Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025

Kein sowohl als auch

Die XV. Rosa-Luxemburg-Konferenz: Eine Analyse der Welt, wie sie ist
Von Arnold Schölzel
Die Posaunen der Revolution sind da: IG Blech am Sonnabend in der Urania Berlin
Robert R. Bryan: Am Telefon Mumia Abu-Jamal
Silvia Ayala: Berich vom Staatsstreich
Erika Baum: Ohne Imperialismusanalyse keine Veränderung
Es gibt in der Bundesrepublik eine erstaunlich große Anzahl von Menschen, die das von den offiziösen Medien gezeichnete Bild der heutigen Welt nicht teilen und offenbar auch im übertragenen Sinn ein anderes Weltbild, wenn nicht sogar eine andere Weltanschauung als die generell verordnete haben. Ein Teil von ihnen organisiert seit 15 Jahren jeweils am Vortag des Gedenkens an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin die »Rosa-Luxemburg-Konferenz«, weit über tausend reisen aus der ganzen Bundesrepublik an, um Kontakte zu knüpfen, sich durch das Angebot von Bücherständen zu wühlen, zu diskutieren, den Referenten aus aller Welt zuzuhören oder Konzerte am Abend zu besuchen.

In diesem Jahr kamen etwa 1400 Besucher. Nicht wenige wurden durch Schneewehen auf Gleisen und Autobahnen allerdings zur Umkehr gezwungen, gelangten erst nach 15 Stunden Fahrt an den Veanstaltungsort, die Urania in Berlin, oder traten die Reise wegen des hohen Risikos steckenzubleiben nicht an. Wer es pünktlich zum Beginn geschafft hatte, erlebte den Zug der IG Blech, einer mehr als 35 Jahre alten Kreuzberger Brass-Band-Institution, durchs Konferenzgebäude. Er endete auf dem Podium mit einem vielumjubelten »Comandante Che Guevara«, dargeboten ausschließlich mit Blasinstrumenten. Der Moderator der Konferenz, Dr. Seltsam, zitierte die Abschlußsätze aus Rosa Luxemburgs letztem Artikel: »Eure ›Ordnung‹ ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon ›rasselnd‹ wieder in die Höh’ richten und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!« Trockener Nachsatz: »Die Posaunen sind jedenfalls da.«

Revolutionen vollziehen sich, so Rosa Luxemburg, über eine Kette von Niederlagen. Über die Tragik des Staatsstreichs in Honduras und die Schwächung der Gegenkräfte sprach als erste am Sonnabend Silvia Ayala, Rechtsanwältin und Parlamentarierin aus dem lateinamerikanischen Land. Wissen aus erster Hand über Mord, Folter, mehr als 3000 illegale Verhaftungen in den letzten sechs Monaten. Sie prangerte die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung als Unterstützer dieses Demokratiexports an. Unabhängig von der regierenden Oligarchie bleibt die Mitgliedschaft des Landes in ALBA, der »Bolivarischen Allianz für die Völker unseres Amerikas«, hoben die Abgeordnete und der zweite Redner, der Kubaner Enrique Ubieta, hervor. Der Publizist aus Havanna erläuterte, wie aus der »Schnapsidee« Fidel Castros – so habe Hugo Chávez dessen Vorschlag empfunden, die von George W. Bush geplante panamerikanische Freihandelszone ALCA zu verlassen – ein lateinamerikanisches Bündnis entstand, das sich nicht in Regierungsverträgen und Warenlieferungen erschöpft. Das Wichtigere sei das gegenseitige Kennenlernen der Völker, das wechselseitige Lernen durch Fachleute. Ubieta schilderte, wie das aus der Tradition der kubanischen Revolution, anderen Ländern mit Ärzten, Lehrern, Ingenieuren zur Seite zu stehen, ins ALBAKonzept Eingang fand. Ausstrahlung einer Revolution konkret.

In Deutschland und seinem Europa geht es um Dinge, die weit davor liegen. Erika Baum, Antifaschistin und Kommunistin aus Berlin, zitierte Helmut Kohl nach dem DDR-Anschluß: »Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen. Es kann sich künftig zu seiner Weltmachtrolle bekennen.« Warum, so ihre Frage, ist es so schwer, zu gemeinsamen Aktivitäten zu kommen, Widerstand zu organisieren. Warum werden in einer Zeit, in der »jeder weiß, was uns blüht«, in der ein umfassender Angriff auf die Lebenslage der Bevölkerung geführt wird, theoretische Positionen nicht an der Praxis überprüft? Ihre Antwort: »Wer keine antiimperialistische Analyse der Verhältnisse hat, kann nichts verändern.« Ein »sowohl als auch« gebe es da nicht.

Ein Resultat des Verzichts auf solchen Blick auf die Welt untersuchte Pierre Lévy, Publizist und Herausgeber der Monatszeitung Bastille– République – Nations, in seinem Referat: Der Wandel der einst kommunistischen Gewerkschaft CGT zu einem Instrument, das im vergangenen Jahr Massenproteste unter dem Beifall neoliberaler Chefdenker ins Leere laufen ließ. Der entscheidende Punkt bei diesem Ankommen im Bestehenden: Der Anschluß an den Europäischen Gewerkschaftsbund, einer von der EU ausgedachten und von ihr gesponserten Organisation.

Abschließend faßte der Ökonom Michel Chossudovsky, per Videoübertragung aus Toronto zugeschaltet, zusammen: Die Welt steht am Vorabend eines »unbegrenzten Krieges«, dem alles untergordnet ist. Rüstungsaufwendungen, damit einhergehende Staatsverschuldung, Telekommunikationskonzerne, Medien. Atomwaffen sind laut Beschluß des US-Senats nicht mehr »Waffen des letzten Zugriffs«. Krieg wird Frieden genannt, Widerstand Terrorismus, Töten von Menschen humanitäre Aktion.

Was tun? Parallel zum Plenum diskutierten 120 Vertreter von Jugendorganisationen zum Thema »Wie holen wir die Bundeswehr aus Afghanistan?« Monty Schädel faßte das Resultat zusammen: Durch eine landesweite Kette von Aktionen die Bundeswehr »öffentlich unmöglich machen, in der Öffentlichkeit nicht zulassen«.

Zuvor füllte sich der Urania-Saal fast bis auf den letzten Platz: Der Anwalt von Mumia Abu-Jamal, der seit 28 Jahren in einer US-Todeszelle sitzt, Robert R. Bryan, erläuterte die Prozeßsitua­tion. Während seiner Rede klingelte sein Handy. Der Anrufer war Mumia Abu-Jamal. Bryan erklärte seinem Klienten, wo er sich gerade befand. Dann erläuterte er dem Publikum, wer am anderen Ende der Leitung war – minutenlanger tosender Beifall war die Antwort.

Die Überleitung zur Podiumsdiskussion kam musikalisch vom Hans-Beimler-Chor aus Berlin mit Brechts Solidaritätslied: »Wer im Stich läßt seinesgleichen, läßt ja nur sich selbst im Stich.«

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