Gegründet 1947 Montag, 4. November 2024, Nr. 257
Die junge Welt wird von 2974 GenossInnen herausgegeben

Die Brandstifter

Krise, Repression, staatlich gestützter Terror – es reicht. Die Themen der Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar
Von Arnold Schölzel
Der Staat hat sich zur Kenntlichkeit verändert: Transparent auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2012
Am 12. Februar 1989 wurde der Belfaster Anwalt Pat Finucane vor den Augen seiner Familie von der probritischen Terrororganisation Ulster Defence Association (UDA) vor den Augen seiner Familie erschossen. Fast 24 Jahre danach lag in der vergangenen Woche ein offizieller Untersuchungsbericht dazu vor, der ergab: Drei Angehörige der britischen Armee und der früheren nordirischen Polizei waren an dem Verbrechen direkt beteiligt, staatliche Stellen hatten in großem Umfang die darauffolgende Verschleierung betrieben (siehe jW vom 18. Dezember). Angeblich wußte kein Politiker von der Unterstützung, die der britische Inlandsgeheimdienst der UDA mit Personal und Waffen leistete. Die Witwe Finucanes kommentierte den Bericht daher mit den Worten, es handele sich um eine »Reinwaschung« der Regierung. In großen deutschen Medien wurde in den letzten Tagen über den Fall nichts berichtet.

Seiten einer Medaille

Unter dem Titel »Spitzel oder Anstifter?« erinnerte Andreas Förster in der Wochenzeitung Freitag vom 13. Dezember daran, daß die Abteilung Staatsschutz im Bundeskriminalamt (BKA) am 3. Februar 1997 ein Positionspapier als Grundlage für Diskussionen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz verfaßte über die, wie es dort heißt, »in den letzten Jahren zunehmende Divergenz zwischen Verfassungsschutzoperationen und exekutiven Maßnahmen«. Ausdrücklich habe das BKA vor einem »Brandstiftereffekt« gewarnt, durch den »Quellen sich gegenseitig zu größeren Aktionen anstacheln.« Es sei somit fraglich, ob bestimmte Aktionen ohne diese Einflußnahme »überhaupt in der späteren Form stattgefunden hätten!«

Das ist freundlich, aber klar formuliert: Das BKA sah im Inlandsgeheimdienst einen Urheber von Neonaziaktionen, vermutlich auch von Gewalttaten. Förster weitet die These noch aus und nennt Beispiele für den Verdacht, daß V-Leute des Verfassungsschutzes an der Entstehung fester Strukturen in der Naziszene beteiligt waren.

Ebenfalls in der vergangenen Woche verurteilte der Europäische Menschengerichtshof in Strasbourg im Fall des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri den Staat Mazedonien wegen Folter durch die CIA, die ihn von Skopje nach Afghanistan verschleppt hatte, zu einer Entschädigung. Zu dem Programm der »außerordentlichen Überstellungen« des US-Geheimdienstes, der seine Folter- und Mordtransporte auch über die Bundesrepublik abwickelte, findet hierzulande keine juristische Verfolgung statt. Eine politische Untersuchung ist unter einer Kanzlerin, die 2003 als damalige Oppositionsführerin vehement für eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg der USA und Großbritanniens eintrat, kaum zu erwarten. Brandstifter sind ungeeignete Partner für Feuerwehren.

Die Fälle besagen: Die Verflechtung von Staat und Terror, die Anwendung von Kidnapping, Folter und deren amtliche Verschleierung sind fester Bestandteil der Ausübung staatlicher Gewalt nicht nur hierzulande. Das hat Tradition: Erinnert sei an die »Stay-Behind-Gruppen« von NATO-Staaten, die für die »Strategie der Spannungen« in den 70er und 80er Jahren innenpolitisch gegen linke Aktivisten und Politiker eingesetzt wurden und u. a. für Bombenattentate mit über hundert Toten verantwortlich waren. Heute: Auch nach mehreren völkerrechtswidrigen Kriegen der »westlichen Wertegemeinschaft« verurteilt der Internationale Strafgerichtshof in zehn Jahren seiner Existenz ausschließlich Afrikaner, nicht einen westlichen Politiker

Deren Kriege haben ihre Staaten zur Kenntlichkeit verändert. Militaristische Außenpolitik, neokolonialistische Interventionen in Permanenz und Einsatz von gewaltbereiten Hilfstruppen im Innern sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Maxime »Der Feind steht links« für Medien, Politik und Justiz ergibt sich konsequent aus dieser Sachlage. Die künstliche Hysterie um die Teilnahme der damaligen Linke-Vorsitzenden Gesine Lötzsch und den Beitrag von Inge Viett auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar 2011 sind dafür einer von vielen Belegen. Wenn in gut 20 Jahren mutmaßlich fast 200 Menschen von Neofaschisten umgebracht werden, kommt die Vokabel »Terror« nicht vor. Autos, deren Abfackeln umstandslos Linken in die Schuhe geschoben wird, führen zu einem inflationären Gebrauch der Vokabel.

Widerstand international

Am 12. Januar wird sich die abschließende Podiumsdiskussion auf der XVIII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz damit befassen, welche Schlußfolgerungen sich für Demokraten, für linke Politik aus einer Lage ergeben, in der präventive Aufstandsbekämpfung, Abbau der parlamentarischen Demokratie und ein Generalangriff auf soziale Regelungen das Feld beherrschen.

Der aktuelle Hintergrund dieser Situation aus der Perspektive anderer Länder wird Gegenstand der Referate sein, die der Debatte an diesem Tag vorausgehen. Die im Sommer 2007 ausgelöste Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich durch viele Länder der Welt gefressen, bringt stetig neue Rekorde an Armut, Arbeitslosigkeit und physischem Elend bis hin zum Hunger hervor. Es geht vor allem aber darum, gegen das Abrutschen in die Barbarei Widerstand zu entwickeln. Er ist in der Bundesrepublik schwach, weltweit findet er in unterschiedlichsten Formen und zum Teil in beachtlicher Stärke statt. Von den Streiks der Schüler und Studenten in Chile über den Kampf gegen den Gefängnis-Industrie-Komplex der USA, die antikapitalistischen Bewegungen in den Bankzentren bis zu den Anstrengungen Kubas um die Bewahrung der Revolution. Darüber wird am 12. Januar 2013 zu sprechen sein: »Wer hat Angst vor wem?«

Abonnieren Sie den Konferenz-Newsletter