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»Ich habe nichts gegen militante Aktionsformen«

Über reaktionären Staatsumbau, die AfD als Scheinopposition und linke Strategien. Ein Gespräch mit Shabnam Shariatpanahi
Interview: Marc Bebenroth
Was sich heute noch gegen die AfD richtet, kann sich morgen gegen die revolutionäre Linke wenden (Leipzig, 22.10.2023)

Zum Rechtsruck in der BRD gehören nicht nur die guten Umfragewerte für die AfD, sondern auch, dass ihre Positionen teilweise von den Regierungsparteien übernommen werden. Wodurch ist dieses Handeln der Herrschenden aus Ihrer Sicht motiviert?

Die Bindung zu den bürgerlichen Parteien nimmt ab. Auch die kleinsten sozialen Versprechungen der Ampelkoalition werden von der Bevölkerung nicht mehr ernst genommen. Da linke Kräfte wenig sichtbar sind, kann die AfD mit ihren rassistischen Forderungen gegen migrantische Teile der Arbeiterklasse Stimmen holen. Die bürgerlichen Parteien übernehmen teilweise deckungsgleich diese Forderungen oder sie setzen sie um und verkaufen es als kleineres Übel. Die eigentliche Motivation ist aus meiner Sicht ein reaktionärer Staatsumbau, um die imperialistischen Interessen eines Teils des deutschen Kapitals durchsetzen zu können. So möchte man wieder kriegsfähig werden, Proteste an der Heimatfront dürfen dann nicht zu groß werden und die Bevölkerung muss diesen Umbau bezahlen. Die AfD übernimmt hierbei die Rolle einer Scheinopposition, die den sozialen Protest spaltet.

Nun wird wieder die Debatte über ein Verbot der AfD geführt. Welche Strategie ist für Sie die richtige?

Wenn von Teilen der bürgerlichen Parteien ein AfD-Verbot gefordert wird, aber gleichzeitig AfD-Forderungen umgesetzt werden, müssen wir als Linke konsequenterweise die Übernahme dieser Positionen offenlegen. Alle Verschärfungen, die von den Ampelparteien kommen und mit der Gefahr von rechts begründet werden, würden wie bisher auch als Repression gegen Linke genutzt. Außerdem entzieht man der AfD die Zustimmung von Teilen der Bevölkerung nicht durch ein Verbot, sondern durch das Aufzeigen kämpferischer Alternativen im Alltag der Menschen.

Sie engagieren sich in Duisburg im Bündnis »Heizung, Brot und Frieden«. Den Unmut angesichts weiter steigender Preise nutzen die Rechten für ihre Demagogie. Was bedeutet das für Antifaschisten?

Antifaschistischer Protest muss immer antikapitalistisch sein. Bei jeder Kürzung gibt es Profiteure und Verantwortliche, und wir versuchen, sie zu benennen. Wir zeigen auf, was zum Beispiel mit den 100 Milliarden Euro des Aufrüstungspakets in Duisburg für die Menschen machbar wäre. Wir gehen damit in die Stadtteile, die besonders von Armut betroffen sind und zu Bevölkerungsgruppen, die von den antifaschistischen Protesten nicht erreicht werden. Wir versuchen ihnen klar zu machen, dass in Krieg und Krise die Reichen reicher werden und der Rest bezahlt und nur gemeinsame Gegenwehr diese Verhältnisse verändert.

Von AfD bis Bündnis 90/Die Grünen will niemand diese Profiteure zur Kasse bitten. Zahlen soll entweder die arbeitende Bevölkerung oder es wird rassistisch ausgegrenzt mit dem Scheinversprechen, dass es so in der Arbeiterklasse weniger Konkurrenz um Arbeitsplatz und Wohnraum gibt. Hier müssen Linke nicht nur auf die Parlamente schauen, sondern wieder versuchen, sozialen Protest in Betrieben und Stadtteilen zu organisieren und dabei immer der rassistischen Spaltung entgegentreten.

Die Proteste von Landwirten gegen den Versuch der Bundesregierung, durch das Streichen von Subventionen Löcher im Haushalt zu stopfen, zeigten erste Erfolge. Doch schnell wurden sie von der Regierung und ihren Anhängern als »rechter Mob« markiert. Wie sollte linker Protest auf dieses politische Umfeld reagieren?

Als migrantisches Großstadtkind bin ich keine Expertin für deutsche Bauernproteste, aber Protest gegen Kürzungspolitik ist berechtigt. Als Kommunistin habe ich auch nichts gegen militante Aktionsformen. Die Proteste in die rechte Ecke zu stellen erinnert mich sehr an die mediale Diffamierung der Friedensbewegung als nach rechts offen. Wir als Linke sollten die Proteste unterstützen, die sich gegen Kürzungen richten, sollten aber auch benennen, dass die Diktate der Lebensmittelkonzerne und die Entwicklung hin zu immer größeren Agrarbetrieben durchbrochen werden müssen. Also muss man auch hier eine antikapitalistische und antimonopolistische Perspektive aufzeigen, die die Möglichkeit einer umweltverträglichen Agrarwende beinhaltet.

Shabnam Shariatpanahi ist Diplompädagogin und Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Sie ist unter anderem bei »Heizung, Brot und Frieden Duisburg« aktiv und wird an der Podiumsdiskussion »Wer stoppt die Rechten« auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13. Januar teilnehmen.

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