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Jazz ohne Ansage

Etwas Besseres als Ska: Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz spielen Cool Breeze
Von Stefan Malta
»Ska und Calypso waren einmal die Musiken des zumindest tanzbewußten Proletariats. Um das aufzufrischen, sind Witze sehr wichtig«
Manche sagen, Ska, das ist doch der Dixieland der Punks. Stimmung, Party, gute Laune, die Damen in den Innenkreis, die Herren in den Außenkreis, Foxtrott marsch. Aber es gibt doch gar keine Punks mehr und auch keinen Foxtrott. Aber Kulturkonservatismus überall. Zu was habt ihr denn getanzt? Ach, Ska, war voll gut. Macht man als 13jähriger und auch noch als 43jähriger. Muß aber nicht sein, wenn die Musik mächtiger ist als der Spießer in dir. Plumpe Wiederholungszwänge unterläuft man durch Verfremdung und Verfeinerung. Dann wird es lustig und spannend.

Die Berliner Riesenband Cool Breeze machen keinen Ska, sondern Musik, die mit Ska zu tun hat. Aber mehr mit Jazz ohne Ansage. Eine Attacke für den ersten Tanztee am frühen Morgen. Zum knalligen Gurgeln und groovigen Kopfwackeln. Für das innere Gleichgewicht und das äußere Fieber nach langer Nacht.

Stompende Bläser müssen sein. Viel Instrumentals, wenig Gesang, weil Refrains auch eine Form der Volksverdummung sein können. Wer weiß denn noch, daß Ska einmal die Musik der armen Leute war? Jamaikanischer Rhythm & Blues, neben Soul aus USA im Europa der Endsechziger erst die Musik der Mods, dann der Skins. Das waren nämlich die Mods, die sich nicht anpassen wollten. Rechts wurden sie erst in den 70ern. Da haben wir ihn wieder, den Kulturkonservatismus. Auch bei Linken weit verbreitet. Tatsächlich kann man die alten Skatalites-Titel ebensowenig mehr hören wie »Hawai Five-O«-Surf oder die frühen Beatles. Bitte nicht mit meinen Nerven.

Cool Breeze aber geht es um andere Sachen. Die Leute sollen nicht bedient werden, die sollen sich befreien. Die sollen nicht immer so faul sein und auch nicht so verklemmt. Der Bandname ist erstmal nicht der originellste, aber wer weiß schon, daß das ein Titel des DJ-Style-Veteranen Big Youth ist? Cool Breeze nennen ihre Musik »Afroskalypso«. Das haut schon mehr rein. Ska und Calypso waren einmal die Musiken des zumindest tanzbewußten Proletariats. Um das aufzufrischen, sind Witze sehr wichtig. Auf der Website von Cool Breeze gibt es ein paar Blogeinträge zum Thema komische Witze aus Frankreich, die nicht komisch sind – aber in der Bonbonverpackung lauern. Es wird darüber gelacht, daß es nichts zu lachen gibt. Proletariatsallegorie, ick hör’ dir trapsen: »Pourquoi la vie des ampoules est-elle si fragile? Parce que’elle ne tient qu’a un fil! – Warum ist das Leben der Glübirnen so zerbrechlich? Weil es nur an einem Faden hängt!«

Es zählt nicht humpa-humpa, sondern hyper-hyper. Kürzlich wurde in der Spex behauptet, Scooter seien in Wahrheit Dadaisten. Wenn man die Dinge so betrachtet, dann sind Cool Breeze der Prog-Rock des Reggae oder das Sound System der letzten Utopisten. Und Seeed? Eine Verschwörung der Kulturindustrie.

Die zahlreichen Mitglieder von Cool Breeze kommen aus Ostberlin, Afrika, Musikschule oder Hobbykeller. Und natürlich aus anderen Bands, zum Beispiel Rakatak oder Hennecke Beat. Letztere haben ein schönes stachanowistisches Motto, das noch nicht in den Bonbonpapieren steht: »If punk is death we are all zombies.« Gilt für Ska schon lange. Cool Breeze machen keinen Ska, sondern etwas Besseres, Schöneres, Wahrhaftigeres. Am Samstag auf der Party der Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Urania.

Sa., 10.1., 22 Uhr, Loft in der Urania, An der Urania 17, Berlin

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