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Bürger gegen Rosa

Die Rosa-Luxemburg-Konferenz wird heftig angegriffen. Das erschwert deren Vorbereitung, verhindert aber nicht ihren Erfolg
Rosa auf dem Weg zum Berliner Rosa-Luxemburg-Platz
Der Berliner Bildhauer Rolf Biebl teilt uns diese Woche mit, daß der Zweitguß seiner Rosa-Luxemburg-Statue vom Herstellungsort in Tschechien eingetroffen ist. Am 11. Januar soll die Statue am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz um 14 Uhr aufgestellt werden. Die Vorankündigung dieses Ereignisses hat einigen Wirbel verursacht. So hat die Zeitschrift Focus bei diversen Behörden nachgefragt, ob denn auch alle Genehmigungen für das unerwünschte Denkmal vorliegen. Vor zehn Jahren wurde im Rahmen der vierten Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Volksbühne der erste Versuch unternommen, Rosa L. an historischem Ort vor dem Eingang zum Karl-Liebknecht-Haus aufzustellen. Doch dort wurde sie nicht lange geduldet: »Indem am Liebknecht-Haus ein Luxemburg-Denkmal installiert wird, würde der Mythos von ›Karl und Rosa‹ reproduziert«, sagte Thomas Flierl, damals kulturpolitische Sprecher der PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, gegenüber junge Welt.

Es gibt verschiedene Gründe, die Erinnerung an die Mitbegründerin der KPD und ihre Positionen nicht zu dulden. Rosa Luxemburg stehe bei vielen irrtümlich für die weiche, gewaltfreie, tolerante Variante des Kommunismus, schreibt Hans Olaf Henkel, ehemaliger IBM-Deutschland-Chef und Ex-BDI-Präsident, in seinem Buch »Der Kampf um die Mitte – mein Bekenntnis zum Bürgertum«. Im Film habe man sie durch die Schauspielerin Barbara Sukowa verherrlichen lassen. Und Salonlinke wie Walter Jens würden sogar behaupten, die Humanität unserer Gesellschaft werde sich auch danach bemessen, inwieweit das Erbe der Rosa Luxemburg in Ehren gehalten wird. Dabei habe Jens »geflissentlich übersehen, daß die Luxemburg selbstverständlich die marxistische Doktrin von der Diktatur des Proletariats vertrat« – und sich zum Klassenkampf bekannte. Trotzdem oder genau deswegen lädt »die Zeitung Junge Welt – das einstige FDJ-Zentralorgan – in Berlin zur traditionellen Rosa-Luxemburg-Konferenz«: »Sie gilt heute als wichtigstes Symposium der Neomarxisten, in dem nach dem harmlosen Motto ›Das geht anders‹ mehr oder weniger offen zum Systemwechsel aufgerufen wird«, berichtet Henkel entsetzt.

Ganz so harmlos hält die Deutsche Bahn das Motto der kommenden Konferenz nicht, immerhin ein Rosa-Luxemburg-Zitat, das Henkels Einschätzung bestätigt. Deshalb wurde von der Deutschen Eisenbahnreklame mitgeteilt, daß die bereits angemieteten Werbeflächen an allen S-Bahnhöfen Berlins im Gegensatz zu den vergangenen Jahren nicht mit dem Konferenzplakat beklebt werden dürfen. »Politische Motive sind laut Werbeflächenvertrag nicht genehmigt«, hieß es plötzlich und ohne weitere Begründung. Zunächst gab es Hoffnung: »Ist Ihnen vielleicht ein neutraleres Plakat möglich? Die Jahre davor hat es ja auch immer geklappt.« wurde von der vermittelnden Agentur nachgefragt. Deshalb wurde dann ein neutrales Plakat angeboten, auf dem das Rosa-Luxemburg-Zitat durch das Konferenz-Logo ersetzt wurde. Aber auch dieses Plakat will die Bahn nicht aushängen. Luxemburg und neutral, das geht nicht zusammen.

Luxemburg ist aber auch für andere eine Zumutung. Auf diesen noch gar nicht verbreiteten Plakaten war unter den Logos von 28 die Konferenz unterstützenden Organisationen auch das der IG-Metall-Jugend Berlin-Brandenburg-Sachsen und der DGB-Jugend Berlin-Brandenburg. Genau aus diesem Grund beschimpfte Springers Bild-Zeitung am 9. Dezember auf ihrer Titelseite IG-Metall-Chef Berthold Huber als Verlierer. Die Konferenz sei linksextremistisch, und vor zwei Jahren habe sogar Exterrorist Klar die Konferenz grüßen lassen. Bild meint: »In schlechter Gesellschaft«, endet der Angriff. Eine Grußadresse von Christian Klar war in der Vergangenheit offensichtlich noch zu ertragen, ein solcher Angriff aus der Springerzentrale aber nicht mehr. Nur wenige Tage später mußten die beiden Logos entfernt und deshalb der Druckauftrag für 100000 Flyer gestoppt werden. Sämtliche Werbemaßnahmen verzögern sich nun erheblich oder können wegen der Feiertage nicht mehr realisiert werden.

Solche und auch die kommenden Angriffe werden aber nicht verhindern, daß auch die XIV. Rosa-Luxemburg-Konferenz ein großer Erfolg wird. An alle Leserinnen und Leser der jungen Welt und an die Unterstüt­zergruppen der Konferenz geht die eindringliche Bitte, jetzt erst recht für die Konferenz am Samstag, den 10. Januar ab 10 Uhr, für das Karl- und-Rosa-Gedenkkonzert um 20 Uhr und die Einweihung der Rosa-Statue am Sonntag, den 11. Januar um 14 Uhr zu mobilisieren. Bestellt Plakate und Flyer, nutzt Emailverteiler und Banner für die Werbung im Internet und verschenkt massenhaft Konferenzkarten zum Fest. Karten können ab sofort in der jW-Ladengalerie in Berlin gekauft oder per Internet beim Aktionsbüro bestellt werden. Auch Spenden zur Unterstützung der Konferenz und für die Aufstellung der Statue können gut gebraucht werden. Nutzen Sie bitte das angegebene Konto. Für Spenden ab 100 Euro erhalten Sie einen signierten und numerierten Original-Holzschnitt von Rolf Biebl. Bei uns sind Sie in bester Gesellschaft.

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