Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aufstehen gegen Krieg und Krise

Die Ampel versucht die »Heimatfront« ruhig zu halten – im Interesse des Kapitals
Von Melina Deymann
Ein in diesem Jahr selten aufgezeigter Zusammenhang – Demonstration gegen die Teuerungen in Stuttgart (22.11.2022)

Traditionell bildet die Podiumsdiskussion den Abschluss der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Sie steht dieses Mal unter dem Motto »Kämpfen in der Krise. Der Krieg und die soziale Frage«. Wie in den Jahren zuvor, haben wir die Diskutantinnen und Diskutanten auch in diesem Jahr gebeten, ihren Standpunkt zum nämlichen Thema vorab vorzustellen. (jW)

»Jetzt ist nicht die Zeit für kapitalismuskritische Grundsatzdebatten, sondern für effektives Handeln in der Realität« – mit diesen Worten begründet Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), ihre Kritik an den Regularien der Energiepreisbremse. Sie zielt damit nicht auf die unfassbare Profitmacherei auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung, die mit dieser Maßnahme zementiert wird, nein, sie bemängelt, dass Unternehmen bei Zuwendungen von mehr als 50 Millionen Euro gemäß dieser Bestimmungen keinerlei Boni und Dividenden mehr zahlen dürfen. Vereinfacht gesagt: Die Vorsitzende des DGBs ist dafür, dass diejenigen, die in diesem Land so tatsachenverdrehend »Arbeitnehmer« genannt werden, Boni und Dividenden für ihre Bosse und Aktionäre bezahlen. Sonst drohe Deindustrialisierung und Arbeitsplatzverlust. Fahimi hatte bereits das dritte verpuffte »Entlastungspaket« als »insgesamt beeindruckendes Paket« bezeichnet, das die Ampel in »einer Zeit historisch beispielloser Herausforderungen« beschlossen habe.

Gewerkschaften einbinden

Das Monopolkapital hat in Deutschland immer wieder gute Erfahrungen damit gemacht, SPD und Grüne mit Regierungsverantwortung auszustatten, wenn es darum ging, »unpopuläre« Entscheidungen treffen zu lassen. Beispiele hierfür sind der Krieg gegen Jugoslawien – der erste Angriffskrieg unter Beteiligung Deutschlands seit 1945 – und die Durchsetzung der Agenda 2010, die Einführung der »Hartz-Gesetze« – die schärfsten Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiterbewegung seit 1945.

Das Wichtigste für das Monopolkapital: Mit einer solchen Regierung kann es gelingen, die Gewerkschaftsbewegung ruhig zu halten, weiter auf Kriegskurs zu bleiben und die Kriegs- und Krisenlasten geräuschlos auf die Werktätigen abzuwälzen. Das ist, Stand heute, mit der Ampelregierung und einer in allen grundsätzlichen Fragen übereinstimmenden CDU/CSU weitgehend gelungen. Große Teile der Gewerkschaften verteidigen den NATO-Kurs, sind für Waffenlieferungen an die Ukraine und kritisieren die deutsche Hochrüstung nur verhalten. Lediglich einzelne Ortsverbände des DGB und seiner Einzelgewerkschaften stellen sich deutlich gegen Krieg und Hochrüstung.

Dabei ist klar, dass Deutschland den Krieg, der gerade in der Ukraine eskaliert, nicht nur billigend in Kauf genommen hat, sondern zu seinen Verursachern zählt. Man denke an die fortgesetzte NATO-Osterweiterung, de facto eine Einkreisung der Russischen Föderation, die »schnelle Eingreiftruppe« der NATO, jetzt unter deutscher Führung, und nicht zuletzt das Mitmischen beim Maidan-Putsch in der Ukraine, bei dem der damalige SPD-Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sich auch einem Schulterschluss mit den Faschisten nicht verweigerte. Nun hat auch Exbundeskanzlerin Angela Merkel zugegeben, dass »Minsk II« – bei dem die Bundesrepublik Garantiemacht war – nie ein ehrlicher Versuch war, Frieden in den von der Ukraine mit Krieg überzogenen Donbass zu bringen, sondern unterzeichnet wurde, um Zeit zu schinden. Zeit, um die Ukraine aufzurüsten und sie weiter in die NATO zu integrieren.

Als die Russische Föderation am 24. Februar des vergangenen Jahres in den bereits seit 2014 laufenden Krieg eintrat und die Ukraine angriff, lagen die unter dem großen Getöse der »Zeitenwende« von der Ampelregierung und Bundeskanzler Olaf Scholz vorgestellten Aufrüstungspläne schon lange in der Schublade. 102 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr waren bereits Thema der Koalitionsverhandlungen – es ist der größte Hochrüstungsetat in der Geschichte der Bundesrepublik.

Mit diesem Programm soll Deutschland dauerhaft den drittgrößten Kriegsetat der Welt bekommen. Als Führungsmacht in der EU will Deutschland den Weg zur Weltmacht gehen und gleichzeitig dabei helfen, die Vormachtstellung des Imperialismus insgesamt zu verteidigen. Das führt im Verhältnis zum US-Imperialismus zu einem ständig sich verändernden Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz. Manchmal auch zu Absurditäten. Ein Beispiel dafür ist das deutsche Schweigen zum Anschlag auf Nord Stream 1 und 2, der von den USA mindestens gebilligt, vermutlich aber eher ausgeführt wurde. Egal wer es nun genau war, Fakt ist, dass damit die Möglichkeit, kostengünstig Gas aus Russland zu beziehen, zerstört worden ist. Jetzt gibt es teureres, schwerer zu transportierendes und umweltschädlicheres Frackinggas. Nach den immer weiter ausufernden Sanktionen war die Sprengung der Pipelines eine weitere Eskalation im (Wirtschafts-)Krieg gegen Russland.

Doch nicht nur die Russische Föderation, die nach Meinung von Außenministerin Annalena Baerbock »ruiniert« werden soll, steht im Fokus von USA, Deutschland und NATO. Das eigentliche Ziel heißt Volksrepublik China. Für dieses Ziel, den Angriff auf den systemischen Gegner China, wird die von der UNO anerkannte Ein-China-Politik immer wieder in Frage gestellt, werden Waffen nach Taiwan geliefert, gewalttätige Demonstranten in Hongkong zu Freiheitskämpfern verklärt und die Mär vom Völkermord an den Uiguren verbreitet. Für dieses Ziel schippern auch deutsche Fregatten durch den Indopazifik.

Und wer soll für Krieg und Hochrüstung bezahlen? Wir. Bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine stiegen die Energiepreise. Die Inflation verteuerte sodann die Lebensmittel, insgesamt stiegen die Preise für Güter der Daseinsvorsorge an. Gleichzeitig explodierten die Gewinne der Rüstungs- und Energiekonzerne. Wenn doch mal einer stolpert – wie Uniper –, bezahlen wir das. Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert – die Lasten der Krise werden so in allen Bereichen auf die arbeitende Klasse abgewälzt.

Dank steigender Steuereinnahmen bei steigenden Preisen verdient der Staat gleich mit an der Umverteilung und leistet sich so das eine oder andere Feigenblatt wie die »Entlastungspakete«, von denen DGB-Vorsitzende Fahimi so schwärmt. Doch die Menschen in diesem Land leiden unter den Folgen des Wirtschaftskriegs gegen Russland, viele von ihnen stehen in diesem Winter nicht mehr vor der Entscheidung, ob sie hungern oder frieren. Sie tun beides – die dicken Nachzahlungen werden trotzdem kommen. Glaubt man den Umfragen der jüngsten Zeit, dann ist eine Mehrheit der Menschen gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine, die den Krieg verlängern; und eine Mehrheit ist ebenso gegen die Sanktionen, die am meisten die deutsche Bevölkerung treffen.

Solange das aber nicht dazu führt, dass diese Menschen sich zusammentun und ihren Protest als Bewegung auf die Straße tragen, werden die Herrschenden, das Monopolkapital und seine Regierung von ihrer Politik nicht ablassen.

Breite Bündnisse

Wir brauchen eine breite Friedensbewegung, wir brauchen eine breite Bewegung im sozialen Abwehrkampf. Eine solche Breite wird aber auch bedeuten, dass diese Bewegung keine rein linke Bewegung sein wird. Linke, Marxisten, Kommunistinnen und Kommunisten werden darin um ihre Ideen, ihre Überlegungen kämpfen müssen. Natürlich gehört die Eigentumsfrage in solchen Bündnissen auf den Tisch, sie darf aber nicht zur Eintrittskarte werden. Die Frage nach den »deutschen Interessen« wird in der Bewegung eine Rolle spielen. Wir kämpfen dafür, dass die Antwort auf diese Frage lautet: Wir führen einen Kampf für die Interessen aller Menschen, die in diesem Land leben, und damit gegen Wirtschaftskrieg, Waffenlieferungen und Hochrüstung.

Im Moment tun die Herrschenden alles, um einen gemeinsamen Protest der Menschen in diesem Land zu verhindern. Dazu gehört eine Politik der Beruhigung durch Hilfspakete und kleine Erleichterungen, die wir über die Steuern selbst finanzieren. Dazu gehört auch, große Teile der Proteste als »verschwörungstheoretisch« und »rechts« zu diskreditieren. Natürlich gibt es rechte Proteste gegen Inflation oder Krieg, hier spielen diese Kräfte ihre Rolle im Kapitalismus: Ablenken von den wahren Ursachen der Probleme und den Protest in kapitalismuskonforme Bahnen lenken. Wenn die Menschen genauer hinsehen, werden sie aber feststellen, dass diese Kräfte ihnen keine funktionierende Daseinsvorsorge, kein bezahlbares Leben und erst recht keines in Frieden bringen werden, weil sie dies auch gar nicht wollen.

Der Versuch der Spaltung liegt darin, Positionen gegen den Krieg der NATO prinzipiell als »rechts« zu diffamieren. Das dürfen wir nicht zulassen. Für die DKP ist es deswegen nicht nur wichtig, Bündnisse zu initiieren, sondern auch, in den Bewegungen um Positionen zu ringen und als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter dafür zu kämpfen, dass die Gewerkschaften Widerstand gegen Abwälzung der Krisenlasten nach unten entwickeln.

Denn was wir jetzt brauchen, ist kein ruhiges Hinterland, keine geschlossene Heimatfront gegen den bösen Russen und keine konzertierte Aktion, in der sich DGB und Kapitalvertreter an einen Tisch setzen und beraten, wie sie die soziale Situation »befrieden«. Wir brauchen einen breiten, einen massenhaften Protest auf der Straße. Und wir brauchen kämpferische Gewerkschaften, die sich gegen die Angriffe des Kapitals zur Wehr setzen und die Proteste auf der Straße mit den anstehenden Tarifrunden verbinden.

Melina Deymann ist Redakteurin für internationale Politik und Kultur sowie Chefin vom Dienst der DKP-Wochenzeitung Unsere Zeit

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