»Er war ein deutscher Tschapajew«
Interview: Alexander ReichIhr Theaterensemble SiDat! wird bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK) am 8. Januar in Berlin eine Szene über Max Hoelz (1889–1933, jW) aufführen. Was für ein Kommunist war das?
Er war ein Anarchist, er nahm den Reichen und gab den Armen. Er war ein deutscher Tschapajew im Kampf gegen den Kapp-Putsch. Im Kerker erkannte Hoelz, dass spontanes Handeln seine Grenzen hat, und erklärte sich unlösbar verbunden mit der KPD und der Roten Hilfe. Ich finde, das eine kommt nicht aus ohne das andere.
Die Szene, die wir spielen, stammt aus dem Theaterstück »Die Hellen Haufen« nach der gleichnamigen Erzählung von Volker Braun, Bühnenfassung von mir, aufgeführt 2014 im Theaterforum Kreuzberg.
Die Szene beginnt mit dem »Max-Hoelz-Marsch«, den Erich Mühsam 1920 in Haft auf die Melodie eines Tiroler Volkslieds gedichtet hat. Es singt ein »Frauenchor«, sagt die Regieanweisung, und zwar »leicht und zärtlich«. Wie kam es zu dieser inszenatorischen Festlegung?
Das habe ich von Hanns Eisler gelernt. Wovon man überzeugt ist, das kann man freundlich sagen oder singen. Hören Sie sich das »Lob des Kommunismus« von Brecht und Eisler an. Zärtlicher geht’s nicht.
Zwischen den Strophen, in denen sich der Bürger die Hosen vollmacht und Sozibonzen fürs heilige Kapital zetern, wird aus Volker Brauns Erzählung zitiert, in der sich Bergarbeiter im Eichsfeld gegen die Kolonialherren von der Treuhand erheben. Warum ist so ein Aufstand in den 90ern ausgeblieben, fehlte ein Max Hoelz?
Bei Volker Braun und in meiner Bühnenfassung findet der Aufstand statt und wird vom Militär zusammengeschossen. 2008 sinnierte ein Minister, im Stück heißt er Schäufele, über den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Brauns Buch erschien 2009. Im Programmheft habe ich Lenin zitiert: »Die Aufforderung zum Aufstand ist eine äußerst ernste Aufforderung. Je höher die Organisation der Staatsmacht und je vollkommener die Militärtechnik ist, desto unzulässiger ist es, eine solche Losung leichtsinnig auszugeben.«
In der Szene folgen Anekdoten aus Hoelz’ Leben, die einem anderen Buch von Volker Braun entnommen sind, »Das unbesetzte Gebiet«. Da taucht der Revolutionär als Robin Hood in Kauf-, Schützen- und Rathaus auf, schließlich auf einer Polizeiwache. Hätte man das nicht spielen statt nur proklamieren können?
Das zu spielen ergäbe puren Naturalismus. Ein großes Thema wie die »Hellen Haufen« braucht eine große Form. Meine Bühnenfassung ist ein szenisches Oratorium. Die gesprochenen, zum Teil gesungenen Texte sind in Noten fixiert. Die Geschichte wird erzählt durch Haltungen.
Wie ist dieses Oratorium überhaupt entstanden?
2014 gelangte der Geheimvertrag über die Schließung der Kaligruben von Bischofferode ans Licht, getarnt als »Fusion« mit dem westdeutschen Konkurrenten Kali & Salz. Daraufhin schrieb ich das Stück. Die Max-Hoelz-Szene ist darin eine von 21. Sie ist im Kontext zu verstehen.
Kontext werden wir auch in unserer Präsentation auf der RLK bieten. Der heldenhafte, in seiner Demut tragische Kampf der Kalikumpel wird vorkommen, der Streit der Philosophen, was Volkseigentum ist, und die zwölf Mansfelder Artikel von den gleichen Rechten aller – ein Text, den Volker Braun gern als Postkarte verschickt. Das Kunststück wird sein, das alles in 20 Minuten unterzubringen.
Der letzte Sprechtext in der Szene stammt aus Hoelz’ berühmter Rede vor Gericht im Juli 1921. Der Auszug endet mit der Bestimmung proletarischer Ehre als tätiger Nächstenliebe. Es hätte weniger biblische Stellen gegeben. Wie fiel diese Entscheidung?
Hoelz war einmal ein sehr frommer Mensch, bevor er ein Kämpfer wurde. Wenn man die Bibel marxistisch liest und nicht so, wie es die Kirche gern hätte, ist sie ein revolutionäres Buch.
Peter Wittig war Meisterschüler an der Akademie der Künste zu Berlin, DDR, und Oberspielleiter in Greifswald. Seit 1995 ist er freischaffender Regisseur, u. a. an der Staatsoper Jekaterinburg (Russland), seit 2002 Leiter des Simon-Dach-Projekttheaters (SiDat!): www.sidat-pro.de
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