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Im Auftrag der Klasse

Beitrag zur Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Konferenz am Samstag in Berlin: Der Feind steht links, weil der Staat kein Neutrum ist
Von Patrik Köbele
Demonstration in Berlin ein Jahr nach dem offiziellen Bekanntwerden der neofaschistischen Terrorgruppe NSU (4. November 2012)
»Der Feind steht links!« lautet das Motto der Podiumsdiskussion auf der von jW veranstalteten Rosa-Luxemburg-Konferenz am Samstag in Berlin. Dort soll über die Verstrickungen von Polizei, Geheimdiensten und dem neofaschistischen Terrornetzwerk »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) diskutiert werden. Die Konsequenz des Staates besteht in einer Zentralisierung von Geheimdiensten und Polizei – ausdrücklich auch gegen »Linksextremismus«. Wohin entwickelt sich der bundesdeutsche Staat? Was bedeuten diese Vorgänge für die politische Linke? Podiumsteilnehmer Patrik Köbele ist stellvertretender Vorsitzender der DKP. Bereits erschienen sind in junge Welt Beiträg der Mitdiskutanten Bodo Ramelow (9. Januar), Gabriele Heinecke (8. Januar) und Susann Witt-Stahl (21. Dezember).

Die Rolle des Staates, der Staatsorgane ist keineswegs die eines Neutrums. Alle Illusionen sind hier schädlich. Der Skandal des Umgangs von Polizei und Geheimdiensten mit der neofaschistischen Terrororganisation »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) steht in einer historischen Kontinuität. Sie beginnt für die BRD mit dem Rückgriff auf Faschisten beim Aufbau der staatlichen Repressionsorgane und der Bundeswehr. Deren Blutspur setzt sich fort über den Umgang mit faschistischen Organisationen und deren Gewalttaten. Ein oftmals auch bei Linken vergessenes Beispiel stellt hier die Vertuschungspolitik zum Beispiel des Attentats auf das Münchner Oktoberfest 1980 oder bezüglich der reaktionärfaschistischen NATO-Geheimtruppe »Gladio« dar.

Permanenter Widerspruch

Diese historische Kontinuität ergibt sich nicht aus dem »falschen« Handeln einzelner Personen, sie ergibt sich aus der Klassenlage, gerade weil der bürgerliche Staat eine Form der Herrschaftsausübung des Kapitals, eine Form des Kapitalismus darstellt und die Faschisten und ihre Ideologie eine Form der Stabilisierung dieser Machtverhältnisse sind. Das gilt auch in bürgerlich-demokratischen Phasen, in denen sie zur Spaltung, als Druckmittel und als »ultima ratio« dienen, wenn die Stabilität der Herrschaftsverhältnisse gefährdet sein sollte.

Trotzdem stellt der bürgerliche Staat einen permanenten Widerspruch dar. Einerseits hat er seinen Klassenauftrag, und andererseits versucht er zu vermitteln, daß er quasi »neutral« über diesem Auftrag steht. Und es gibt Institutionen und Personen, die für diesen Spagat stehen, manche meinen es sogar ehrlich und handeln entsprechend. Deshalb ist es gut und wichtig, an diesem Widerspruch anzusetzen.

Es ist deshalb richtig, Forderungen nach staatlichen Aktivitäten gegen Neonazis und ihre Strukturen zu erheben. Es ist notwendig, darum zu kämpfen, daß dieser Staat die von ihm abgetrotzte Aktivität gegen »rechts« nicht für die Repression gegen alles fortschrittliche, gegen Linke nutzt. Es ist gut, daß es dafür unter Linken, aber durchaus bis ins bürgerliche Lager, einen großen Vorrat an Gemeinsamkeiten gibt. Dieser muß so breit wie eben möglich für das gemeinsame Handeln genutzt werden. Vor allem in einer Zeit, in der die Militarisierung Deutschlands und die Angriffe auf die demokratischen Rechte eher darauf hindeuten, daß sich die Herrschenden auf Phasen einstellen, in denen sie sich autoritärerer Formen der Herrschaftsausübung bedienen werden.

Strategische Debatte

Weil aber Illusionen schaden, muß das gemeinsame Handeln um eine strategische Debatte ergänzt werden. Dazu ein paar Gedanken: Der Kampf gegen Neonazismus ist notwendig. Er muß sich gegen alle Bestandteile richten mit denen Neonazis versuchen, sich und ihre Ideologie zu verankern. Das reicht vom Kampf um ein NPD-Verbot, über den Kampf gegen den Rassismus, der mittlerweile auch tief im bürgerlichen Lager verankert ist, bis zum Kampf gegen die soziale Demagogie der Neonazis. Das verlangt zu verdeutlichen, daß Nazis niemals die Interessen der Ausgebeuteten und Ausgegrenzten vertreten können, da sie immer auf Spaltung setzen (heute in Deutsche und Migranten, früher in Arier und Juden) und immer die Ausbeutungsverhältnisse vernebeln (»schaffendes und raffendes Kapital«, »internationales und nationales Kapital«).

Wer vom Faschismus redet, darf über den Kapitalismus nicht schweigen. Diese Aussage kann nicht die Anforderung an den Grundkonsens antifaschistischer Bündnisse darstellen, ist aber unverzichtbare inhaltliche Grundlage für die Arbeit linker Kräfte. Hier sei ein kleiner Einschub erlaubt: Natürlich steht auch der sozialistische Staat nicht neutral über den Dingen. Aus meiner Sicht ist es deshalb ein Armutszeugnis, wenn von Teilen der Linkkräfte in den Tenor der Verurteilung des »verordneten Antifaschismus« der DDR eingestimmt wird. Dieser war viel mehr eine große historische Errungenschaft. Dies anzuerkennen ist eine Voraussetzung für eine Debatte, ob seine Umsetzung immer fehlerfrei war.

Keine Illusionen in die bürgerliche Demokratie zu haben darf dabei keineswegs ihre Geringschätzung bedeuten. Die bürgerliche Demokratie ist sicherlich die Form der Herrschaftsausübung des Kapitalismus, die die größten Spielräume (auch) für linke Politik bietet, sie ist deshalb gegen alle Formen des Demokratieabbaus, gegen alle Tendenzen der autoritäreren Machtausübung, gegen die permanente Tendenz, auf dem rechten Auge blind zu sein, zu verteidigen. Falsch wäre aber auch, zu übersehen, daß die gesamte Geschichte der BRD, des Grundgesetzes der BRD und des Umgangs mit faschistischen Kräften von der Grundtendenz (kurze gegenläufige Phasen stellen hier die Ausnahme von der Regel dar) eher für den Abbau von Fortschritt, Demokratie und Antifaschismus stehen. Dies wurde dramatisch verstärkt, als sich das internationale Kräfteverhältnis durch die Konterrevolution in den sozialistischen Staaten Europas massiv verschlechterte.

Eine besondere Form des ideologischen Klassenkampfes der Herrschenden, die massiv die Fragen der Arbeit von Linkskräften tangiert, stellt dabei die sogenannte »Extremismustheorie« dar. Sie dient dazu, ausgehend von einer suggerierten Neutralität den Schlag gegen links zu führen. Sie dient dazu, selbst dann, wenn dem bürgerlichen Staat zum Beispiel durch antifaschistische Aktivitäten ein gewisses Handeln gegen rechts abgetrotzt wird, dies sofort in eine Waffe gegen die Linkskräfte umzuwandeln. Sie widerspricht damit grundsätzlich einem wirklichen Antifaschismus. Hier dürfen die Linkskräfte, die antifaschistische Bewegung keinerlei Zugeständnisse machen. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für die Gegenwart, sondern auch im Rückblick auf die Geschichte. Jeder Versuch der Gleichsetzung von Hitler und Stalin – um es vereinfacht an Personen festzumachen –, jede Relativierung der Leistungen der Sowjetunion bei der Befreiung vom Faschismus, dient nicht nur der Stabilisierung des Antikommunismus, sondern soll auch den Antifaschismus und die Linkskräfte sturmreif schießen.

Internationalismus

Die Veränderung des internationalen Kräfteverhältnis im Gefolge der Konterrevolution in den europäischen sozialistischen Staaten ließ auch zu, daß sich der deutsche Imperialismus seiner Beschränkungen hinsichtlich des militärischen Eingreifens entledigte. Ausgerechnet der SPD-Mann Peter Struck sprach die neue Leitlinie des deutschen Imperialismus aus: »Deutschlands Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt.« Ausgerechnet der Grüne Joseph Fischer steht für die Instrumentalisierung von antifaschistischem Bewußtsein für die Wiedereröffnung der militärischen Option für den deutschen Imperialismus: Mit der Maxime »Ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen« hatte er die deutsche Beteiligung am NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999 legitimiert. Die Schwäche der Gegenbewegung gegen die zunehmende militärische Präsenz des deutschen Imperialismus im globalen Maßstab ist ein Beleg für einen zunehmenden Militarismus. Die Schläge nach links richten sich heute stark gegen Kräfte, die die Militarisierung der Gesellschaft angreifen. Der Kampf gegen Kriegspolitik muß dringend intensiviert werden. Seine Unterschätzung kann für die Linkskräfte überlebensbedrohend sein.

Ein Nährboden für Militarismus und faschistisches Gedankengut stellt der mangelnde Internationalismus dar. Er äußert sich aktuell in solchen Stammtischparolen wie, »wir zahlen für die Griechen und Portugiesen«. Eine Ursache dieses Mangels stellt das innerhalb der Arbeiterbewegung weit verbreitete Standortdenken dar. Neben der Debatte über Antifaschismus und Antimilitarismus, die dringend einer Intensivierung vor allem auch innerhalb der Gewerkschaften bedarf, braucht es ein Zurückdrängen dieses Standortdenkens auf allen Ebenen – im Betrieb, in der Branche, national und international. Dies erfordert auch, daß eine konsequente Politik der Vertretung der Interessen der Arbeiterklasse eine Reduktion auf Teile der Arbeiterklasse (Stammbelegschaften) ausschließt und auch die Teile umfassen muß, die ganz oder teilweise ausgegrenzt sind.

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