75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Freitag, 22. November 2024, Nr. 273
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €

Amazon im Kreuzfeuer

Diskussionsrunde zum Abschluss der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
Die Diskutanten: Fátima Aguado Queipo (oben links), Massimo Mensi (oben rechts), Timothy Bray (unten links), Stefan Huth (unten rechts)
Live im Studio: Orhan Akman von Verdi
Stefan Huth (r.), jW-Chefredakteur

Das Geschäftsmodell des Internetgiganten ist perfide: Ausbeutung und Kontrolle. Methoden, mit denen Amazon zum Extraprofiteur in der Coronapandemie aufgestiegen ist. Nur ein Detail: Konzernboss Jeffrey Bezos wechselt sich aktuell mit Tesla-Gründer Elon Musk in der Poleposition der Gigareichsten ab. Grund genug, um die XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz mit einer Diskussionsrunde dazu abzuschließen – Titel: »Krisengewinnler Amazon«. Durch das Gespräch des hochkarätig besetzten Podiums führte junge Welt-Chefredakteur Stefan Huth. Es diskutierten lebhaft: Timothy Bray (USA), ehemaliger Vizepräsident bei Amazon Web Services (AWS), Orhan Akman (BRD), Verdi-Bundesfachgruppenleiter für den Einzel- und Versandhandel, Fátima Aguado Queipo (Spanien), Gewerkschaftssekretärin CCOO und Massimo Mensi (Italien), Sekretär für internationale Beziehungen der Gewerkschaft CGIL.

Den Auftakt machte Bray, der wegen des unzureichenden Pandemieschutzes im Mai 2020 bei Amazon ausgestiegen ist. Seine Kritik geht indes weiter. »Aufgrund des Effizienzdiktats in den Versandzentren haben die Beschäftigten keinen Moment der Ruhe«, so Bray. Eine Auspressung menschlicher Arbeitskraft, die teilweise durch den Einsatz von Robotern flankiert wird. In letzter Konsequenz, sagte Bray, gehe es um die Zerschlagung der Bigtech-Monopolisten, also auch um das Ende von Amazon in seiner bisherigen Unternehmensstruktur. Starke Worte.

Die Kollegin Queipo von der spanischen CCOO verwies auf die Schwierigkeiten, engagierte Gewerkschafter in den Amazon-Standorten zu finden. Zudem attackieren gelbe, unternehmernahe Pseudogewerkschaften Arbeiterinteressen. Das Problem: »Aktuell sind wir nur in neun von landesweit 30 Amazon-Zentren organisiert«, so Queipo. Und sie lässt keinen Zweifel aufkommen, Amazon sei eine Art Monstrum.

Eine Masche des Onlineriesen ist des weiteren, dass er sich in armen, strukturschwachen Regionen ansiedelt. Der Grund: »Hier herrscht eine große Erwerbslosigkeit, hier findet der Konzern gewissermaßen sein Rohmaterial für seine Profite«, schilderte Mensi von der CGIL aus Italien. Und Beschäftigte, die aufmucken, werden sofort mit Sanktionen belegt, intensiv kontrolliert.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass Amazon das berüchtigte US-Sicherheitsdienstunternehmen Pinkerton beauftragte, um Umweltschützer und Gewerkschafter zu observieren. Nicht nur das: In Annoncen wirbt der Onlineriese um militärisches Fachpersonal für Jobs in Führungsetagen.

Aber es gibt längst gewerkschaftliche Gegenwehr. Auch hierzulande, betonte Akman von Verdi. Seit acht Jahren führt die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft einen Arbeitskampf – mit Erfolg: »In immer mehr Amazon-Versandzentren haben sich Betriebsräte gebildet«, bilanzierte der Gewerkschafter. Vor allem sind Beschäftigtenvertreter ein Garant für Streiks. Mit Arbeitsausständen protestierten in den vergangenen Monaten Kollegen mehrmals an den Versanddrehscheiben des Konzerns. Es geht um die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels durch die Bosse. »Die Demokratie darf nicht vor dem Betriebseingang enden«, machte Akman klar.

Gegen das Bezos-Imperium mit seiner enormen Finanzmacht vernetzen sich Gewerkschafter international. Alle Diskutanten betonten die Solidarität untereinander. Bezos Exmitarbeiter Timothy Bray blieb das Schlusswort vorbehalten: »Amazon agiert inmitten eines kaputten Systems.« (or)

Abonnieren Sie den Konferenz-Newsletter