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Designpreise gewinnen. Und Kriege

Wie ist der Imperialismus heute nicht nur sozial- und weltpolitisch, sondern auch wissenschaftlich-technisch als Destruktionsverhältnis organisiert?
Von Dietmar Dath
Joint Venture: Elon und die Air Force (Colorado Springs, 7.4.2022)

Der folgende Text ist die gekürzte Fassung eines Referats, das der Verfasser am 23. Dezember 2024 vor der Anton-Semjonowitsch-Makarenko-Gesellschaft in Freiburg-Munzingen gehalten hat. (jW)

Ende 2024 wurde es einigen Beschäftigten bei Open AI endlich mulmig. Die Folgen von Chat-GPT und anderen Erzeugnissen des Hauses hatten ihnen noch nicht das Gewissen gezwickt. Jetzt aber kündigte die Firmenleitung eine Partnerschaft mit dem Militärausrüster Anduril Industries an. Teile der Belegschaft murrten also. Es half nichts: beschlossene Sache.

Eine ältere Formulierung in den Open-AI-Nutzungsbedingungen hatte den Gebrauch der eigenen Produkte auf dem Feld »military and warfare« noch ausgeschlossen, nun aber hieß es aus der Chefetage, man wolle gemeinsam mit Anduril dafür sorgen, dass keine feindlichen Maschinen amerikanischem Militärpersonal Ungelegenheiten machen könnten. Sam Altman, das öffentliche Gesicht von Open AI, bekannte sich pathetisch dazu, Menschen helfen zu wollen, die ihr Leben riskierten, um »unsere Familie und unser Land« zu schützen.

Man kann die Verbindung zwischen Politik, Krieg und dem Stand der Technik, die Imperialismus heißt, auch weniger patriotisch beschreiben. In den Aufzeichnungen, die Lenin zwischen 1912 und 1916 verfasste, um seine große Abhandlung über den Imperialismus vorzubereiten, steht die hilfreiche Bemerkung: »Der Sozialchauvinismus ist ein ebenso unvermeidliches Produkt des Imperialismus wie der drahtlose Telegraph.«

Wenn man weiß, dass mit »Sozialchauvinismus« die (hier und da notdürftig sozialistisch verhüllte) aggressive Vaterlandspropaganda der moralisch zusammengebrochenen Zweiten Internationale gemeint war, dann kann man dem Satz ein etwas detailreicheres und verwickelteres Update für 2025 entlocken: Die zunehmend kriegsaffinere Ideologie der bürgerlichen »international rules-based order«, besonders laut vertreten beim Establishment-Linksliberalismus, von den US-Demokraten bis zu den deutschen Grünen, ist ein ebenso unvermeidliches Produkt des Imperialismus wie die Digitalisierung (inklusive künstlicher Intelligenz).

Kriege werden in Wirtschaftszusammenhängen ausgebrütet, nicht in Regelstreitigkeiten, deswegen ist Donald Trumps Verachtung für Regeln keine Garantie, dass er die Kriege bleibenlassen wird, die Obama und Konsorten mit Regelverstößen des Feindes zu rechtfertigen pflegen. Ideologie macht nur Geräusche zum falschen Produktionsverhältnis, Politik gibt dann die tödlichen Mittel frei.

Wenn also etwa die NATO-Leitung sich auf die Aufgabenliste schreibt, man wolle bald mal nachsehen, ob sich unbemannte intelligente Boote eignen, Untersee-Internetkabel vor Anschlägen zu schützen, und wenn Admiral Pierre Vandier, zuständig für »Concepts and Transformation« an genau dieser Front, dazu bereits vorhandene KI-kompatible Einheiten ausbauen will, dann passiert das eben in Wirtschaftszusammenhängen, also auf dem Spielfeld von Open AI, Microsoft und Google. Die Aufwertung der Wehrhaftigkeit des Gemeinwesens ist nämlich nur die dialektische Kehrseite der Entwertung von allerlei zivilen Qualifikationen, zum Beispiel derjenigen promovierter Arbeitskräfte, die sich auf einmal in Hilfsarbeitsdienstleistungspools wiederfinden. Es gibt Betriebe, die nichts anderes leisten als die Organisation solcher Schieberei. Ihre Namen kennt jedoch im Gegensatz zu denen von Open AI, Microsoft und Google kaum jemand. Einer heißt Centaur Labs, Anbieter der Arbeitskraft akademischer Koryphäen zur bedarfsgerechten Fütterung von KI-Software im medizinischen Bereich. Sehr viel »intelligente« Software lässt sich ohne derartige menschliche Assistenz gar nicht profitabel nutzen – »custom tooling and experts-in-the-loop for machine learning and generative AI model evaluation« heißt diese Assistenz bei einer weiteren Firma aus diesem neuen Wirtschaftszweig, die sich »iMerit« nennt. Der Wortbestandteil »merit« im Firmennamen meint »Verdienst«, aber nicht im Sinne von Entgelt. Gemeint ist »Wert der Leistung«, wie in »Meritokratie«. Herrschen soll das Verdienst indes gerade nicht (»-kratie« kommt von »kratein«, herrschen), denn dafür gibt’s schon Monopolbosse.

Die Radiologin, der Festkörperphysiker, der roboterkundige Massenmörder mit Abschluss bei einer Heeresakademie: nach dieser Art Fachkraft gieren Investitionsinstanzen, die das KI-Geschäft befeuern. Das gesamte Digitalwesen ist wagniskapitalgetrieben. Figuren wie Raj M. Shah, ehemals Direktor der »Defense Innovation Unit« im Pentagon, die heute mit Spießgesellen das Unternehmen Shield Capital steuert, ködern »Angel Investors«, die dann ihrerseits Startup-Firmen wie den Rüstungs-Ideenzünder Vannevar Labs züchten. Dieser Betrieb heißt nach dem Ingenieur Vannevar Bush, einem der Väter des Manhattan-Projekts, also der Atombombe, dessen 1945 lancierter Bericht »­Science, the endless Frontier« den US-Kongress zur Schaffung der National Science Foundation bewegte, die der Digital Libraries Initiative in Stanford auf die Beine half, bei der Sergey Brin und Larry Page die Algorithmen entwickelten, aus denen Google wurde. Ein Stand entsteht: Schon Brins Vater war Informatiker an der Michigan State Uni gewesen, als dort allerlei Raketenballistik ausgetüftelt wurde, und seine Mutter gehörte zur NASA-Belegschaft.

Staat und Kapital verschaltet

Rasch nähert sich der Imperialismus in Sachen Erblichkeit von Funktionsposten heute feudalen Verhältnissen an. Vergessen ist die »vertikale soziale Mobilität« (heißt: auch armer Leute Kinder können interessante Jobs ergattern), ein Hauptanliegen sozialliberaler Bildungspolitik während der letzten großen westlich-nördlichen Modernisierungen vor einem halben Jahrhundert. Die aktuelle Produktivkraftentwicklung verschaltet Staat und Monopolkapital mit erheblich größerem Wirkungsgrad als ehedem, von der Halbleiterindustrie bis zur Elektromobilität – wer ernsthaft meint, Elon Musk suche erst jetzt die Nähe zum Staat, dessen Sozialsperenzchen er für seinen erfolgreichen Kandidaten zusammenstreichen soll, ignoriert den 500-Millionen-Dollar-Kredit des Energieministeriums, ohne den Tesla nicht ins Rollen gekommen wäre.

Während Musk sein Showmanship ausübt, vernetzt der im Schatten solcher Show wirkende Raj M. Shah technische Expertise-Kader mit politischen Strategie-Cracks, über Organisationen wie die »Tech Track 2«-Initiative bei der Hoover Institution, einem scharf reaktionären Thinktank, dessen Aktivitäten in den bürgerlichen Medien genau wie Shah eher wenig Licht abkriegen, im Gegensatz zum »Project 2025«, das von 2022 an bei der Heritage Foundation als Blaupause für einen autoritären Rollback in die Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde, mit dem strukturfunktionalen Zweck der Beseitigung binnenstaatlich-verwaltungsstruktureller Widerstände gegen faschistoides Durchregieren der entschlossensten Kapitalfraktionen. So was wie das »Project 2025« alarmiert Linksliberale, aber »Tech Track 2« will viel mehr, nämlich Russland und die VR China kleinkriegen, und morgen die ganze Welt. Im Handbuch für dieses Programm »Unit X: How The Pentagon and Silicon Valley are transforming the Future of War« (2024), gemeinsam verfasst von Shah und einem Tech-Berater des National Security Council unter Drohnen-Obama namens Christopher Kirchhoff, erklären die beiden, das geopolitische Ziel sei nur zu erreichen mit den besten Köpfen, und zwar im Verteidigungsministerium wie im Silicon Valley. Vermittlungseinrichtungen sollen dabei helfen, zum Beispiel In-Q-Tel, der Venture-Capital-Arm der CIA. Wie bitte?

Lenins Klarheit

Ja: Dieser fürchterliche Geheimdienst besitzt einen Kapitalmanagement-Flügel. Überraschen kann das nur Menschen, die keinen Begriff vom Monopolkapitalismus haben, nicht mal in Form von Lenins schöner Eselsbrücke »Heute Minister, morgen Bankier; heute Bankier, morgen Minister!«

Gemessen an Lenins Klarheit war selbst die berühmte Abschiedswarnung des Präsidenten Eisenhower im Jahr 1961 vor »unwarranted influence« (also: ungerechtfertigtem Einfluss) des »military-industrial complex« ein Stochern im Nebel, genau wie das Gerede von Uni und Medien über »Industriegesellschaft« statt »Imperialismus«. Welche Vielfalt der Erscheinungen wird dem Hirn zugemutet: »Neoliberalismus«, dann »Globalisierung«, dann »Finanzmarktkapitalismus«, dann »Digitalkapitalismus«, immer werden diese Namen gebastelt unter Hypostasierung einzelner Aspekte des imperialistischen Gesamtprozesses. Kritik wird so auf geordnet kritisch-reformistische Bahnen abgeleitet. Sofern nämlich etwa »Finanzparasiten« und deren Übermacht übers »schaffende Kapital« (um gleich den Nazi-Ausdruck zu nennen, der dieses ganze dumme Zeug ideal zusammenfasst) das Problem sind, muss man ja lediglich Steuerinstrumente in Stellung bringen. Sofern Robert Habeck, wie die Black-Rock-Merz-CDU und die AfD ihm vorwerfen, bloß Exekutor einer obskuren »Klima-Ideologie« ist, obgleich er dazu ansetzt, das Wohneigentum der letzten paar Kleinbesitzenden per Mehrfach-Umbaubelastung im Nachhaltigkeitskorsett zu liquidieren, interessiert uns eben auch nur, was dieser Onkel subjektiv in der Rübe hat, und wir können vornehm davon schweigen, dass er diesen Rübeninhalt nur als Knecht der Monopole ausagieren darf (denn der Kleinbesitz der Ruinierten wird an »private equity« verkauft, wenn die Nummer klappt). Wo man den Typus Habeck derart missdeutet, wird er in der Phantasie wieder gut, sobald der empirische Habeck sich besinnt und im Wahlkampf mit der Parole »Milliardärssteuer« auf Dummenfang geht. Hurra, er hat die »Klima-Ideologie« im Sinne eines sozialen Gewissens einzuschränken gelernt!

Der Milliardär, der härter besteuert werden soll, könnte ganz aufrichtig schimpfen: Woher soll ich’s nehmen, wenn die vorhandenen Produktionsverhältnisse nicht mal mehr auf dem Sektor »Innovationen« eine Profitrate hergeben, die sich halbwegs sehen lassen kann, wie früher, im Eisenbahnräuberkapitalismus? Per Staatsgewalt und Gewaltstaat lässt sich allerdings doch noch ein bisschen an den Profiten drehen, nämlich zum Beispiel durch Rüstung, und deshalb erklärte dann Noam Perski vom Big-Data-Unternehmen Palantir im Dezember 2024 auf dem ersten »Defense Tech Summit« der Uni von Tel Aviv, »kein moderner Krieg« könne mehr ohne die richtige Software gewonnen werden (die Rolle der Infanterie in Syrien hin oder her).

Software ist tatsächlich, wie Perski in jener Ansprache predigt, das »most malleable« Waffenmaterial, also: das formbarste. Es kann dabei spektakulär nach hinten losgehen, wie die Arroganz der Datenfirmenchefs lernen könnte, wenn diese Leute zum Beispiel ein Ohr dafür hätten, wie die Hege- und Pflegetruppen bei Open-Source-Programmen derzeit von wertlosen Fehlerwarnungen überflutet werden, die KI-Systeme unablässig abfeuern. Unter technisch-naturwissenschaftlich geschulten Leuten erheben sich aber zunehmend Stimmen wie die des »Intellectual Dark Web«-Mitbegründers Eric Weinstein für neue digitalisierte Waffenproduktion. Dieser Mann ist von Haus aus mathematischer Physiker, außerdem Geldmanager für Trumps Strippenzieher Peter Thiel und absolut kein Dummkopf. Neuerdings fordert er die Abschaffung von juristischen Sicherheitsvorkehrungen, die in den USA bislang dafür gesorgt haben, den Einfluss des Militarismus auf die avancierteste Forschung einzuschränken. Weinstein verlangt, man solle jetzt vor allem die »Mansfield Amendments« loswerden, Bestimmungen, die a) militärischer Finanzierung von Forschungsprojekten Grenzen setzen und b) auch die indirekte Verfilzung der zwei Sphären erschweren.

Es kennt meinen Namen

Als die Militärs uns, den Forschungsfachleuten, noch näherstanden, so erzählt Weinstein jetzt allen Podcasts, die es hören wollen, haben sie uns meistenteils in Ruhe gelassen, wir hatten allenfalls eine Art Bereitschaftsdienst, wurden also gefragt, falls mal was los war, da müssen wir wieder hin, und wichtiger als Breitenbildung ist, dass diejenigen, die in Physik, Mathe, Biologie Neues und Außergewöhnliches zustande bringen, im Zivilen wie Militärischen zeitgemäße Formen von intellektuellen Besitzrechten beanspruchen können, auch für Grundlagenforschung, nicht nur bei Sachen, für die man Patente anmelden kann.

Wenn Herr Weinstein das wirklich glaubt, dann glaubt er wohl auch, dass arbeitslose Reservearmeen von Niedrig- und Unqualifizierten eine Menge Spaß beim Rumsitzen als Opportunitätskostendarsteller und Lohndrücker haben. Es wird Weinsteins imaginären Eliten auf diesem Kurs nicht besser gehen als dem von Simon Pegg gespieltem Techniker Benji Dunn in den »Mission: Impossible«-Filmen, der in »Dead Reckoning« (2023) seinen Schock angesichts der Reichweite der Verfügung künstlicher Intelligenz über die lebendige Arbeit in die entsetzten Worte kleidet: »It knows my name!«

Ja, dein Name steht auf der Speisekarte der KI, die braucht viel Eiweiß für Künstliche Neuronale Netze insgesamt, für konkrete, bedarfsgerechte Versionen wie RNNs (Recurrent Neural Networks), LSTM-Networks (Long Short-term Memory) und schließlich für die Transformer-Architekturen, die seit 2017 das Spiel grundsätzlich umgekrempelt haben. Die nächsten Gänge sind bekannt: Quantencomputer, Kühlsystemfragen, Verschlüsselungswettläufe, Quantensensorik fürs Messen von Strahlung und Kräften, unter Wasser, im Erdinnern, für die Zielerfassung, dann Energie- und Rohstoffsicherung für all dies und so weiter. Die Eigengesetzlichkeit der Hardware- und Softwareneuerungen ist dabei das eine. Die Aneignung von Lösungen sämtlicher Probleme, die sie schaffen, das andere. Nämlich unter den versauten Gebrauchswertbestimmungen der monopolkapitalistischen Klassengesellschaft ins irrationale Belieben von Instanzen gesetzt, die nur fragen: Läuft das Programm auf dieser oder jener Maschine richtig? Aber nicht: Ist es das richtige Programm, ist das die richtige Maschine für uns Menschen?

Die Irrationalität des Arrangements wird verschleiert mittels Systemrationalitätsbehauptungen, deren Plausibilität mit Erfindungen wie den Künstlichen Neuronalen Netzen und insbesondere der Transformer-Architektur einen fatalen Plausibilitätsschub bekommt: »Autonome Maschine« wird ein glaubhafter Begriff, gerade auch in dem spezifischen Sinn der Definition des Internationalen Roten Kreuzes für Waffenkontrollbelange: »Autonom« ist nach dieser Bestimmung eine militärische Vorrichtung, die erstens selbständig Angriffsziele aussucht und diese zweitens ohne direkten Befehl angreift.

The First AI War

Am 16. Dezember 2020 gaben die USA bekannt, dass zum ersten mal (wenn’s stimmt …) ein KI-Sy­stem die komplette Kontrolle über das Sensor- und Navigationssystems eines U-2-Dragon-Lady-Spionageflugzeugs übernommen hatte. Das Programm suchte nach Raketenabschussrampen des Gegners und wertete Radaraufnahmen aus. Dem Piloten aus Fleisch und Blut blieb nur noch das Erkennen angreifender Flugzeuge und gegebenenfalls die Reaktion darauf. Eine Maschine attackiert, der Mensch darf sich gerade noch verteidigen – die Schwelle, die da überschritten wird, macht Geräte zu etwas, das nicht einfach »funktioniert«, sondern zum Beispiel »lauert« wie die in ihrem Einsatzgebiet herumschwebenden »Harpy«-Drohnen des israelischen Militärs. Der Waffenexperte Zachary Kallenborn schrieb schon 2021 einen Alarmaufsatz namens »Israel’s Drone Swarm over Gaza schould worry everyone« und nannte das, was ihn da umtrieb, den »first AI war«: den ersten KI-Krieg. Wo eine Maschine autonom agiert und attackiert, zeigt sich der Anteil der menschlichen Arbeit (nämlich: des falschen Produktionsverhältnisses) an der Entmenschlichung des Menschen als katastrophenförmiger Übergang vom naturgeschichtlichen zum produktionsgeschichtlichen Aggressionsmuster.

So sehr gewisse Gelehrte der Welt mit sozialdarwinistischem Gedankenlärm in den Ohren liegen, der die Destruktivität der herrschenden Unordnung als »Kampf ums Dasein« (und also als naturgegeben) verkaufen soll, so ungern hört man in der sogenannten »Soziobiologie« (wie auch der seriösere Teil entsprechender Forschungen seit Edward O. Wilsons in der Tat unerschöpflich anregendem Hauptwerk gleichen Namens aus dem Jahr 1975 heißt) etwas über die energetischen Kosten-Nutzen-Rechnungen, die unsereins von Natur aus gerade nicht aggressiv, sondern eher defensiv macht. Als Lebewesen darf ich mich in der Knappheitslandschaft der Naturressourcen nämlich auch dann immer nur soweit anstrengen, wie ich eben muss, um meine Nahrungsquellen, mein Territorium und meine Fortpflanzungsaussichten zu schützen, wenn ich ein sehr böser Affe bin. Falls ich nämlich vor lauter Bosheit andauernd konspezifisch oder außerhalb meiner Art unprovoziert irgendwas oder irgendwen angreife, wird mir bald die Puste ausgehen.

Maschinen jedoch, die von Selbsterhaltung und Reproduktion nichts wissen müssen (aber können, wenn man’s reinprogrammiert), sind an diese Prämissen nicht von vornherein gefesselt. Wenn wir die Kriegführung jetzt Automaten überlassen, weil wir mit ihrer Rechengeschwindigkeit nicht mithalten können, ändert sich folglich eine erdgeschichtliche Biosphären-Tiefenkonstellation: Unprovozierte Aggression wird vom Nachteil zum potenziellen Vorteil im Entwicklungsgang.

Wir unterstehen heute ökonomischen Abläufen, in denen mit ungeheurem Aufwand sehr vieles produziert wird, was für die Mehrheit der Menschen keinerlei Gebrauchswert hat, zum Beispiel Warenwerbung (inklusive Manipulation und suchterzeugende Attribute der Waren selbst) oder Mordwerkzeug. In Simon Stålenhags illustriertem Roman »The Electric State« hängt über einer tristen spätimperialistischen Steppenlandschaft ein Schild, auf dem steht, worauf irgend so eine Computerkram-Firma besonders stolz ist: »Winning design awards. And wars.«

Dietmar Dath ist Referent auf der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am kommenden Sonnabend in Berlin. Infos unter jungewelt.de/rlk

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