Kommunistischer Engel
Von Werner Pirker
Es lohne sich, darüber nachzudenken, heißt es in einem mit Familie Berger unterzeichneten Leserbrief an die Oberösterreichischen Nachrichten, »warum ausgerechnet ein Vertreter der KPÖ eine so hohe Glaubwürdigkeit besitzt und den Menschen seit Jahren tatsächlich aktiv mit Rat und Tat zur Seite steht. Sarkastisch gesagt, sieht man, daß sogar Kommunismus funktionieren kann, wenn die entsprechenden Hauptdarsteller auch danach leben«. Bei dem entsprechenden Hauptdarsteller handelt es sich um Ernest Kaltenegger, Landtagsabgeordneter der KPÖ im österreichischen Bundesland Steiermark und davor Stadtrat für Wohnungsfragen in der Landeshauptstadt Graz. Den Beweis für die Funktionsfähigkeit des Kommunismus zu erbringen, dürfte er vorläufig aber eher nicht als eine vordringliche Aufgabe betrachten.
Das ist um so überraschender, als die Partei, die er vertritt, außerhalb der Steiermark aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden ist. Die Bundes-KPÖ hatte sich nach dem Ende der Sowjetunion – den Worten ihres inzwischen zurückgetretenen Vorsitzenden Walter Baier zufolge – »auf eine lange Reise der Erneuerung kommunistischer Ideen, marxistischer Wissenschaft und sozialistischer Politik« begeben und ist dabei irgendwo verlorengegangen. Auf dem heimischen Feld von Klassenauseinandersetzungen ward sie seitdem nicht mehr gesehen.
Die steirische KPÖ hat sich der neoliberalen Herausforderung gestellt und die verdrängte Einsicht in die Möglichkeiten sozialer Gegenwehr in die politische Sphäre zurückgeholt. Auf einer Konferenz über »Fortschrittliche Kommunalpolitik« in Berlin führte ihr Vorsitzender Franz Stephan Parteder aus: »Wir stellen uns die Aufgabe, durch praktische Basisarbeit möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, daß wir uns verändern und mit dem medial vermittelten Zerrbild unserer Bewegung nichts zu tun haben. Es geht uns darum, in Betrieben und Gemeinden Namen und Gesicht zu bekommen und Teile jener Bevölkerungsschicht zu erreichen, deren Interessenvertretung von den technokratischen Modernisierungsparteien faktisch aufgegeben worden ist.«
1998 erhielt die KPÖ in Graz, Österreichs zweitgrößter Stadt, acht Prozent der Stimmen, was damals schon als sensationell galt. 2003 waren es »unfaßbare« 21 Prozent. Mit Kaltenegger war ein Politiker aufgetaucht, den es aus der Sicht der herrschenden politischen Kultur eigentlich gar nicht geben dürfte. Authentisch, geradlinig und nur seinem sozialen Gewissen verpflichtet. Zum ersten Mal erlebten die Grazer einen Wohnungsstadtrat, der sich grundsätzlich auf die Seite der Mieter stellte. Der sich wöchentlich auf Rundgänge durch die Armenviertel der Stadt begab, mit den Problemen ihrer Bewohner vertraut war und, wo es möglich war, Lösungen anbot. Er hat nie Unmögliches versprochen, aber was er versprach, hat er gehalten.
Damit verstieß er gegen das wichtigste ungeschriebene Gesetz des bürgerlichen Politikbetriebes: Wie versprochen, so gebrochen. Was aber Kaltenegger erst zum populärsten kommunistischen Politiker seit Bestehen der KPÖ gemacht hat, war die Selbstreduzierung seines Politikergehalts. Mehr als die Hälfte seines Einkommens stellt er notleidenden Menschen zur Verfügung. Populistischen Volksbetrügern erscheint das als »populistisch«. Andere versuchen es mit der Weichzeichnung des »Kaltenegger-Phänomens«. Das Boulevardblatt Kronen Zeitung nennt den kommunistischen Politiker mit feinem Gespür für das Gerechtigkeitsempfinden seiner Leser »Engel der Armen«. Der Subtext lautet: Ein Engel kann kein Kommunist sein. Das bekommt Kaltenegger auch von seinen »revolutionären« Kritikern zu hören: Wer wie Mutter Theresa Almosen verteilt, kann kein Kommunist sein.
Mit ihrer christlich anmutenden Losung »Geben statt nehmen« wollen die steirischen Kommunisten vor allem den Gedanken der Umverteilung nach unten popularisieren. Natürlich wissen sie, daß sich die soziale Ungerechtigkeit nicht mit karitativer Gutmenschlichkeit überwinden läßt. Sie wissen auch um den zentralen Stellenwert der Eigentumsfrage. Denn um sie dreht sich ihre Politik. Deshalb hat die KPÖ Steiermark die Verteidigung des öffentlichen Eigentums zu ihrem wichtigsten Anliegen gemacht.
Das mag manchem »Revolutionär« als beschränkter Kommunalismus oder auch als Reformismus erscheinen. Doch allein das Aufzeigen von Möglichkeiten sozialer und demokratischer Reformen ist in Zeiten der rasenden Gegenreform schon eine revolutionäre Tat.
Soziale Gegenwehr
Daß der Kommunismus eine wunderbare Idee sei, die sich in der Praxis aber leider nicht verwirklichen lasse, gehört zu den Standardfloskeln politischer Diskussionen. Kaltenegger dürfte diesem Lob des Kommunismus wohl kaum etwas abgewinnen können. Jedenfalls ist er erkennbar darum bemüht, das Ganze vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das hat ihm über die Steiermark hinaus eine hohe Wertschätzung in der Bevölkerung eingebracht. Nicht als kommunistischer Propagandist, sondern als jemand, in dem die soziale Idee Gestalt angenommen hat. In Umfragen zur Ermittlung des glaubwürdigsten steirischen Politikers rangiert Kaltenegger seit Jahren überlegen an der Spitze.Das ist um so überraschender, als die Partei, die er vertritt, außerhalb der Steiermark aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden ist. Die Bundes-KPÖ hatte sich nach dem Ende der Sowjetunion – den Worten ihres inzwischen zurückgetretenen Vorsitzenden Walter Baier zufolge – »auf eine lange Reise der Erneuerung kommunistischer Ideen, marxistischer Wissenschaft und sozialistischer Politik« begeben und ist dabei irgendwo verlorengegangen. Auf dem heimischen Feld von Klassenauseinandersetzungen ward sie seitdem nicht mehr gesehen.
Die steirische KPÖ hat sich der neoliberalen Herausforderung gestellt und die verdrängte Einsicht in die Möglichkeiten sozialer Gegenwehr in die politische Sphäre zurückgeholt. Auf einer Konferenz über »Fortschrittliche Kommunalpolitik« in Berlin führte ihr Vorsitzender Franz Stephan Parteder aus: »Wir stellen uns die Aufgabe, durch praktische Basisarbeit möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, daß wir uns verändern und mit dem medial vermittelten Zerrbild unserer Bewegung nichts zu tun haben. Es geht uns darum, in Betrieben und Gemeinden Namen und Gesicht zu bekommen und Teile jener Bevölkerungsschicht zu erreichen, deren Interessenvertretung von den technokratischen Modernisierungsparteien faktisch aufgegeben worden ist.«
Wohnungsfrage
Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum braucht er was zu essen, bitte sehr. Drum braucht er auch noch Kleider und Schuh. Und auch ein Dach über dem Kopf. Der Menschenrechtsaktivist Ernest Kaltenegger hat die Wohnungsfrage zu seinem zentralen Anliegen gemacht. Nicht in Positionspapieren, sondern in mühseliger Kleinarbeit, die nach und nach Wirkung zu zeigen begann.1998 erhielt die KPÖ in Graz, Österreichs zweitgrößter Stadt, acht Prozent der Stimmen, was damals schon als sensationell galt. 2003 waren es »unfaßbare« 21 Prozent. Mit Kaltenegger war ein Politiker aufgetaucht, den es aus der Sicht der herrschenden politischen Kultur eigentlich gar nicht geben dürfte. Authentisch, geradlinig und nur seinem sozialen Gewissen verpflichtet. Zum ersten Mal erlebten die Grazer einen Wohnungsstadtrat, der sich grundsätzlich auf die Seite der Mieter stellte. Der sich wöchentlich auf Rundgänge durch die Armenviertel der Stadt begab, mit den Problemen ihrer Bewohner vertraut war und, wo es möglich war, Lösungen anbot. Er hat nie Unmögliches versprochen, aber was er versprach, hat er gehalten.
Damit verstieß er gegen das wichtigste ungeschriebene Gesetz des bürgerlichen Politikbetriebes: Wie versprochen, so gebrochen. Was aber Kaltenegger erst zum populärsten kommunistischen Politiker seit Bestehen der KPÖ gemacht hat, war die Selbstreduzierung seines Politikergehalts. Mehr als die Hälfte seines Einkommens stellt er notleidenden Menschen zur Verfügung. Populistischen Volksbetrügern erscheint das als »populistisch«. Andere versuchen es mit der Weichzeichnung des »Kaltenegger-Phänomens«. Das Boulevardblatt Kronen Zeitung nennt den kommunistischen Politiker mit feinem Gespür für das Gerechtigkeitsempfinden seiner Leser »Engel der Armen«. Der Subtext lautet: Ein Engel kann kein Kommunist sein. Das bekommt Kaltenegger auch von seinen »revolutionären« Kritikern zu hören: Wer wie Mutter Theresa Almosen verteilt, kann kein Kommunist sein.
Mit ihrer christlich anmutenden Losung »Geben statt nehmen« wollen die steirischen Kommunisten vor allem den Gedanken der Umverteilung nach unten popularisieren. Natürlich wissen sie, daß sich die soziale Ungerechtigkeit nicht mit karitativer Gutmenschlichkeit überwinden läßt. Sie wissen auch um den zentralen Stellenwert der Eigentumsfrage. Denn um sie dreht sich ihre Politik. Deshalb hat die KPÖ Steiermark die Verteidigung des öffentlichen Eigentums zu ihrem wichtigsten Anliegen gemacht.
Revolutionäre Tat
Das Kapital ist zur totalen Offensive gegen diese zivilisatorische Errungenschaft angetreten. Private Interessen streben die Herrschaft über die Befriedigung der elementarsten Lebensbedürfnisse der Bevölkerung an. Mit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen werden die Volksvertretungen zu Statisten degradiert. Motor dieser Entwicklung ist die EU, zu der die steirischen Kommunisten in prinzipieller Gegnerschaft stehen. »Ohne kommunale Betriebe«, so Ernest Kaltenegger, »gibt es keine kommunale Selbstverwaltung«. Um das öffentliche Eigentum zu schützen, müsse es von seinen Deformationen – Ineffektivität, Verschwendung, Filz und Pfründewirtschaft – befreit werden. Kaltenegger: »Es ist unsere Aufgabe, dafür einzutreten, daß die Eigentümerfunktion demokratisiert wird, daß die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, es geht um ihren Betrieb und nicht um den Privilegienstadel der herrschenden Parteien«.Das mag manchem »Revolutionär« als beschränkter Kommunalismus oder auch als Reformismus erscheinen. Doch allein das Aufzeigen von Möglichkeiten sozialer und demokratischer Reformen ist in Zeiten der rasenden Gegenreform schon eine revolutionäre Tat.
Abonnieren Sie den Konferenz-Newsletter