Madrids Gegenspieler
Von Gerd Schumann
So manches heute erinnert an gestern. Was sich seit dem 26.März auf der Iberischen Halbinsel – und speziell ihrem nordwestlichen Rand – tut, ähnelt dem Geschehen nach dem 18. September 1998. Beide Male hatte die von der EU und dem spanischen Staat als »terroristisch« gebrandmarkte, im Kampf gegen den Franco-Faschismus entstandene und gewachsene Untergrundorganisation ETA (Baskenland und Freiheit) einen einseitigen Waffenstillstand mit dem Ziel erklärt, einen Weg zur Lösung des verfahrenen baskisch-spanischen Konflikts zu öffnen.
Vor sieben Jahren – genau: am 28.November 1999 – setzte die ETA ihren »bewaffneten Kampf« fort. Zu wenig hatte sich ihrer Meinung nach bewegt: sowohl im Baskenland selbst, wo die konservative Nationalpartei (PNV) Referendumsforderungen blockierte, als auch seitens Madrid. Dort regierte mit dem in falangistischen Strukturen befangenen José Maria Aznar ein Politiker, der zwar mit Vertretern der klandestinen Organisation redete und kleinere Zugeständnisse machte – hundert politische Gefangene wurden damals ins Baskenland verlegt –, der jedoch zugleich die Repressionsschraube weiter anzog. Er ließ die gefürchtete Guardia Civil immer häufiger aus ihren Kasernen ausrücken und favorisierte offen eine »militärische Lösung des Problems«.
Damals war Arnaldo Otegi, ein Diplomphilosoph mit bewegter Vergangenheit und Gegenwart, Aznars Gegenspieler. Der 1958 in der baskischen Provinz Gipuzkoa geborene Otegi war 1977 ETA-Mitglied geworden, lebte lange als politischer Flüchtling in Frankreich, wurde von Paris Ende der achtziger Jahre an Madrid ausgeliefert und wegen Unterstützung einer Entführung durch die ETA zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Seine anschließenden Haftstationen: Carabanchel, Alcala Melo, Herrera de la Mancha, Almería, Ciudad Real, Huesca. 1998 dann vertrat er als Sprecher von Herri Batasuna (HB – Vereintes Volk) die linke Unabhängigkeitspartei des Baskenlandes, in den Medien ausdauernsd – wie ihre Nachfolgerin Batasuna (Einheit) – als »politischer Arm der ETA« bezeichnet.
Für HB unterzeichnete Otegi im selben Jahr das damals etwas voreilig als »historisch« bewertete Abkommen von Lizarra-Garazi, das die gesamte baskische Politszene unter einen Hut brachte: von den Konservativen über die Sozialdemokraten bis zu den Linken und auch zur sich als spanische Partei verstehenden Vereinten Linken (IU). Es sah eine politische Lösung des Konflikts durch ein Referendum sowie durch eine Orientierung auf ein einiges Baskenland aus allen sieben Provinzen – in Frankreich wie in Spanien – vor. Kurze Zeit später wurde Otegi als Spitzenkandidat des linken Wahlbündnisses Euskal Herritarok (EH), das knapp 20 Prozent der Stimmen erhielt, erneut in das baskische Regionalparlament von Gasteiz (span.: Vitoria) gewählt.
Seit Ende 1999 durchlebte die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung ihre – nach der Franco-Diktatur – wohl schwerste Entwicklungsphase. Die Verfolgungspraxis führte über Massenverhaftungen, Zeitungsschließungen hin zum Batasuna-Verbot 2003. Die Partei hatte sich einem eigens für sie formulierten Gesetz verweigert, das eine pauschale Distanzierung von der ETA verlangte. Den Höhepunkt staatlich geschürter Hysterie bildete schließlich der 11. März 2004, als Aznar versuchte, der ETA die Terroranschläge auf Madrider Vorortzüge unterzuschieben. Der spanische Premier scheiterte mit seinen antibaskischen Unterstellungen, verlor an den Wahlurnen seinen Posten an die Sozialisten von der PSOE. Die zogen tatsächlich wie versprochen Madrids Besatzungstruppen im Irak ab – und auch die Chancen für eine Lösung des baskisch-spanischen Konflikts schienen zu steigen.
Inzwischen verhandelte Otegi bereits mehrfach mit Vertretern des baskischen Ablegers der PSOE und anderen Kräften – weitgehend ergebnislos. Auch sonst tat sich wenig. Dabei hatte der Politiker in Sachen Friedensprozeß bereits im November 2004 eine entscheidende Weiche für einen neuen ETA-Waffenstillstand gestellt: Damals präsentierte er vor 15000 baskischen Aktivisten in Donostia (span.: San Sebastian) den Vorschlag »Orai Herrioa Orain Bakea« (Jetzt das Volk, jetzt der Frieden).
Heute ist noch immer nicht deutlich erkennbar, wie sich sein neuer Gegenspieler auf spanischer Seite, Premier José Luis Zapatero, dazu verhalten will.
Vor sieben Jahren – genau: am 28.November 1999 – setzte die ETA ihren »bewaffneten Kampf« fort. Zu wenig hatte sich ihrer Meinung nach bewegt: sowohl im Baskenland selbst, wo die konservative Nationalpartei (PNV) Referendumsforderungen blockierte, als auch seitens Madrid. Dort regierte mit dem in falangistischen Strukturen befangenen José Maria Aznar ein Politiker, der zwar mit Vertretern der klandestinen Organisation redete und kleinere Zugeständnisse machte – hundert politische Gefangene wurden damals ins Baskenland verlegt –, der jedoch zugleich die Repressionsschraube weiter anzog. Er ließ die gefürchtete Guardia Civil immer häufiger aus ihren Kasernen ausrücken und favorisierte offen eine »militärische Lösung des Problems«.
Damals war Arnaldo Otegi, ein Diplomphilosoph mit bewegter Vergangenheit und Gegenwart, Aznars Gegenspieler. Der 1958 in der baskischen Provinz Gipuzkoa geborene Otegi war 1977 ETA-Mitglied geworden, lebte lange als politischer Flüchtling in Frankreich, wurde von Paris Ende der achtziger Jahre an Madrid ausgeliefert und wegen Unterstützung einer Entführung durch die ETA zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Seine anschließenden Haftstationen: Carabanchel, Alcala Melo, Herrera de la Mancha, Almería, Ciudad Real, Huesca. 1998 dann vertrat er als Sprecher von Herri Batasuna (HB – Vereintes Volk) die linke Unabhängigkeitspartei des Baskenlandes, in den Medien ausdauernsd – wie ihre Nachfolgerin Batasuna (Einheit) – als »politischer Arm der ETA« bezeichnet.
Für HB unterzeichnete Otegi im selben Jahr das damals etwas voreilig als »historisch« bewertete Abkommen von Lizarra-Garazi, das die gesamte baskische Politszene unter einen Hut brachte: von den Konservativen über die Sozialdemokraten bis zu den Linken und auch zur sich als spanische Partei verstehenden Vereinten Linken (IU). Es sah eine politische Lösung des Konflikts durch ein Referendum sowie durch eine Orientierung auf ein einiges Baskenland aus allen sieben Provinzen – in Frankreich wie in Spanien – vor. Kurze Zeit später wurde Otegi als Spitzenkandidat des linken Wahlbündnisses Euskal Herritarok (EH), das knapp 20 Prozent der Stimmen erhielt, erneut in das baskische Regionalparlament von Gasteiz (span.: Vitoria) gewählt.
Seit Ende 1999 durchlebte die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung ihre – nach der Franco-Diktatur – wohl schwerste Entwicklungsphase. Die Verfolgungspraxis führte über Massenverhaftungen, Zeitungsschließungen hin zum Batasuna-Verbot 2003. Die Partei hatte sich einem eigens für sie formulierten Gesetz verweigert, das eine pauschale Distanzierung von der ETA verlangte. Den Höhepunkt staatlich geschürter Hysterie bildete schließlich der 11. März 2004, als Aznar versuchte, der ETA die Terroranschläge auf Madrider Vorortzüge unterzuschieben. Der spanische Premier scheiterte mit seinen antibaskischen Unterstellungen, verlor an den Wahlurnen seinen Posten an die Sozialisten von der PSOE. Die zogen tatsächlich wie versprochen Madrids Besatzungstruppen im Irak ab – und auch die Chancen für eine Lösung des baskisch-spanischen Konflikts schienen zu steigen.
Inzwischen verhandelte Otegi bereits mehrfach mit Vertretern des baskischen Ablegers der PSOE und anderen Kräften – weitgehend ergebnislos. Auch sonst tat sich wenig. Dabei hatte der Politiker in Sachen Friedensprozeß bereits im November 2004 eine entscheidende Weiche für einen neuen ETA-Waffenstillstand gestellt: Damals präsentierte er vor 15000 baskischen Aktivisten in Donostia (span.: San Sebastian) den Vorschlag »Orai Herrioa Orain Bakea« (Jetzt das Volk, jetzt der Frieden).
Heute ist noch immer nicht deutlich erkennbar, wie sich sein neuer Gegenspieler auf spanischer Seite, Premier José Luis Zapatero, dazu verhalten will.
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