Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Volle Kraft voraus

Energie, Empörung und Emphase: Der Künstler Alfred Hrdlicka arbeitet figurativ – und ist Gast bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2005

Alfred Hrdlicka ist Wiener Maler, Bildhauer und Graphiker. Und eine kommunistische Einmann-Partei, nachdem er 1956 die den sowjetischen Einmarsch in Ungarn begrüßende KPÖ verlassen hatte. Der früher einmal bekannte Feuilletonist Fritz J. Raddatz nannte ihn einmal einen »Eurostalinisten«. Für Hrdlicka ist dieses Wortspiel »eine sinnwidrige Zusammenfügung, da ja in Wahrheit Stalinisten und Eurokommunisten einander spinnefeind waren« und »im Hinblick auf die leidigen Fraktionskämpfe der kommunistischen Parteien« eine »antifraktionelle Position« einnimmt.

Mit dem emphatischen Bumbum, mit dem die Aufschläge des frühen Boris Becker bedacht wurden, haut er auf die Kacke und schafft figurative Empörung. In Wien wollte man in den Achtzigern seine Skulptur des Straße waschenden Juden sowenig ertragen wie 1967 sein Denkmal für Karl Renner, gegen das sich prompt eine »Liga gegen entartete Kunst« bildete. Als alle diese Antisemiten, Kryptofaschisten und »Mir-woarn’s net, der Hitler woar’s«-Opportunisten, die so taten, als hätte der Alltag unter Hitler aus »Bergsteigen und Skifahren« (Hrdlicka) bestanden, Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten gewählt hatten, ritt er diesem mit einem eigens gestalteten Holzpferd hinterher, gemäß den Worten von Exkanzler Franz Sinowatz, der meinte, die Rechten suggerierten, daß »nicht Herr Waldheim, sondern sein Pferd bei der SA war«.

Kunst, die effektiv an- wie eingreift, wann hat man das schon mal in der kunstbetrieblichen »totalen Beliebigkeit, im Zwischenraum zwischen Design und Arrangement« (Hrdlicka in Konkret 1988)? Wenn jemand im Weltraumschiff der Enterprise »Energie!« ruft, dann könnte man das von der wirklichen Kunst des Alfred Hrdlicka auch sagen. Wir freuen uns, ihn als Referenten auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am 8.1.2005 dabei zu haben.

(cm)


Realität ist nicht dumm

(Aus Alfred Hrdlicka: Revolution und Reaktion, in ders.: Von Robespierre zu Hitler – Die Pervertierung der Revolution seit 1789, Hamburg 1988)

Kürzlich habe ich mich mit Studenten der Kunstgeschichte unterhalten. Einer von ihnen meinte: »Ich mag Sie so, wie Sie sind, aber in der Kunst mag ich nur die abstrakte Kunst. Ich liebe nämlich das Geistige...« Da liegt der Hase im Pfeffer: Die, die die abstrakte Kunst machen, und die, die sie konsumieren, sind eigentlich Schwachköpfe, sie sind biedere, einfache Seelen. Während Kunst, wie ich sie verstehe, Bereiche abdeckt von der Psychiatrie bis zur Politik, wollen sie ein Bild an der Wand, das das Zuhause gemütlich machen soll; das ist ihre wahre Mentalität. Sie haben ein schlichtes Gemüt, und schlichte Gemüter haben immer eine Sehnsucht nach dem Geistigen. Die größten Dummerln reden am meisten vom Gescheitsein, weil dies ihre unerfüllte Sehnsucht berührt; zudem meinen sie, die Realität sei dumm. Die Realität ist aber alles andere als dumm, sie ist um einiges gescheiter als alles, was man sich abstrakt, geistig von ihr vorstellt (...).

Die für die Kunst notwendige Tendenz zur aufklärerischen Verunsicherung nimmt in dem Maße ab, in dem aufgrund der schnellen Informationsflüsse sofort passende Richtungen, die Trends, eingeschlagen werden. Kurzgeschlossene Informationen und deren Verarbeitung führen jedoch, nicht nur in der Kunst, zu weitreichender Verdummung. Wie aus den Verarbeitungsprozessen der Informatik, die auf binären Entscheidungen beruhen, bekannt, reagiert heute die Kunst vielfach nur mehr mit Entweder-so-oder-so-Aussagen.

Als Künstler muß man aber – auch über das einfache dialektische Argumentieren hinaus – weitergehen. Man kann dabei sogar bis zum zynischen Denken vorstoßen, um einen Inhalt nicht nur zu bedenken, sondern zu überdenken, mit dem Ziel des Besserverstehens. Wenn ich also an der Geschichte der Revolution arbeite, dann geschieht dies nicht nur mit dem Standbein des aufklärenden Verstandes, sondern auch mit dem Spielbein des Zynismus. Denn um etwas zu verstehen, muß ich berücksichtigen, daß dies auch noch anders sein könnte.

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