Max Hoelz ist wieder da – in Bischofferode!
Von Andreas Hahn»Andere machen Kreuzfahrten, wir machen Theater.« Peter Wittig erscheint im Interview auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin recht frohgemut, obwohl er seine Produktionen mit dem Simon-Dach-Projekttheaters Berlin (SiDat!) , wie er sagt, »aus eigener Tasche bezahlen muss«. Die abgelehnten Förderanträge stapeln sich, sagt er. Doch wie heißt es in seinem Stück später in einem der »zwölf Mansfelder Artikel von den gleichen Rechten aller? Nicht den Gewinn maximieren, sondern den Sinn«.
Wegen des begrenzten Platzes in der jW-Ladengalerie hat Wittig nicht sein Ensemble, sondern eine Videoproduktion mit drei längeren Szenen aus seiner Dramatisierung von Volker Brauns Erzählung »Die hellen Haufen« im Repertoire. »Nicht perfekt, ich habe es schließlich selbst gemacht«, sagt er bescheiden.
Die Produktion handelt von einem fiktiven, aber denkbaren Arbeiteraufstand. Historischer Hintergrund sind die Arbeiterproteste gegen die Schließung der Kaligruben von Bischofferode 1993. Es war eine als Fusion getarnte, man muss wohl sagen, feindliche Übernahme durch die damalige Kali & Salz AG (heute das Kasseler Bergbauunternehmen K + S AG).
Stellvertretend für politische Militanz stehen in dem Stück Anekdoten aus dem Leben des unorthodoxen Kommunisten Max Hoelz, der selbst 1919/20 im Vogtland die historischen Arbeiteraufstände führte, später im Mitteldeutschen Aufstand die Revolte anführte.
Wittigs Video ist wie sein Stück ein szenisches Oratorium. Ein Chor deklamiert im Sprechgesang. Es wird viel zitiert und parodiert in dem Video. Den Auftakt macht Novalis (von bürgerlichem Beruf bekanntlich Bergbauingenieur): »Der ist der Herr der Erde, / Wer ihre Tiefen misst, / Und jeglicher Beschwerde / In ihrem Schoß vergisst. / Wer ihrer Felsenglieder / Geheimen Bau versteht,/ Und unverdrossen nieder / Zu ihrer Werkstatt geht.« Eine Kleistsche Anekdote »aus dem letzten preußischen Kriege« wird ebenfalls charmant zweckentfremdet.
Selbstredend erklingt auch Erich Mühsams in Festungshaft geschriebener »Max-Hoelz-Marsch«: »Genossen, zu den Waffen / Heraus aus der Fabrik / Sprung auf, marsch marsch! Es lebe die Räterepublik (…).« Mit dem wiederkehrenden »Max Hoelz ist wieder da«. Und da die geplante Umbenennung der Max-Schmeling-Halle in Max-Hoelz-Halle in diesem Jahr leider der Seuchenprävention zum Opfer fallen musste, gehört das letzte Wort Max Hoelz, aus dessen berühmter »Anklagerede gegen die bürgerliche Gesellschaft«, vor dem Moabiter Sondergericht am 22. Juni 1921 in Berlin: »Ich war aus dem Kriege als Pazifist heimgekehrt. Aber aus den Vorgängen im Vogtlande und meiner anschließenden Beschäftigung mit der Theorie und Praxis des Klassenkampfes lernte ich, dass sich die Befreiung der Arbeiterschaft nicht im wirtschaftlichen Kampfe durchzusetzen vermag, sondern dass ein Kampf um die politische Macht notwendig ist, der mit allen Mitteln der Gewalt geführt werden muss, weil die Bourgeoisie die wirtschaftliche Knechtung der Arbeiterschaft mit allen Mitteln der Gewalt aufrecht zu erhalten sucht.« Die Zukunft ist ein unbesetztes Gebiet. Sagt man.
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