Notwendigkeit an, alternative Zahlungssysteme zu etablieren. Das ist ein fortschrittlicher Vorgang. Aber kein Grund, naiv zu sein. Natürlich herrscht etwa in Brasilien oder in Südafrika kapitalistische Produktionsweise. Es gibt eine Neigung zum binären Denken: Wer ist der Gute, wer ist der Böse? Ich denke, die Welt ist komplizierter.
Es gibt ein ausgesprochen häufig anzutreffendes Bedürfnis nach einfachen Antworten, das Denken in Widersprüchen fällt schwer.
Ja, aber um im Bild zu bleiben: Wir haben es mit einer doppelten Meuterei zu tun.
Ein anderer, wiederkehrender Aspekt in Ihrem Buch ist die Kritik an der gigantischen Konzentration in verschiedenen ökonomischen Branchen, bei der Lebensmittelproduktion, in der Ölindustrie, im Bankensektor. Klar wird, es geht um die Eigentumsfrage. Wer viel besitzt, bestimmt. Ist das ein Plädoyer für eine neue Eigentumsordnung?
Im Bereich der Lebensmittelproduktion gibt es die übermächtigen ABCDs: ADM (Archer, Daniels, Midland), Bunge, Cargell, Dreyfus. Ein Gigant wie Cargill kontrolliert alle Stufen der Herstellung – von den Samen bis hin zu den fertigen Produkten im Supermarkt. Und in Zeiten der Inflation werden auf diesem Wege Superprofite generiert. Das ist alles andere als ein demokratischer Vorgang. Diese Monopole bestimmen, was wir essen, sie zerstören die Vielfalt des Saatguts. Ich schätze, es wird früher oder später eine Debatte darüber geben, wie wir die Monopole zerschlagen und eine Demokratisierung der Produktion erreichen können. Das gleiche gilt natürlich auch für die Ölindustrie und den Bankensektor. Oder nehmen wir den Energiebereich. Da wurde der Ukraine-Krieg dazu instrumentalisiert, die Preise für Strom und Heizung drastisch anzuheben. Und im belgischen Parlament stellt sich ein Abgeordneter der Liberalen, die den privaten Energiemonopolen alle Macht gegeben haben, hin und sagt, die Leute sollten Schals tragen. Ich habe nach ihm gesprochen und gesagt, das tun die Leute bereits, aber wir haben das generelle Problem zu lösen, dass diese Unternehmen einen permanenten Raubzug führen. Eine Bewegung wie die der Gelbwesten in Frankreich hat indes gezeigt, dass viele Menschen so etwas nicht mehr länger hinnehmen wollen. Auch dieser Protest war recht eigentlich nicht politisch, ging noch nicht aufs Ganze, aber auch er war eine Art Meuterei. Ich vermute, wir werden weitere vergleichbare Formen solchen Protests erleben.
Welche Perspektiven ergeben sich daraus?
Als ich in Südafrika war, um mein Buch vorzustellen, sprachen mich die Leute an und klopften mir aufmunternd auf die Schulter. »Du kommst aus Europa? Mit all dem Rechtsextremismus?« Das waren Menschen, die vor politischer Verfolgung in Bolsonaros Brasilien, Modis Indien oder Saieds Tunesien geflohen waren. Ich habe ihnen geantwortet, dass nicht die extreme Rechte das wichtigste Problem in Europa sei, sondern das mangelnde Selbstbewusstsein der Linken. Wir haben eine Welt zu gewinnen, und es ist an uns, sie zu gewinnen. Ich habe genug von all den Treffen, auf denen die Stärke der extremen Rechten verhandelt wird. Das ist deprimierend. Die Menschen müssen ermutigt werden, sie sollen wieder stolz sein können, Arbeiter zu sein und einer klassenorientierten Gewerkschaft anzugehören. Das ist etwas, was wir mit unserer Partei in Belgien versuchen.
Ihre Partei, die PVDA-PTB, ist gemessen am Zustand der Linken, sagen wir in Deutschland, ziemlich erfolgreich. Sie würden also sagen, die Partei ist drauf und dran, ihre Ziele zu erreichen?
Nein, das wäre eine vorschnelle Einschätzung. Wir dürfen nicht aufhören zu lernen und entsprechende Schlüsse zu ziehen. Auch in Belgien gibt es selbstverständlich noch viel zu tun. 2003 haben wir mit dem Neuaufbau unserer Partei begonnen, und wir wussten von Anfang an, dass wir unsere Ziele bei den folgenden Wahlen nicht erreicht haben würden. Eine Partei der Arbeiterklasse aufzubauen, eine Partei, die wirklich in deren Kultur und an deren Arbeitsstätten verankert ist, das braucht Zeit. Wir sind von Tür zu Tür gegangen, um mit den Leuten zu sprechen, und inzwischen, nach 20 Jahren, haben wir etliche starke Grundeinheiten. Wir haben uns damals drei Ziele gesetzt: Politisierung, Organisierung und Mobilisierung. So haben wir uns in die Lage versetzt, von kleineren Aktionen zu immer größeren überzugehen. Über unsere Vorgehensweise herrscht innerhalb der Partei große Einigkeit, es gibt keine Fraktionskämpfe. Dabei ist unsere Praxis nicht beliebig, wir stehen auf dem Boden fester Prinzipien. Wir sind eine marxistische Partei, die für den Sozialismus kämpft, das weiß jeder. Wir diskutieren sehr gründlich über die jeweilige Taktik angesichts wandelnder Situation, also über Flexibilität. Und je prinzipienfester eine Partei ist, desto flexibler kann sie agieren. Flexibilität ohne Grundsätze ist nichts, das macht dich zur Marionette.
Welche politischen Themen sind der Partei momentan die wichtigsten?
Nach den Parlamentswahlen im Juni stehen wir vor der Bildung einer neuen Regierung. Und zu erwarten steht eine sehr weit rechts stehende Regierung, die sich vor allem zusammensetzen wird aus dem Mouvement Réformateur, der größten liberalen Partei, die radikal neoliberale Positionen vertritt, und der Nieuw-Vlaamse Alliantie, die zwar keine faschistische Partei ist, aber sehr, sehr weit rechts steht. Diese Regierung wird einen Angriff auf die Löhne, auf die Renten und auf das Streikrecht führen. Dagegen planen wir eine Kampagne. Hinzu kommt, dass wir fortlaufend Proteste gegen den Völkermord in Gaza organisieren.
Belgien ist im Grunde genommen geteilt zwischen der Wallonie im Süden und Flandern im Norden. Gibt es Unterschiede in der politischen Schwerpunktsetzung in den beiden Regionen? Ist die PVDA-PTB dort unterschiedlich einflussreich?
Brüssel als dritte Region kommt noch hinzu. Und ja, die politische Situation ist durchaus unterschiedlich. Im Süden gibt es eine viel stärkere sozialistische und gewerkschaftliche Tradition. In der Wallonie bestand lange eine sozialdemokratische Hegemonie, die wahrscheinlich noch immer existiert. Der Norden dagegen steht politisch viel weiter rechts. Im Süden werden die Faschisten nicht toleriert, bekommen keinen Platz in den Medien. Im Norden ganz anders. Da werden die Faschisten von Vlaams Belang in jede Fernsehsendung eingeladen, sie sind dort völlig normalisiert. Umgekehrt wird im Norden versucht, uns mit antikommunistischen Kampagnen zu marginalisieren. Unabhängig davon besteht aber im ganzen Land in den zentralen politischen und sozialen Angelegenheiten – Renten, Löhne, Wohnungsfrage – eine einheitliche Situation. Die sozialökonomischen Probleme haben einen Klassenhintergrund, keinen regionalen oder sprachlichen. Wir sind die einzige Partei, die landesweit agiert, und so haben wir die Möglichkeit, in ganz Belgien eine einheitliche Kampagne zu fahren.
Wo ist die Partei stärker, im Norden oder im Süden?
Organisatorisch im Norden, nach Wählerzuspruch im Süden. Aber bei den vergangenen Wahlen haben wir in Antwerpen 20 Prozent der Wählerstimmen erobert und wurden damit zweitstärkste Kraft in dieser ökonomisch wichtigsten Stadt. In Brüssel haben wir 20 Prozent erreicht, in Liège und Charleroi jeweils etwa 18 Prozent. In Antwerpen hat man im Vorfeld versucht, uns als islamisch-kommunistische Pro-Taliban-Front darzustellen. Auf ganzen vier Seiten in der wichtigsten Lokalzeitung wurde vor uns gewarnt. Für uns war das, der Wahlausgang beweist es, gar nicht so schlecht.
In welchem Verhältnis steht die Partei zu den Gewerkschaften?
Wir haben sehr viele Mitglieder, die zugleich Mitglieder der Gewerkschaft sind. Und nach meiner Einschätzung gibt es sehr viele Gewerkschafter an der Basis, die mit uns sympathisieren. Auf der Funktionärsebene sieht das schon anders aus. In manchen Sektoren besteht eine gute Zusammenarbeit, aber es gibt auch Widerstand dagegen, denn die sozialdemokratische Kontrolle des Funktionärsapparats ist noch immer ungebrochen. Warten wir ab, was passiert, wenn die neue Regierung im Amt ist. Es könnte nämlich sein, dass die flämische Sozialdemokratie Teil der Regierung wird, nicht aber die wallonische. Es wäre das erste Mal, dass nur eine der beiden sozialdemokratischen Parteien in die Regierung eintritt. Und dann wird es auf gewerkschaftlicher Ebene spannend. Ein Teil muss die Regierungspolitik verteidigen, der andere wird sie kritisieren. Da ergeben sich für uns ganz neue Möglichkeiten.
01.11.2024 19:30 Uhr
Gegen Kriegstüchtigkeit
Auf der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz stehen Chancen und Gefahren durch den Niedergang des Imperialismus im Mittelpunkt
Nick Brauns
Der Turm wirkt fragil und bedrohlich zugleich. Eine Erschütterung kann ihn zum Einsturz bringen. Doch droht er dann alles unter sich zu begraben. Ein Bauwerk aus Jenga-Klötzen schmückt die Plakate zur 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK), die am Sonnabend, dem 11. Januar 2025, in den Wilhelm-Studios in Berlin-Wilhelmsruh stattfinden wird.
Die von der Tageszeitung junge Welt veranstaltete Konferenz steht diesmal unter dem Titel: »Das letzte Gefecht – Wie gefährlich ist der Imperialismus im Niedergang?« Das erinnert an die Zeilen »Auf zum letzten Gefecht! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht« aus dem weltbekannten Kampflied, das Eugène Pottier nach Niederschlagung der Pariser Kommune von 1871 verfasste. Die darin beschworene Revolution des Proletariats ist aufgrund der Schwäche der kommunistischen und sozialistischen Linken hierzulande nicht absehbar. Doch werden wir Zeugen des Aufstiegs des globalen Südens mit der Volksrepublik China an der Spitze und der Herausbildung einer multipolaren Weltordnung. Es ist ein Prozess, der zuerst Chancen zum Abschütteln neokolonialer Fesseln und einseitiger Abhängigkeiten bietet, darüber hinaus aber als Türöffner für weitergehende, auch sozialistische Entwicklungen wirken kann. Dass diese Entwicklung keineswegs ohne Widerstände und unblutig abläuft, verdeutlichen die Kriege in der Ukraine und Nahost mit all ihrem Eskalationspotential. In der irrigen Hoffnung, den Verlust seiner Hegemonie gewaltsam aufhalten zu können, rüstet der US-geführte imperialistische Block zum letzten Gefecht. Ein dritter Weltkrieg aber könnte zum letzten der Menschheit werden.
Diese Überlegungen bilden den Rahmen für das Programm der kommenden RLK. Was der Verlust westlicher Hegemonie und Unipolarität für die Länder Afrikas, aber auch für den Nahostkonflikt bedeutet, wird Kwesi Pratt, Generalsekretär des Socialist Movement of Ghana, aufzeigen. Nicht zuletzt durch die geplante Stationierung von gegen Russland gerichteten US-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik wird Europa zur Zielscheibe eines drohenden großen Krieges. Damit befasst sich die frühere sozialistische EU-Abgeordnete Clare Daly, die sich als kämpferische Antiimperialistin weit über ihre irische Heimat hinaus einen Namen gemacht hat. Über die Risiken künstlicher Intelligenz (KI), aber auch ihr Potential für den Aufbau einer anderen, rational geplanten Gesellschaft wird der Schriftsteller und Journalist Dietmar Dath sprechen. Um ihre Macht und Privilegien fürchtend, setzten die Herrschenden in vielen Ländern auf die faschistische Karte und rüsten zum Krieg. Diese Entwicklung wird der aus der Türkei stammende Sozialwissenschaftler Sinan Birdal analysieren. Wie eine linke Antwort in Form einer europäischen Friedensordnung aussehen könnte, wird Peter Mertens, Abgeordneter und Präsident der marxistisch orientierten Partei der Arbeit aus Belgien, aufzeigen. Aus dem Gefängnis in Pennsylvania soll es wieder ein Grußwort des Bürgerrechtsaktivisten Mumia Abu-Jamal geben. Mit einer internationalistischen Manifestation gegen die mörderische Blockade soll Solidarität mit dem sozialistischen Kuba gezeigt werden, das seit über 60 Jahren allen Drangsalierungen des US-Imperialismus trotzt.
Den Abschluss der RLK bildet eine Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Parteien, Gewerkschaften und antimilitaristischen Initiativen zur Frage: »Kriegstüchtig? Nie wieder! Wie stoppen wir die Hochrüstung in Deutschland?«
01.11.2024 19:30 Uhr
Warnhinweis vom Bundesamt für Verfassungsschutz in Zusammenarbeit mit dem Berliner Verwaltungsgericht: Vorsicht! Hier wird revolutionäre Kraft getankt!
Die junge Welt betreibt mit der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz aktiv Propaganda für die Errichtung einer Einparteiendiktatur! Zwar nehmen tatsächlich Personen verschiedenster politischer Standpunkte an der Konferenz teil, die zudem viele andere Themen besprechen, dies dient aber nur der interessanten und unauffälligen Einbettung der oben genannten Inhalte. In Wirklichkeit geht es darum, Widerstand gegen den Kriegskurs der Regierung zu schüren. Dafür könne man auf der Konferenz »revolutionäre Kraft tanken«, wie es die jW in einem Werbeartikel zugibt. Wofür man die sonst noch brauchen kann, hat der damalige jW-Chefredakteur Arnold Schölzel ganz offen in seiner Zeitung formuliert: »Ändere die Welt, sie braucht es!«
Deshalb sind wir regelrecht verpflichtet, Sie vor solchen Umtrieben zu warnen! Abonnieren Sie die junge Welt nicht, und besuchen Sie keinesfalls diese Konferenz! Lassen Sie sich nicht einreden, dass es eine bessere Welt geben könnte! Mit jedem Abo, mit jeder Spende, mit jeder gekauften Eintrittskarte tränken Sie den Nährboden für solche Umtriebe! Und glauben Sie ja nicht, es sei weniger gefährlich, die Konferenz per Videostream brav von zu Hause aus zu verfolgen, denn auch auf diesem Weg will die junge Welt in Wirklichkeit nur eines: Reichweite für ihre Inhalte schaffen! Welche das nach unserer Meinung sind, haben wir ja nun für Sie offengelegt! Wer anderes behauptet, ist offensichtlich selbst Verfassungsfeind!
(zusammengestellt aus Aussagen im aktuellen Verfahren der Tageszeitung junge Welt gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung von Presse- und Meinungsfreiheit der jW durch den Inlandsgeheimdienst, jW)
01.11.2024 19:30 Uhr
30. Ausgabe der Rosa-Luxemburg-Konferenz
Mit Kartenkauf und Spenden die Durchführung des größten Symposiums der deutschsprachigen Linken sichern
Der Verkauf der Eintrittskarten für die 30. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz 2025 hat begonnen. Die ersten Informationen zum Inhalt und geladenen Gästen finden Sie auf Seite drei dieser Ausgabe und im Internet unter jungewelt.de/rlk. Mit diesem Überblick über das Programm haben Sie schon einen wichtigen Grund, weshalb sich auch für Sie die Teilnahme lohnt. Halten Sie aber Augen und Ohren offen, wie sich das Programm weiterentwickelt.
Die Preise der Ticketsmussten wir in diesem Jahr erneut anheben. Wobei wir auch hier mit Augenmaß vorgegangen sind und nicht versucht haben, alle Kosten auf diese Einnahmequelle umzulegen. Wir meinen, dass 39 Euro für ein Ticket für eine ganztägige Veranstaltung immer noch erschwinglich sind. Glücklicherweise sind die Leserinnen und Leser der Tageszeitung junge Welt solidarische Menschen; viele zahlen den Solipreis von 59 Euro – und helfen so denjenigen, die sich nicht den vollen Preis leisten können. Aber selbst diese Karte ist vom Verlag subventioniert. In diesem Jahr legen wir den teuersten Tickets einen Magneten mit aktuellem Konferenzlogo bei, der in seiner fünften Auflage eine Art Sammelcharakter entfaltet hat. Wem es jedoch am Geld fehlt, der kann sich hoffentlich das günstigste Ticket für 24 Euro leisten. Auch hier mussten wir den Preis anheben, aber wir verlangen – wie auch beim ermäßigten Zeitungsabo – keinen Nachweis über das Einkommen.
Wir empfehlen, zügig Nägel mit Köpfen zu machen! Noch lassen sich bei Anreise und Unterkunft Schnäppchen machen, erfahrungsgemäß wird beides teurer, je länger man wartet. Beachten Sie bitte dabei, dass die Wilhelm-Studios im Norden von Berlin liegen, die Stadtteile Reinickendorf, Wedding oder Pankow bieten sich wahrscheinlich am ehesten für ein Zimmer an. Die Anbindung an den Berliner Nahverkehr ist allerdings hervorragend, auch von anderswo kommt man leicht nach Wilhelmsruh.
Wie schon erwähnt, decken die Einnahmen durch die Eintrittspreise bei weitem nicht die Gesamtkosten der Konferenz. In den vergangenen Jahren konnten wir einen weiteren großen Teil der Kosten durch Spenden auffangen. Dafür noch einmal herzlichen Dank an dieser Stelle! Im Grunde hilft jeder Betrag. Ab einer Spende von 40 Euro schicken wir einen Konferenzmagneten zu, wenn uns im Verwendungszweck Name und Adresse übermittelt werden. Auch die Zuschauer des Livestreams, die nicht anreisen können oder wollen, bitten wir um eine ordentliche Spende – als Ersatzticket quasi. Wir freuen uns, Sie am 11. Januar vor Ort oder vor den Bildschirmen begrüßen zu dürfen und über jede Unterstützung, die Ihnen möglich ist.
01.10.2024 19:30 Uhr
Das letzte Gefecht – Wie gefährlich ist der Imperialismus im Niedergang?
Einladung zur 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am Sonnabend, 11. Januar 2025 in Berlin. Kartenvorverkauf startet
Seit die Tageszeitung junge Welt in der Verlag 8. Mai GmbH erscheint, veranstaltet sie Jahr für Jahr die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin. Dabei soll über den deutschen und europäischen Tellerrand hinausgeblickt, und es sollen Erfahrungen und Erkenntnisse von Gästen aus aller Welt vorgestellt werden. Sie ist mittlerweile mit mehreren tausend Teilnehmenden das größte, regelmäßig stattfindende Symposium im deutschsprachigen Raum und erfreut sich weiterhin wachsender Beliebtheit. Die 30. Konferenz findet am Sonnabend, dem 11. Januar 2025, in den Wilhelm-Studios in Berlin-Wilhelmsruh statt. Der Kartenvorverkauf startet heute.
Noch ist das Programm nicht vollständig. Klar ist jedoch, dass die kommende Konferenz sich mit der wachsenden Kriegsgefahr beschäftigen, zentrale Ursachen analysieren, aber auch Widerstand und Alternativen dazu präsentieren wird. Dazu referieren unter anderen die irische Politikerin Clare Daly über die Funktion Europas als Zielscheibe im nächsten großen Krieg oder Peter Mertens, Generalsekretär der belgischen Partei der Arbeit, PTB/PvdA, darüber, weshalb eine europäische Friedensordnung die Alternative dazu wäre. Über weitere Referate wird in den nächsten Tagen in dieser Zeitung berichtet.
Die Konferenz endet mit einer Podiumsdiskussion. »Kriegstüchtig? Nie wieder! Wie stoppen wir die Hochrüstung in Deutschland?« Hierzu sind Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Parteien und Bewegungen eingeladen, auch um Stand und Perspektiven der Entwicklung einer Friedensbewegung in Deutschland einzuschätzen.
Wie in jedem Jahr wird das Kulturprogramm in das Hauptprogramm integriert. Beiträge liefern unter anderem der Songwriter Ezé Wendtoin aus Burkina Faso und der deutsch-französische Musiker Mal Élevé. Begrüßen können wir auch den Filmemacher Eran Torbiner aus Israel. Der Jazzmusiker Hannes Zerbe wird mit einem 18köpfigen Ensemble Impulse setzen, die vom sowjetischen futuristischen Manifest bis zu Hanns-Eisler-Kompositionen reichen.
Für die kommende Veranstaltung kann aufgrund eines verbesserten Raumangebotes der Markt der Möglichkeiten für Stände mit linker Kultur, Politik und Bewegung wieder deutlich größer ausfallen als auf der letzten Konferenz. Anmeldungen hierfür sind ab sofort möglich.
Die Konferenz wird veranstaltet von der Tageszeitung junge Welt und über 30 Unterstützerorganisationen (weitere können sich gerne noch melden). Die Kosten für eine solche Art von Veranstaltung sind mittlerweile so hoch, dass trotz nicht billiger Eintrittskarten die Kosten kaum zu decken sind. Jeder kann sich die Preisklasse für den Einlass selbst aussuchen (Normalpreis 39 Euro, Sozialpreis 24 Euro, Solipreis 59 Euro), es versteht sich aber von selbst, dass es darauf ankommt, möglichst viele Karten zum Solipreis (mit dem die Sozialpreiskarten subventioniert werden) zu verkaufen. Nur so besteht eine Chance, dass bei Gesamtkosten von deutlich über 300.000 Euro die Verluste für den Veranstalter erträglich bleiben.