»Ihr Antimilitarismus ist aktueller denn je«
Interview: Markus BernhardtAm 15. Januar jährt sich die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch reaktionäre Freikorps zum 102. Mal. Welche Bedeutung haben die beiden Arbeiterführer und Kommunisten für die Linke heute?
Ihr Antimilitarismus ist aktueller denn je. Liebknechts Werk »Militarismus und Antimilitarismus« ist gerade heute allen Linken zu empfehlen. Auch die ökonomischen und demokratietheoretischen Ideen von Rosa Luxemburg mit ihren Forderungen nach basisdemokratischen Räten sind richtungsweisend. Deshalb sind die alljährlichen Luxemburg-Liebknecht-Ehrungen wie am kommenden Sonntag auch heute ein wichtiges Zeichen linker Politik.
Was kann man vor dem Hintergrund zunehmender Klimakrisen und Umweltzerstörung von den beiden lernen?
Luxemburg hat den Zusammenhang von Naturzerstörung und Kapitalismus aufgezeigt. Kapitalistische Profitmaximierung führt immer zur Ausbeutung von Mensch und Natur. Diese doppelte Ausbeutung wollte Luxemburg überwinden. Ihre Forderung nach Vergesellschaftung der Produktionsmittel zeigt einen Weg aus der kapitalistischen Verwertungskrise. Aufgabe von Linken heute ist, diesen Zusammenhang im Rahmen aktueller Diskussionen wie Klimakrise, Agrarpolitik oder über die notwendige Umgestaltung der Ökonomie aufzuzeigen.
Umweltschutz und nachhaltiges ökologisches Wirtschaften wurde in der kommunistisch geprägten Linken jedoch stets bestenfalls stiefmütterlich behandelt. Wie erklären Sie sich das?
Umweltschutz und Ökologie wurden in der kommunistisch wie auch der sozialdemokratisch geprägten Linken vernachlässigt. Dies ist um so erstaunlicher, als Marx und Engels jede Lebenstätigkeit des Menschen und jede Produktion als prozessuale Einheit von Mensch und Natur gesehen haben. Ihr Ziel war es, die Entfremdung des Menschen von der Arbeit und der Natur zu überwinden. Innerhalb des sozialdemokratischen und kommunistischen Parteimarxismus wurde die Produktivkraftentwicklung häufig automatisch mit gesellschaftlichem Fortschritt gleichgesetzt. Dies ist in dieser Einfachheit falsch, wie wir spätestens seit der Entwicklung der Waffenproduktion oder der Atomenergie wissen.
Vergessen werden darf auch nicht, dass der Marxismus in Europa durch Ferdinand Lassalle und Karl Kautsky populär dargestellt wurde. Beide haben jedoch die ökologischen Analysen von Marx ignoriert. Dies hat Marx mit seiner Kritik am Gothaer Programm auch sehr deutlich formuliert, als er schrieb, dass »die Natur ebensosehr die Quelle der Gebrauchswerte« sei. Leider ist es Teilen der Linken erst spät gelungen, mit der Forderung nach Einheit von sozialer und ökologischer Kritik des Kapitalismus Gehör zu finden.
Also müssen soziale und ökologische Fragen miteinander verbunden werden?
Kurz und bündig: ja. Linke, die soziale, ökologische und friedenspolitische Fragen nicht als Einheit verstehen, haben linke Theorie nur verkürzt verstanden. Umweltpolitik darf nicht als Politik für den Mittelstand formuliert, sondern muss als Grundlage für eine ökologische und soziale Umgestaltung der Gesellschaft, gemeinsam mit Gewerkschaften, Arbeitnehmern und Sozialverbänden umgesetzt werden.
Vor allem Bündnis 90/Die Grünen werden gemeinhin mit Umwelt- und Klimaschutz in Verbindung gebracht. Zu Recht?
Dass die Grünen noch immer als die Klimaschutzpartei wahrgenommen werden, hat auch mit der politischen Linken zu tun. Sie schafft es nicht, ein linkes und ökologisches Reformprogramm zu popularisieren, das Umweltpolitik mit Umverteilung von Reichtum und sozialer Gerechtigkeit verbindet. Gleichzeitig haben spätestens der Dannenröder Wald in Hessen oder die Verkehrspolitik des Grünen-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg deutlich gezeigt, dass sobald die Partei an der Regierung ist, sie Umwelt- und Klimaschutz häufig als zweitrangig ansieht.
Uwe Hiksch ist Mitglied im Bundesvorstand der Naturfreunde Deutschland
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