»Kriege passieren nicht, Kriege werden gemacht«
Interview: Kristian StemmlerDas Motto der Rosa-Luxemburg-Konferenz am 8. Januar in Berlin lautet »Hände weg von Russland und China!«. Für wie real halten Sie die Gefahr eines großen Krieges?
Die Militärmanöver an der Westgrenze Russlands und im Südchinesischen Meer sind eine ›heiße‹ Provokation, die jederzeit eskalieren kann. Denn Kriege passieren nicht, Kriege werden gemacht. Kriegstaumel fällt nicht vom Himmel, sondern wird vorbereitet. Krieg beginnt also hier: In Deutschland werden Waffen produziert und für den Kriegseinsatz exportiert. Für den Kriegseinsatz wird außerdem analog und in Social Media die Werbetrommel gerührt. Wir Organisationen und Einzelpersonen, die das Bündnis gegen die NATO-Kriegskonferenz bilden, sind uns einig, dass der Kurs, den die Bundesregierung gegen Russland und die Volksrepublik China mitträgt, brandgefährlich ist und beendet werden muss. Doch nicht nur NATO-Papiere, auch der neue Ampelkoalitionsvertrag gehen diese Marschrichtung.
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Kurs des von den USA angeführten Kriegsbündnisses NATO?
Die USA sind als wirtschaftlich und militärisch stärkstes NATO-Mitglied weiterhin Taktgeber für den Konfrontationskurs. Das neue NATO-2030-Papier haben jedoch US-amerikanische und deutsche Strategen gemeinsam geschrieben. Die Bundesregierung möchte innerhalb von NATO und EU einen größeren Spielraum bekommen. Das sehen wir auch am aktuellen Gebaren der Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock.
Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen haben sich immer wieder mit Hetze gegen Russland und China hervorgetan. Meinen Sie, dass Baerbock und ihre Partei bei diesem Thema lernfähig sind?
Ich bezweifle, dass Frau Baerbock diesbezüglich lernfähig ist. Ihre bisherige Politik besteht nicht aus Fehltritten, sondern aus einer engen Verbindung mit der Politik Washingtons. Demgegenüber finden sich in der SPD, die den Kanzler stellt, nicht unbedingt mehr Vernünftige, aber mehr Freunde einer Achse Paris–Berlin–Moskau und eines Dialogs mit dem chinesischen Handelspartner. Dieser Interessenkonflikt könnte die Hetze bremsen.
Auf der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz treffen sich vom 18. bis 20. Februar erneut Staats- und Regierungschefs mit Spitzenmilitärs und Vertretern der Rüstungsindustrie. Was steht dieses Jahr im Fokus der Konferenz?
Die Themen, die vor der Öffentlichkeit diskutiert werden, werden erst wenige Tage vorher bekannt. Wir können davon ausgehen, dass die Konferenz wieder als Bühne für die außenpolitischen Ambitionen der bundesdeutschen Außenpolitik genutzt wird. Das heißt auch, dass die Veranstalter der »Siko« sicherlich prüfen werden, ob ihre schriftlich formulierten Erwartungen an die neue Regierung erfüllt werden. Außerdem wird es eine Art Stelldichein für den außenpolitischen Berater der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel, Christoph Heusgen, geben, der ab 2022 die Konferenz leiten wird.
Ihr Bündnis ruft zur Demo am 19. Februar 2022 auf. Für welche Forderungen gehen Sie auf die Straße?
Wie schon im letzten Jahr sagen wir auch jetzt: Es kann und darf keinen Lockdown für die Friedensbewegung geben. Wir rufen dazu auf, nach München zu kommen, um dort gemeinsam deutlich zu zeigen, dass wir für Abrüstung statt Aufrüstung sind, dass unsere Solidarität den Geflüchteten gilt und kein Mensch illegal ist. Wir fordern: Kein Werben fürs Sterben, sondern Bildung statt Bomben und mehr zivile Ausbildungsplätze statt Bundeswehr auf Ausbildungsmessen.
Angesichts der wachsenden Kriegsgefahr schmerzt die Schwäche der Friedensbewegung besonders. Wie kann sie sich besser Gehör verschaffen und besser vernetzen?
Leider habe ich hierfür kein Rezept. Ich denke, mit Rosa Luxemburg, dass es wichtig ist, zu sagen, was ist. Wir sollten also bei allen Unterschieden das gemeinsame Anliegen der Friedensbewegung auf die Straße bringen: Wir wollen laute Opposition sein zum Kriegskurs der Bundesregierung.
Andrea Stein gehört dem Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz an
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