Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Geiseln des Staates

Seit vier Jahren sind die früheren Vorsitzenden der linken Oppositionspartei HDP in der Türkei inhaftiert
Von Nick Brauns
Protest gegen die Inhaftierung von HDP-Chef Selahattin Demirtas (Istanbul, 13.11.2016)

In der Nacht auf den 4. November 2016 wurden Selahattin Demirtas und Figen Yüksedag, die Vorsitzenden der linken Demokratischen Partei der Völker (HDP), in der Türkei festgenommen. Die Inhaftierung unter dem Vorwurf der »Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation« erfolgte auf direkten Wunsch von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der in Demirtas seinen entschiedensten innenpolitischen Herausforderer sah.

Der kurdische Rechtsanwalt erfreut sich dank seiner volksnahen und humorvollen Art großer Beliebtheit nicht nur unter der kurdischen Bevölkerung, sondern erreichte auch liberale Kreise in der Westtürkei. So war ihm bei der Präsidentschaftswahl 2014 aus dem Stand heraus mit fast zehn Prozent der Stimmen ein Achtungsergebnis auf dem dritten Platz gelungen.

Zum Todfeind machte sich Demirtas den damaligen Ministerpräsidenten Erdogan im März 2015. Vor der HDP-Fraktion trat Demirtas Gerüchten entgegen, seine Partei sei bereit, dem von Erdogan angestrebten Umbau der Republik zum Präsidialsystem und seiner Wahl zum Staatschef im Gegenzug für mehr kulturelle Rechte für die Kurden zuzustimmen. »Dreckige Kooperationen haben nie stattgefunden, werden auch nie stattfinden«, erklärte Demirtas. Er beendete seine Rede mit der klaren Ansage: »Recep Tayyip Erdogan, solange die HDP in diesem Land existiert, wirst du kein Präsident sein.« Kurz darauf erklärte Erdogan die weitreichenden Abmachungen für eine politische Lösung der kurdischen Frage, die unter Vermittlung von Demirtas und der HDP zwischen dem inhaftierten Vordenker der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, und dem Staat getroffen worden waren, für null und nichtig.

Als es der HDP bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 gelang, mit 13 Prozent als erste prokurdische Partei in der Geschichte der Türkei über die Zehn-Prozent-Hürde zu kommen und damit die AKP um ihre absolute Mehrheit zu bringen, beendete Erdogan den Friedensprozess offiziell. Statt dessen beschloss die Regierung einen Plan zur Vernichtung der HDP. Ihre Hochburgen wie die Altstadt von Diyarbakir oder die Städte Nusaybin und Sirnak wurden von der Armee regelrecht dem Erdboden gleichgemacht. Die von der HDP gestellten Bürgermeister wurden abgesetzt und durch Zwangsverwalter ersetzt. Wie die Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) in einer Ende vergangener Woche vorgelegten Studie aufzeigte, wurden seit Sommer 2015 rund 20.000 HDP-Mitglieder festgenommen. Die Hälfte von ihnen wurde anschließend inhaftiert. »Wir werden als politische Geiseln gefangengehalten«, hatte Demirtas, der seit seiner Verhaftung im Hochsicherheitsgefängnis der westtürkischen Stadt Edirne festgehalten wird, einmal erklärt.

Im türkischen Parlament wurde vergangene Woche die Aufhebung der Immunität von 18 weiteren Parlamentariern verschiedener Oppositionsparteien beantragt. Neben der HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan ist diesmal auch der Vorsitzende der kemalistischen CHP, Kemal Kilicdaroglu, betroffen. 2016 hatte Kilicdaroglu selbst noch für die Aufhebung der Immunität der HDP-Abgeordneten gestimmt und so den Weg für die Inhaftierung von Demirtas freigemacht.

Als Demirtas vor vier Jahren verhaftet wurde, war er bereits als Redner für die von der Tageszeitung junge Welt organisierten Rosa-Luxemburg-Konferenz 2017 angekündigt. Die jW hat seither nicht lockergelassen und ihn jedes Jahr wieder eingeladen, auch zur nächsten – aufgrund der Coronapandemie diesmal nur online stattfindenden – Rosa-Luxem­burg-Konferenz 2021.

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