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Ideal des Profits

XVI. Rosa-Luxemburg-Konferenz mit großem aufklärerischen Wert. Antikommunismus stellt Nachdenken über die Zukunft unter Generalverdacht
Von Dietmar Koschmieder
140 Medienvertreter und zwölf Kamerateams zeigten auf der Konferenz großes Interesse an den Diskussionen. ­Widergespiegelt wurden sie allerdings nicht
Am Donnerstag besuchten Redakteure des polnischen Fernsehens die junge Welt. Am Freitag kamen französische Kollegen. Zwar gibt es in Deutschland kaum politische Medien, die dieser Tage nicht über die Rosa-Luxemburg-Konferenz und die Diskussion »Wo bitte geht’s zum Kommunismus?« berichtet haben. Aber nur eine deutsche Redaktion hat auch bei junge Welt nachgefragt. Alle anderen wissen auch so, wie Konferenz, Äußerungen von Frau Lötzsch und Provokationen am Rande der Konferenz zu beurteilen sind. Daß die meisten dazu noch nicht einmal den jW-Beitrag von Gesine Lötzsch vom 3.Januar zur Vorbereitung der Diskussion gelesen haben gehört zur Normalität in der deutschen Medienlandschaft: Wichtig ist nicht, was jemand gesagt hat, sondern was man hineininterpretiert. Wenn das Wort »Kommunismus« auftaucht, ohne sofort einen negativen Kontext herzustellen, können offensichtlich viele nicht mehr weiterlesen. Das führt dann zu Meldungen, wie sie die Bild am 6. Januar 2011 veröffentlichte: »Wie nah steht Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch (49) Kommunismus und Terrorismus? (...) Themenwahl und Zusammensetzung der ›Konferenz‹ genannten Zusammenrottung von Linksextremisten sind ein Schlag ins Gesicht aller Opfer von RAF, DDR, Stasi und Stalinismus (…) Zuletzt hatte Lötzsch mit einem Artikel für die marxistische junge Welt für Aufregung gesorgt. Darin erklärt sie die Errichtung des Kommunismus zum Ziel ihrer Partei.« Platter Antikommunismus, wie man ihn seit Jahren kennt. Neu an diesem und ähnlichen Beiträgen ist nur, daß diesmal die junge Welt und die Rosa-Luxemburg-Konferenz als Quelle und Veranstalter korrekt genannt werden.

Erstaunlich ist eher der Antikommunismus, der aus bisher linksliberal verorteten Medien schwappt. Chri­stian Bommarius zum Beispiel hat den Lötzsch-Artikel gelesen und sich sogar die Mühe gemacht, die Rosa-Luxemburg-Konferenz zu besuchen. Was er in der Frankfurter Rundschau (und in gekürzter Form in der Berliner Zeitung) am 11.Januar zum besten gibt, schreibt er deshalb wider besseren Wissens: »Am vergangenen Wochenende haben rote Faschisten sich in Berlin zur Diskussion getroffen«, schätzt er ein. Mobilisiert wird für diese Veranstaltung von Gewerkschaftern, Freidenkern, Medien und Vereinen, Solidaritätsgruppen und sozialen Bewegungen. Sie kommen aus Ost und West, sind jung und alt, arme Schlucker und vermögend. Sie alle eint die Erkenntnis, daß der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte ist. Höchstens das Ende der Menschheit, wenn es nicht gelingt, eine Alternative zu etablieren. Genau darüber wurde auf dieser Konferenz nachgedacht. Und dazu wurden Gäste eingeladen wie der Publizist Moshe Zuckermann, der grüne Linke Gaspár Miklos Támás, führende Gewerkschafter aus Griechenland und Irland und ein venezolanischer Botschafter. Alle rote Faschisten?

Mariam Lau besuchte im Auftrag der Wochenzeitung Die Zeit ebenfalls die XVI.Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz. In der Ausgabe vom 13.Januar kämpft sie für einen konsequenten Antikommunismus. Die Konferenz wird als »Kommunismus-Messe« beschrieben, die Partei Die Linke als Großexperiment, das wegen Unaufrichtigkeit, Sektierertum, Selbstekel gescheitert sei, Gesine Lötzsch habe den Kommunismus ausgerufen. Frau Lau geht aber noch einen Schritt weiter: Die sogenannten Reformer der Linkspartei seien keinen Deut besser als Frau Lötzsch. Als Beleg muß Jan Korte herhalten, obwohl er einer der ersten war, der sich von Frau Lötzsch distanziert hat. In seinem Buch »Instrument Antikommunismus« habe er geschrieben, daß man antikommunistische Ideologie nur von einem unzweifelhaft antistalinistischen Standpunkt zurückweisen könne. »Aber zurückweisen muß man sie. Das steht auch für Reformer fest«, klagt Frau Lau in der Zeit an.

Frau Lau legt damit offen, daß es keineswegs um einen konsequent antistalinistischen Standpunkt geht, sondern um puren Antikommunismus. Die Opfer des sogenannten Stalinismus interessieren nicht wirklich. Das größte Verbrechen der Sowjetunion – und der DDR – ist keineswegs das, was den gezählten und ungezählten Opfern angetan wurde. In Wirklichkeit interessieren die bürgerlichen Medien diese genausowenig wie die Opfer des Kapitalismus, seien es Opfer vieler Militärinterventionen oder Millionen von Hungertoten und anderer Opfer der verheerenden Profitgier bis heute. Die Sowjetunion und die DDR haben gemeinsam mit den anderen sozialistischen Ländern die freie Entfaltung des Kapitalismus behindert, das war ihr größtes Verbrechen, und das wird ihnen bis heute nicht verziehen. Da aber jede Entwicklung hin zu einer sozialistischen oder gar kommunistischen Zukunft nicht funktionieren kann, ohne die Profitlogik als bestimmendes Element der gesellschaftlichen Entwicklung einzuschränken und zu brechen, sind kommunistische und sozialistische Gedanken so verdächtig. Vor allem wenn in der Bevölkerung die Erkenntnis wächst, daß der Kapitalismus keine Zukunft hat.

Das erkennen auch bürgerliche Kräfte immer mehr. Das Nachdenken über die Zukunft nach dem Kapitalismus war noch nie Privileg von Kommunisten und Sozialisten. Thomas Mann formulierte das 1949 folgendermaßen: »Vor der zügellosen Hysterie, in die ein Wort- und Wut-Fetisch wie Kommunismus heute die Menschen versetzt, ist mir schon oft ein Grauen gekommen (...) Der Antikommunismus als moralisches Agitationsmittel gegen die Machtkombination, mit der Rußland die Zusammenfasssung von zwei Dritteln der Hilfsmittel der Erde unter amerikanischer Führung zu parieren versucht, ist innerlich kraftlos, solange er kein Interesse zeigt an der Änderung einer Weltordnung, unter der tausend Millionen Menschen Hunger leiden. Der Kommunismus macht sich anheischig, dieser durch nichts mehr zu entschuldigenden Weltordnung abzuhelfen. Solange die bürgerliche Welt der kommunistischen Verheißung nichts anderes entgegenzustellen hat als das Ideal des Profits und free enterprise in möglichst vielen Ländern, solange wird es schlecht um unsere Aussichten stehen, den Kommunismus aus der Welt zu schaffen.« (Thomas Mann, »J’accuse«, 1949



Mariam Lau, Zeit: www.zeit.de/2011/03/Linkspartei-Kommunismus

Christian Bommarius, Frankfurter Rundschau: www.fr-online.de/politik/meinung/seltsame-gesellschaft-in-der-urania/-/1472602/5199084/-/index.html

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