Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Radhika Desai: Deindustrialisierung des Westens ermöglichte Aufstieg Chinas

XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz: Ursachen von »Welt-Kreditokratie« und ökonomischer Krise
Zugeschaltet aus Kanada stellte Radhika Desai die Frage, wie es dem neoliberalen finanzgetriebenen Kapitalismus gelingen konnte, die Nachkriegsverhältnisse zu untergraben

Die USA haben einen neuen kalten Krieg gegen China begonnen, nachdem sie vergeblich jahrzehntelang darauf gesetzt haben, das Land für den Neoliberalismus zu gewinnen. Dieser neue kalte Krieg ist ernster für die USA als der frühere: Heute stehen sich nicht zwei vergleichbare Rivalen gegenüber, sondern Abstieg auf der einen und Aufstieg auf der anderen Seite. Diese These stellte die indisch-kanadische Wirtschaftswissenschaftlerin Radhika Desai ihrem Referat voran. Sie griff das Thema ihres Vortrags auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz von 2015 auf und gab ihren aktuellen Ausführungen den Titel: »Der alte Kalte Krieg hat den Kommunismus nicht besiegt, aber der neue Kalte Krieg kann den Kapitalismus besiegen«. Die an der Universität von Manitoba in Winnipeg lehrende Professorin brachte 2013 das Buch »Geopolitische Ökonomie. Die Nachfolgerin von US-amerikanischer Hegemonie, Globalisierung und Imperialismus«, das im Oktober 2020 in deutscher Sprache im Mangroven-Verlag erschien.

Auf der diesjährigen Konferenz stellte sie die Frage: Wie gelang es dem neoliberalen finanzgetriebenen Kapitalismus die Nachkriegsverhältnisse, darunter sozialistische Gesellschaften, zu untergraben? Die Antwort liege in der Reinkarnation des kriminell finanzialisierten britischen Kapitalismus des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts sowie im US-Kapitalismus Ende des 20. Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Sie geht zurück auf die Antizipation von »Monopol« und »Finanzkapital« bei Marx und Hilferding, die der Meinung waren, das werde zum Sozialismus führen. Diese Vorhersagen traten nicht ein, weil die USA die britische Dominanz übernahmen – finanziell, mit ihrer Währung und auch territorial. Das scheiterte um 1970 herum und veranlasste die USA, einen erneuten Versuch zu starten, endgültig die Dominanz des Dollars zu sichern.

Das wiederum führte dazu, dass dieser finanzgetriebene Kapitalismus, der von einem gefährlichen und volatilen Dollarsystem bestimmt wurde, eine wahre »Welt-Kreditokratie« hervorbrachte. Entgegen der Rhetorik von Wettbewerb wurden dabei aber völlig veraltete Wirtschaftsstrukturen erhalten: Voran kamen allein riesige Konzerne, die nicht nur die Arbeiterklasse schwächten, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen. Im produktiven Sektor war das Resultat eine Deindustrialisierung des Westen durch globale Lieferketten. Das ermöglichte den Aufstieg Chinas. In der Folge förderte dies die Finanzspekulation und führte zur Stagnation. Nun entstehen in Russland, der EU und China neue Währungssysteme, die das Dollarsystem und dessen Dominanz untergraben. Damit endet historisch die Periode, in der die USA den westlichen Kapitalismus anführten. Es schien für Jahrzehnte, als seien Marx, Hilferding, aber auch Keynes und Polanyi mit ihren Vorstellungen von Sozialismus und Wohlfahrtsstaat überholt. Die Frage danach stellt sich aber neu. Obwohl die Sowjetunion nicht überlebte: Sie eröffnete das Eröffnungskapitel des Sozialismus, ohne das der Erfolg Chinas unvorstellbar ist. Desai machte klar: Es wird sich zeigen, dass der Weg zum Sozialismus durch nationale Bewegungen gebahnt werden wird. (as)

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