Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025

Bloß keine Inhalte

Würstchen an Abkürzungsständen: Presseschau zur diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz
Die Boulevardblätter toben, Konferenzmoderator Dr. Seltsam freut sich: »... daß ich das noch erleben darf«
Mehr als 140 Journalisten hatten sich am Samstag zu der von junge Welt organisierten XVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz akkreditiert. Die Leser der meisten Zeitungen am Montag erfuhren dennoch wenig über das Gros der politischen Inhalte der Zusammenkunft.

In der Berliner Tageszeitung ist unter der Schlagzeile »Genosse Krenz ißt Würstchen« von Stefan Reinecke zu lesen:
Egon Krenz, der letzte DDR-Chef, steht am Tresen, ißt ein Würstchen und möchte nicht mit der bürgerlichen Presse reden. Im Saal in der Urania Berlin hat der venezolanische Botschafter im Iran gerade eine 45minütige Rede beendet. Der Moderator feiert die neue »antiimperialistische Achse des 21. Jahrhunderts«, damit sind das Chávez-Regime und die Mullah-Diktatur gemeint. Der Saal ist überfüllt. Gleich soll die Chefin der Linkspartei, Gesine Lötzsch, auftreten. Aber sie läßt noch auf sich warten. Die Rosa-Luxemburg-Konferenz der Ex-FDJ-Zeitung junge Welt ist eine Art politischer Parallelkosmos zu der Welt da draußen, die im hiesigen Jargon »BRD« heißt. Die Szene wird von ganz Alten und ganz Jungen dominiert, von 80jährigen DDR-No­stalgikern mit Kordhose und 20jährigen mit rot gefärbten Haaren. Man trifft hier Exmaoisten, Stasi-Schönredner, Exterroristen, ETA-Sympathisanten, Autonome. Und Gesine Lötzsch, Linkspartei-Chefin. (...)

Holger Schmale schlägt in Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung gleich doppelt zu:
Nach einem mißverständlichen Aufsatz in einer Tageszeitung hätte die Vorsitzende der Linken auf der Tagung zum Thema »Wo bitte geht’s zum Kommunismus?« ihre Worte erklären können, die sie kritisierten. Statt dessen sprach sie nur zu ihren Anhängern. (…) Um kurz nach 18 Uhr, als eigentlich die Podiumsdiskussion im ehrwürdigen Humboldt-Saal der noch ehrwürdigeren Urania, einem Hort des West-Berliner Bildungsbürgertums, beginnen soll, steht plötzlich Gesine Lötzsch am Rednerpult, vom Beifall der tausend und mehr Zuhörer umbrandet. (…) Die Zuhörer, eine erstaunliche Mischung aus ergrauten Politrockern, radikalen Linksintellektuellen und Kreuzberger Streetfightern, folgen ihr mit größter Sympathie. Nach einer knappen halben Stunde ist Lötzsch verschwunden, ein Star des Abends, von rhythmischem Beifall begleitet, von jeder kritischen Frage verschont. Sie hat geschafft, was sie sich vorgenommen hatte: Ihre Position erläutern, »unabgelenkt von anderen Diskussionsteilnehmern«, was eine interessante Haltung zur politischen Debatte zeigt. (…) In dieser Debatte aber geht es um das revolutionäre Subjekt, die Agitation der Massen, die Schärfung des Klassenbewußteins, wie sie Kommunisten seit 1902, als Lenins Werk »Was tun?« erschien, immer und immer wieder geführt haben. 1918, 1930, 1975. Nur ist die gesellschaftliche Relevanz der Kommunisten und ihrer Themen immer geringer geworden. Obwohl doch auch der Kapitalismus in seiner größten Krise steckt, begeistern sich für diese Alternative im Jahr 2011 nur noch Anhänger von Sekten.

Mechthild Küpper schreibt in der FAZ über »Die Kreisvorsitzende und der Kommunismus«:
Wer das Milieu der alten PDS sehen will, trifft es bei »Karl und Rosa«. Üblicherweise ist es dann eiskalt. In diesem Jahr aber herrscht Tauwetter in Berlin. Als Metapher stammt »Tauwetter« aus den kommunistischen Zeiten, unter Chruschtschow gab es Tauwetter, und gleich nach Ulbricht auch in der DDR. In der vergangenen Woche rief Gesine Lötzsch die Eiszeit in Erinnerung, indem sie sich zur Rosa-Luxemburg-Tagung der jungen Welt einladen ließ und vor ihrem Auftritt bei der Podiumsdiskussion zur Frage »Wo bitte geht’s zum Kommunismus?« einen Aufsatz publizierte, ohne darin ein Wort für dessen Opfer zu finden. An der Diskussion nahm sie am Samstag dann nicht teil. Aber sie erschien immerhin, was begeistert quittiert wurde. Sogar Egon Krenz, den die PDS 1990 aus der Partei ausgeschlossen hat, erhob sich ihr zu Ehren.

Im Onlineportal der Süddeutschen unkt Thorsten Benkler, »Frau Lötzsch antwortet sich selbst«:
Gesine Lötzsch bleibt hart: Bei der Berliner Rosa-Luxemburg-Konferenz verteidigt die Linken-Chefin ihren Kommunismus-Aufsatz und läßt sich von linken Splittergruppen feiern. Doch der Applaus kommt aus der falschen Ecke. Es ist berstend voll im Humboldt-Saal. Über 2000 Menschen sollen es sein. Keiner kommt mehr rein. Auch Vertreter der Presse nicht. Es kommt zu Rangeleien. Sie alle wollen zu Gesine Lötzsch, der Vorsitzenden der Partei Die Linke. Zu jener Frau, die Anfang der Woche in einem Gastbeitrag für die marxistisch orien­tierte junge Welt etwas von »Wegen zum Kommunismus« fabuliert hat und daß es dahin nicht nur einen Weg gebe, sondern viele und daß die doch alle mal ausprobiert werden könnten. Wörtlich hat sie geschrieben: »Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.« (…) Im Saal viele Plakate und Transparente von der Qualität »Die Presse lügt!« und »Der Hauptfeind steht im eigenen Land – Kampf dem deutschen Imperialismus«. Wer schon die Linke für sehr links hält, war noch nicht auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz. Im letzten Moment sagt Lötzsch die Podiumsdiskussion ab. Sie begründet das vor Ort nicht. Statt dessen will sie hier eine Rede halten. Eine Verteidigungsrede. Die Veranstalter lassen sie. Doch der Auftritt wird zum neuen Fehltritt der Parteichefin. (…) Am Ende tobt der Saal, in dem auch Egon Krenz lauscht, der letzte SED-Generalsekretär und Staatschef der DDR. Vor 25 Jahren waren Lötzsch und Krenz noch Parteifreunde. Der Beifall ist rhythmisch. Lötzsch wird gefeiert wie eine Jeanne d’Arc der roten Revolutionäre. Der Applaus kommt von jenen, die lieber heute als morgen die Revolution ausrufen würden. Von jenen, die selbst der Linken eigentlich zu links sein müssten, um für andere wählbar zu bleiben. (…) Im Saal hätten viele lieber eine Revolution. Hier gehört Lötzsch nicht zu den Linken – eher zu den Rechten. Unter normalen Umständen hätte eine wie sie hier mit Buhrufen rechnen müssen. Wahrscheinlich wäre das besser gewesen für Lötzsch: Sich bei dieser Konferenz ausbuhen zu lassen, weil sie den demokratischen Sozialismus will und keinen Kommunismus.

Renate Meinhof fragt in der Print­ausgabe der Zeitung über die Rosa-Luxemburg-Konferenz »Wo bitte geht’s hier wieder raus?«:
Weit vor sechs und unten, im Foyer des Urania-Hauses, ging es wirklich sehr friedlich zu. Lauter Abkürzungsstände mit Menschen, die Abkürzungs-T-Shirts tragen und das Bier »Roter Oktober« trinken. Neben den Inter­brigadas steht die FBK, dann die TKP, die SDAJ, das ND, die jW, die DKP, die KPD und, nicht zu vergessen, die zwei Vertreter vom Zentralrat der FDJ in FDJ-Hemden, die Fanfare zu einsfünfzig verkaufend. Daneben der »Freundeskreis Palast der Republik der DDR« und die schön lächelnde Vietnamesin, die bastgeflochtene Lesezeichen verkauft.

Nach fünf aber und oben, vorm Humboldt-Saal, hat dieser Samstag abend der XVI.Rosa-Luxemburg-Konferenz etwas von Straßenkampf mitten im Berliner Westen. Halb sechs ist es hier so brechend voll, daß die Ordner an den Türen überrannt werden. »Scheiß Medienhype«, brüllt einer mit Abkürzungs-T-Shirt vor der Saaltür, »und alles nur wegen der Lötzsch.«

Eckhard Fuhr schreibt im Springer-Blatt Die Welt:
Lötzschs Text hätte eigentlich Grundlage einer Podiumsdiskussion sein sollen, die am Samstag abend im Rahmen der Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Berliner Urania stattfand. Doch es kam nicht dazu. Lötzsch zog es vor, die Debatte zu meiden und vor den 2000 Teilnehmern nur eine Sechs-Punkte-Erklärung zu verlesen. (…) Der Beifall, den sie erntete, war mehr der Solidarität mit dem »Opfer« einer »antikommunistischen Kampagne« geschuldet als ihren politischen Positionen. Die nannte ihre Genossin Ulla Jelpke, ein westdeutsches Linksgewächs mit dem strengen Aroma der revolutionären Anstandsdame, »reformistisch«, womit sie, was man für Lötzsch hoffen muß, völlig recht hat.

Die ausführliche Konferenzberichterstattung der jW-Montagausgabe können Sie im Internet (www.jungewelt.de) nachlesen. Am 26. Januar liegt der Zeitung eine Konferenzbeilage bei mit Auszügen aus den Vorträgen. Pünktlich zur Buchmesse Leipzig erscheint die komplette Dokumentation der XVI. Rosa-Luxemburg-Konferenz als Broschüre.

Abonnieren Sie den Konferenz-Newsletter