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Wo ist Rosa?

Countdown zur Rosa-Luxemburg-Konferenz (5)
Von Dr. Seltsam
Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte.Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsorten macht. (jW)



Mitte Mai 1907 fährt Rosa Luxemburg zum V. Parteitag der (russischen) SDAPR in London. Sie ist Delegierte sowohl der SPD als auch der polnischen SDKPiL und unterstützt in allen Fragen die Bolschewiki. Kurz nach ihrer Rückkehr tritt sie am 12. Juni in Berlin eine Haftstrafe an. »Zwei Monate im Abtritt wohnen«, schreibt sie über die Zeit im Gefängnis Barnimstraße, in das sie 1915 für einen längeren Zeitraum zurückkehren wird (nur einer von neun Knästen, in die sei wegen Majestätsbeleidigung, Aufruf zum Klassenhaß oder Hoch- und Landesverrat gesteckt wurde).

Nichtsdestotrotz fühlt sich Rosa in dieser Zeit endlich eingermaßen gesettelt: Der SPD-Vorstand hat sie als Redakteurin des Vorwärts eingestellt. Durch ihre Anstellung in der Parteischule hat sie erstmals regelmäßige Einkünfte, kann sich ihre Wohnung in der Cranachstraße 58 gut einrichten, kann planen, Urlaub machen.

Auf dem Internationalen Sozialistenkongreß im August 1907 in Stuttgart unterstützt sie mit Lenin folgende Resolution: »Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um den Ausbruch des Krieges durch Anwendung entsprechender Mittel zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern und steigern. Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, sind sie verpflichtet, für dessen rasche Beendigung einzutreten, und mit allen Kräften dahin zu streben, um die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur politischen Aufrüttelung der Volksschichten und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassenherrschaft auszunutzen.« Also: Falls die Imperialisten Krieg anfangen, sollen die Arbeiter mit Revolution antworten.

Am 1. Oktober 1907 wird Rosa anstelle des »Schönen Rudolf« Hilferding Dozentin für Nationalökonomie an der SPD-Parteischule im neuen Vorwärts-Gebäude in Kreuzberg, Lindenstr. 3, 2. Hof, 4 Treppen. Sie erhält 3000 Mark pro Semester. Heute sind Schule, Straße und SPD-Haus komplett vom neuen Mehringplatz überbaut. Kein Denkmal, kein Hinweis. Eine Anfrage bei der Gedenktafel-Kommission Kreuzberg bleibt unbeantwortet. Legt man die alten Straßenpläne über die heutigen, war die Parteischule ungefähr dort, wo die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak ihr »Bürgerbüro« betreibt. Ob die genug Wumm für ein Gedenken an die unbeugsame Kommunistin Rosa hat?

Am 4. Januar 1908 sind Lenin und Krupskaja in der Cranachstr. 58 zu Besuch. »Heute war wieder einer aus Rußland hier und hat mir das Herz ganz wund gemacht«, schreibt sie in einem Brief. Lenin bringt ihr den linken Kalender 1908 mit seinem Bericht vom eingangs erwähnten Sozialistenkongreß, in dem er Rosa sehr lobt. Er hält sie zeitlebens für die bedeutendste Verbündete der Bolschewiki in Deutschland. Der Kampf gegen den drohenden Weltkrieg wurde immer wichtiger, und Lenin forderte die rechtzeitige Loslösung der Linken von der opportunistischen SPD. Luxemburgs Kritik an Lenin wurde später von SPD-Seite überschätzt. Rosa war durchaus für die Diktatur des Proletariats. Ihre berühmtesten Worte waren auf unsere kapitalistische »Pressefreiheit« gemünzt: »Das öffentliche Leben der Staaten mit beschränkter Freiheit ist eben deshalb so dürftig, so armselig, so schematisch, so unfruchtbar, weil es sich durch Ausschließung der Demokratie die lebendigen Quellen allen Reichtums und Fortschritts absperrt. (…) Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.«

In seinem Nachruf auf Rosa bemerkte Lenin: »Ein Adler kann wohl manchmal tiefer hinabsteigen als ein Huhn, aber nie kann ein Huhn in solche Höhen steigen wie ein Adler. Rosa Luxemburg irrte in der Frage der Unabhängigkeit Polens; sie irrte in der Beurteilung des Menschewismus (…), sie irrte in ihren Gefängnisschriften (wobei sie selbst ihre Fehler 1918 korrigierte). Aber trotz aller dieser Fehler war sie und bleibt sie ein Adler. (…) ›Die deutsche Sozialdemokratie ist nach dem 4. August 1914 ein stinkender Leichnam‹ – mit diesem Ausspruch wird ihr Name in die Geschichte der Arbeiterbewegung der ganzen Welt eingehen.«

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