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»Rüstung sichert keine Arbeitsplätze«

Das Thema Konversion muss endlich auf die Tagesordnung. Ein Gespräch mit Horst Schmitthenner
Von Jan Greve
Ostermarsch in Saarbrücken (20.4.2019)

Als langjähriges Mitglied im Vorstand der IG Metall kennen Sie sich bestens mit deutscher Gewerkschaftsarbeit aus. Bei der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 8. Januar werden Sie auf dem Abschlusspodium die Frage diskutieren, »wie wir den nächsten großen Krieg verhindern«. Warum ist Friedenspolitik für Gewerkschafter ein wichtiges Thema?

Politisch gesehen bin ich Teil der linken Strömung in der IG Metall. Für Linke ist es eine Selbstverständlichkeit, sich nicht nur um einen begrenzten Arbeitsbereich wie etwa Sozialpolitik zu kümmern, sondern dies immer im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen System im ganzen zu sehen. In der Bundesrepublik müssen wir uns also mit dem Kapitalismus beschäftigen. Der beruht nicht auf Frieden, sondern ist durch Aggressionen gekennzeichnet – vor allem dann, wenn das für den Kapitalismus grundlegende Wachstum ausbleibt und damit der Niedergang der Ordnung droht.

Sie beobachten die Entwicklung der hiesigen Friedensbewegung seit vielen Jahren. Wird sie den beschriebenen Herausforderungen gerecht?

Die Antwort darauf ist eine widersprüchliche. Wir sind als Friedensbewegung zu leise. Viele Menschen haben mit anderen Problemen zu kämpfen, ein Mitlaufen etwa beim Ostermarsch erscheint für sie weniger wichtig. Allerdings gibt es auch gute Initiativen. In Frankfurt am Main haben wir einen Arbeitskreis, bei dem unter der Überschrift »Frieden schaffen ohne Waffen« viele verschiedene Gruppen zusammenkommen.

So schlecht ist die Lage aus Ihrer Sicht also nicht?

Ja, auch wenn das längst nicht genug ist. Ich bin in dieser Frage kein Pessimist. Damit die Friedensbewegung wieder lauter und in der Öffentlichkeit wahrnehmbarer wird, müssen sich auch die Gewerkschaften wieder mehr engagieren.

Die Coronapandemie erschwert die Bedingungen für viele soziale Bewegungen. Im Gegensatz dazu macht die Rüstungsindustrie auch hierzulande weiter Milliardenumsätze. In der Debatte um einen Exportstopp von Rüstungsgütern wird von einigen das Argument des drohenden Arbeitsplatzverlustes für Beschäftigte ins Feld geführt, um dadurch restriktive Regelungen zu verhindern. Überzeugt Sie das?

Überhaupt nicht. Es gibt unterschiedliche Schätzungen darüber, wie viele Beschäftigten in der Rüstungsindustrie arbeiten. Wenn Sie von 10.000 Menschen ausgehen, liegen Sie da schon am oberen Ende. Es ist vollkommen klar, dass es für diese 10.000 in einem Land mit Millionen Beschäftigten andere Jobs geben wird. Was fehlt, ist der politische und ökonomische Wille, hier Lösungen zu finden. Unbestritten ist, dass die meisten in der Rüstungsindustrie gute Arbeitsplätze mit anständiger Bezahlung haben. Sie müssen nicht gleich Militaristen sein, nur weil sie nicht von sich aus nach neuen Jobs verlangen. Hier braucht es anpackende Gewerkschafter etwa aus der IG Metall, die das Thema Konversion (Umstellung der Produktion von Rüstungsgütern auf zivile Produkte, jW) auf die Tagesordnung setzen.

In einer kapitalistisch produzierenden Gesellschaft haben Beschäftigte allen Grund zur Annahme, künftig weniger gut bezahlte Arbeitsplätze zu finden.

In der IG Metall gibt es seit Jahren eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema, in der auch Betriebsräte aus den Rüstungsunternehmen vertreten sind. Aus den dort geführten Diskussionen weiß ich, dass die meisten Beschäftigten keine Militaristen sind, die von Konversion nichts hören wollen. Die Konzepte, wie dieser Prozess gelingen kann, liegen vor. Im Vorstand der IG Metall gibt es die klare Position, dass mit Rüstung keine Arbeitsplätze gesichert werden. Dieses Geschäft ist abhängig von politischen Entscheidungen.

Das Argument des Arbeitsplatzverlustes spielt auch eine große Rolle bei der Frage, wie künftig klimaneutrales Wirtschaften gelingen soll. Das betrifft insbesondere auch die Branchen, deren Beschäftigte von der IG Metall vertreten werden. Ist die Gewerkschaft derzeit willens und fähig, solche Transformation genannten Prozesse sozial verträglich zu gestalten?

Ich bin optimistisch. Die IG Metall hat die Forderung nach einem »Transformationskurzarbeitergeld« erhoben. Daran zeigt sich, dass man sich über die anstehenden Umbrüche etwa in der Metall- und Elektroindustrie im klaren ist. Letztlich gibt es ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder du machst die Augen zu und wartest, bis es kracht, oder du stellst dich gut auf und bereitest dich etwa auf Prozesse wie den der Konversion vor. Das macht die IG Metall. Jede Veränderung muss mit sozialstaatlichen Regelungen und der Absicherung der Beschäftigten verbunden sein.

Das beschreibt das Aufgabenfeld der neuen Bundesregierung. Was erwarten Sie von der Ampelkoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP?

Bei der Bildung der Regierung konnten wir sehen, wie schnell die SPD einknickt, wenn sich die verhältnismäßig kleinere FDP querstellt. Ein Beispiel dafür ist die Frage der Arbeitszeitregelung. Die Ampel hat sich darauf verständigt, künftig mit dem Achtstundentag experimentieren und bestehende Regelungen flexibler gestalten zu wollen.

Flexibler heißt in dem Zusammenhang, dass Beschäftigte mehr als acht Stunden am Tag arbeiten sollen.

So ist es. Das heißt, dass die bislang bestehende, sehr sinnvolle Grenze aufgehoben wird. Im Koalitionsvertrag heißt es, man wolle eine »begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen«. Von »Experimentierräumen« ist da die Rede. Am Ende wird es wohl heißen: Experiment geglückt, mehr Flexibilität ist geboten. Dahingehend erhoffe ich mir von der neuen Bundesregierung wenig. Wichtig bleibt, dass wir über deren Vorhaben aufklären und da Druck machen, wo es nötig ist. Wir müssen auf die Straße gehen, demonstrieren und eine Politik in unserem Sinne einfordern.

Horst Schmitthenner ist Gewerkschafter und saß von 1989 bis 2003 im Vorstand der IG Metall.

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