»Das zeigt, wie brisant das Bild noch heute ist«
Interview: Kristian StemmlerAm 14. Januar 2023 findet unter dem Motto »Den dritten Weltkrieg stoppen – jetzt!« die XXVIII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK) in Berlin statt. Zur Ausgestaltung der Räumlichkeiten der Konferenz haben Sie ein thematisch sehr gut passendes Bild angeboten – eine Reproduktion des berühmten Picasso-Gemäldes »Guernica«. Wie sind Sie zu diesem Bild gekommen?
Die Reproduktion ist im Frühjahr 2003 im Rahmen einer Aktion in der Lüneburger Fußgängerzone entstanden. Das war damals die Zeit, als der Zweite Irak-Krieg begann. Auslöser unserer Aktion war eine Pressemeldung in der Lüneburger Landeszeitung. In der ging es damals darum, dass eine Kopie des Bildes »Guernica« im UN-Hauptgebäude in New York verhangen werden musste, weil der US-Außenminister Colin Powell dort eine Rede hielt und um Unterstützung für das Vorgehen im Irak warb.
Als Friedensinitiative sind wir damals gegen diesen Krieg und eine deutsche Beteiligung daran auf die Straße gegangen. In diesem Zusammenhang kam die Idee auf, eine Kopie des Bildes zu erstellen. Wir entschieden uns spontan zu einer Straßenmalaktion: An mehreren Sonnabendvormittagen haben wir auf der Einkaufsstraße in Lüneburg das Bild mit Acryl auf Leinwand kopiert, und zwar etwa halb so groß wie das Original.
Was bedeutet das Bild für Sie?
Das Werk ist eine eindeutige Anklage gegen den Krieg. Im April 1937 vernichteten Bomber der deutschen »Legion Condor« die baskische Stadt Guernica. Picasso malte das Bild unter dem Eindruck der flächendeckenden Zerstörung für den Pavillon der Spanischen Republik auf der Pariser Weltausstellung. Wie brisant das Werk noch heute ist, zeigt die Tatsache, dass es aus Anlass der Rede von Colin Powell verhängt werden musste.
Lüneburg hat auch eine direkte Verbindung mit dem Angriff auf Guernica.
Ja. In Lüneburg war einer der Militärflughäfen der »Legion Condor«. Die Straße, die zu dem Flugplatz führte, trug mehrere Jahre den Namen »Legion-Condor-Straße«. Der für die Bombardierung Guernicas verantwortliche Offizier, Wolfram Freiherr von Richthofen (1895–1945, jW), wohnte eine Zeit lang in Lüneburg. Das Haus, in dem er lebte, heißt bei Alteingesessenen heute noch Richthofen-Villa. Zudem gab es an zentraler Stelle in der Stadt ein Kriegerdenkmal aus dem Zweiten Weltkrieg, das Verbrechen der deutschen Luftwaffe verherrlicht hat. Nachdem es in den 80er Jahren von Friedensfreunden teils abgerissen worden war, wurde es später ganz abgebaut.
Wo ist Ihre Reproduktion bislang eingesetzt worden?
Unser Plan war schon bei der Herstellung, dass es in Lüneburg für die Bildungsarbeit verwendet wird. Wir haben einen Text dazu verfasst und Schulen angeschrieben. Die Kopie ist in den Folgejahren an verschiedenen Schulen gezeigt worden, auch an der Universität, in der Fachhochschule, bei Ausstellungen, Veranstaltungen und zum Beispiel am 1. Mai.
Zur Rosa-Luxemburg-Konferenz soll Ihr Werk erneut der Öffentlichkeit präsentiert werden. Wie kam es dazu?
Das Bild liegt bei mir zusammengerollt im Keller, weil es seit einiger Zeit nicht mehr eingesetzt worden ist. Es ist sehr aufwendig, es zu transportieren und aufzubauen. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine kam mir dann der Gedanke: Wir müssen damit noch etwas machen. Eine Idee war, das Bild zu zerschneiden, die Teile zu verkaufen und das Geld dann zu spenden. Dann aber haben wir uns gesagt: Das können wir nicht machen. Dann bot ich es für die Rosa-Luxemburg-Konferenz an. Wir würden uns sehr freuen, wenn das Bild in Berlin bleiben könnte. Verschiedene Institutionen dort könnten das Bild als längerfristige Leihgabe übernehmen.
Siegfried Berneis ist Friedensaktivist in Lüneburg
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