Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
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Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025

Abschied vom Antimilitarismus?

Über die Schwierigkeiten des Zeitungsmachens in Kriegszeiten
Von Dietmar Koschmieder

In Europa ist Krieg, und Deutschland ist Kriegspartei. Auch deshalb hat dieses Land 2023 so viele Waffen produziert und exportiert wie nie zuvor seit 1945. Und deshalb will der deutsche Kriegsminister, dass nicht nur die Bundeswehr, sondern ganz Deutschland wieder kriegstüchtig werde und sich das Land weiter für Rüstungsexporte öffne. Der dafür benötigte Bewusstseinswandel brauche Zeit, sei aber schon im Gange. Denn die Menschen merken, dass Krieg sei in Europa, erklärt der beliebte Sozialdemokrat den Fernsehzuschauern (»Tagesschau«, 12.11.2023). Was er nicht sagt: Viel mehr Geld für Kanonen und Kriegsfähigkeit bedeutet auch viel weniger Geld für Butter und Soziales. Und der beschleunigte Abbau demokratischer Rechte: Der gewünschte Bewusstseinswandel wird nur dann erfolgreich herbeigeführt werden können, wenn antimilitaristische Vorstellungen systematisch aus den wichtigsten Medien ferngehalten werden und Widerstand gegen Kriegstreiberei, ja schon die Entlarvung der damit verbundenen Desinformation unter Generalverdacht stehen. Schwierige Zeiten für eine Tageszeitung wie die junge Welt, die seit ihrer Gründung konsequent dafür eintritt, dass von deutschem Boden keine Kriege ausgehen.

Wo bleibt die Aufklärung?

Gerade in solchen Zeiten, in denen aufklärende Medien (und das müssen nicht nur linke sein) dringend benötigt werden, wird die Pressevielfalt systematisch demontiert. Kritischer bürgerlicher Journalismus findet wegen immer schlechterer personeller Ausstattung in den Redaktionen und durch die Verengung des genehmen Meinungskorridors kaum mehr statt. Linke Medien nehmen Abstand von einer klaren Antikriegshaltung, ehemals solidarische internationalistische Haltung wird immer mehr auf europäische oder nationale Befindlichkeiten reduziert. Damit machen sie sich überflüssig. Auf den dadurch bedingten Verfall ihrer verkauften Auflage (und die damit verbundenen Mindereinnahmen) reagieren sie mit der Notlösung, die gedruckte tägliche Ausgabe perspektivisch abzuschaffen (beschleunigt wird diese Haltung durch die enormen Kostenentwicklungen bei Druck und Vertrieb der Printausgaben). Das wird besonders deutlich, wenn man sich anschaut, wie sich der Verkauf von gedruckten Zeitungen in den letzten zehn Jahren von Montag bis Freitag bei der Taz und beim ND entwickelt haben: Der Kioskverkauf ist um etwa zwei Drittel eingebrochen (mit dem Ergebnis, dass das ND von Montag bis Freitag mittlerweile nicht mehr am Kiosk erhältlich ist). Der Verkauf von Printvollabos hat sich im selben Zeitraum bei beiden Zeitungen etwa halbiert. Die Taz konnte zwar im Vergleichszeitraum ihre Onlineabos verdreifachen, bleibt aber im Gesamtverkauf trotzdem etwa ein Viertel unter dem Wert von vor zehn Jahren (in diesem Vergleich bleiben die Samstagsverkäufe unberücksichtigt).

Friedenspropaganda verboten

Dieser Verfall ist aber nicht nur durch die Inhalte bedingt, sondern auch durch das von den Verlagen seit Jahren vernachlässigte Printsegment mit der klaren Orientierung, dieses überflüssig zu machen. Dass es auch anders geht, beweist die junge Welt. Der Einzelverkauf konnte im Vergleichszeitraum stabilgehalten werden (von der jW werden bundesweit mittlerweile deutlich mehr Exemplare am Kiosk gekauft als von der Taz), der Print­abobestand leicht entwickelt und der Onlineabobestand um 50 Prozent gesteigert werden.

Diese positive Entwicklung ist zwar noch nicht ausreichend, und trotzdem ruft sie den Inlandsgeheimdienst auf den Plan: Die junge Welt sei das einflussreichste und auflagenstärkste Medium im konsequent linken Bereich, sei wirkmächtig, und deshalb müsse ihr der Nährboden entzogen werden, argumentiert der Verfassungsschutz. Wie aber kann sich die junge Welt auf dem komplizierten Markt der Tageszeitungen halten, wenn man sie als Wettbewerber ausgrenzt? Wenn man sie, gerade weil sie eine andere Position einnimmt, mit Werbeverboten belegt (erinnert sei an das Verbot eines jW-Werbespots mit der Begründung, es handele sich dabei um Friedenspropaganda)? Wenn man sie zwingt, viel zuviel Zeit und Ressourcen in aufwendige Prozesse zu stecken, statt auch diese für das Bekanntmachen der Zeitung zu nutzen?

Journalismus kostet

Hinzu kommt: Auch die junge Welt ist von den allgemeinen Branchenentwicklungen betroffen: Allein für Transport und Zustellung der gedruckten Zeitung muss der Verlag 2024 mehr als 130.000 Euro zusätzlich aufwenden. Unsere Überlebensstrategie bleibt das Einfache, das schwer zu machen ist: Wir ringen weiter darum, dass die junge Welt in digitaler wie gedruckter Form erhältlich und bezahlbar bleibt. Wir kämpfen weiter darum, dass das journalistische Angebot dieser Zeitung bekannter wird und immer mehr Menschen bereit sind, sich an den enormen Kosten mit einem Abonnement zu beteiligen. Das ist auch der Preis dafür, dass diese Zeitung nicht von Konzernen, Parteien oder Kirchen finanziert wird.

Das kann funktionieren, denn die junge Welt hat eine singuläre Stellung auf dem Medienmarkt, auch das stellt der Verfassungsschutz fest (und liegt wenigstens da mal richtig). Denn ihre Inhalte werden in der Form und mit diesem Blickwinkel nirgends sonst zur Verfügung gestellt: Die konsequente Haltung gegen Krieg, gegen den Abbau demokratischer und sozialer Rechte, der Blick über den deutschen und europäischen Tellerrand hinaus für internationale Solidarität machen diese Zeitung für jeden, der sie kennen- und schätzen gelernt hat, unverzichtbar. Aber um diese Zeitung auch weiterhin machen zu können, muss ihre materielle Basis im kommenden Jahr deutlich gestärkt werden. Neben Spenden und Anteilen für die jW-Genossenschaft sind Print- und Onlineabonnements die wichtigste Grundlage für eine stabile Perspektive.

Kollektive Leistung

Aber nur, wer das journalistische Angebot der jW kennt und schätzt, ist zu einem entsprechenden Engagement bereit. Deshalb bleibt unser wichtigstes Ziel für das Jahr 2024, über möglichst viele Probeabos, vor allem aber über möglichst viele Print- und Onlineabos Wirkmächtigkeit und Reichweite der Zeitung deutlich zu erhöhen. Ein Höhepunkt wird im kommenden Jahr die große jW-Verteilaktion rund um den 1. Mai sein, über die viele Menschen die junge Welt neu entdecken sollen. Ob wir den notwendigen Schwung entwickeln können, wird sich nicht zuletzt daran zeigen, wie erfolgreich wir die kommende Rosa-Luxemburg-Konferenz über die Bühne bringen. All das kann unter den genannten schwierigen Bedingungen nur als kollektive Leistung gelingen, also im Zusammenwirken von Redaktion, Verlag, Genossenschaft mit ihren Leserinnen und Leser. Dabei wünschen wir Ihnen und uns den größtmöglichen Erfolg. Das wäre nicht zuletzt auch ein sehr wichtiger Beitrag dazu, den von Pistorius gewünschten Bewusstseinswandel zu verhindern und dieses Land endlich friedenstüchtig zu machen.

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