Wo ist Rosa?
Von Dr. Seltsam
Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte.Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsorten macht. (jW)
Wenn man bedenkt, wie spießig um 1900 selbst fortschrittliche Menschen das Geschlechterverhältnis ansehen, können wir Rosa nur bewundern, wie sie mittels Beziehungs-Networking alles managt. Mit geradlinigem Ehrgeiz verfolgt sie ihre Ziele. Gustav Lübeck sorgt für den Paß, Leo Jogiches zahlt die Miete, Kostja Zetkin teilt ihr Bett, Hans Dieffenbach vererbt ihr sein Vermögen, und Anwalt Levi wird ihr letzter Tröster. Aber die Männer sind für solch ein modernes Leben nicht bereit. Jogiches bedroht sie eifersüchtig mit Revolvern, Kostja findet sie zu anstrengend, Hans wird Soldat, und Levi veröffentlicht später ihre geheimen Gedanken über Rußland und begründet damit den »Luxemburgismus«.
Aber jetzt ist Rosa 27, frisch gebackene Doktorin und zieht im Mai 1898 nach Berlin. Ihre erste Adresse ist die Cuxhavener Straße 2, Gartenhaus links für 120 Mark. Sie entschuldigt sich per Brief bei Jogiches, der bezahlt, für die hohe Miete. Die Adresse gibt es heute nicht mehr. Der Ort heißt heute Klopstockstraße 23. Hier gibt es eine Gedenktafel vom Bezirk für Lovis Corinth, der zur selben Zeit dort lebte, aber nicht für Rosa. Aus dem äußerlich prächtigen Wohnblock schreibt sie entsetzt nach Zürich: »Und erst die Reinlichkeit! Ich weiß nicht, woher das Märchen von den reinlichen deutschen Hausfrauen stammt; ich habe hier noch keine einzige gesehen!«
Überraschend fix schafft sie es in den inneren Führungszirkel der SPD. Sie marschiert einfach in die Katzbachstraße 9 in Kreuzberg: Die erste legale SPD-Zentrale, brave Gedenktafel an der Hauswand: Hier schufen Bebel, Liebknecht , Singer die moderne SPD… Rosa wird von Singer sofort als Wahlkampfhelferin für Schlesien eingesetzt und Parteireferentin. Sie befreundet sich mit Kautsky, Mehring, Zetkin, Bebel und den anderen Größen, Auf »Familien«-Feiern wird gestritten und geflapst. »Rosa, nach der Revolution wird man dich erschießen müssen«, orakelt Papa Bebel, Rosas Antwort: »Oder dich!«
1898 wird sie bereits Chefredakteurin der Sächsischen Arbeiterzeitung, alles im ersten Jahr nach ihrer Ankunft in Berlin! Und sie nutzt ihre Position gleich zur Polemik gegen die Reformisten. Ihre Artikel sind die allerersten gegen Bernstein, und so hilft sie, auf dem SPD-Parteitag vom 3. bis 5. Oktober 1898 in Stuttgart den ideologischen Sieg über den Revisionismus zu erringen. Bebel will die Revolution in der Arbeiterbewegung am Leben erhalten, aber er will auch die Einheit der Partei. Rosa dagegen fordert klar den Ausschluß Bernsteins, ehemals Sekretär von Engels! (In »Sozialreform oder Revolution« 1898/99) Mit 27 Jahren! Wie müssen sich die in mühsamer Ochsentour ergrauten Alten vorkommen, als sie von der jugendlichen begabten Polin runtergeputzt werden?! Ich empfinde Rosa als ganz modernen jungen Menschen: Studieren, die Welt sehen, Doktor machen, mit Chuzpe eine Stelle finden, angestrengt arbeiten. Nur ist sie im Unterschied zu unseren heutigen Yuppies eben antikapitalistisch, kritisch und revolutionär. Für die heutigen Karrieristen in der Linken gilt Ulrike Meinhofs Verdikt: »Wer in der Bewegung nur seine persönliche Lage verbessern will, wird sie über kurz oder lang auch durch Verrat verbessern«. Ignaz Auer, Bayrischer Revisionist, über Rosa Luxemburg: »Diese gescheite Giftnudel wird auch nach Hannover kommen. Ich habe Respekt vor ihr. Sie aber haßt mich aus tiefstem Herzensgrund.«
Wenn man bedenkt, wie spießig um 1900 selbst fortschrittliche Menschen das Geschlechterverhältnis ansehen, können wir Rosa nur bewundern, wie sie mittels Beziehungs-Networking alles managt. Mit geradlinigem Ehrgeiz verfolgt sie ihre Ziele. Gustav Lübeck sorgt für den Paß, Leo Jogiches zahlt die Miete, Kostja Zetkin teilt ihr Bett, Hans Dieffenbach vererbt ihr sein Vermögen, und Anwalt Levi wird ihr letzter Tröster. Aber die Männer sind für solch ein modernes Leben nicht bereit. Jogiches bedroht sie eifersüchtig mit Revolvern, Kostja findet sie zu anstrengend, Hans wird Soldat, und Levi veröffentlicht später ihre geheimen Gedanken über Rußland und begründet damit den »Luxemburgismus«.
Aber jetzt ist Rosa 27, frisch gebackene Doktorin und zieht im Mai 1898 nach Berlin. Ihre erste Adresse ist die Cuxhavener Straße 2, Gartenhaus links für 120 Mark. Sie entschuldigt sich per Brief bei Jogiches, der bezahlt, für die hohe Miete. Die Adresse gibt es heute nicht mehr. Der Ort heißt heute Klopstockstraße 23. Hier gibt es eine Gedenktafel vom Bezirk für Lovis Corinth, der zur selben Zeit dort lebte, aber nicht für Rosa. Aus dem äußerlich prächtigen Wohnblock schreibt sie entsetzt nach Zürich: »Und erst die Reinlichkeit! Ich weiß nicht, woher das Märchen von den reinlichen deutschen Hausfrauen stammt; ich habe hier noch keine einzige gesehen!«
Überraschend fix schafft sie es in den inneren Führungszirkel der SPD. Sie marschiert einfach in die Katzbachstraße 9 in Kreuzberg: Die erste legale SPD-Zentrale, brave Gedenktafel an der Hauswand: Hier schufen Bebel, Liebknecht , Singer die moderne SPD… Rosa wird von Singer sofort als Wahlkampfhelferin für Schlesien eingesetzt und Parteireferentin. Sie befreundet sich mit Kautsky, Mehring, Zetkin, Bebel und den anderen Größen, Auf »Familien«-Feiern wird gestritten und geflapst. »Rosa, nach der Revolution wird man dich erschießen müssen«, orakelt Papa Bebel, Rosas Antwort: »Oder dich!«
1898 wird sie bereits Chefredakteurin der Sächsischen Arbeiterzeitung, alles im ersten Jahr nach ihrer Ankunft in Berlin! Und sie nutzt ihre Position gleich zur Polemik gegen die Reformisten. Ihre Artikel sind die allerersten gegen Bernstein, und so hilft sie, auf dem SPD-Parteitag vom 3. bis 5. Oktober 1898 in Stuttgart den ideologischen Sieg über den Revisionismus zu erringen. Bebel will die Revolution in der Arbeiterbewegung am Leben erhalten, aber er will auch die Einheit der Partei. Rosa dagegen fordert klar den Ausschluß Bernsteins, ehemals Sekretär von Engels! (In »Sozialreform oder Revolution« 1898/99) Mit 27 Jahren! Wie müssen sich die in mühsamer Ochsentour ergrauten Alten vorkommen, als sie von der jugendlichen begabten Polin runtergeputzt werden?! Ich empfinde Rosa als ganz modernen jungen Menschen: Studieren, die Welt sehen, Doktor machen, mit Chuzpe eine Stelle finden, angestrengt arbeiten. Nur ist sie im Unterschied zu unseren heutigen Yuppies eben antikapitalistisch, kritisch und revolutionär. Für die heutigen Karrieristen in der Linken gilt Ulrike Meinhofs Verdikt: »Wer in der Bewegung nur seine persönliche Lage verbessern will, wird sie über kurz oder lang auch durch Verrat verbessern«. Ignaz Auer, Bayrischer Revisionist, über Rosa Luxemburg: »Diese gescheite Giftnudel wird auch nach Hannover kommen. Ich habe Respekt vor ihr. Sie aber haßt mich aus tiefstem Herzensgrund.«
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