Wo ist Rosa?
Von Dr. Seltsam
Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte. Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsorten macht. (jW)
Rosa ist 1916 nur ein halbes Jahr auf freiem Fuß. Sie beginnt die Herausgabe der »Spartakusbriefe« zur Sammlung der linken Opposition. Nummer eins erscheint am 20. September 1916, die Nummer 12 im Oktober 1918. Die Gruppe Internationale heißt nun Spartakusgruppe, später dann sogar KPD/Spartakus.
Mir erscheint das ein etwas unglücklich gewählter Name, denn dieser antike Sklavenaufstand, die »gewaltigste Tatsache der alten Geschichte« (Marx) war nach langen Kämpfen furchtbar gescheitert, etwa 4000 Sklaven wurden gekreuzigt.
Auch der deutsche Spartakusaufstand wird auf ähnliche Weise enden. Rosa wird in Berlin ohne Gerichtsurteil von der Militärverwaltung am 10. Juli 1916 in sogenannte Sicherheitshaft genommen, zunächst im Polizeigefängnis Alexanderplatz (dort war in den zwanziger Jahren die Karstadt-Hauptverwaltung), am 27. Juli landet sie wieder im Weibergefängnis Barnimstraße, danach bis 9. November 1918 in den Festungsgefängnissen Wronke und Breslau.
Die SPD-Regierung amnestiert Ende Oktober 1918 alle politischen Gefangenen, nur nicht Rosa. Sie protestiert und wird am 9. November aus dem Breslauer Knast entlassen. Deshalb kann sie nicht dabei sein, als die Revolution Berlin erreicht.
Trotz der grauenhaften Abgeschlossenheit und politischen Hoffnungslosigkeit entsteht in Wronke ein literarisches Meisterwerk, der »Büffelbrief«, den sie im Dezember 1917 an Sonja Liebknecht schreibt, ein tröstlicher Weihnachtstext für alle einsamen Revolutionäre. Karl Kraus, der Meister der Sprache, bekam 1920 diesen Brief in die Hände und verlas ihn mehrmals vor großem Publikum, als Ausdruck höchster Anerkennung für dessen lyrische Kraft.
An einem schweren Wintertag sieht Rosa im Gefängnishof ein Büffelgespann und muß erleben, wie ein Soldat auf die Zugtiere einschlägt, bis sie zusammenbrechen. Zur Rede gestellt, sagt der Soldat: »Mit uns hat ja auch keiner Mitleid!« Damit ist alles gesagt.
In seiner Zeitschrift Die Fackel druckt Karl Kraus den Brief einer ungarischen Gutsbesitzerin ab, die meint, wenn Rosa bei Blumen und Tieren geblieben wäre, »hätte sie wohl nicht Bekanntschaft mit dem Gewehrkolben gemacht«. Kraus kommentiert diesen Brief. Die Gutsbesitzerin muß sich bei ihm quasi einer literarisch-moralischen Auspeitschung unterziehen. »Der Kommunismus (…), der Teufel hole seine Praxis, aber Gott erhalte ihn uns als konstante Drohung über den Häuptern jener, so da Güter besitzen (…), damit sie wenigstens doch auch mit einem Alpdruck zu Bette gehen!« (Karl Kraus Band 16)
Der »Büffelbrief« und Kraus’ Kommentar gehören zum Besten was in deutscher Sprache jemals verfaßt worden ist. Bei jedem Rosa-Gedenken sollte daraus ausgiebig zitiert werden.
Rosa ist 1916 nur ein halbes Jahr auf freiem Fuß. Sie beginnt die Herausgabe der »Spartakusbriefe« zur Sammlung der linken Opposition. Nummer eins erscheint am 20. September 1916, die Nummer 12 im Oktober 1918. Die Gruppe Internationale heißt nun Spartakusgruppe, später dann sogar KPD/Spartakus.
Mir erscheint das ein etwas unglücklich gewählter Name, denn dieser antike Sklavenaufstand, die »gewaltigste Tatsache der alten Geschichte« (Marx) war nach langen Kämpfen furchtbar gescheitert, etwa 4000 Sklaven wurden gekreuzigt.
Auch der deutsche Spartakusaufstand wird auf ähnliche Weise enden. Rosa wird in Berlin ohne Gerichtsurteil von der Militärverwaltung am 10. Juli 1916 in sogenannte Sicherheitshaft genommen, zunächst im Polizeigefängnis Alexanderplatz (dort war in den zwanziger Jahren die Karstadt-Hauptverwaltung), am 27. Juli landet sie wieder im Weibergefängnis Barnimstraße, danach bis 9. November 1918 in den Festungsgefängnissen Wronke und Breslau.
Die SPD-Regierung amnestiert Ende Oktober 1918 alle politischen Gefangenen, nur nicht Rosa. Sie protestiert und wird am 9. November aus dem Breslauer Knast entlassen. Deshalb kann sie nicht dabei sein, als die Revolution Berlin erreicht.
Trotz der grauenhaften Abgeschlossenheit und politischen Hoffnungslosigkeit entsteht in Wronke ein literarisches Meisterwerk, der »Büffelbrief«, den sie im Dezember 1917 an Sonja Liebknecht schreibt, ein tröstlicher Weihnachtstext für alle einsamen Revolutionäre. Karl Kraus, der Meister der Sprache, bekam 1920 diesen Brief in die Hände und verlas ihn mehrmals vor großem Publikum, als Ausdruck höchster Anerkennung für dessen lyrische Kraft.
An einem schweren Wintertag sieht Rosa im Gefängnishof ein Büffelgespann und muß erleben, wie ein Soldat auf die Zugtiere einschlägt, bis sie zusammenbrechen. Zur Rede gestellt, sagt der Soldat: »Mit uns hat ja auch keiner Mitleid!« Damit ist alles gesagt.
In seiner Zeitschrift Die Fackel druckt Karl Kraus den Brief einer ungarischen Gutsbesitzerin ab, die meint, wenn Rosa bei Blumen und Tieren geblieben wäre, »hätte sie wohl nicht Bekanntschaft mit dem Gewehrkolben gemacht«. Kraus kommentiert diesen Brief. Die Gutsbesitzerin muß sich bei ihm quasi einer literarisch-moralischen Auspeitschung unterziehen. »Der Kommunismus (…), der Teufel hole seine Praxis, aber Gott erhalte ihn uns als konstante Drohung über den Häuptern jener, so da Güter besitzen (…), damit sie wenigstens doch auch mit einem Alpdruck zu Bette gehen!« (Karl Kraus Band 16)
Der »Büffelbrief« und Kraus’ Kommentar gehören zum Besten was in deutscher Sprache jemals verfaßt worden ist. Bei jedem Rosa-Gedenken sollte daraus ausgiebig zitiert werden.
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